Aufgrund des Ausbruchs des Coronavirus begegnet man nun häufiger dem Begriff der „höheren Gewalt“ oder auch dem Begriff „Force Majeure“. Doch was ist der Zweck des Rechtsinstituts der höheren Gewalt und wann liegt höhere Gewalt überhaupt vor? Die nachfolgenden FAQ sollen dazu ein wenig Aufklärung leisten.
Was ist der Zweck hinter der höheren Gewalt?
Liegt ein Fall höherer Gewalt vor, wird idR eine Person von einer Leistung, zu der sie sonst verpflichtet wäre, ganz oder teilweise befreit. In einem Vertragsverhältnis muss aufgrund von höherer Gewalt zB.: einerseits der Dienstleister die geschuldete Leistung nicht oder nicht vollständig erbringen, aber andererseits der Kunde die Leistung nicht oder nicht ganz bezahlen. In einem Schadenersatzprozess kann sich der Beklagte auf höhere Gewalt berufen und damit sein Verschulden verneinen. Höhere Gewalt spielt somit in Vertragsverhältnissen und im Schadenersatzrecht eine Rolle.
Gibt es eine Definition von höherer Gewalt?
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist höhere Gewalt „ein von außen einwirkendes elementares Ereignis, das auch durch die äußerste zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war, und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist.“ Das (Elementar-)Ereignis muss also (i) von außen einwirken, (ii) darf nicht regelmäßig vorkommen oder erwartet werden und (iii) kann nicht auch durch äußerste Sorgfalt abgewendet werden.
Was sind die klassischen Fälle von höherer Gewalt in Vertragsverhältnissen?
Höhere Gewalt spielt insbesondere im Reiserecht eine große Rolle. Bekannter Fall: Man hat bereits eine Reise gebucht und im Urlaubsland brechen zB.: politische Unruhen aus oder es kommt zu Überschwemmungen, einem Tsunami oder zum Ausbruch des SARS-Virus. Je nachdem, inwieweit die Reise von dem Elementarereignis betroffen ist, kann die Reise ganz storniert oder entsprechend angepasst werden. Solche Elementarereignisse können aber jedes Vertragsverhältnis beeinträchtigen, nicht nur Pauschalreiseverträge.
Ist das COVID-19 als höhere Gewalt einzustufen?
Grundsätzlich ja, denn der OGH hat das SARS-Virus in einem konkreten Fall als höhere Gewalt eingestuft. Höhere Gewalt ist aber immer im Einzelfall zu prüfen. Im Falle des COVID-19 sind nämlich eher die behördlichen Anordnungen, die aufgrund des Coronavirus erlassen werden, in vielen Branchen als höhere Gewalt anzusehen. Kann ein Unternehmen aufgrund einer behördlichen Anordnung die vertraglich geschuldete Leistung nicht erfüllen, wird wohl höhere Gewalt vorliegen. Aber auch hier ist zu unterscheiden, denn nicht alle Branchen sind von den behördlichen Anordnungen im gleichen Ausmaß betroffen.
Wo kann die höhere Gewalt aufgrund des Coronavirus nun besonders relevant sein?
Hauptsächlich im Mietrecht und im Arbeitsrecht. Im Mietrecht ist gemäß, § 1104 ABGB für ein Mietobjekt, das wegen „außerordentlicher Zufälle“ (auch „Seuchen“) gar nicht oder nur beschränkt gebraucht oder benutzt werden kann, auch kein bzw. ein geringerer Miet- oder Pachtzins zu entrichten. Im Arbeitsrecht kam es jetzt aufgrund des 2. COVID-19-Gesetzes (397/A) zu einer Klarstellung des § 1155 ABGB. Ohne diese Novelle würde das Risiko der höheren Gewalt nämlich der Arbeitnehmer tragen. Denn nur wenn der Arbeitnehmer seine Leistung aufgrund von Umständen nicht erbringen kann, die auf Seiten des Dienstgebers liegen, bestand der Entgeltanspruch fort. Bis Ende des Jahres stellt der neue Absatz 3 des § 1155 klar, dass die Maßnahmen auf Grundlage des COVID-19-Maßnahmengesetzes (BGBl. Nr. 12/2020), die zu Verbot oder zu Einschränkungen von Betrieben führen, eben Umstände sind, die auf Seiten des Dienstgebers liegen. Der Arbeitnehmer muss aber in dieser Zeit auf Verlangen des Arbeitgebers sein Urlaubs- und Zeitguthaben verbrauchen (siehe Artikel 10 des 2. COVID-19-Gesetzes.
