Seit 16.3.2020 sind das COVID‑19‑Maßnahmengesetz sowie darauf basierende Verordnungen in Kraft, mit denen einschneidende Maßnahmen in das öffentliche Leben, den privaten Bereich und die Wirtschaft mit dem Ziel der Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus gesetzt wurden. Seither gibt es in Österreich de facto keine Gastronomie und keinen Fremdenverkehr mehr, die Kundenbereiche der meisten Unternehmen sind gesperrt und öffentliche Orte dürfen nur aus bestimmten Gründen betreten werden. Darüber hinaus sind Betriebe angehalten, ihre Mitarbeiter nach Möglichkeit vom Home-Office aus arbeiten zu lassen; in der Arbeitsstätte ist ein Mindestabstand von einem Meter einzuhalten.
Obwohl es auch in den Branchen, die nicht die notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens decken, kein Verbot des Handels mit Waren und der Erbringung von Dienstleistungen gibt – es sind „nur“ die Kundenbereiche gesperrt –, hat man mitunter den Eindruck, dass das Wirtschaftsleben beinahe zum vollständigen Erliegen gekommen ist. So stehen beispielweise zahlreiche Baustellen still, weil auf der einen Seite Baukonzerne generell die Bauausführung unterbrochen und auf der anderen Seite viele Auftraggeber von Baustopps verhängt haben. Erst vor wenigen Tagen haben sich die Bau-Sozialpartner auf eine „Handlungsanleitung für sicheres Arbeiten auf Baustellen“ geeinigt, die offenbar auch vom Gesundheitsminister akzeptiert wurde, sodass Rechtssicherheit bestehen sollte, was die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor COVID-19 auf Baustellen betrifft. Trotz der nun vorliegenden Richtlinien scheint es aber keineswegs so, als würden nun alle Baustellen wieder hochgefahren werden.
Insbesondere Großauftraggeber, darunter zahlreiche Wohnbaugenossenschaften, denken nicht daran, ihre Baustellen für ihre Auftragnehmer wieder zu öffnen und geben vor, im Interesse der auf den Baustellen beschäftigten Arbeitnehmer zu handeln. (Dass wirklich alle Bauarbeiter die Arbeitslosigkeit dem Infektionsrisiko vorziehen, darf bezweifelt werden.) Einzelne Wohnbaugenossenschaften meinen sogar, sie würden (sozusagen großzügiger Weise) trotz der von ihnen verhängten Baustopps den beauftragen Bauunternehmen keine Pönalen in Rechnung stellen und den zukünftigen Mietern die Mehrkosten nicht weitergeben.
Die Folgen der Einstellung von Baustellen sind dramatisch. Verbieten große Bauherrn ihren Auftragnehmern die Leistungserbringung oder verweigern die Bauunternehmen die Bautätigkeit, leidet der ganze Wirtschaftssektor darunter. Steht der Bau, steht auch die Baustoffindustrie. Gibt es keine Baustoffe mehr, können selbst dort keine Leistungen mehr erbracht werden, wo noch leistungswillige Unternehmer vorhanden sind.
Die mit der Aussetzung der Bautätigkeit einhergehenden Bauverzögerungen haben natürlich auch nachteilige Folgen für die künftigen Nutzer der in Bau befindlichen Objekt. Man denke nur an Häuslbauer oder künftige Mieter, die ihr bisheriges Mietverhältnis bereits rechtswirksam gekündigt haben und sich eine Ersatzunterkunft suchen müssen, was in Krisenzeiten nicht gerade einfach ist und erhebliche Mehrkosten verursacht.
Aber die Baubranche ist nur ein Beispiel von vielen. Denn auch Betriebe in anderen Branchen, die nach wie vor geöffnet halten dürften, haben ihre Tore bis auf weiteres geschlossen. So etwa zahlreiche Kfz-Werkstätten, deren Kundenbereiche von den Betriebssperren sogar ausdrücklich ausgenommen sind. Viele Werkstätten sind komplett geschlossen, andere erbringen ihr Leistungen nur in Notfällen.
