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Erste Rechtsprechung des BVwG zur Vereinbarkeit des Kommunikationsplattformen-Gesetzes mit dem Unionsrecht

(Bild: © iStock/NatalyaBurova) (Bild: © iStock/NatalyaBurova)

Das BVwG hat sich in drei aktuellen Entscheidungen erstmals mit der Frage der Vereinbarkeit des neuen Kommunikationsplattformen-Gesetzes (KoPl-G) mit dem Unionsrecht und insbesondere dem Herkunftslandprinzip der E-Commerce-RL auseinandergesetzt.

Das mit dem Gesetzespaket gegen Hass im Netz eingeführt KoPl-G, dessen wesentlicher Regelungsinhalt bereits in einem vorherigen Beitrag dargestellt wurde, wirft einige rechtliche Fragen auf. Dies betrifft unter anderem die Vereinbarkeit des KoPl-G mit dem Unionsrecht und insbesondere die Anwendbarkeit des KoPl-G auf Diensteanbieter, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassen sind und für die daher das Herkunftslandprinzip nach der E-Commerce-Richtlinie (RL 2000/31/EG) (bzw. der AVMD-RL) gilt. Nach dem Herkunftslandprinzip unterliegt nämlich ein Diensteanbieter, unabhängig davon, in welchen Mitgliedstaaten er seine Dienste anbietet, grundsätzlich nur den rechtlichen Anforderungen seines Sitzstaates.

Drei große, nicht in Österreich ansässige, Anbieter von Social-Media-Plattformen haben deshalb bei der KommAustria beantragt, dass diese iSd § 1 Abs 5 KoPl-G feststellt, dass die von ihnen angebotenen Dienste nicht in den Anwendungsbereich des KoPl-G fallen. Nachdem die KommAustria jedoch den Anwendungsbereich des KoPl-G bejahte, erhoben diese Beschwerden an das BVwG. Das BVwG setzt sich den in drei dazu am 28.9.2021 ergangenen Entscheidungen (W195 2241960-1; W195 2242336-1; W234 2243172-1) erstmal mit diesbezüglichen Fragen auseinander.

Vereinbarkeit mit dem Herkunftslandprinzip der E-Commerce-RL

Nach Ansicht des BVwG unterliegt das Regime des KoPl-G dem koordinierten Bereich der E-Commerce-RL, da es sich insbesondere auf die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft bezieht. Das Herkunftslandprinzip greift in den gegenständlichen Fällen somit grundsätzlich, gilt jedoch nicht absolut. So kann nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH 19.12.2019, C-390/18, airbnb Ireland) ein Mitgliedstaat seinerseits eine Maßnahme ergreifen, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.

Erstens muss die Maßnahme erforderlich sein, um den Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit oder der Verbraucher zu gewährleisten, einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft betreffen, der diese Schutzziele tatsächlich beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr der Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt, und schließlich in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen.

Zweitens muss der Mitgliedstaat vor Ergreifen der Maßnahme den Sitzmitgliedstaat des Erbringers der Dienstleistung auffordern entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Nur wenn der Sitzmitgliedstaat dem nicht Folge leistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen unzulänglich sind, kann der betroffene Mitgliedstaat, nach vorheriger diesbezüglicher Information des Sitzmitgliedstaates und der Kommission über seine Absicht, selbst eine Maßnahme ergreifen. Einer Aufforderung bzw. Vorabinformation bedarf es nur dann nicht, wenn dringende Gründe dagegensprechen. Diesfalls muss der Sitzmitgliedstaat und die Kommission so bald wie möglich über die getroffene Maßnahme und diese dringenden Gründe informiert werden.

Das BVwG vertritt die Ansicht, dass das KoPl-G selbst nicht als „Maßnahme“ iSd E-Commerce-RL anzusehen ist, sondern nur die notwendige gesetzliche Grundlage für solche Maßnahmen schafft. Erst Bescheide die auf Grund des KoPl-G erlassen werden sind als Maßnahmen anzusehen. Daher müssen auch nur diese entsprechend individuell-konkret sein. Das KoPl-G selbst kann hingegen generell-abstrakt sein, ohne dass sich daraus ein Widerspruch zum Unionsrecht ergibt.

Die Problematik, dass das KoPl-G nicht anordnet, dass vor dem Erlassen von entsprechenden Bescheiden das oben dargestellte Vorverfahren eingehalten werden muss, widerspricht nach dem BVwG zwar der E-Commerce-RL, führt aber nicht zu einer gänzlichen Verdrängung des KoPl-G, sondern, im Rahmen einer richtlinienkonformen Interpretation des österreichischen Rechtes, zu einer Anwendung der, ein entsprechendes Vorverfahren regelnden, § 23 Abs 1 und Abs 2 ECG auch bei einem Verfahren nach dem KoPl-G.

Vereinbarkeit mit weiteren unionsrechtlichen Vorgaben

Das BVwG sieht das Aufsichtssystem des KoPl-G auch als verhältnismäßig an, da es für die bescheidmäßige Auferlegung von konkreten Verpflichtungen der Diensteanbieter vorgelagerte Verfahrensschritte gibt und es sich bei den in § 2 Z 8 KoPl-G aufgezählten rechtswidrigen Inhalten, deren Meldung eine Löschverpflichtung auslöst, um einen taxativen Katalog an strafgerichtlichen Verbotstatbeständen handelt.

Gegen die für das österreichische Verwaltungsstrafverfahren ungewöhnlich hohen Strafen hat das BVwG ebenfalls keine Bedenken. Dies unter anderem deswegen, als ohnehin nur Diensteanbieter mit einer gewissen Größe überhaupt vom Anwendungsbereich des KoPl-G erfasst sind.

Auch das Herkunftslandprinzip der Audiovisuellen Mediendienste-Richtline (RL 2010/13/EU), welches dem Herkunftslandprinzip der E-Commerce-RL nachgebildet ist, sowie das das Haftungsprivileg für Hosting-Provider nach der E-Commerce-RL oder die EU-Zustellverordnung stehen nach Ansicht des BVwG der Anwendung des KoPl-G nicht entgegen. Auch eine Verletzung von grundrechtlich geschützten Rechtspositionen wird vom BVwG verneint.

Kein Verstoß gegen das Unionsrecht

Nach den Erkenntnissen des BVwG ist das KoPl-G daher auf die Beschwerdeführerinnen und die gegenständlichen von diesen angebotenen Kommunikationsplattformen anzuwenden. Das BVwG hat die Revision jedoch in allen drei Verfahren ausdrücklich für zulässig erklärt, da bislang eine Rechtsprechung des VwGH zur Frage der Vereinbarkeit des KoPl-G mit den Bestimmungen der E-Commerce-RL (und AVMD-RL) fehlt, sodass Rechtsprechung zur Frage fehlt, inwieweit das KoPl-G auf in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Diensteanbieter anzuwenden ist oder aber durch die genannte(n) Richtlinien(n) von der Anwendung verdrängt wird.

In Anbetracht der Marktpositionen der Beschwerdeführerinnen kann wohl davon ausgegangen werden, dass diese Rechtsmittel erheben werden. Auf eine höchstgerichtliche Klärung der Frage der Vereinbarkeit des KoPl-G mit dem Unionsrecht kann daher, allenfalls nach Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH, gehofft werden.

Zum Autor

Mag. Nils Gröschel ist Rechtsanwaltsanwärter bei Preslmayr Rechtsanwälte.