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Entscheidungen des VfGH aus der Oktober-Session

(Bild: ©VfGH/Achim Bieniek) (Bild: ©VfGH/Achim Bieniek)

Quellen: Pressemitteilungen des VfGH vom 23. 10. 2020 und vom 29. 10. 2020.

Der VfGH hat in zwei am 23. 10. 2020 veröffentlichten Entscheidungen landesgesetzliche Bestimmungen für verfassungswidrig befunden. Aus Anlass einer Gemeindevolksabstimmung in Ludesch werden Bestimmungen des Vorarlberger Gemeindegesetzes und des Landes-Volksabstimmungsgesetzes aufgehoben. Im Zusammenhang mit der Prüfung einer früheren Verordnung betreffend die Shopping City Seiersberg hebt der VfGH eine Bestimmung des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes auf. Acht am 29. 10. 2020 zugestellte Entscheidungen des VfGH betreffen großteils nicht mehr geltende Maßnahmen gegen COVID-19, die Verpflichtung zum außerordentlichen Zivildienst sowie eine Mautbefreiung in Vorarlberg. 

COVID-19: Verpflichtung zum außerordentlichen Zivildienst setzt Ermittlung der Erforderlichkeit voraus 

Ein Student aus der Steiermark war im März 2020, zwei Wochen vor dem Ende seines ordentlichen Zivildienstes, zum außerordentlichen Zivildienst verpflichtet worden. Er argumentierte in einem Antrag, dies sei gesetzwidrig. Nach dem Zivildienstgesetz 1986 darf eine Verpflichtung zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes nur dann erfolgen, wenn ein Einsatz bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges oder außerordentlichen Notständen erforderlich ist. 

Der Beschwerdeführer hatte vor dem BVwG ua geltend gemacht, dass sich mit Stand 17. 3. 2020 bereits 2.500 Freiwillige zum außerordentlichen Zivildienst gemeldet hätten und dass ordentliche Zivildiener aus anderen Bereichen versetzt worden seien, weshalb die Verlängerung gerade seines Zivildienstes nicht erforderlich sei. Auf diese Argumente ist das BVwG nicht eingegangen; es hat auch nicht ermittelt, ob die Verlängerung des Zivildienstes tatsächlich erforderlich war. Damit hat das BVwG den Beschwerdeführer im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Der VfGH hat daher die Entscheidung aufgehoben; das BVwG muss nun eine neue Entscheidung erlassen.

(E 1262/2020)  

COVID-19: Mehrere – vor allem frühere – Maßnahmen gesetzwidrig, da Entscheidungsgrundlagen unzureichend dokumentiert 

Der VfGH hat festgestellt, dass eine Reihe von COVID-19-Maßnahmen gesetzwidrig waren, die im Frühjahr 2020 gegolten haben. Gesetzwidrig waren konkret das Betretungsverbot für Gaststätten und selbständige (nicht an eine Tankstelle angeschlossene) Waschstraßen, Beschränkungen betreffend den Einlass von Besuchergruppen in Gaststätten (maximal vier Erwachsene, wenn kein gemeinsamer Haushalt), das Verbot von Veranstaltungen mit mehr als zehn Personen (welches etwa Diskotheken betraf) und die Maskenpflicht an öffentlichen Orten in geschlossenen Räumen (Amtsräumen etc.). 

Der VfGH hob auch eine noch in Geltung stehende Bestimmung  der COVID-19-Lockerungsverordnung (nunmehr COVID-19-Maßnahmenverordnung) auf, mit der die verpflichtende Einhaltung eines Mindestabstands zwischen den Verabreichungsplätzen in Gaststätten (§ 6 Abs 1 und 4) angeordnet wurde, also der Mindestabstand von einem Meter zwischen Tischen. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. 12. 2020 in Kraft. 

Bei allen als gesetzwidrig erkannten Bestimmungen war aus den dem VfGH vorgelegten Akten nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher tatsächlichen Umstände die zuständige Behörde – der Gesundheitsminister – die jeweilige Maßnahme für erforderlich gehalten hat. Dies verstößt aber gegen die gesetzliche Ermächtigung im COVID-19-Maßnahmengesetz bzw. im Epidemiegesetz. Der VfGH folgt damit den Leitentscheidungen vom 14. 7. 2020 (siehe hier).

(V 392/2020, V 405/2020, V 428/2020, V 429/2020, G 271/2020, G 272/2020)  

Mautbefreiung in Vorarlberg: VfGH weist Antrag einer Autobahnanrainerin als unzulässig zurück 

Der VfGH hat den Antrag einer Einzelperson zurückgewiesen, die seit 15. Dezember 2019 geltende Mautbefreiung auf der A 14 Rheintalautobahn zwischen der Staatsgrenze bei Hörbranz und der Anschlussstelle Hohenems als verfassungswidrig aufzuheben. Die Antragstellerin wohnt in Lustenau in der Nähe der Ortsdurchfahrt zum Grenzübergang Lustenau. Sie machte geltend, dass es sich bei dieser Mautbefreiung um eine Verkehrslenkungsmaßnahme handle, die im Bereich des Grenzüberganges zu einer weiteren Belastung der Luftqualität und damit zu einer Beeinträchtigung und Gefährdung der Gesundheit führe; darin liege ein Verstoß gegen das Recht auf Privatleben nach Art 8 EMRK. 

Die Anfechtung eines Gesetzes durch eine Einzelperson (Individualantrag) setzt jedoch voraus, dass sich das angefochtene Gesetz an oder gegen den Antragsteller wendet. Dies ist hier nicht der Fall: Die als verfassungswidrig kritisierte Mautbefreiung betrifft nur den Bund bzw. die ASFINAG als Gläubiger der Maut sowie jene Personen (Verkehrsteilnehmer), die von der Entrichtung der Maut befreit sind. In der konkreten Konstellation lässt sich auch aus Art 8 EMRK keine rechtliche Betroffenheit der Antragstellerin ableiten.

(G 152/2020)

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