Grundsätzlich bleiben Handelsverträge und die darin enthaltenen Rechte und Pflichten trotz der behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 rechtsverbindlich.
Allerdings qualifizierte der OGH im Zusammenhang mit Reiseverträgen den Ausbruch der Infektionskrankheit SARS als eine Unzumutbarkeit infolge höherer Gewalt. Aufgrund der Ähnlichkeit der Ereignisse lässt sich diese Kategorisierung auch auf die aktuelle Situation übertragen. Sind Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 ein Ereignis höherer Gewalt, bleibt zu fragen, welche Vertragspartei die Folgen von daraus resultierenden Lieferausfällen zu tragen hat.
Dabei ist zunächst auf allfällige vertragliche Regelungen, wie insb eine force marjeure-Klausel, abzustellen (siehe dazu die nächste Frage weiter unten).
Fehlt eine vertragliche Regelung, so finden sich im österreichischen Vertragsrecht insbesondere folgende Ansatzpunkte für eine mögliche Befreiung von Lieferpflichten:
- Gemäß § 1447 ABGB werden bei zufälligem Untergang einer Sache Vertragspflichten gegenseitig aufgehoben. Die Bestimmung ist jedoch nur auf Speziesschulden anwendbar, etwa wenn eine bestimmte Bestellung aufgrund verhängter Ausfuhrsperren nicht ausgeliefert werden kann. Für Produkte, die nach allgemeinen Kriterien umschrieben werden (sog Gattungsschuld), wozu der OGH etwa auch fabriksneue serienmäßig hergestellte Kraftwagen einer bestimmten Marke zählt, gilt dies nicht.
- Die behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 könnten zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen. Bejaht man dies, kann der Vertrag angepasst bzw aufgelöst werden, sofern er nicht weiter aufrechterhalten werden kann.
Eine force majeure-Klausel gibt den Parteien das Recht zur Aussetzung der Leistungspflicht oder – je nach Formulierung – sogar zum Vertragsrücktritt, wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten, auf die die Parteien keinen Einfluss haben und die die Erfüllung des Vertrags verhindern, behindern oder verzögern.
Bei der Berufung auf eine force majeure-Klausel sollte insbesondere folgendes beachtet werden: (i) wie weit reicht der Begriff höhere Gewalt (umfasst die im Vertragstext gewählte Formulierung zB auch Epidemien bzw behördliche Maßnahmen zu deren Eindämmung), (ii) entfallen Vertragspflichten, insbesondere Lieferpflichten, vollständig oder nur teilweise, und (iii) ist eine Anwendung der force majeure-Klausel an weitere Voraussetzungen geknüpft (wie zB an bestimmte Fristen und Mitteilungspflichten).
Unabhängig von allfälligen ausdrücklich vereinbarten Mitteilungspflichten sollten Lieferanten ihre Käufer frühzeitig von einem drohenden Lieferausfall informieren. Dadurch ermöglicht man dem Käufer, Maßnahmen zur Schadensminimierung (etwa durch Ersatzkäufe) zu setzen.
Auch sind verschiedene Länder und Regionen in Dauer und Intensität unterschiedlich von behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 betroffen. Wer sich auf höhere Gewalt berufen will, sollte daher behördliche Mitteilungen, Presseberichte und ähnliches für die konkrete Region sammeln, um einen Nachweis über die Ursache der Lieferprobleme erbringen zu können.
Grundsätzlich beträgt bei beiderseitigen Unternehmergeschäften der gesetzliche Verzugszinssatz bei subjektivem Verzug 9,2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz pro Jahr (§ 456 UGB); das ergibt derzeit Verzugszinsen in Höhe von 8,58 % pro Jahr. Außerdem ist der Gläubiger in bestimmten Grenzen berechtigt, Ersatz für Inkassokosten vom Schuldner zu fordern (siehe zB § 458 UGB).
§ 3 des I. Hauptstücks des Artikel 37 des 4. Covid-19 Gesetzes (BGBl I Nr 24/2020) beschränkt diese Verzugszinsen und schließt Inkassokosten wie folgt aus: Wenn bei einem vor dem 1. April 2020 eingegangenen Vertragsverhältnis der Schuldner eine Zahlung, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 fällig wird, nicht oder nicht vollständig entrichtet, weil er als Folge der Covid-19 Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, muss er für den Zahlungsrückstand ungeachtet abweichender vertraglicher Vereinbarungen höchstens die gesetzlichen Zinsen in Höhe von 4 % pro Jahr (§ 1000 Abs 1 ABGB) zahlen und ist nicht verpflichtet, die Kosten von außergerichtlichen Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen zu ersetzen.