Bei den Vertragswerkstätten ist dies vermutlich einerseits auf (internationale) konzerninterne Vorgaben zurückzuführen, andererseits aber auch auf wirtschaftliche Überlegungen, insbesondere aufgrund des stark zurückgegangenen Kundenandrangs. Aber auch ein geplatzter Werkstatttermin kann für den Kunden unangenehm und teuer werden.
Klar ist also, dass die von vielen Unternehmen ohne rechtliche Notwendigkeit praktizierte Einstellung der Leistungserbringung für deren Vertragspartner ganz gravierende, mitunter existenzbedrohende, Folgen haben kann. Insbesondere die Unternehmer, die die Krise angeschlagen „überleben“, und die Insolvenzverwalter der anderen werden wohl eines Tages die Frage stellen, ob sie jemanden für ihre wirtschaftlichen Einbußen zur Verantwortung ziehen können, und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen überlegen. Denn wer Leistungen nicht, wie vereinbart, erbringt oder annimmt, wird vertragsbrüchig und handelt somit rechtwidrig. Trifft ihn am Vertragsbruch ein Verschulden, hat er dem Vertragspartner die verursachten Schäden zu ersetzen.
Beim Verschulden wird zwischen Fahrlässigkeit, also der Außerachtlassung der „gehörigen Sorgfalt“, und Vorsatz unterschieden. Stets geht es aber um die Frage, ob der vertragsbrüchigen Seite ihr rechtswidriges Handeln oder Unterlassen persönlich vorwerfbar ist. Dies wird dort nicht der Fall sein, wo eine Leistungserbringung oder ‑annahme wegen einer von den Behörden verhängten Maßnahme gar nicht zulässig war.
Was ist aber in jenen Fällen, in denen die Leistungen hätten erbracht oder angenommen werden dürfen, also kein (behördliches) Verbot entgegenstand? Darf die Kfz-Werkstätte den vereinbarten Werkstatttermin aus Sorge um ihre Mitarbeiter (Stichwort Fürsorgepflicht des Arbeitgebers) „platzen“ lassen? Darf die Wohnbaugenossenschaft zum Zweck der Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus einfach einen Baustopp verhängen?
Die Antwort wird in der Regel nein sein. Die Bundesregierung ruft zwar zur Einhaltung der Hygienevorgaben und des Mindestabstands auf, hat aber eben nicht alle Tätigkeiten verboten, bei denen nicht im selben Haushalt lebende Menschen aufeinander treffen. Denn neben dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gibt es auch das Interesse, dass die Grundversorgung im Land gewährleistet bleibt und die Wirtschaft nicht in sich zusammenbricht.
Es entspricht daher wohl auch dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers, dass die unternehmerische Tätigkeit in den nicht untersagten Bereichen (freilich unter Beachtung des angeordneten Mindestabstands und Anwendung sonstiger erforderlicher Sicherheitsmaßnahmen) aufrecht bleiben soll und bereits abgeschlossene Verträge nicht gebrochen werden dürfen.
Dies spricht also deutlich für das Bestehen von Ersatzansprüchen für Schäden, die ein Vertragspartner wegen „grundloser“ Verweigerung der Leistungserbringung (oder ‑annahme) durch die andere Vertragspartei erleidet. Der beauftragte Bauunternehmer, der leistungsbereit ist, aber vom Bauherrn nicht auf die Baustelle gelassen wird, hat diesem gegenüber daher womöglich Ansprüche wegen erheblichem Verdienstentgangs.
Ebenso kommen Ansprüche gegen die Kfz-Werkstatt in Betracht, die vereinbarungswidrig ein Auto nicht repariert und dem Halter dadurch einen Schaden verursacht – etwa weil dieser mit einem defekten Fahrzeug seinen eigenen beruflichen Pflichten nicht nachkommen kann oder er von der Polizei dafür bestraft wird, dass er mit abgefahrenen Reifen oder einer kaputten Windschutzscheibe durch die Gegend fahren muss. Ein Thema, von dem wir in der Zeit nach COVID-19 wohl noch öfter lesen werden.
Zum Autor:
Mag. Günther Billes ist Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte.
