Die COVID-19-Krise stellt die Wirtschaft auf eine harte Probe, Unternehmen sind mit Unterbrechungen ihrer Lieferketten sowie drastischen Absatzrückgängen konfrontiert bzw müssen schnell auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren. Oftmals wird es auch einer Anpassung der implementierten Verrechnungspreissysteme bedürfen.
In diesem Zusammenhang können auch einige Maßnahmen zur kurzfristigen Liquiditätssteigerung gesetzt werden, zumal es in dieser herausfordernden Zeit für das Überleben von Unternehmen bedeutsam sein kann, dass die Liquidität bei jener Konzerngesellschaft ausreichend vorhanden ist, wo sie benötigt wird.
Anpassung der Vergütung von sogenannten „Routineunternehmen“?
Sehr häufig sind Vertriebs- bzw Produktionsgesellschaften innerhalb eines Konzerns als sog „Routineunternehmen“ ausgestaltet, während andere Gesellschaften als „Strategieträger“ fungieren. Die Routineunternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie lediglich geringe Funktionen ausüben bzw Risken tragen, weshalb diesen ein „geringer“, aber stabiler Routinegewinn zusteht, während der Strategieträger den Residualgewinn erhält bzw das Verlustrisiko trägt. Dreht sich nach Maßgabe des implementierten Verrechnungspreismodells nunmehr krisenbedingt der Gewinn in einen Verlust bzw reduziert sich dieser beträchtlich, ist fraglich, ob den Routineunternehmen dessen ungeachtet nach wie vor ein stabiler (Routine-)Gewinn zusteht oder das Verrechnungspreissystem zu adaptieren ist.
Klar ist einerseits, dass die Grundausrichtung des Verrechnungspreissystems konsistent sein sollte, situationselastisches „cherry picking“ je nach Konjunkturphase ist daher nicht fremdüblich. Andererseits halten auch die deutschen Verwaltungsgrundsätze fest, dass Routineunternehmen nur bei „üblichem Geschäftsverlauf“ eine stabile Vergütung zusteht. Dass die derzeitige Situation keinesfalls üblich ist, ist wohl unstrittig.
Als Ausgangpunkt für Überlegungen zur Margen- bzw Verrechnungspreisanpassung wird die vertragliche Situation zu beleuchten und zu überlegen sein, wie sich fremde Dritte in der konkreten Situation verhalten hätten.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich ein ordentlicher Geschäftsführer – wie auch die OECD-VPR 2017 festhalten – bei der Preisfestsetzung nicht nur an vergangenheitsbezogene Zahlen orientiert, sondern auch die aktuelle Situation einfließen lässt. Somit muss die Krisensituation jedenfalls im Rahmen des Verrechnungspreises Berücksichtigung finden. Genau hier liegt indes die Schwierigkeit, da die Finanzdaten potenzieller Vergleichsunternehmen im Rahmen von Datenbank-Studien idR erst 12 bis 18 Monate zeitverzögert zur Verfügung stehen.
Im Zuge der Finanzkrise 2008 wurde allerdings evident, dass sich auch Routinegewinne abhängig von der jeweiligen Branche reduzieren können. Diese Überlegungen sind nunmehr zu beachten. Gegebenenfalls sind demnach die zunächst dem Routineunternehmen zugewiesenen Gewinnmargen entsprechend zu reduzieren. Zu beachten ist idZ, das jeweilige Verhalten ausreichend und zeitnah zu dokumentieren, zumal erfahrungsgemäß mit einer erhöhten Prüfungsintensität der Finanzbehörden im In- und Ausland zu rechnen ist.
Erfolgt eine kostenbasierte Vergütung von Routineunternehmen und erhalten diese COVID-19-bedingte Förderungen (wie zB „Fixkostenzuschüsse“), ist zu prüfen, welche Auswirkungen diese im jeweiligen Einzelfall auf die Verrechnungspreise haben bzw welche Wechselwirkungen idZ bestehen. Der „richtige“ Verrechnungspreis erfährt auch aus diesem Blickwinkel eine besondere Bedeutung.
Aussetzen bzw Anpassungen bei Lizenzzahlungen?
Lizenzzahlungen für die Nutzung von Marken oder Patenten basieren oftmals auf den erzielten Außen-Umsätzen. Sinken die Umsätze aufgrund der Krise, sinken korrespondierend auch die Lizenzzahlungen. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall, zumal sich gerade in Krisenzeiten oftmals auch zeigt, dass die Umsätze zwar relativ stabil bleiben, aufgrund ergriffener COVID-19 Maßnahmen (zB Restrukturierung) jedoch die Kosten steigen und unter Berücksichtigung der Lizenzzahlungen daher ein Verlust resultiert bzw deutlich gesunkene Margen erzielt werden.
Wie würden sich fremde Dritte in einer vergleichbaren Situation verhalten? Nach Maßgabe der OECD-VPR 2017 würden fremde Dritte idR nicht akzeptieren, aufgrund der Lizenzzahlungen einen Verlust zu erleiden. Vor diesem Hintergrund könnte die Krise zum Anlass genommen werden, die Lizenzvereinbarung neu zu verhandeln. In diesem Zusammenhang würden entsprechend den OECD-VPR 2017 fremde Dritte beispielsweise die Verträge wie folgt adaptieren: Abschluss von kurzfristigeren Vereinbarungen, Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln bzw eine Zahlungsstruktur wählen, welche bedingte Zahlungen vorsieht (zB gewinnabhängige Lizenzzahlungen).
Bei Lizenzzahlungen ist zudem zu beachten, dass für diese oftmals in den DBA‘s Quellensteuerabzüge vorgesehen sind, verknüpft mit einer Anrechnung der Quellensteuer beim Empfänger. Dies bedingt jedoch beim Empfänger ein ausreichendes Anrechnungssubstrat (Anrechnungshöchstbetrag), welches krisenbedingt unter Umständen nicht mehr ausreichend vorhanden sein könnte. Auch aus diesem Gesichtspunkt sollten die Lizenzverträge evaluiert werden.
Verrechnungspflicht von COVID-19 Sonderkosten?
Bei zahlreichen Konzernen fallen derzeit krisenbedingte Sonderkosten an. Zu denken ist dabei beispielsweise an Aufwendungen iZm der Schaffung von Remote Zugängen zu IT-Systemen aufgrund der großflächigen Home-Office-Tätigkeit, „sunk costs“ iZm dem Abbruch von Projekten oder erhöhter Aufwand bei Steuer- oder Rechtsabteilungen. Hierbei wird zu prüfen sein, ob diese Kosten an andere Konzerngesellschaften weiter zu verrechnen sind.
In diesem Zusammenhang sind die allgemeinen Grundsätze zu beachten, nämlich, ob diese Leistungen Dienstleistungen darstellen, welche dem Empfänger einen entsprechenden Nutzen vermitteln. Abzugrenzen sind diese von den sogenannten „shareholder costs“ bzw „duplicate costs“. Würde der Empfänger für diese Leistung bezahlen oder sie alternativ selbst erbringen, sind die Kosten zu verrechnen. Oftmals werden diese Dienstleistungen auf Basis der Kostenaufschlagsmethode mit einem Gewinnaufschlag zu verrechnen sein; handelt es sich lediglich um „durchgeschleuste“ Kosten, sind diese indes ohne Gewinnaufschlag zu verrechnen.
Wegzugsbesteuerung bei Adaptierung der Supply Chain?
Viele Konzerne nehmen die Krise auch zum Anlass, ihre Supply Chain zu hinterfragen oder möglicherweise zu vereinfachen. Führt dies zur Verlagerung von Funktionen in andere Länder (wie zB der Produktionsfunktion), sind die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen zu beachten (zB exit tax). Werden im Zuge dessen zB auch immaterielle Werte (zB Marken, Patente, Know-how, etc) übertragen, könnte gegenwärtig allenfalls ein günstiger Zeitpunkt sein, da deren Wert krisenbedingt gesunken sein könnte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Krise zum Anlass genommen werden sollte, die Auswirkungen auch auf die Verrechnungspreise zu prüfen. Die getroffenen Maßnahmen sind sorgfältig zu dokumentieren. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Verrechnungspreise aufgrund der budgetären Situationen bei der nächsten Betriebsprüfung im Fokus stehen werden.
Zum Autor:
Dr. Clemens Nowotny ist Steuerberater und Partner bei LeitnerLeitner
Zum Autor:
Mag. Norbert Schrottmeyer ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger und Partner bei LeitnerLeitner
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Die COVID-19-Krise stellt die Wirtschaft auf eine harte Probe, Unternehmen sind mit Unterbrechungen ihrer Lieferketten sowie drastischen Absatzrückgängen konfrontiert bzw müssen schnell auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren. Oftmals wird es auch einer Anpassung der implementierten Verrechnungspreissysteme bedürfen.
In diesem Zusammenhang können auch einige Maßnahmen zur kurzfristigen Liquiditätssteigerung gesetzt werden, zumal es in dieser herausfordernden Zeit für das Überleben von Unternehmen bedeutsam sein kann, dass die Liquidität bei jener Konzerngesellschaft ausreichend vorhanden ist, wo sie benötigt wird.
Anpassung der Vergütung von sogenannten „Routineunternehmen“?
Sehr häufig sind Vertriebs- bzw Produktionsgesellschaften innerhalb eines Konzerns als sog „Routineunternehmen“ ausgestaltet, während andere Gesellschaften als „Strategieträger“ fungieren. Die Routineunternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie lediglich geringe Funktionen ausüben bzw Risken tragen, weshalb diesen ein „geringer“, aber stabiler Routinegewinn zusteht, während der Strategieträger den Residualgewinn erhält bzw das Verlustrisiko trägt. Dreht sich nach Maßgabe des implementierten Verrechnungspreismodells nunmehr krisenbedingt der Gewinn in einen Verlust bzw reduziert sich dieser beträchtlich, ist fraglich, ob den Routineunternehmen dessen ungeachtet nach wie vor ein stabiler (Routine-)Gewinn zusteht oder das Verrechnungspreissystem zu adaptieren ist.
Klar ist einerseits, dass die Grundausrichtung des Verrechnungspreissystems konsistent sein sollte, situationselastisches „cherry picking“ je nach Konjunkturphase ist daher nicht fremdüblich. Andererseits halten auch die deutschen Verwaltungsgrundsätze fest, dass Routineunternehmen nur bei „üblichem Geschäftsverlauf“ eine stabile Vergütung zusteht. Dass die derzeitige Situation keinesfalls üblich ist, ist wohl unstrittig.
Als Ausgangpunkt für Überlegungen zur Margen- bzw Verrechnungspreisanpassung wird die vertragliche Situation zu beleuchten und zu überlegen sein, wie sich fremde Dritte in der konkreten Situation verhalten hätten.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich ein ordentlicher Geschäftsführer – wie auch die OECD-VPR 2017 festhalten – bei der Preisfestsetzung nicht nur an vergangenheitsbezogene Zahlen orientiert, sondern auch die aktuelle Situation einfließen lässt. Somit muss die Krisensituation jedenfalls im Rahmen des Verrechnungspreises Berücksichtigung finden. Genau hier liegt indes die Schwierigkeit, da die Finanzdaten potenzieller Vergleichsunternehmen im Rahmen von Datenbank-Studien idR erst 12 bis 18 Monate zeitverzögert zur Verfügung stehen.
Im Zuge der Finanzkrise 2008 wurde allerdings evident, dass sich auch Routinegewinne abhängig von der jeweiligen Branche reduzieren können. Diese Überlegungen sind nunmehr zu beachten. Gegebenenfalls sind demnach die zunächst dem Routineunternehmen zugewiesenen Gewinnmargen entsprechend zu reduzieren. Zu beachten ist idZ, das jeweilige Verhalten ausreichend und zeitnah zu dokumentieren, zumal erfahrungsgemäß mit einer erhöhten Prüfungsintensität der Finanzbehörden im In- und Ausland zu rechnen ist.
Erfolgt eine kostenbasierte Vergütung von Routineunternehmen und erhalten diese COVID-19-bedingte Förderungen (wie zB „Fixkostenzuschüsse“), ist zu prüfen, welche Auswirkungen diese im jeweiligen Einzelfall auf die Verrechnungspreise haben bzw welche Wechselwirkungen idZ bestehen. Der „richtige“ Verrechnungspreis erfährt auch aus diesem Blickwinkel eine besondere Bedeutung.
Aussetzen bzw Anpassungen bei Lizenzzahlungen?
