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Produkthaftungsgesetz (PHG) – Erfasste Personen – Geschützte Rechtsgüter – Haftung

(Bild: © domoskanonos) (Bild: © domoskanonos)

Das Produkthaftungsgesetz (PHG) regelt die Haftung des Herstellers, des Importeuers bzw jenes Unternehmers, der das Produkt in Verkehr gebracht hat, wenn durch die Fehlerhaftigkeit des Produktes ein Mensch getötet, am Körper verletzt, an der Gesundheit geschädigt oder eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt wird.

Im Folgenden soll eine kurze Einführung darstellen, welche Personen zur Haftung herangezogen werden können, welche Rechtsgüter geschützt sind und welche Besonderheiten das Gesetz im Hinblick auf die Haftung regelt.

1. Einleitung

Das PHG umfasst Personen- und Sachschäden, die durch fehlerhafte Produkte entstehen. Erfasst sind nur Fehler, die das Produkt bereits im Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens aufgewiesen hat. Es ist eine sogenannte lex specialis zum ABGB, dh qua Spezialität des PHG zum ABGB kommt das ABGB nur dann zur Anwendung und darf auf dieses zurückgegriffen werden, wenn das PHG keine eigene Regelung vorsieht.

Eine Besonderheit, die das PHG aufweist, ist, dass es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt, dh ein Verschulden seitens des Herstellers, Importeurs oder Händler ist nicht notwendig, da das PHG eine sogenannte Gefährdungshaftung vor allem auf dem Grundgedanken der Fehlerhaftigkeit bei Massenproduktionen vorsieht. Dies hat aber auch zur Folge, dass eine Haftung nach PHG nicht vertraglich ausgeschlossen oder beschränkt werden kann.

2. Haftende Personen (§ 1 PHG; § 3 PHG)

§ 1 PHG regelt, welche Personen zur Haftung nach dem Gesetz herangezogen werden können:

  • Hersteller (§ 1 Abs 1 Z 1 PHG)
  • Importeur (§ 1 Abs 1 Z 2 PHG)
  • Händler („Jeder Unternehmer, der das Produkt in Österreich in den Verkehr gebracht hat“) (§ 1 Abs 2 PHG)

Dem Wortlaut des Gesetzes ist zu entnehmen, dass das Gesetz nur die Haftung von Unternehmern regelt. Bzgl des Unternehmerbegriffes ist nicht auf das UGB oder KSchG abzustellen, sondern ist die kommerzielle oder berufliche Erzeugung sowie die kommerzielle und berufliche Einfuhr oder Lieferung für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft heranzuziehen. Sollten sich Hersteller, Importeur und Händler darauf berufen nicht Unternehmer zu sein, so obliegt ihnen der Beweis (§ 7 Abs 1 PHG).

Trifft die Haftpflicht mehrere Personen, so haften sie zur ungeteilten Hand. Ihre Haftung wird nicht dadurch gemindert, dass auch andere nach anderen Bestimmungen für den Ersatz desselben Schadens haften (§ 10 PHG).

2.1. In-Verkehr-Bringen

Hersteller, Importeur und Händler haften grundsätzlich nur dann, wenn sie das Produkt in den Verkehr gebracht haben und der Fehler bereits im Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens vorgelegen ist. Ein Produkt ist in den Verkehr gebracht, sobald es der Unternehmer, gleich auf Grund welchen Titels, einem anderen in dessen Verfügungsmacht oder zu dessen Gebrauch übergeben hat, wobei bereits die Absendung an den Abnehmer genügt (§ 6 PHG). In all diesen Fällen verliert der Unternehmer die Verfügungsgewalt über das Produkt (Werktorprinzip). Sollten sich Hersteller, Importeur und Händler darauf berufen das Produkt nicht in den Verkehr gebracht zu haben (Bsp: das Produkt kam durch einen Diebstahl in den Verkehr), so obliegt ihnen der Beweis (§ 7 Abs 1 PHG).