Seit 16.3.2020 sind das COVID‑19‑Maßnahmengesetz sowie darauf basierende Verordnungen in Kraft, mit denen einschneidende Maßnahmen in das öffentliche Leben, den privaten Bereich und die Wirtschaft mit dem Ziel der Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus gesetzt wurden. Seither gibt es in Österreich de facto keine Gastronomie und keinen Fremdenverkehr mehr, die Kundenbereiche der meisten Unternehmen sind gesperrt und öffentliche Orte dürfen nur aus bestimmten Gründen betreten werden. Darüber hinaus sind Betriebe angehalten, ihre Mitarbeiter nach Möglichkeit vom Home-Office aus arbeiten zu lassen; in der Arbeitsstätte ist ein Mindestabstand von einem Meter einzuhalten.
Obwohl es auch in den Branchen, die nicht die notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens decken, kein Verbot des Handels mit Waren und der Erbringung von Dienstleistungen gibt – es sind „nur“ die Kundenbereiche gesperrt –, hat man mitunter den Eindruck, dass das Wirtschaftsleben beinahe zum vollständigen Erliegen gekommen ist. So stehen beispielweise zahlreiche Baustellen still, weil auf der einen Seite Baukonzerne generell die Bauausführung unterbrochen und auf der anderen Seite viele Auftraggeber von Baustopps verhängt haben. Erst vor wenigen Tagen haben sich die Bau-Sozialpartner auf eine „Handlungsanleitung für sicheres Arbeiten auf Baustellen“ geeinigt, die offenbar auch vom Gesundheitsminister akzeptiert wurde, sodass Rechtssicherheit bestehen sollte, was die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor COVID-19 auf Baustellen betrifft. Trotz der nun vorliegenden Richtlinien scheint es aber keineswegs so, als würden nun alle Baustellen wieder hochgefahren werden.
Insbesondere Großauftraggeber, darunter zahlreiche Wohnbaugenossenschaften, denken nicht daran, ihre Baustellen für ihre Auftragnehmer wieder zu öffnen und geben vor, im Interesse der auf den Baustellen beschäftigten Arbeitnehmer zu handeln. (Dass wirklich alle Bauarbeiter die Arbeitslosigkeit dem Infektionsrisiko vorziehen, darf bezweifelt werden.) Einzelne Wohnbaugenossenschaften meinen sogar, sie würden (sozusagen großzügiger Weise) trotz der von ihnen verhängten Baustopps den beauftragen Bauunternehmen keine Pönalen in Rechnung stellen und den zukünftigen Mietern die Mehrkosten nicht weitergeben.
Die Folgen der Einstellung von Baustellen sind dramatisch. Verbieten große Bauherrn ihren Auftragnehmern die Leistungserbringung oder verweigern die Bauunternehmen die Bautätigkeit, leidet der ganze Wirtschaftssektor darunter. Steht der Bau, steht auch die Baustoffindustrie. Gibt es keine Baustoffe mehr, können selbst dort keine Leistungen mehr erbracht werden, wo noch leistungswillige Unternehmer vorhanden sind.
Die mit der Aussetzung der Bautätigkeit einhergehenden Bauverzögerungen haben natürlich auch nachteilige Folgen für die künftigen Nutzer der in Bau befindlichen Objekt. Man denke nur an Häuslbauer oder künftige Mieter, die ihr bisheriges Mietverhältnis bereits rechtswirksam gekündigt haben und sich eine Ersatzunterkunft suchen müssen, was in Krisenzeiten nicht gerade einfach ist und erhebliche Mehrkosten verursacht.
Aber die Baubranche ist nur ein Beispiel von vielen. Denn auch Betriebe in anderen Branchen, die nach wie vor geöffnet halten dürften, haben ihre Tore bis auf weiteres geschlossen. So etwa zahlreiche Kfz-Werkstätten, deren Kundenbereiche von den Betriebssperren sogar ausdrücklich ausgenommen sind. Viele Werkstätten sind komplett geschlossen, andere erbringen ihr Leistungen nur in Notfällen.