Lizenzzahlungen für die Nutzung von Marken oder Patenten basieren oftmals auf den erzielten Außen-Umsätzen. Sinken die Umsätze aufgrund der Krise, sinken korrespondierend auch die Lizenzzahlungen. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall, zumal sich gerade in Krisenzeiten oftmals auch zeigt, dass die Umsätze zwar relativ stabil bleiben, aufgrund ergriffener COVID-19 Maßnahmen (zB Restrukturierung) jedoch die Kosten steigen und unter Berücksichtigung der Lizenzzahlungen daher ein Verlust resultiert bzw deutlich gesunkene Margen erzielt werden.
Wie würden sich fremde Dritte in einer vergleichbaren Situation verhalten? Nach Maßgabe der OECD-VPR 2017 würden fremde Dritte idR nicht akzeptieren, aufgrund der Lizenzzahlungen einen Verlust zu erleiden. Vor diesem Hintergrund könnte die Krise zum Anlass genommen werden, die Lizenzvereinbarung neu zu verhandeln. In diesem Zusammenhang würden entsprechend den OECD-VPR 2017 fremde Dritte beispielsweise die Verträge wie folgt adaptieren: Abschluss von kurzfristigeren Vereinbarungen, Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln bzw eine Zahlungsstruktur wählen, welche bedingte Zahlungen vorsieht (zB gewinnabhängige Lizenzzahlungen).
Bei Lizenzzahlungen ist zudem zu beachten, dass für diese oftmals in den DBA‘s Quellensteuerabzüge vorgesehen sind, verknüpft mit einer Anrechnung der Quellensteuer beim Empfänger. Dies bedingt jedoch beim Empfänger ein ausreichendes Anrechnungssubstrat (Anrechnungshöchstbetrag), welches krisenbedingt unter Umständen nicht mehr ausreichend vorhanden sein könnte. Auch aus diesem Gesichtspunkt sollten die Lizenzverträge evaluiert werden.
Verrechnungspflicht von COVID-19 Sonderkosten?
Bei zahlreichen Konzernen fallen derzeit krisenbedingte Sonderkosten an. Zu denken ist dabei beispielsweise an Aufwendungen iZm der Schaffung von Remote Zugängen zu IT-Systemen aufgrund der großflächigen Home-Office-Tätigkeit, „sunk costs“ iZm dem Abbruch von Projekten oder erhöhter Aufwand bei Steuer- oder Rechtsabteilungen. Hierbei wird zu prüfen sein, ob diese Kosten an andere Konzerngesellschaften weiter zu verrechnen sind.
In diesem Zusammenhang sind die allgemeinen Grundsätze zu beachten, nämlich, ob diese Leistungen Dienstleistungen darstellen, welche dem Empfänger einen entsprechenden Nutzen vermitteln. Abzugrenzen sind diese von den sogenannten „shareholder costs“ bzw „duplicate costs“. Würde der Empfänger für diese Leistung bezahlen oder sie alternativ selbst erbringen, sind die Kosten zu verrechnen. Oftmals werden diese Dienstleistungen auf Basis der Kostenaufschlagsmethode mit einem Gewinnaufschlag zu verrechnen sein; handelt es sich lediglich um „durchgeschleuste“ Kosten, sind diese indes ohne Gewinnaufschlag zu verrechnen.
Wegzugsbesteuerung bei Adaptierung der Supply Chain?
Viele Konzerne nehmen die Krise auch zum Anlass, ihre Supply Chain zu hinterfragen oder möglicherweise zu vereinfachen. Führt dies zur Verlagerung von Funktionen in andere Länder (wie zB der Produktionsfunktion), sind die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen zu beachten (zB exit tax). Werden im Zuge dessen zB auch immaterielle Werte (zB Marken, Patente, Know-how, etc) übertragen, könnte gegenwärtig allenfalls ein günstiger Zeitpunkt sein, da deren Wert krisenbedingt gesunken sein könnte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Krise zum Anlass genommen werden sollte, die Auswirkungen auch auf die Verrechnungspreise zu prüfen. Die getroffenen Maßnahmen sind sorgfältig zu dokumentieren. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Verrechnungspreise aufgrund der budgetären Situationen bei der nächsten Betriebsprüfung im Fokus stehen werden.
Zum Autor:
Dr. Clemens Nowotny ist Steuerberater und Partner bei LeitnerLeitner
Zum Autor:
Mag. Norbert Schrottmeyer ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger und Partner bei LeitnerLeitner
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