Der OGH (8 ObA 77/18h) entschied zum ersten Mal seit Einführung der Möglichkeit des sogenannten 12-Stunden-Arbeitstages (iSd AZG-Novelle 2018, BGBl I 53/2018) die strittige Frage, was gilt, wenn eine seit 1.9.2018 abgeschlossene Gleitzeit(betriebs)vereinbarung gemäß § 4bAbs4AZGidgF eine tägliche Normalarbeitszeit von 12Stunden regelt, obwohl der Kollektivvertrag nur eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit bis auf 10Stunden durch Gleitzeitvereinbarung vorsieht. Der OGH entschied die Frage unter Anwendung des Günstigkeitsprinzips nach § 3 ArbVG.
Zur Autorin: Mag. Eszter Tóth, Rechtsanwaltsanwärterin bei Preslmayr Rechtsanwälte.
Gemäß § 4b Abs 4 AZG (in der seit 1.9.2018 geltenden Fassung) ist eine
Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden
zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben
ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer
wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist.
Nach § 4 Abs 9 des Kollektivvertrages für Angestellte des Metallgewerbes (KV) darf durch Betriebsvereinbarung ‑ in Betrieben ohne Betriebsrat durch Vereinbarung mit den einzelnen
Arbeitnehmern ‑ die tägliche Normalarbeitszeit gemäß § 4b Abs 4 AZG (Gleitzeitvereinbarung) bis auf 10 Stunden
verlängert werden. Nach § 5 Abs 1 KV gilt als Überstunde jede ausdrücklich angeordnete
Arbeitsstunde, durch die das Ausmaß der auf Basis der jeweiligen
kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit (§ 4 Abs. 1 KV) und unter
Berücksichtigung der Bestimmungen des § 4 KV festgelegten täglichen
Arbeitszeit sowie die Mehrarbeit gemäß § 4a KV überschritten wird. Überstunden
sind gemäß § 5 Abs 2 KV zuschlagspflichtig.
Die Wirtschaftskammer Österreich, Bundesinnung der Metalltechniker,
beantragte die Feststellung, dass § 4 Abs 9 KV einer Regelung über eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu 12 Stunden in einer seit dem 1.9.2018 abgeschlossenen Gleitzeit(betriebs)vereinbarung
gemäß § 4b AZG nicht entgegenstehe. Die Regelung des KV sei gegenstandslos geworden
und der Kollektivvertrag habe keine Kompetenz, eine gesetzlich zugelassene
Normalarbeitszeit zu beschränken.
Der OGH gab dem Antrag teilweise statt und begründete dies zusammengefasst
wie folgt:
§ 4 Abs 9 KV enthalte in Verbindung mit den Regelungen über Zuschläge für Überstunden
einen eindeutigen Regelungsgehalt und schließe die Möglichkeit von 11 oder 12
Stunden zuschlagsfreier Arbeit aus. Die Kollektivvertragsparteien hätten eigene
Arbeitszeitregelungen und mit diesen verbundene Entgeltregelungen getroffen.
Kollektivverträge könnten nach § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG auch Regelungen über Entgelt und Arbeitszeit treffen und z.B. auch
unterhalb der gesetzlichen Normalarbeitszeit liegende kollektivvertragliche
„Normalarbeitszeit“ und Mehrarbeitszuschläge vorsehen. Soweit es aber um eine
von § 4b Abs 4 AZG der Betriebsvereinbarung zugewiesene Gleitzeitregelung geht, könne diese zugewiesene Kompetenz durch den Kollektivvertrag nicht
eingeschränkt werden.
Für den Fall, dass Kollektivverträge und Betriebsvereinbarung die gleichen
Regelungsbereiche erfassen, gelange das Günstigkeitsprinzip des § 3 ArbVG zur Anwendung, wonach Sondervereinbarungen in Betriebsvereinbarungen,
sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt, nur gültig sind, soweit sie
für den Arbeitnehmer günstiger sind. Dabei sind jeweils die in sachlichem und
rechtlichem Zusammenhang stehenden Bestimmungen gegenüberzustellen.
Gegenständlich stelle sich die Regelung im Kollektivvertrag als die günstigere
Bestimmung dar. In Anbetracht der Übergangbestimmung des § 32c Abs 10 AZG idF der AZG-Novelle 2018, wonach Regelungen
in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, die für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen vorsehen, durch die Änderungen des
Bundesgesetzes BGBl. I
Nr. 53/2018
nicht berührt werden, solle die Einschätzung, was in der jeweiligen Branche an
Beschäftigungsbedingungen insoweit gegenüber der allgemeinen Regelung
angemessener ist, den Kollektivvertragsparteien überlassen werden. Die
Kollektivvertragspartner hätten hier dem Entgeltvorteil das überwiegende
Gewicht eingeräumt.
Die Betriebsvereinbarung
nach § 4b AZG wird somit in solchen Fällen durch den KV verdrängt und
sind – auf Basis der Gleitzeit(betriebs)vereinbarung – zuschlagsfrei
maximal 10 Tagesarbeitsstunden möglich. Dem Arbeitnehmer gebühren
daher für die 11. und 12. Tagesarbeitsstunde die kollektivvertraglichen
Überstundenzuschläge.