Sollte eine Lieferpflicht weiterhin bestehen (siehe dazu die vorstehenden Fragen), so haftet der Lieferant – mangels anderweitiger vertraglicher Regelung – nach österreichischem Recht grundsätzlich nicht für allfällige Schäden des Käufers aus der Nichtbelieferung. Gehaftet wird nämlich nach österreichischem Schadenersatzrecht nur bei Verschulden. Der Ausbruch des Coronavirus und die behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung von dessen Verbreitung liegen ebenso wie etwa Naturkatastrophen außerhalb des Einflussbereichs einer Vertragspartei.
Allerdings hat der vermeintliche Schädiger in Vertragsbeziehungen das Fehlen von Verschulden zu beweisen (Beweislastunkehr zugunsten des Geschädigten) und muss daher darlegen, dass die Nichteinhaltung der Lieferpflichten dem Ausbruch des Coronavirus und den daraus folgenden behrödlichen Maßnahmen zuzuschreiben ist.
§ 4, des I. Hauptstück des Artikel 37 des 4. Covid-19 Gesetzes (BGBl I Nr 24/2020) setzt Vertragsstrafen (auch Konventionalstrafen oder Pönalen genannt) wie folgt aus: Soweit bei einem vor dem 1. April 2020 eingegangenen Vertragsverhältnis der Schuldner in Verzug gerät, weil er als Folge der Covid-19 Pandemie entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann, ist er nicht verpflichtet, eine vereinbarte Konventionalstrafe im Sinn des § 1336 ABGB zu zahlen. Das gilt auch, wenn vereinbart wurde, dass die Konventionalstrafe unabhängig von einem Verschulden des Schuldners am Verzug zu entrichten ist.
Auch für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob der Vertrag eine diesbezügliche Regelung enthält (siehe dazu bereits oben zu force majeure-Klauseln).
Ist dies nicht der Fall, dann kann der Käufer nach österreichischem Recht auf Erfüllung bestehen oder unter Setzung einer angemenssenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten. Ob den Verkäufer am Lieferverzug ein Verschulden trifft ist für die Frage der Rücktrittsmöglichkeit nicht relevant.
Zum Autor:
Dr. Veit Öhlberger, M.Jur., ist Partner bei DORDA
Zum Originalartikel
Sind Lieferpflichten zwischen Unternehmern weiterhin zu erfüllen?
Grundsätzlich bleiben Handelsverträge und die darin enthaltenen Rechte und Pflichten trotz der behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 rechtsverbindlich.
Allerdings qualifizierte der OGH im Zusammenhang mit Reiseverträgen den Ausbruch der Infektionskrankheit SARS als eine Unzumutbarkeit infolge höherer Gewalt. Aufgrund der Ähnlichkeit der Ereignisse lässt sich diese Kategorisierung auch auf die aktuelle Situation übertragen. Sind Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 ein Ereignis höherer Gewalt, bleibt zu fragen, welche Vertragspartei die Folgen von daraus resultierenden Lieferausfällen zu tragen hat.
Dabei ist zunächst auf allfällige vertragliche Regelungen, wie insb eine force marjeure-Klausel, abzustellen (siehe dazu die nächste Frage weiter unten).
Fehlt eine vertragliche Regelung, so finden sich im österreichischen Vertragsrecht insbesondere folgende Ansatzpunkte für eine mögliche Befreiung von Lieferpflichten:
Der Vertrag enthält eine force majeure-Klausel. Ist damit die Lieferpflicht aufgehoben? Worauf ist zu achten?
Eine force majeure-Klausel gibt den Parteien das Recht zur Aussetzung der Leistungspflicht oder – je nach Formulierung – sogar zum Vertragsrücktritt, wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten, auf die die Parteien keinen Einfluss haben und die die Erfüllung des Vertrags verhindern, behindern oder verzögern.
Bei der Berufung auf eine force majeure-Klausel sollte insbesondere folgendes beachtet werden: (i) wie weit reicht der Begriff höhere Gewalt (umfasst die im Vertragstext gewählte Formulierung zB auch Epidemien bzw behördliche Maßnahmen zu deren Eindämmung), (ii) entfallen Vertragspflichten, insbesondere Lieferpflichten, vollständig oder nur teilweise, und (iii) ist eine Anwendung der force majeure-Klausel an weitere Voraussetzungen geknüpft (wie zB an bestimmte Fristen und Mitteilungspflichten).
