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Anspruch auf bezahlte Dienstfreistellung bzw. Homeoffice für Angehörige der COVID-19-Risikogruppe

(Bild: © Lyubov Ivanova) (Bild: © Lyubov Ivanova)

Durch den Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2 und die dadurch ausgelöste weltweite COVID-19-Pandemie wurde das Arbeiten im Homeoffice zum Massenphänomen. Homeoffice bedarf stets einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer; weder dürfen Arbeitgeber Homeoffice einseitig anordnen noch haben Arbeitnehmer ein „Recht auf Homeoffice“, und zwar auch dann nicht, wenn sie eine Ansteckung mit dem Coronavirus durch persönliche Kontakte mit Kollegen oder Kunden befürchten. Im Zuge der aktuellen COVID‑19 Krise wurde mit § 735 ASVG jedoch eine Sonderbestimmung für Dienstnehmer, geringfügig beschäftigte Personen und Lehrlinge eingeführt, bei denen aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes ein besonderes Risiko im Falle einer Erkrankung an COVID-19 besteht.

VON: Mag. Oliver Walther, Rechtsanwalt und Partner, und Mag. Nils Gröschel, Rechtsanwaltsanwärter, bei Preslmayr Rechtsanwälte

Aufgrund des § 735 ASVG hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf Grundlage der Empfehlung einer Expertengruppe mit der COVID-19-Risikogruppen-Verordnung (BGBl. II 2020/203) die Definition einer allgemeinen COVID-19-Risikogruppe festgelegt. Die Verordnung trat rückwirkend am 6.5.2020 in Kraft.

Auf Basis dieser Festlegung hat der Dachverband die betroffenen Personen über ihre Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe zu informieren. Der die betroffene Person behandelnde Arzt hat nach Vorlage dieses Informationsschreibens auf Basis der Definition die individuelle Risikosituation zu beurteilen und gegebenenfalls ein COVID-19-Risiko-Attest auszustellen (ohne Angabe von Diagnosen).

Die COVID-19-Risikogruppen-Verordnung nennt die Krankheitsbilder, die eine medizinische Indikation für die Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe darstellen. Dazu zählen etwa fortgeschrittene chronische Lungenkrankheiten, chronische Herzerkrankungen, Krebserkrankungen, Erkrankungen, die mit einer dauerhaften und relevanten Immunsuppression behandelt werden müssen, fortgeschrittene chronische Nierenerkrankungen, chronische Lebererkrankungen, ausgeprägte Adipositas, schwerer Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie.

Die Bewertung durch den behandelnden Arzt hat aber immer anhand der konkreten medizinischen Einzelsituation der betroffenen Person zu erfolgen. Daher kann in Ausnahmefällen auch losgelöst von den in der Verordnung genannten medizinischen Indikationen ein COVID-19-Risiko-Attest ausgestellt werden. Die Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attest kann auch unabhängig von einem Informationsschreiben des Dachverbandes erfolgen, wobei ein bereits bestehendes ärztliches Attest nicht als COVID‑19-Risiko-Attest anerkannt wird, sondern ein neues Attest ausgestellt werden muss.

Legt eine betroffene Person ihrem Dienstgeber ein COVID‑19‑Risiko-Attest vor, hat sie grundsätzlich einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung bei Fortzahlung des Entgelts. Dies gilt allerdings nicht, wenn sie ihre Arbeitsleistung in der Wohnung erbringen kann (Homeoffice) oder die Bedingungen für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung in der Arbeitsstätte durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden können, dass eine Ansteckung mit COVID‑19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist, wobei hierfür auch Maßnahmen für den Arbeitsweg miteinzubeziehen sind. Besteht hingegen bei einer im gemeinsamen Haushalt lebenden Person ein erhöhtes Risiko, begründet dies keinen Anspruch auf Freistellung oder besondere Schutzmaßnahmen nach § 735 ASVG.

Die Freistellung kann (derzeit) längstens bis zum 30.6.2020 dauern (BGBl. II 230/2020). Sofern die COVID-19 Krisensituation über dieses Datum hinaus geht, hat die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung den Zeitraum, in dem eine Freistellung möglich ist, zu verlängern. Dies ist jedoch gemäß § 735 Abs 3 ASVG längstens bis zum 31.12.2020 möglich.

Die in der ursprünglichen Fassung des § 735 ASVG vorgesehene Ausnahme für den Bereichen der kritischen Infrastruktur ist durch das 9. COVID-19-Gesetz weggefallen. Ausgenommen sind nunmehr nur noch Bedienstete der Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden sowie Bedienstete, auf deren Dienstverhältnis § 29p VBG anzuwenden ist. Auch nach dem VBG und dem B-KUVG gibt es ähnliche Freistellungsregelungen.

Die Bestimmungen des § 735 ASVG sehen darüber hinaus auch einen besonderen Kündigungsschutz vor. Wird eine Kündigung wegen der Inanspruchnahme der Dienstfreistellung ausgesprochen, kann diese bei Gericht angefochten werden.

Der Dienstgeber hat gegenüber dem Krankenversicherungsträger einen Anspruch auf Erstattung des an die betroffenen Personen zu leistenden Entgelts, der für diesen Zeitraum abzuführenden Steuern und Abgaben sowie der zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge, Arbeitslosenversicherungsbeiträge und sonstigen Beiträge.

Ausgenommen von der Erstattung sind politische Parteien und sonstige juristische Personen öffentlichen Rechts, ausgenommen jene, die wesentliche Teile ihrer Kosten über Leistungsentgelte finanzieren und am Wirtschaftsleben teilnehmen. Der Antrag auf Ersatz ist unter Vorlage der entsprechenden Nachweise spätestens sechs Wochen nach dem Ende der Freistellung beim Krankenversicherungsträger einzubringen. Die dem Krankenversicherungsträger daraus resultierenden Aufwendungen sind diesem vom Bund zu ersetzen.