2.2. Subsidiäre Haftung des Händlers

Die subsidiäre Haftung des Händlers greift nun dann, wenn es weder gelingt den Hersteller noch den Importeur festzustellen. Dieser kann sich aber von der Haftung befreien, wenn er dem Geschädigten binnen angemessener Frist den Hersteller beziehungsweise – bei eingeführten Produkten – den Importeur oder denjenigen nennt, der ihm das Produkt geliefert hat. Als angemessene Frist gilt ein Zeitraum von 1-2 Wochen.

2.3. Haftung bei Grundstoff oder Teilprodukt

Besonders häufig kommt es in der Praxis zu Fällen, in denen ein Grundstoff oder Teilprodukt, das vom Hersteller zugekauft wird, zu einem Schaden führt. In diesem Fall haftet der Hersteller des Teilproduktes oder des Grundstoffes für den Schaden, der durch die Fehlerhaftigkeit des Teilproduktes oder Grundstoffes, eingetreten ist. Endhersteller haften generell für die Fehlerhaftigkeit auch von Teilprodukten oder Grundstoffen, können sich aber am Hersteller des Grundstoffes oder Teilproduktes regressieren (§ 3 PHG).

2.4. Haftung des Scheinherstellers

Bedeutend sind auch Fälle sogenannter Scheinhersteller, die auf dem Produkt bloß ihre Marke oder ihren Namen anbringen. Sie haften in jedem Fall neben dem tatsächlichen Hersteller, können sich aber nicht analog zum Händler (§ 1 Abs 2 PHG) von der Haftung befreien, wenn sie den tatsächlichen Hersteller namhaft machen (§ 3 PHG).

3. Produkt (§ 4 PHG)

Produkt ist jede bewegliche körperliche Sache, auch wenn sie ein Teil einer anderen beweglichen Sache oder mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden ist, einschließlich Energie. Unbewegliche Sachen hingegen sind nicht vom PHG erfasst (Bsp: Haus).

Ein Produkt ist dann beweglich, wenn es ohne Substanzverlust von einem Ort zum anderen transportiert werden kann. Körperlich bedeutet, dass das Produkt, mit Ausnahme der Energie, die in § 4 PHG ausdrücklich ebenso als Produkt angeführt wird, sinnlich wahrnehmbar sein muss. Ob dies etwa auf Computersoftware zutrifft ist strittig.

Wird ein bewegliches Produkt mit einer unbeweglichen Sache verbunden, so verliert dieses nach ABGB seine Selbstständigkeit und damit Beweglichkeit (Bsp: Einbau eines Fensters in ein Haus). Das PHG regelt davon abweichend, dass das eingebaute Produkt ein eigenständiges Produkt bleibt und damit das PHG weiter Anwendung findet (siehe vorheriges Beispiel: Ist das Fenster fehlerhaft so besteht eine Haftung nach dem PHG; würde das Fenster als unselbständiger Teil des Hauses bewertet werden käme das PHG nicht mehr zur Anwendung, da das Haus als unbewegliche Sache nicht unter das PHG fällt).

4. Fehlerhaftigkeit des Produkts (§ 5 Abs 1 PHG)

Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Für diese Beurteilung relevant sind insbesondere

  • die Darbietung des Produktes (Werbung);
  • der Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann;
  • der Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde.

Bzgl der Darbietung sind insbesondere Werbeaussagen sowie Garantien geeignet, die Sicherheitserwartungen zu erhöhen (Bsp: „Dieser Hocker hält allem stand“ vermittelt den Eindruck, dass dieser unverwüstlich ist). Es empfiehlt sich daher besondere Vorsicht walten zu lassen und über Schwächen des Produktes sowie dessen nicht vorgesehen Verwendung etwa durch Warnhinweise aufzuklären.

Bzgl Gebrauch des Produktes ist insbesondere an die Sozialüblichkeit zu denken, dh mit welcher Art des Gebrauches durch den Käufer man rechnen muss (Bsp: Hocker wird nicht bloß zum Sitzen verwendet sondern auch dafür, um sich auf diesen zu stellen, etwa um Küchengeräte in hoch gelegene Küchenregale zu räumen oder einen Lampenschirm zu montieren). Mit einem unvernünftigen missbräuchlichen Gebrauch durch Erwachsene muss allerdings nicht gerechnet werden.

