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COVID-19: Sonderregelung für Arbeitsunfälle im Homeoffice

(Bild: © http://www.fotogestoeber.de) (Bild: © http://www.fotogestoeber.de)

Durch den Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2 und die dadurch ausgelöste weltweite Covid-19-Pandemie wurde das Arbeiten von zu Hause aus – auch Homeoffice oder Telearbeit genannt – österreichweit zum Massenphänomen. Diesbezüglich stellt sich auch die Frage, wie Unfälle im Homeoffice zu beurteilen sind.

VON: Mag. Oliver Walther, Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte

Hervorzuheben ist zunächst, dass Arbeitgeber eine Tätigkeit im Homeoffice – trotz der österreichweiten Krisensituation – nicht einseitig anordnen dürfen. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Arbeiten im Homeoffice besteht nur dann, wenn eine diesbezügliche Vereinbarung oder ein entsprechender Versetzungsvorbehalt bereits im Arbeitsvertrag enthalten ist. Ebenso haben aber auch Arbeitnehmer kein Recht auf Homeoffice, und zwar auch dann nicht, wenn sie eine Ansteckung mit dem Coronavirus durch persönliche Kontakte mit Kollegen oder Kunden befürchten.

Dementsprechend bedarf eine Tätigkeit im Homeoffice auch in Zeiten der Corona-Krise grundsätzlich einer – allenfalls auch schlüssigen – Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aufgrund der dringenden Apelle der Regierung und der erlassenen Verordnungen und Gesetze (siehe z.B. § 734 ASVG idF BGBl. I 23/2020) sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber mehr oder weniger zu dieser Arbeitsform gezwungen, sofern dies technisch und organisatorisch möglich ist; und Arbeitnehmer sind nicht zuletzt auch aufgrund des besseren Schutzes vor Ansteckung gut beraten, ein entsprechendes Angebot des Arbeitgebers anzunehmen.

Die Tätigkeit im Homeoffice brachte schon vor COVID-19 einige rechtliche Fragen mit sich. Aspekte wie Arbeitszeiten und deren Aufzeichnung, Beistellung der Arbeitsmittel (Büroausstattung, IT-Equipment) und Haftung bei Beschädigung, Erreichbarkeiten und Kostenersatz für Internet und Telefon sollten unbedingt vorab zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. Aus Arbeitgebersicht müssen zudem datenschutzrechtliche Aspekte beachtet werden, um durch entsprechende Weisungen und technische Sicherheitsmaßnahmen sicherzustellen, dass betriebsfremde Personen keinen Zugriff auf Unternehmensdaten haben. Dabei zählen selbstverständlich auch Familienangehörige und Mitbewohner als betriebsfremde Personen.

Außerdem stellt sich die Frage, wie Unfälle im Homeoffice zu behandeln sind, also ob diese als Arbeitsunfälle oder als Freizeitunfälle gelten. Dabei ist zunächst mit einem Missverständnis aufzuräumen: Natürlich sind Arbeitnehmer auch im Homeoffice insofern abgesichert, als sie im Falle einer (auch unfallbedingten) Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben. Gemäß § 8 Abs 1 AngG behält ein Angestellter Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert ist, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Wenn das Dienstverhältnis ein Jahr gedauert hat, beträgt der Anspruch auf das Entgelt acht Wochen und erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Dienstverhältnis fünfzehn Jahre gedauert hat und auf zwölf Wochen, wenn es fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch je weitere vier Wochen behält der Angestellte den Anspruch auf das halbe Entgelt. Für Arbeiter enthält § 2 EFZG eine im Wesentlichen gleichlautende Regelung. Bei wiederholten Krankenständen innerhalb eines Arbeitsjahres kommt es seit BGBl. I 153/2017 bei beiden Arbeitnehmergruppen zu einer Zusammenrechnung der Anspruchszeiten. Mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres steht der Anspruch wieder im vollen Umfang zu.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine Arbeitsunfähigkeit auf einen Unfall im Homeoffice zurückzuführen ist. Nach § 8 Abs 2a AngG bzw. § 2 Abs 5 EFZG haben Arbeitnehmer jedoch bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung separate Ansprüche auf Entgeltfortzahlung pro Anlassfall, ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung (sog. „zweiter Topf“). Da Arbeitsunfälle also auch im Bereich der Entgeltfortzahlung privilegiert sind, kann die Unterscheidung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht, in bestimmten Konstellationen von Bedeutung sein. Dies etwa bei besonders schweren Unfällen mit langwierigen Folgen oder wenn aufgrund vorheriger langer Krankenstände der „erste Topf“ gemäß § 8 Abs 1 AngG bzw. § 2 Abs 1 EFZG bereits weitgehend ausgeschöpft wurde.

Das AngG und das EFZG enthalten keine Legaldefinitionen, was unter dem Begriff Arbeitsunfall zu verstehen ist; § 8 Abs 1 AngG und § 2 Abs 1 EFZG verweisen vielmehr auf die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung und somit auf die §§ 175 f ASVG.