Bei den Vertragswerkstätten ist dies vermutlich einerseits auf (internationale) konzerninterne Vorgaben zurückzuführen, andererseits aber auch auf wirtschaftliche Überlegungen, insbesondere aufgrund des stark zurückgegangenen Kundenandrangs. Aber auch ein geplatzter Werkstatttermin kann für den Kunden unangenehm und teuer werden.
Klar ist also, dass die von vielen Unternehmen ohne rechtliche Notwendigkeit praktizierte Einstellung der Leistungserbringung für deren Vertragspartner ganz gravierende, mitunter existenzbedrohende, Folgen haben kann. Insbesondere die Unternehmer, die die Krise angeschlagen „überleben“, und die Insolvenzverwalter der anderen werden wohl eines Tages die Frage stellen, ob sie jemanden für ihre wirtschaftlichen Einbußen zur Verantwortung ziehen können, und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen überlegen. Denn wer Leistungen nicht, wie vereinbart, erbringt oder annimmt, wird vertragsbrüchig und handelt somit rechtwidrig. Trifft ihn am Vertragsbruch ein Verschulden, hat er dem Vertragspartner die verursachten Schäden zu ersetzen.
Beim Verschulden wird zwischen Fahrlässigkeit, also der Außerachtlassung der „gehörigen Sorgfalt“, und Vorsatz unterschieden. Stets geht es aber um die Frage, ob der vertragsbrüchigen Seite ihr rechtswidriges Handeln oder Unterlassen persönlich vorwerfbar ist. Dies wird dort nicht der Fall sein, wo eine Leistungserbringung oder ‑annahme wegen einer von den Behörden verhängten Maßnahme gar nicht zulässig war.
Was ist aber in jenen Fällen, in denen die Leistungen hätten erbracht oder angenommen werden dürfen, also kein (behördliches) Verbot entgegenstand? Darf die Kfz-Werkstätte den vereinbarten Werkstatttermin aus Sorge um ihre Mitarbeiter (Stichwort Fürsorgepflicht des Arbeitgebers) „platzen“ lassen? Darf die Wohnbaugenossenschaft zum Zweck der Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus einfach einen Baustopp verhängen?
Die Antwort wird in der Regel nein sein. Die Bundesregierung ruft zwar zur Einhaltung der Hygienevorgaben und des Mindestabstands auf, hat aber eben nicht alle Tätigkeiten verboten, bei denen nicht im selben Haushalt lebende Menschen aufeinander treffen. Denn neben dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gibt es auch das Interesse, dass die Grundversorgung im Land gewährleistet bleibt und die Wirtschaft nicht in sich zusammenbricht.
Es entspricht daher wohl auch dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers, dass die unternehmerische Tätigkeit in den nicht untersagten Bereichen (freilich unter Beachtung des angeordneten Mindestabstands und Anwendung sonstiger erforderlicher Sicherheitsmaßnahmen) aufrecht bleiben soll und bereits abgeschlossene Verträge nicht gebrochen werden dürfen.
Dies spricht also deutlich für das Bestehen von Ersatzansprüchen für Schäden, die ein Vertragspartner wegen „grundloser“ Verweigerung der Leistungserbringung (oder ‑annahme) durch die andere Vertragspartei erleidet. Der beauftragte Bauunternehmer, der leistungsbereit ist, aber vom Bauherrn nicht auf die Baustelle gelassen wird, hat diesem gegenüber daher womöglich Ansprüche wegen erheblichem Verdienstentgangs.
Ebenso kommen Ansprüche gegen die Kfz-Werkstatt in Betracht, die vereinbarungswidrig ein Auto nicht repariert und dem Halter dadurch einen Schaden verursacht – etwa weil dieser mit einem defekten Fahrzeug seinen eigenen beruflichen Pflichten nicht nachkommen kann oder er von der Polizei dafür bestraft wird, dass er mit abgefahrenen Reifen oder einer kaputten Windschutzscheibe durch die Gegend fahren muss. Ein Thema, von dem wir in der Zeit nach COVID-19 wohl noch öfter lesen werden.
Zum Autor:
Mag. Günther Billes ist Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte.