Rund zwei Jahre nach dem ersten Entwurf der EU-Kommission für einen sog. „New Deal for Consumers“ haben sich die zuständigen Gremien der Europäischen Union auf eine Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen von Verbrauchern geeinigt, die erstmals die europaweite Einführung von Sammelklagen vorsieht. Die Richtlinie umfasst sowohl Unterlassungsklagen als auch Abhilfemaßnahmen und sieht neben innerstaatlichen auch grenzüberschreitende Verbandsklagen vor.
Zielsetzung der Richtlinie
Durch die bisher auf Unionsebene vorgesehenen Möglichkeiten von Verbandsklagen wurden die Probleme bei der Durchsetzung des Verbraucherrechts nicht zufriedenstellend gelöst. Die vorhandenen Verfahren sind derzeit unionsweit unterschiedlich geregelt und bieten ein unterschiedliches Maß an Verbraucherschutz. Es gibt auch Mitgliedstaaten, die gegenwärtig über gar kein kollektives Abhilfeverfahren (Sammelverfahren) verfügen. So auch in Österreich, wo im Bereich des Verbraucherschutzes derzeit neben der sogenannten „Sammelklage österreichischer Prägung“ nur sehr eingeschränkt „Verbandsklagen“ für Interessenvertretungen existieren.
Mit dieser Richtlinie sollte daher sichergestellt werden, dass Verbrauchern in allen Mitgliedstaaten zumindest ein Verfahren mit gewissen Standards zur Verfügung steht, damit wirksame und effiziente Verbandsklagen auf nationaler und Unionsebene ermöglicht werden. Diese Verbandsklagen sollen Kollektivinteressen der Verbraucher schützen. Gleichzeitig sollte aber auch der Missbrauch von Verbandsklagen durch angemessene Schutzvorschriften verhindert werden.
Die Richtlinie dient allerdings nicht dazu, bereits bestehende nationale Verfahren zu verdrängen. Vielmehr bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, die nunmehr vorgesehenen Sammelklagen als Teil eines bestehenden oder zukünftigen kollektiven Unterlassungs- oder Abhilfeverfahrens oder als separates Verfahren zu konzipieren. Die Richtline berührt zudem nicht die Unionsvorschriften im Bereich des Internationalen Privatrechts (insb. EuGVVO, Rom-I, Rom-II).
Anwendungsbereich der Richtlinie
Vom Anwendungsbereich der Richtline sind Verstöße von Unternehmern gegenüber Verbrauchern gegen die in Anhang 1 zur Richtlinie angeführten Vorschriften des Unionsrechts umfasst. Der Anwendungsbereich umfasst insgesamt 66 Unions-Rechtsakte, darunter nunmehr auch verbraucherschutzrechtlich relevante Bereiche wie Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Reiserecht oder Datenschutz. Die Richtlinie enthält auch eine „Öffnungsklausel“, wonach die Mitgliedstaaten befugt sind, den Anwendungsbereich auf weitere Bereiche auszudehnen.
Aus österreichischer Sicht bemerkenswert ist, dass die Richtline nicht ausschließlich auf Zivilverfahren zugeschnitten ist. Vielmehr wird in den Erwägungsgründe davon ausgegangen, dass sowohl Gerichts- als auch Verwaltungsverfahren wirksam und effizient dem Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher dienen könnten. Dementsprechend bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, das Verfahren über Verbandsklagen als Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zu konzipieren.
Unerheblich ist, ob ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt. Die durch die Richtlinie vorgesehenen Verbandsklagen umfassen vielmehr sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Verstöße.
Qualifizierte Einrichtungen
Die Richtlinie sieht vor, dass bestimmte qualifizierte Einrichtungen Verbandsklagen zukünftig erheben können. Die Auswahl und Benennung dieser qualifizierten Einrichtungen, wozu insbesondere Verbraucherschutzorganisationen zählen, obliegen den jeweiligen Mitgliedstaaten. Diese haben auch Regelungen für die Finanzierung der Einrichtungen vorzusehen, wobei auch die Einhebung einer moderaten Beitrittsgebühr oder einer vergleichbaren Teilnahmegebühr von Verbrauchern für konkrete Verbandsklagen zulässig ist. Die Kommission führt ein Verzeichnis aller qualifizierten Einrichtungen der jeweiligen Mitgliedstaaten; daneben können die Mitgliedstaaten öffentlich zugängliche elektronische Datenbanken mit Informationen über derartige Einrichtungen sowie laufende und abgeschlossene Verbandsverfahren einrichten.
Für qualifizierte Einrichtungen, die zur Erhebung von grenzüberschreitenden Verbandsklagen legitimiert sind, sieht die Richtlinie eigene Kriterien vor, die diese Organisationen erfüllen müssen (z.B. Verfolgung von Verbraucherinteressen, kein Erwerbszweck, wirtschaftliche Unabhängigkeit). Bei innerstaatlichen Streitigkeiten obliegt die Festlegung der Kriterien hingegen den Mitgliedstaaten, die dafür auch Einrichtungen auf deren Ersuchen hin ad hoc (zur Verfolgung von Verbraucherinteressen im Einzelfall) benennen können. Die Finanzierung einer Verbandsklage durch Dritte wird nun speziellen Regelungen unterworfen; um Interessenkonflikte zu vermeiden, werden den qualifizierten Einrichtungen eine Reihe von Transparenzanforderungen auferlegt.
Rechtsbehelfe
Als Rechtsbehelfe sieht die Richtline Unterlassungsverfügungen und Abhilfemaßnahme vor, wobei es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, eine Kombination dieser Behelfe zuzulassen.
Bei Unterlassungsverfügungen handelt es sich um – einstweilige oder endgültige – Verfügungen, mit denen die Beendigung oder das Verbot einer Praktik sowie allenfalls auch die Verpflichtung begehrt werden kann, den über die Verfügung ergangenen Maßnahmenbeschluss zu veröffentlichen. Die Regelung der Sanktionen bei Verstößen gegen derartige Verfügungen obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten; die Richtlinie sieht lediglich vor, dass unter anderem Geldbußen verhängt werden sollen. Verfahren über Unterlassungsverfügungen sollen besonders zügig behandelt werden, wobei die Mitgliedstaaten auch ein separates Eilverfahren bereit zu stellen haben.
Die Geltendmachung einer Unterlassungsverfügung ist nicht an die Beteiligung einzelner betroffener Verbraucher geknüpft – die qualifizierte Einrichtung muss weder einen tatsächlichen Verlust noch Schaden noch das Vorliegen eines Vorsatzes oder von Fahrlässigkeit beim Unternehmer nachweisen; sie muss allerdings hinreichende Angaben zu den betroffenen Personen machen. Nach der Richtline können die Mitgliedstaaten zudem Regelungen vorsehen, nach denen eine qualifizierte Einrichtung den Unternehmer zunächst konsultieren und den Versuch einer gütlichen Einigung unternehmen muss. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang schließlich auch die Bestimmung, wonach die Geltendmachung von Unterlassungsverfügungen dazu führt, dass der Lauf der geltenden Verjährungsfristen für die von der Klage betroffenen Verbraucher hinsichtlich ihrer Ersatzansprüche aus diesem Verstoß unterbrochen oder gehemmt wird.
Die in der Richtline weiters vorgesehenen Abhilfemaßnahmen verfolgen den Zweck, dass Verbrauchern Wiedergutmachung in Form von Entschädigung, Reparatur, Ersatz, Preisminderung, Vertragskündigung oder Erstattung des gezahlten Preises geleistet wird. Im Gegensatz zu Unterlassungsverfügungen müssen qualifizierte Einrichtungen bei Geltendmachung von Abhilfemaßnahmen zumindest eine Gruppe von Verbrauchern nennen, die Anspruch auf die genannte Wiedergutmachung hat. Die konkrete Ausgestaltung der Abgrenzung, welche Verbraucher von solchen Abhilfemaßnahmen umfasst sein sollen, überlässt die Richtlinie jedoch den einzelnen Mitgliedstaaten (Opt-In oder Opt-Out; ausgenommen davon sind lediglich ausländische Verbraucher, die immer nur bei einem Opt-In einbezogen werden).
Die Richtline stellt weiters klar, dass Verbrauchern, die den Rechtschutz durch Verbandsklagen in Anspruch nehmen, die individuelle Rechtsverfolgung verwehrt bleiben muss. Dementsprechend haben die Mitgliedstaaten aber auch sicherzustellen, dass die Verbraucher, die aufgrund von geltend gemachten Abhilfemaßnahmen Anspruch auf Schadenersatz haben, ohne eine gesonderte Klage Befriedigung erhalten. Auf welche Art und in welcher Frist die Verbraucher diese Abhilfemaßnahmen in Anspruch nehmen können, obliegt ebenso den Mitgliedstaaten wie die Verwendung von erzielten Entschädigungen, die von den Verbrauchern letztlich nicht abgerufen werden. Über Abhilfemaßnahmen hinaus gehende Ansprüche von Verbrauchern bleiben dadurch unberührt. Die in einer Verbandsklage ergangene Entscheidung entfaltet für Verfahren über derartige Ansprüche keine Bindungswirkung, sondern stellt lediglich ein Beweismittel dar, das von beiden Parteien (auch in Verfahren in anderen Mitgliedstaaten) genutzt werden kann.
Verfahren über Verbandsklagen
Verbandsklagen sollen eine wirksame und effiziente Möglichkeit bieten, die Kollektivinteressen von Verbrauchern zu schützen. Dementsprechend sieht die Richtlinie vor, dass den qualifizierten Einrichtungen die Rechte und Pflichten einer Verfahrenspartei zukommen müssen. Die Mitgliedstaaten können Verbrauchern zudem bestimmte Rechte im Rahmen der Verbandsklage zuerkennen, allerdings sollten ihnen nicht die Position eines antragstellenden Verfahrensbeteiligten zukommen. Wie diese Vorgaben vom österreichischen Gesetzgeber umgesetzt werden und welche konkrete Stellung Verbrauchern und Verbänden (Stichwort: gewillkürte Prozessstandschaft) in diesen Verfahren zuerkannt wird, bleibt abzuwarten.
Wenn eine qualifizierte Einrichtung eine Verbandsklage erhebt, hat sie hinreichende Angaben zu den von der Klage betroffenen Verbrauchern zu machen. Die Gerichte oder Verwaltungsbehörden prüfen daraufhin die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer bestimmten Verbandsklage (z.B. betroffener Personenkreis, Erfüllung der Kriterien der qualifizierten Einrichtung). Dabei sieht die Richtlinie auch vor, dass die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, dass offensichtlich unbegründete Fälle in einem möglichst frühen Verfahrensstadium nach dem einzelstaatlichen Recht abgewiesen werden.
Qualifizierte Einrichtungen sollen weiters dazu ermächtigt werden, Vergleiche über Abhilfemaßnahmen mit den jeweiligen Unternehmen zu schließen, die für die einzelnen betroffenen Verbraucher Bindungswirkung entfalten. Allerdings können die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen, durch die einzelne Verbraucher die Möglichkeit erhalten, den Vergleich anzunehmen oder abzulehnen. Diese Vergleiche unterliegen in der Folge der Prüfung durch das Gericht bzw. die Verwaltungsbehörde. Neben der vorgesehenen Möglichkeit der Ablehnung des Vergleichs bei Widersprüchen gegen zwingende Bestimmungen nationalen Rechts ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass die Mitgliedstaaten sogar Vorschriften erlassen können, die es den Gerichten oder Verwaltungsbehörden ermöglichen, die Bestätigung eines Vergleichs mit der Begründung abzulehnen, dass es sich nicht um einen „fairen“ Vergleich handelt.
Nach der Richtlinie hat die unterlegene Partei die von der obsiegenden Partei getragenen Verfahrenskosten nach Maßgabe nationaler Vorschriften zu bezahlen. Einzelne von einer Verbandsklage auf Abhilfe betroffene Verbraucher sind grundsätzlich nicht zum Kostenersatz verpflichtet, sofern sie im Verfahren nicht vorsätzlich oder fahrlässig Kosten verursacht haben.
Die Richtline enthält ferner Vorgaben im Hinblick auf die Unterrichtung betroffener Personen von Verbandsklagen. Demnach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die qualifizierten Einrichtungen insbesondere auf ihrer Website Informationen über die Verbandsklagen, deren Stand und Ergebnisse bereitstellen. Die zuständige Behörde kann den Unternehmer zudem dazu verpflichten, die von der Verbandsklage betroffenen Verbraucher auf seine Kosten über rechtskräftige Entscheidungen oder gerichtlich bestätigte Vergleiche – gegebenenfalls durch individuelle Benachrichtigung aller betroffenen Verbraucher – zu unterrichten, sofern diese nicht bereits auf andere Weise verständigt wurden.
Eine weitere Besonderheit der Richtlinie ist, dass die für Verbandsklagen zuständigen Behörden nach Maßgabe der nationalen Verfahrensvorschriften – notfalls mit Zwangsmitteln – die Vorlage von Beweismittel durch den Beklagten oder dritte Personen anordnen können. Die Mitgliedstaaten haben dabei sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden auf Antrag des Beklagten ebenfalls anordnen können, dass die qualifizierte Einrichtung oder Dritte einschlägige Beweismittel offenlegen.
Im Zusammenhang mit den nunmehr auch zulässigen grenzüberschreitenden Verbandsklagen haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass qualifizierte Einrichtungen, die in anderen Mitgliedstaaten für die Zwecke grenzüberschreitender Verbandsklagen vorab benannt wurden, vor ihren Gerichten oder Verwaltungsbehörden entsprechende Verbandsklagen erheben können. Auch besteht die Möglichkeit, dass mehrere qualifizierte Einrichtungen aus verschiedenen Mitgliedstaaten eine Verbandsklage in einem einzigen Mitgliedstaat erheben können.
Resümee und Ausblick
Die Richtlinie sieht erstmals die europaweite Einführung von Sammelklagen und somit eine Steigerung der individuellen Interessen von Verbrauchern und des kollektiven Rechtsschutzes mit einigen Besonderheiten und Neuerungen vor. Wie diese Vorgaben in nationales Recht umgesetzt werden und welche Veränderungen sich daraus für das österreichische Recht ergeben, bleibt abzuwarten. Nach Inkrafttreten der Richtlinie bleiben den Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit, die Vorgaben in ihr nationales Recht umzusetzen, sechs Monate später sind diese dann anzuwenden.
Zum Autor:
Dr. Clemens Jenny ist Rechtsanwaltsanwärter bei Preslmayr Rechtsanwälte.
Rund zwei Jahre nach dem ersten Entwurf der EU-Kommission für einen sog. „New Deal for Consumers“ haben sich die zuständigen Gremien der Europäischen Union auf eine Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen von Verbrauchern geeinigt, die erstmals die europaweite Einführung von Sammelklagen vorsieht. Die Richtlinie umfasst sowohl Unterlassungsklagen als auch Abhilfemaßnahmen und sieht neben innerstaatlichen auch grenzüberschreitende Verbandsklagen vor.
Zielsetzung der Richtlinie
Durch die bisher auf Unionsebene vorgesehenen Möglichkeiten von Verbandsklagen wurden die Probleme bei der Durchsetzung des Verbraucherrechts nicht zufriedenstellend gelöst. Die vorhandenen Verfahren sind derzeit unionsweit unterschiedlich geregelt und bieten ein unterschiedliches Maß an Verbraucherschutz. Es gibt auch Mitgliedstaaten, die gegenwärtig über gar kein kollektives Abhilfeverfahren (Sammelverfahren) verfügen. So auch in Österreich, wo im Bereich des Verbraucherschutzes derzeit neben der sogenannten „Sammelklage österreichischer Prägung“ nur sehr eingeschränkt „Verbandsklagen“ für Interessenvertretungen existieren.
Mit dieser Richtlinie sollte daher sichergestellt werden, dass Verbrauchern in allen Mitgliedstaaten zumindest ein Verfahren mit gewissen Standards zur Verfügung steht, damit wirksame und effiziente Verbandsklagen auf nationaler und Unionsebene ermöglicht werden. Diese Verbandsklagen sollen Kollektivinteressen der Verbraucher schützen. Gleichzeitig sollte aber auch der Missbrauch von Verbandsklagen durch angemessene Schutzvorschriften verhindert werden.
Die Richtlinie dient allerdings nicht dazu, bereits bestehende nationale Verfahren zu verdrängen. Vielmehr bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, die nunmehr vorgesehenen Sammelklagen als Teil eines bestehenden oder zukünftigen kollektiven Unterlassungs- oder Abhilfeverfahrens oder als separates Verfahren zu konzipieren. Die Richtline berührt zudem nicht die Unionsvorschriften im Bereich des Internationalen Privatrechts (insb. EuGVVO, Rom-I, Rom-II).
Anwendungsbereich der Richtlinie
Vom Anwendungsbereich der Richtline sind Verstöße von Unternehmern gegenüber Verbrauchern gegen die in Anhang 1 zur Richtlinie angeführten Vorschriften des Unionsrechts umfasst. Der Anwendungsbereich umfasst insgesamt 66 Unions-Rechtsakte, darunter nunmehr auch verbraucherschutzrechtlich relevante Bereiche wie Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Reiserecht oder Datenschutz. Die Richtlinie enthält auch eine „Öffnungsklausel“, wonach die Mitgliedstaaten befugt sind, den Anwendungsbereich auf weitere Bereiche auszudehnen.
Aus österreichischer Sicht bemerkenswert ist, dass die Richtline nicht ausschließlich auf Zivilverfahren zugeschnitten ist. Vielmehr wird in den Erwägungsgründe davon ausgegangen, dass sowohl Gerichts- als auch Verwaltungsverfahren wirksam und effizient dem Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher dienen könnten. Dementsprechend bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, das Verfahren über Verbandsklagen als Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zu konzipieren.
Unerheblich ist, ob ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt. Die durch die Richtlinie vorgesehenen Verbandsklagen umfassen vielmehr sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Verstöße.
Qualifizierte Einrichtungen
Die Richtlinie sieht vor, dass bestimmte qualifizierte Einrichtungen Verbandsklagen zukünftig erheben können. Die Auswahl und Benennung dieser qualifizierten Einrichtungen, wozu insbesondere Verbraucherschutzorganisationen zählen, obliegen den jeweiligen Mitgliedstaaten. Diese haben auch Regelungen für die Finanzierung der Einrichtungen vorzusehen, wobei auch die Einhebung einer moderaten Beitrittsgebühr oder einer vergleichbaren Teilnahmegebühr von Verbrauchern für konkrete Verbandsklagen zulässig ist. Die Kommission führt ein Verzeichnis aller qualifizierten Einrichtungen der jeweiligen Mitgliedstaaten; daneben können die Mitgliedstaaten öffentlich zugängliche elektronische Datenbanken mit Informationen über derartige Einrichtungen sowie laufende und abgeschlossene Verbandsverfahren einrichten.
Für qualifizierte Einrichtungen, die zur Erhebung von grenzüberschreitenden Verbandsklagen legitimiert sind, sieht die Richtlinie eigene Kriterien vor, die diese Organisationen erfüllen müssen (z.B. Verfolgung von Verbraucherinteressen, kein Erwerbszweck, wirtschaftliche Unabhängigkeit). Bei innerstaatlichen Streitigkeiten obliegt die Festlegung der Kriterien hingegen den Mitgliedstaaten, die dafür auch Einrichtungen auf deren Ersuchen hin ad hoc (zur Verfolgung von Verbraucherinteressen im Einzelfall) benennen können. Die Finanzierung einer Verbandsklage durch Dritte wird nun speziellen Regelungen unterworfen; um Interessenkonflikte zu vermeiden, werden den qualifizierten Einrichtungen eine Reihe von Transparenzanforderungen auferlegt.
Rechtsbehelfe
Als Rechtsbehelfe sieht die Richtline Unterlassungsverfügungen und Abhilfemaßnahme vor, wobei es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, eine Kombination dieser Behelfe zuzulassen.
Bei Unterlassungsverfügungen handelt es sich um – einstweilige oder endgültige – Verfügungen, mit denen die Beendigung oder das Verbot einer Praktik sowie allenfalls auch die Verpflichtung begehrt werden kann, den über die Verfügung ergangenen Maßnahmenbeschluss zu veröffentlichen. Die Regelung der Sanktionen bei Verstößen gegen derartige Verfügungen obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten; die Richtlinie sieht lediglich vor, dass unter anderem Geldbußen verhängt werden sollen. Verfahren über Unterlassungsverfügungen sollen besonders zügig behandelt werden, wobei die Mitgliedstaaten auch ein separates Eilverfahren bereit zu stellen haben.
