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COVID-19: Auswirkungen auf internationale Geschäftsmodelle

(Bild: © z_wei) (Bild: © z_wei)

Die Corona-Pandemie hat eine weltweite Krise nicht nur der Gesundheitssysteme, sondern auch vieler Geschäfts- und Industriezweige ausgelöst. Die Schockwellen, die ausgelöst durch die Pandemie liefer- als auch abnahmeseitig durch die Lieferketten einiger Industrien gehen oder Geschäftsmodelle betreffen, sind massiv:

  • Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen bedrohen die Existenz vieler Unternehmen gerade in Gastronomie und Hotellerie, Einzelhandel, Reiseindustrie sowie Veranstaltungsbusiness.
  • Shutdowns von Produktionsstätten aufgrund von Erkrankungen oder eingeschränkte Kapazitäten aufgrund von Ausgangssperren führen zu Lieferengpässen.
  • Die Ausgangssperren bzw Shutdowns führen zum (fast) gänzlichen Entfall von Umsätzen oder zu völlig geändertem Konsumentenverhalten (Online-Käufe).
  • Home-Office Empfehlungen oder Pflicht führen dazu, dass Mitarbeiter nicht mehr wie gewohnt vor Ort im Unternehmen, sondern von ihrem Wohnort aus tätig werden.
  • Im Projektgeschäft – insbesondere Anlagenbau, Hoch-/Tiefbau – kommt es zu Unterbrechungen und Stopps.

Diese Umbrüche in den täglichen Abläufen können gerade im internationalen Kontext auch steuerliche Auswirkungen haben. Hier sind einige wesentliche Aspekte zusammengefasst, auf die geachtet werden sollte, um steuerliche Folgerisken und -kosten zu vermeiden.

1. Anpassung des Verrechnungspreis-Systems an die geänderten Rahmenbedingungen

Die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen im jeweiligen Verrechnungspreissystem berücksichtigt werden.

Das bestehende „pre-Corona“ System sollte auf dessen Bestand unter den geänderten Marktbedingungen geprüft werden. Im Mittelpunkt steht die Frage: Was sind die konkreten Auswirkungen der Krise auf die diversen im Konzern bestehenden Einheiten und ergibt sich hieraus Handlungsbedarf?

Eine Auswahl wesentlicher Fragen zu den einzelnen Bereichen sind im Folgenden zusammengefasst:

Wertschöpfungskette sowie Personalfunktionen

  • Gibt es Änderungen in der Wertschöpfungskette? Insbesondere
    • hinsichtlich der relevanten Werttreiber,
    • hinsichtlich der Risikoallokation zwischen den Konzerneinheiten,
    • hinsichtlich der Entscheidungsfunktionen,
    • hinsichtlich der Relevant von immateriellen Vermögenswerten?
  • Wer trägt die Risken und Kosten der Krise, insbesondere aus Umsatzrückgängen, Effizienzverlusten, ungenutzten Kapazitäten und Unterauslastung sowie zusätzlich notwendiger Liquidität?
  • Welche Einheit trägt die Kosten einer strategischen Neuausrichtung bzw Umstellung des Geschäftsmodells?
  • Welche Auswirkungen hat die „remote“ Tätigkeit von Mitarbeitern (zB Mitarbeitern, die vorher regelmäßig lokal bei Tochtergesellschaften tätig waren)?

Intercompany Vertragsbeziehungen

  • Müssen intercompany Verträge geändert oder neu verhandelt werden?
  • Wie agieren Dritte am Markt oder in der Branche? Wie reagieren externe Kunden oder Lieferanten?
  • Müssen Zahlungsziele neu vereinbart werden?
  • Müssen Preislisten oder vertragsgemäße Kalkulationen neu festgelegt werden?
  • Müssen Preisanpassungsklauseln ausgesetzt werden?

Dokumentation & Benchmarking

  • Wie sind „Limited Risk“ Einheiten im Konzern zu behandeln?
    • Müssen diese weiterhin positiv dotiert werden oder haben diese allfällige Verluste zu übernehmen?
  • Sind die erstellten Benchmarks weiterhin anzuwenden oder müssen diese angepasst werden? Gibt es interne Benchmarks?
  • Welche Finanzdaten sollen für aktuelle ex-ante Preisfestlegung verwendet werden?
  • Wie sollen Gesellschafterdarlehen aktuell vergütet werden (welche Bonität soll hier unterstellt werden und welche Finanzdaten sollen herangezogen werden)?

Die Auswirkungen der Krise und somit auch der Änderungsbedarf der jeweiligen Verrechnungspreissysteme wird von Branche zu Branche unterschiedlich sein. Ein Review der bestehenden Rahmenbedingungen ist jedenfalls empfehlenswert.

2. Verrechnungspreisaspekte von konzerninternen Liquiditätsmaßnahmen beachten

Im Hinblick auf den teilweise gänzlichen Umsatzentgang ist die derzeit dringlichste Funktion des Krisenmanagements die Sicherstellung der Liquidität. Sofern konzernintern bestimmte Einheiten Liquidität brauchen, können diverse Maßnahmen relevant sein:

  • Prolongation konzerninterner Zahlungsziele
  • Keine Verrechnung von Verzugszinsen bei Überschreitung von Zahlungszielen
  • Abstandnahme von der Verrechnung von Management Fees oder Lizenzen bzw Stundung der Zahlungen
  • Höhere Limits für Sollsalden im bestehenden Cash Pooling
  • Konzerninterner Verkauf von Umlaufvermögen (Waren, Rohmaterial, etc)
  • Konzerninternes Factoring
  • Einräumung zusätzlicher Gesellschafterdarlehen

Wichtig ist bei allen diesen Maßnahmen, dass auf eine fremdübliche Vorgangsweise und Dokumentation dieser Transaktionen geachtet wird.

Generell wird empfohlen, sämtliche konzerninternen Finanzierungsbeziehungen und die damit einhergehenden vertraglichen Rahmenbedingungen, insbesondere hinsichtlich der aktuellen betriebswirtschaftlichen Situation sowie im Zusammenhang mit den gerade im Februar veröffentlichten OECD-Richtlinien für Finanztransaktionen (OECD Transfer Pricing Guidance on Financial Transactions) zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.

3. Vorsicht vor Begründung von Betriebsstätten im internationalen Projektgeschäft

Im internationalen Projektgeschäft kommt es bei grenzüberschreitendem Einsatz von Mitarbeitern unter Umständen aufgrund der Überschreitung von Baustellenfristen oder längerfristiger Tätigkeit in Räumlichkeiten vor Ort zur Begründung von Betriebsstätten.

Die Corona-Krise führt dazu, dass Mitarbeiter ihre Arbeitsleistungen zumindest für eine gewisse Zeit nicht in gewohntem Umfang erbringen können. In manchen Branchen wie insbesondere der Baubranche werden aktuelle Projekte ruhend gestellt.

Wichtig ist: Bei diesen zeitabhängigen (Bau-)Betriebsstätten wird die jeweils relevante Frist von idR 12 Monaten immer durch den Projektbeginn (Eintreffen des ersten Mitarbeiters auf der Baustelle) bis zur Übergabe des Projekts berechnet. Unterbrechungen der Tätigkeit vor Ort führt hierbei grundsätzlich nicht zu einer Hemmung der Frist! Ausnahmen von dieser Grundregel sind nur unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich.

Dies bedeutet, dass in vielen Fällen die coronabedingte Unterbrechung unter Umständen dazu führt, dass es zu einer rückwirkenden Betriebsstättenbegründung kommt.

Dies kann wesentliche steuerliche Auswirkungen haben:

  • Registrierung einer Betriebsstätte rückwirkend ab Projektbeginn
  • Lokale Körperschaftsteuerpflicht der (fremdüblichen) Gewinne, die der Betriebsstätte zugerechnet werden müssen
  • Zusätzlicher administrativer Aufwand iZm steuerlicher Compliance vor Ort (Betriebstättengewinnermittlung, Dokumentation, etc)
  • Mitarbeiter können nicht mehr die 183 Tage Vereinfachungsregel nutzen und sind mit ihren anteiligen Einkünften vor Ort steuerpflichtig

Es sollte daher zeitnah geprüft werden, ob bei internationalen Bauprojekten aufgrund von Verzögerungen solche (ungeplanten) Fristüberschreitungen drohen. In der Folge sollte auch für den konkreten Fall ein Check erfolgen, ob durch entsprechende Maßnahmen (Abzug aller Mitarbeiter, entsprechende Korrespondenz mit dem Auftraggeber, Dokumentation behördlicher Maßnahmen) nicht doch eine Fristunterbrechung argumentierbar ist (zB uU bei Projekten im Verhältnis Österreich-Deutschland).

4. Vorsicht vor Begründung von Betriebsstätten durch Home Office oder Ort der Leitung

Die (dauerhafte oder nachhaltige) Tätigkeit im Home Office durch Mitarbeiter kann grundsätzlich dazu führen, dass Unternehmen aufgrund eines ausländischen Wohnsitzes ihrer Mitarbeiter eine Betriebsstätte begründen.

Besonders heikel kann eine solche Betriebsstättenbegründung durch Geschäftsführer bzw Führungskräfte sein, da es hier auch zu einem ausländischen Ort der Leitung kommen kann.

Aus unserer Sicht sollte allerdings eine nur wenige Wochen oder Monate dauernde temporäre Tätigkeit aufgrund der Krise nicht als ausreichend „nachhaltig“ angesehen werden, um tatsächlich eine Betriebsstätte auszulösen. Aus praktischer Sicht erfordern solche Betriebsstätten idR eine Tätigkeit von mehr als sechs Monaten – aus derzeitiger Sicht sollte die „remote“ Tätigkeit von Mitarbeitern daher keine wesentlichen Betriebsstättenthemen auslösen. Dennoch empfiehlt sich hier ein Monitoring, sofern die coronabedingten Restriktionen länger als derzeit erwartet anhalten.

Entscheidend kann eine zusätzliche Home Office Tätigkeit aber natürlich sehr wohl schon bisher vorliegenden „Grenzfällen“ – solche Fälle sollten daher genau geprüft werden.