Bzgl Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens sei angemerkt, dass das In-Verkehr-Bringen eines neuen (verbesserten) Produktes nicht automatisch die Fehlerhaftigkeit des alten Produktes indiziert. Ebenso muss aber bedacht werden, dass sich Sicherheitsanforderungen im Laufe der Zeit ändern können und das in Verkehr gebrachte Produkt einige Jahre nach dem In-Verkehr-Bringen nicht mehr den Sicherheitsanforderungen entspricht. Die Haftung kann ausgeschlossen werden, wenn der Fehler auf eine Rechtsvorschrift zurückzuführen ist, die auf ein Produkt angewendet werden musste oder, die Eigenschaften des Produktes dem Stand der Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens entsprachen. Dieser Beweis obliegt dem Unternehmer.

Für die Fehlerhaftigkeit kommen Konstruktionsfehler, Produktionsfehler oder Instruktionsfehler in Betracht.

5. Zu ersetzende Schäden (§ 2 PHG)

Das PHG regelt den Ersatz von Personen- und Sachschäden, wobei bei Sachschäden zu beachten ist, dass

  • nur für Schäden gehaftet wird, die an vom Produkt verschiedenen körperlichen Sachen entstehen. Für die Mangelbehebung des fehlerhaften Produktes, das den Schaden ausgelöst hat, greift das Gewährleistungsrecht;
  • nicht jeder Sachfolgeschaden ersetzt wird. Der bloße Vermögensschaden am Produkt, der entgangene Gewinn sowie sogenannte Weiterfresserschäden werden nicht vom PHG erfasst (Bsp: Schlauch eines Geschirrspülers ist defekt, Motor wird dadurch zerstört; nicht zu ersetzender Weiterfresserschaden). Diese Schäden können im Rahmen des allgemeinen Schadenersatzrechts ersetz werden;
  • ein Selbstbehalt von € 500,00 besteht. Es wird nur für die € 500,00 übersteigenden Schadensteile gehaftet (Bsp: Schaden € 600,00, Selbstbehalt € 500, Ersatz € 100,00);
  • kein Ersatz zu leisten ist, wenn die Sache, an der der Schaden eingetreten ist, von einem Unternehmer überwiegend in seinem Unternehmen genutzt wird.

6. Haftungsausschluss (§ 8 PHG)

§ 8 PHG regelt, dass die Haftung durch den Nachweis ausgeschlossen werden kann, wenn

  • der Fehler auf eine Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung zurückzuführen ist, der das Produkt zu entsprechen hatte;
  • die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem es der in Anspruch Genommene in den Verkehr gebracht hat, nicht als Fehler erkannt werden konnten; oder
  • der in Anspruch Genommene nur einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat – der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches der Grundstoff oder das Teilprodukt eingearbeitet worden ist, oder durch die Anleitungen des Herstellers dieses Produkts verursacht worden ist.

7. Fazit

Das PHG regelt eine verschuldensunabhängige Haftung, die man vertraglich nicht ausschließen kann. Aus diesem Grund kann sie jeden Unternehmer treffen, ohne dass es hierzu eines besonderen Sorgfaltsverstoßes bedarf.

Auch, wenn man durch das PHG schnell in eine Haftung gelangen kann, bleibt zu sagen, dass das Gesetz in der Praxis nur sehr spärlich angewendet wird und an seiner Stelle meist das allgemeine Schadenersatzrecht des ABGB zur Anwendung gelangt.

Nichts desto trotz schwebt das PHG wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Unternehmer und kann sowohl ein probates Mittel sein, wenn man Geschädigter ist als auch im umgekehrten Fall eine Haftungsfalle öffnen. Vorsicht ist also geboten.

Zum Autor:

Univ. Lektor Dr. Patrick Stummer, Institut für Recht der Wirtschaft, Universität Wien