Unabhängig von allfälligen ausdrücklich vereinbarten Mitteilungspflichten sollten Lieferanten ihre Käufer frühzeitig von einem drohenden Lieferausfall informieren. Dadurch ermöglicht man dem Käufer, Maßnahmen zur Schadensminimierung (etwa durch Ersatzkäufe) zu setzen.
Auch sind verschiedene Länder und Regionen in Dauer und Intensität unterschiedlich von behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 betroffen. Wer sich auf höhere Gewalt berufen will, sollte daher behördliche Mitteilungen, Presseberichte und ähnliches für die konkrete Region sammeln, um einen Nachweis über die Ursache der Lieferprobleme erbringen zu können.
Der Käufer gerät aufgrund der Corona-Krise in Zahlungsverzug. Welcher Verzugszinssatz gilt? Und hat der Käufer Inkassokosten zu ersetzen?
Grundsätzlich beträgt bei beiderseitigen Unternehmergeschäften der gesetzliche Verzugszinssatz bei subjektivem Verzug 9,2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz pro Jahr (§ 456 UGB); das ergibt derzeit Verzugszinsen in Höhe von 8,58 % pro Jahr. Außerdem ist der Gläubiger in bestimmten Grenzen berechtigt, Ersatz für Inkassokosten vom Schuldner zu fordern (siehe zB § 458 UGB).
§ 3 des I. Hauptstücks des Artikel 37 des 4. Covid-19 Gesetzes (BGBl I Nr 24/2020) beschränkt diese Verzugszinsen und schließt Inkassokosten wie folgt aus: Wenn bei einem vor dem 1. April 2020 eingegangenen Vertragsverhältnis der Schuldner eine Zahlung, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 fällig wird, nicht oder nicht vollständig entrichtet, weil er als Folge der Covid-19 Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, muss er für den Zahlungsrückstand ungeachtet abweichender vertraglicher Vereinbarungen höchstens die gesetzlichen Zinsen in Höhe von 4 % pro Jahr (§ 1000 Abs 1 ABGB) zahlen und ist nicht verpflichtet, die Kosten von außergerichtlichen Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen zu ersetzen.
Haftet der Lieferant gegenüber dem Käufer für Schäden aus nicht erfolgten Lieferungen?
Sollte eine Lieferpflicht weiterhin bestehen (siehe dazu die vorstehenden Fragen), so haftet der Lieferant – mangels anderweitiger vertraglicher Regelung – nach österreichischem Recht grundsätzlich nicht für allfällige Schäden des Käufers aus der Nichtbelieferung. Gehaftet wird nämlich nach österreichischem Schadenersatzrecht nur bei Verschulden. Der Ausbruch des Coronavirus und die behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung von dessen Verbreitung liegen ebenso wie etwa Naturkatastrophen außerhalb des Einflussbereichs einer Vertragspartei.
Allerdings hat der vermeintliche Schädiger in Vertragsbeziehungen das Fehlen von Verschulden zu beweisen (Beweislastunkehr zugunsten des Geschädigten) und muss daher darlegen, dass die Nichteinhaltung der Lieferpflichten dem Ausbruch des Coronavirus und den daraus folgenden behrödlichen Maßnahmen zuzuschreiben ist.
Der Vertrag enthält eine Vertragsstrafe. Ist diese trotz Corona-Krise zu bezahlen?
§ 4, des I. Hauptstück des Artikel 37 des 4. Covid-19 Gesetzes (BGBl I Nr 24/2020) setzt Vertragsstrafen (auch Konventionalstrafen oder Pönalen genannt) wie folgt aus: Soweit bei einem vor dem 1. April 2020 eingegangenen Vertragsverhältnis der Schuldner in Verzug gerät, weil er als Folge der Covid-19 Pandemie entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann, ist er nicht verpflichtet, eine vereinbarte Konventionalstrafe im Sinn des § 1336 ABGB zu zahlen. Das gilt auch, wenn vereinbart wurde, dass die Konventionalstrafe unabhängig von einem Verschulden des Schuldners am Verzug zu entrichten ist.
Kann der Käufer mangels Lieferung vom Vertrag zurücktreten?
Auch für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob der Vertrag eine diesbezügliche Regelung enthält (siehe dazu bereits oben zu force majeure-Klauseln).
Ist dies nicht der Fall, dann kann der Käufer nach österreichischem Recht auf Erfüllung bestehen oder unter Setzung einer angemenssenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten. Ob den Verkäufer am Lieferverzug ein Verschulden trifft ist für die Frage der Rücktrittsmöglichkeit nicht relevant.
Zum Autor:
Dr. Veit Öhlberger, M.Jur., ist Partner bei DORDA
Zum Originalartikel