Der OGH (8 ObA 77/18h) entschied zum ersten Mal seit Einführung der Möglichkeit des sogenannten 12-Stunden-Arbeitstages (iSd AZG-Novelle 2018, BGBl I 53/2018) die strittige Frage, was gilt, wenn eine seit 1.9.2018 abgeschlossene Gleitzeit(betriebs)vereinbarung gemäß § 4bAbs4AZGidgF eine tägliche Normalarbeitszeit von 12Stunden regelt, obwohl der Kollektivvertrag nur eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit bis auf 10Stunden durch Gleitzeitvereinbarung vorsieht. Der OGH entschied die Frage unter Anwendung des Günstigkeitsprinzips nach § 3 ArbVG.
Zur Autorin: Mag. Eszter Tóth, Rechtsanwaltsanwärterin bei Preslmayr Rechtsanwälte.
Gemäß § 4b Abs 4 AZG (in der seit 1.9.2018 geltenden Fassung) ist eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist.
Nach § 4 Abs 9 des Kollektivvertrages für Angestellte des Metallgewerbes (KV) darf durch Betriebsvereinbarung ‑ in Betrieben ohne Betriebsrat durch Vereinbarung mit den einzelnen Arbeitnehmern ‑ die tägliche Normalarbeitszeit gemäß § 4b Abs 4 AZG (Gleitzeitvereinbarung) bis auf 10 Stunden verlängert werden. Nach § 5 Abs 1 KV gilt als Überstunde jede ausdrücklich angeordnete Arbeitsstunde, durch die das Ausmaß der auf Basis der jeweiligen kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit (§ 4 Abs. 1 KV) und unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 4 KV festgelegten täglichen Arbeitszeit sowie die Mehrarbeit gemäß § 4a KV überschritten wird. Überstunden sind gemäß § 5 Abs 2 KV zuschlagspflichtig.
Die Wirtschaftskammer Österreich, Bundesinnung der Metalltechniker, beantragte die Feststellung, dass § 4 Abs 9 KV einer Regelung über eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu 12 Stunden in einer seit dem 1.9.2018 abgeschlossenen Gleitzeit(betriebs)vereinbarung gemäß § 4b AZG nicht entgegenstehe. Die Regelung des KV sei gegenstandslos geworden und der Kollektivvertrag habe keine Kompetenz, eine gesetzlich zugelassene Normalarbeitszeit zu beschränken.
Der OGH gab dem Antrag teilweise statt und begründete dies zusammengefasst wie folgt:
§ 4 Abs 9 KV enthalte in Verbindung mit den Regelungen über Zuschläge für Überstunden einen eindeutigen Regelungsgehalt und schließe die Möglichkeit von 11 oder 12 Stunden zuschlagsfreier Arbeit aus. Die Kollektivvertragsparteien hätten eigene Arbeitszeitregelungen und mit diesen verbundene Entgeltregelungen getroffen.
Kollektivverträge könnten nach § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG auch Regelungen über Entgelt und Arbeitszeit treffen und z.B. auch unterhalb der gesetzlichen Normalarbeitszeit liegende kollektivvertragliche „Normalarbeitszeit“ und Mehrarbeitszuschläge vorsehen. Soweit es aber um eine von § 4b Abs 4 AZG der Betriebsvereinbarung zugewiesene Gleitzeitregelung geht, könne diese zugewiesene Kompetenz durch den Kollektivvertrag nicht eingeschränkt werden.
Für den Fall, dass Kollektivverträge und Betriebsvereinbarung die gleichen Regelungsbereiche erfassen, gelange das Günstigkeitsprinzip des § 3 ArbVG zur Anwendung, wonach Sondervereinbarungen in Betriebsvereinbarungen, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt, nur gültig sind, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind. Dabei sind jeweils die in sachlichem und rechtlichem Zusammenhang stehenden Bestimmungen gegenüberzustellen.
Gegenständlich stelle sich die Regelung im Kollektivvertrag als die günstigere Bestimmung dar. In Anbetracht der Übergangbestimmung des § 32c Abs 10 AZG idF der AZG-Novelle 2018, wonach Regelungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen vorsehen, durch die Änderungen des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 53/2018 nicht berührt werden, solle die Einschätzung, was in der jeweiligen Branche an Beschäftigungsbedingungen insoweit gegenüber der allgemeinen Regelung angemessener ist, den Kollektivvertragsparteien überlassen werden. Die Kollektivvertragspartner hätten hier dem Entgeltvorteil das überwiegende Gewicht eingeräumt.
Die Betriebsvereinbarung nach § 4b AZG wird somit in solchen Fällen durch den KV verdrängt und sind – auf Basis der Gleitzeit(betriebs)vereinbarung – zuschlagsfrei maximal 10 Tagesarbeitsstunden möglich. Dem Arbeitnehmer gebühren daher für die 11. und 12. Tagesarbeitsstunde die kollektivvertraglichen Überstundenzuschläge.