Sozialversicherungsrechtlich ist die Unterscheidung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht, ebenfalls von besonderer Bedeutung, zumal der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nur bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten besteht; liegt weder ein Arbeitsunfall noch eine Berufskrankheit vor, sondern ein „Freizeitunfall“, wird die Unfallversicherung nicht leistungspflichtig (sondern nur die Krankenversicherung). Der wesentliche Unterschied ist, dass es bei einem „Freizeitunfall“ keine Renten gibt, also keine Dauerleistung für die Verminderung der Arbeitsfähigkeit, bei einem Arbeitsunfall hingegen schon.

Gemäß § 175 Abs 1 ASVG gelten solche Unfälle als Arbeitsunfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Neben dem klassischen Arbeitsunfall werden auch einige andere Unfälle im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung (insbesondere Wegunfälle) als Arbeitsunfälle anerkannt bzw. diesen gleichgestellt (§ 175 Abs 2 ff und § 176 ASVG).

Bis zum 3. COVID-19-Gesetz (BGBl. I 23/2020) gab es in den Sozialversicherungsgesetzen jedoch keine Sonderregelungen für den Unfallversicherungsschutz im Homeoffice, weshalb sich zum Teil schwierige Abgrenzungsfragen gestellt haben. Anders als gelegentlich suggeriert bedeutete dies aber nicht, dass Unfälle im Homeoffice bislang (überhaupt) nicht vom Unfallversicherungsschutz erfasst waren. Auch Unfälle im Homeoffice konnten (und können) Arbeitsunfälle sein. Die österreichische Rechtsprechung hat bei der Beurteilung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht, bislang danach unterschieden, wo genau im Homeoffice sich der Unfall ereignet hat. Ein Arbeitsunfall lag demnach vor, wenn sich der Unfall in einem „wesentlich betrieblichen Zwecken dienenden Teil des Gebäudes“ ereignet, der „nicht mehr zu den ausschließlich dem persönlichen Lebensbereich“ des Arbeitnehmers zuzurechnenden Teilen der Wohnung gehört. So hat der OGH etwa einen Vorfall als Arbeitsunfall qualifiziert, bei dem sich ein Arbeitnehmer am Rückweg von der Toilette auf einer Holztreppe verletzte, die überwiegend dazu benützt wurde, um den Arbeitsplatz im Homeoffice zu erreichen (OGH 10 ObS 79/07a). Im Ergebnis war somit bei der Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes darauf abzustellen, ob sich der Unfall im rein persönlichen Bereich des Hauses oder aber im betrieblich genützten Bereich ereignet hat. In vielen Fällen hat diese Abgrenzung dazu geführt, dass das Vorliegen eines Arbeitsunfalles verneint wurde, insbesondere wenn sich der der Unfall in einem Bereich ereignet hat, der überwiegend privat benützt wird. So wäre etwa ein Unfall auf der Toilette selbst kein Arbeitsunfall gewesen.

Nach Ansicht des Gesetzgebers sind diese strengen Abgrenzungskriterien im Zusammenhang mit „verordnetem“ Homeoffice während der Corona-Krise unzumutbar, weil die Versicherten notgedrungen in den ihnen zur Verfügung stehenden Privaträumlichkeiten ihre beruflichen Tätigkeiten verrichten müssen. Aus diesem Grund soll mit dem neuen § 175 Abs 1a ASVG sichergestellt werden, dass für die Dauer der Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz Arbeitsunfälle auch Unfälle sind, die sich im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung am Aufenthaltsort der versicherten Person (Homeoffice) ereignen. Da auch bestimmte Wegunfälle im Zusammenhang mit der Befriedigung lebenswichtiger persönlicher Bedürfnisse vom Unfallversicherungsschutz umfasst sind, wurden auch die Wegbestimmungen in die neuen Regelungen einbezogen; § 175 Abs 11b ASVG stellt klar, dass der Aufenthaltsort der versicherten Person (Homeoffice) als Arbeitsstätte im Sinne des § 175 Abs 2 ASVG gilt.

Damit ist (vorübergehend) gesetzlich klargestellt, dass alle Unfälle im Homeoffice vom Unfallversicherungsschutz erfasst sind, sofern ein zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang mit der Beschäftigung vorliegt; der jeweilige Aufenthaltsort des Versicherten wird zum Betriebsort erklärt und jegliche Unfälle im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit während der Arbeitszeit gelten als Arbeitsunfälle, unabhängig davon, ob sich der Unfall in einem abgegrenzten Arbeitszimmer ereignet oder am Weg zur (auch privat benutzten) Toilette. Die wesentliche Privatnutzung von Räumen, in denen während der Krise auch gearbeitet wird, schließt einen Arbeitsunfall nicht aus. Rein private Unfälle, z.B. im Badezimmer außerhalb der Arbeitszeit, gelten jedoch weiterhin nicht als Arbeitsunfälle. § 175 Abs 1a und 1b ASVG idF BGBl. I 23/2020 (3. COVID-19-Gesetz) ist rückwirkend mit 11.3.2020 in Kraft getreten und tritt mit 31.12.2020 wieder außer Kraft. Die neuen Regelungen sollen ausdrücklich nur für die derzeitige besondere Situation im Arbeitsleben und daher ausschließlich für jenen Zeitraum gelten, in denen besondere Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz aufrecht sind. Für die Zeit nach der Corona-Krise gelten wieder die bisherigen Abgrenzungskriterien.