Zum Autor:
Mag. Ronald Frankl, Managing Partner, Head of Corporate, M&A and Capital Markets und Head of Blockchain and Cryptocurrencies bei LANSKY, GANZGER + partner
Zum Autor:
Mag. Piotr Daniel Kocab, LL.M., Rechtsanwalt bei LANSKY, GANZGER + partner
Zum Originalartikel
Aufgrund des Ausbruchs des Coronavirus begegnet man nun häufiger dem Begriff der „höheren Gewalt“ oder auch dem Begriff „Force Majeure“. Doch was ist der Zweck des Rechtsinstituts der höheren Gewalt und wann liegt höhere Gewalt überhaupt vor? Die nachfolgenden FAQ sollen dazu ein wenig Aufklärung leisten.
Was ist der Zweck hinter der höheren Gewalt?
Liegt ein Fall höherer Gewalt vor, wird idR eine Person von einer Leistung, zu der sie sonst verpflichtet wäre, ganz oder teilweise befreit. In einem Vertragsverhältnis muss aufgrund von höherer Gewalt zB.: einerseits der Dienstleister die geschuldete Leistung nicht oder nicht vollständig erbringen, aber andererseits der Kunde die Leistung nicht oder nicht ganz bezahlen. In einem Schadenersatzprozess kann sich der Beklagte auf höhere Gewalt berufen und damit sein Verschulden verneinen. Höhere Gewalt spielt somit in Vertragsverhältnissen und im Schadenersatzrecht eine Rolle.
Gibt es eine Definition von höherer Gewalt?
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist höhere Gewalt „ein von außen einwirkendes elementares Ereignis, das auch durch die äußerste zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war, und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist.“ Das (Elementar-)Ereignis muss also (i) von außen einwirken, (ii) darf nicht regelmäßig vorkommen oder erwartet werden und (iii) kann nicht auch durch äußerste Sorgfalt abgewendet werden.
Was sind die klassischen Fälle von höherer Gewalt in Vertragsverhältnissen?
Höhere Gewalt spielt insbesondere im Reiserecht eine große Rolle. Bekannter Fall: Man hat bereits eine Reise gebucht und im Urlaubsland brechen zB.: politische Unruhen aus oder es kommt zu Überschwemmungen, einem Tsunami oder zum Ausbruch des SARS-Virus. Je nachdem, inwieweit die Reise von dem Elementarereignis betroffen ist, kann die Reise ganz storniert oder entsprechend angepasst werden. Solche Elementarereignisse können aber jedes Vertragsverhältnis beeinträchtigen, nicht nur Pauschalreiseverträge.
Ist das COVID-19 als höhere Gewalt einzustufen?
Grundsätzlich ja, denn der OGH hat das SARS-Virus in einem konkreten Fall als höhere Gewalt eingestuft. Höhere Gewalt ist aber immer im Einzelfall zu prüfen. Im Falle des COVID-19 sind nämlich eher die behördlichen Anordnungen, die aufgrund des Coronavirus erlassen werden, in vielen Branchen als höhere Gewalt anzusehen. Kann ein Unternehmen aufgrund einer behördlichen Anordnung die vertraglich geschuldete Leistung nicht erfüllen, wird wohl höhere Gewalt vorliegen. Aber auch hier ist zu unterscheiden, denn nicht alle Branchen sind von den behördlichen Anordnungen im gleichen Ausmaß betroffen.
Wo kann die höhere Gewalt aufgrund des Coronavirus nun besonders relevant sein?
Hauptsächlich im Mietrecht und im Arbeitsrecht. Im Mietrecht ist gemäß, § 1104 ABGB für ein Mietobjekt, das wegen „außerordentlicher Zufälle“ (auch „Seuchen“) gar nicht oder nur beschränkt gebraucht oder benutzt werden kann, auch kein bzw. ein geringerer Miet- oder Pachtzins zu entrichten. Im Arbeitsrecht kam es jetzt aufgrund des 2. COVID-19-Gesetzes (397/A) zu einer Klarstellung des § 1155 ABGB. Ohne diese Novelle würde das Risiko der höheren Gewalt nämlich der Arbeitnehmer tragen. Denn nur wenn der Arbeitnehmer seine Leistung aufgrund von Umständen nicht erbringen kann, die auf Seiten des Dienstgebers liegen, bestand der Entgeltanspruch fort. Bis Ende des Jahres stellt der neue Absatz 3 des § 1155 klar, dass die Maßnahmen auf Grundlage des COVID-19-Maßnahmengesetzes (BGBl. Nr. 12/2020), die zu Verbot oder zu Einschränkungen von Betrieben führen, eben Umstände sind, die auf Seiten des Dienstgebers liegen. Der Arbeitnehmer muss aber in dieser Zeit auf Verlangen des Arbeitgebers sein Urlaubs- und Zeitguthaben verbrauchen (siehe Artikel 10 des 2. COVID-19-Gesetzes.
Zum Autor:
Mag. Ronald Frankl, Managing Partner, Head of Corporate, M&A and Capital Markets und Head of Blockchain and Cryptocurrencies bei LANSKY, GANZGER + partner
Zum Autor:
Mag. Piotr Daniel Kocab, LL.M., Rechtsanwalt bei LANSKY, GANZGER + partner
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