Die Geltendmachung einer Unterlassungsverfügung ist nicht an die Beteiligung einzelner betroffener Verbraucher geknüpft – die qualifizierte Einrichtung muss weder einen tatsächlichen Verlust noch Schaden noch das Vorliegen eines Vorsatzes oder von Fahrlässigkeit beim Unternehmer nachweisen; sie muss allerdings hinreichende Angaben zu den betroffenen Personen machen. Nach der Richtline können die Mitgliedstaaten zudem Regelungen vorsehen, nach denen eine qualifizierte Einrichtung den Unternehmer zunächst konsultieren und den Versuch einer gütlichen Einigung unternehmen muss. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang schließlich auch die Bestimmung, wonach die Geltendmachung von Unterlassungsverfügungen dazu führt, dass der Lauf der geltenden Verjährungsfristen für die von der Klage betroffenen Verbraucher hinsichtlich ihrer Ersatzansprüche aus diesem Verstoß unterbrochen oder gehemmt wird.
Die in der Richtline weiters vorgesehenen Abhilfemaßnahmen verfolgen den Zweck, dass Verbrauchern Wiedergutmachung in Form von Entschädigung, Reparatur, Ersatz, Preisminderung, Vertragskündigung oder Erstattung des gezahlten Preises geleistet wird. Im Gegensatz zu Unterlassungsverfügungen müssen qualifizierte Einrichtungen bei Geltendmachung von Abhilfemaßnahmen zumindest eine Gruppe von Verbrauchern nennen, die Anspruch auf die genannte Wiedergutmachung hat. Die konkrete Ausgestaltung der Abgrenzung, welche Verbraucher von solchen Abhilfemaßnahmen umfasst sein sollen, überlässt die Richtlinie jedoch den einzelnen Mitgliedstaaten (Opt-In oder Opt-Out; ausgenommen davon sind lediglich ausländische Verbraucher, die immer nur bei einem Opt-In einbezogen werden).
Die Richtline stellt weiters klar, dass Verbrauchern, die den Rechtschutz durch Verbandsklagen in Anspruch nehmen, die individuelle Rechtsverfolgung verwehrt bleiben muss. Dementsprechend haben die Mitgliedstaaten aber auch sicherzustellen, dass die Verbraucher, die aufgrund von geltend gemachten Abhilfemaßnahmen Anspruch auf Schadenersatz haben, ohne eine gesonderte Klage Befriedigung erhalten. Auf welche Art und in welcher Frist die Verbraucher diese Abhilfemaßnahmen in Anspruch nehmen können, obliegt ebenso den Mitgliedstaaten wie die Verwendung von erzielten Entschädigungen, die von den Verbrauchern letztlich nicht abgerufen werden. Über Abhilfemaßnahmen hinaus gehende Ansprüche von Verbrauchern bleiben dadurch unberührt. Die in einer Verbandsklage ergangene Entscheidung entfaltet für Verfahren über derartige Ansprüche keine Bindungswirkung, sondern stellt lediglich ein Beweismittel dar, das von beiden Parteien (auch in Verfahren in anderen Mitgliedstaaten) genutzt werden kann.
Verfahren über Verbandsklagen
Verbandsklagen sollen eine wirksame und effiziente Möglichkeit bieten, die Kollektivinteressen von Verbrauchern zu schützen. Dementsprechend sieht die Richtlinie vor, dass den qualifizierten Einrichtungen die Rechte und Pflichten einer Verfahrenspartei zukommen müssen. Die Mitgliedstaaten können Verbrauchern zudem bestimmte Rechte im Rahmen der Verbandsklage zuerkennen, allerdings sollten ihnen nicht die Position eines antragstellenden Verfahrensbeteiligten zukommen. Wie diese Vorgaben vom österreichischen Gesetzgeber umgesetzt werden und welche konkrete Stellung Verbrauchern und Verbänden (Stichwort: gewillkürte Prozessstandschaft) in diesen Verfahren zuerkannt wird, bleibt abzuwarten.
Wenn eine qualifizierte Einrichtung eine Verbandsklage erhebt, hat sie hinreichende Angaben zu den von der Klage betroffenen Verbrauchern zu machen. Die Gerichte oder Verwaltungsbehörden prüfen daraufhin die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer bestimmten Verbandsklage (z.B. betroffener Personenkreis, Erfüllung der Kriterien der qualifizierten Einrichtung). Dabei sieht die Richtlinie auch vor, dass die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, dass offensichtlich unbegründete Fälle in einem möglichst frühen Verfahrensstadium nach dem einzelstaatlichen Recht abgewiesen werden.
Qualifizierte Einrichtungen sollen weiters dazu ermächtigt werden, Vergleiche über Abhilfemaßnahmen mit den jeweiligen Unternehmen zu schließen, die für die einzelnen betroffenen Verbraucher Bindungswirkung entfalten. Allerdings können die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen, durch die einzelne Verbraucher die Möglichkeit erhalten, den Vergleich anzunehmen oder abzulehnen. Diese Vergleiche unterliegen in der Folge der Prüfung durch das Gericht bzw. die Verwaltungsbehörde. Neben der vorgesehenen Möglichkeit der Ablehnung des Vergleichs bei Widersprüchen gegen zwingende Bestimmungen nationalen Rechts ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass die Mitgliedstaaten sogar Vorschriften erlassen können, die es den Gerichten oder Verwaltungsbehörden ermöglichen, die Bestätigung eines Vergleichs mit der Begründung abzulehnen, dass es sich nicht um einen „fairen“ Vergleich handelt.
Nach der Richtlinie hat die unterlegene Partei die von der obsiegenden Partei getragenen Verfahrenskosten nach Maßgabe nationaler Vorschriften zu bezahlen. Einzelne von einer Verbandsklage auf Abhilfe betroffene Verbraucher sind grundsätzlich nicht zum Kostenersatz verpflichtet, sofern sie im Verfahren nicht vorsätzlich oder fahrlässig Kosten verursacht haben.
Die Richtline enthält ferner Vorgaben im Hinblick auf die Unterrichtung betroffener Personen von Verbandsklagen. Demnach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die qualifizierten Einrichtungen insbesondere auf ihrer Website Informationen über die Verbandsklagen, deren Stand und Ergebnisse bereitstellen. Die zuständige Behörde kann den Unternehmer zudem dazu verpflichten, die von der Verbandsklage betroffenen Verbraucher auf seine Kosten über rechtskräftige Entscheidungen oder gerichtlich bestätigte Vergleiche – gegebenenfalls durch individuelle Benachrichtigung aller betroffenen Verbraucher – zu unterrichten, sofern diese nicht bereits auf andere Weise verständigt wurden.
Eine weitere Besonderheit der Richtlinie ist, dass die für Verbandsklagen zuständigen Behörden nach Maßgabe der nationalen Verfahrensvorschriften – notfalls mit Zwangsmitteln – die Vorlage von Beweismittel durch den Beklagten oder dritte Personen anordnen können. Die Mitgliedstaaten haben dabei sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden auf Antrag des Beklagten ebenfalls anordnen können, dass die qualifizierte Einrichtung oder Dritte einschlägige Beweismittel offenlegen.
Im Zusammenhang mit den nunmehr auch zulässigen grenzüberschreitenden Verbandsklagen haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass qualifizierte Einrichtungen, die in anderen Mitgliedstaaten für die Zwecke grenzüberschreitender Verbandsklagen vorab benannt wurden, vor ihren Gerichten oder Verwaltungsbehörden entsprechende Verbandsklagen erheben können. Auch besteht die Möglichkeit, dass mehrere qualifizierte Einrichtungen aus verschiedenen Mitgliedstaaten eine Verbandsklage in einem einzigen Mitgliedstaat erheben können.
Resümee und Ausblick
Die Richtlinie sieht erstmals die europaweite Einführung von Sammelklagen und somit eine Steigerung der individuellen Interessen von Verbrauchern und des kollektiven Rechtsschutzes mit einigen Besonderheiten und Neuerungen vor. Wie diese Vorgaben in nationales Recht umgesetzt werden und welche Veränderungen sich daraus für das österreichische Recht ergeben, bleibt abzuwarten. Nach Inkrafttreten der Richtlinie bleiben den Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit, die Vorgaben in ihr nationales Recht umzusetzen, sechs Monate später sind diese dann anzuwenden.
Zum Autor:
Dr. Clemens Jenny ist Rechtsanwaltsanwärter bei Preslmayr Rechtsanwälte.