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GRUPPENBESTEUERUNG | Ergebnisausgleich von Schwestergesellschaften?

(Bild: © iStock/Dilok Klaisataporn)

Die gesetzlichen Regelungen zur österreichischen Gruppenbesteuerung sehen für Fallkonstellationen mit im Ausland ansässigen Gruppenträgern gemäß § 9 Abs 3 TS 4 KStG vor, dass als ausländische Gruppenträger nur beschränkt steuerpflichtige EU/EWR-Gesellschaften fungieren können, die in Österreich über eine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung verfügen und die Beteiligungen an den Gruppenmitgliedern dieser Zweigniederlassung zuzurechnen sind.

In einer aktuellen Entscheidung kam jedoch das Bundesfinanzgericht (BFG) nunmehr zum Ergebnis, dass die gesetzliche Voraussetzung einer inländischen Niederlassung in Anbetracht bereits vorliegender EuGH-Rechtsprechung (zu Gruppenbesteuerungsregimen in anderen EU-Mitgliedstaaten) als unionsrechtswidrig anzusehen sei. Nach Ansicht des BFG müsse es auch Unternehmensgruppen mit EU/EWR-Gruppenträgern, die über keine Zweigniederlassung in Österreich verfügen, offenstehen, die Ergebnisse ihrer Gruppenmitglieder (auf horizontaler Ebene) zusammenzurechnen. Nur so könne nämlich das Grundrecht der Niederlassungsfreiheit gewahrt werden.

Im Bereich der Gruppenbesteuerung ist neben dem Gesetzeswortlaut (Regelungen in § 9 KStG) insbesondere auch die Auslegung einzelner Bestimmungen durch die Rechtsprechung (BFG, VwGH, EuGH) sowie auch die Verwaltungspraxis (KStR) von besonderer Bedeutung, wobei auch EU-rechtliche Vorgaben zu beachten sind. Über die Rechtsentwicklung zu körperschaftsteuerlichen Unternehmensgruppen haben wir Sie im Rahmen unseres Newsletters schon wiederholt informiert (vgl zuletzt unseren NL-Beitrag „GRUPPENBESTEUERUNG | Aktuelles aus dem KStR-Wartungserlass“ vom 19.4.2022 sowie auch „GRUPPENBESTEUERUNG | Gruppen-Check vor Jahresende!“ vom 23.11.2021).

m nachfolgenden Beitrag möchten wir Sie über ein aktuelles BFG-Erkenntnis zur österreichischen Gruppenbesteuerung informieren, in dessen Fokus die Auslegung nationaler Gesetzesbestimmungen im Lichte der EU-rechtlich gebotenen Niederlassungsfreiheit stand:
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Voraussetzungen für Unternehmensgruppen in Österreich


Finanziell verbundene Körperschaften können sich nach Maßgabe des § 9 KStG zu einer körperschaftsteuerlichen Unternehmensgruppe zusammenschließen. Dabei liegt eine hinreichende finanzielle Verbindung bei unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung von mehr als 50 % am Grund-, Stamm- oder Genossenschaftskapital und den Stimmrechten vor, wobei diese Verbindung während des gesamten Wirtschaftsjahres der einzelnen Gruppenmitglieder vorliegen muss. Im Rahmen einer solchen Unternehmensgruppe werden die steuerlich maßgeblichen (positiven und negativen) Ergebnisse der Gruppenmitglieder dem steuerlichen Ergebnis der entsprechend beteiligten Muttergesellschaft (Gruppenträger) zugerechnet. Das sohin zusammengefasste Ergebnis stellt die Besteuerungsgrundlage der gesamten Unternehmensgruppe dar (Gruppeneinkommen) und unterliegt der Körperschaftsteuer auf Ebene des Gruppenträgers.

Während als Gruppenmitglieder sowohl inländische als (in gewissen Grenzen) auch ausländische Körperschaften mit Ansässigkeit in einem EU-Mitgliedstaat oder einem Staat mit umfassender Amtshilfe in Frage kommen, wurde die Gruppenträgereigenschaft durch den österreichischen Gesetzgeber stark eingeschränkt: Nach § 9 Abs 3 KStG können einerseits bestimmte unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften als Gruppenträger fungieren und andererseits nur solche beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, die

  • mit inländischen Kapitalgesellschaften vergleichbar sind (laut Anlage 2 zum EStG),
  • ihren Ort der Geschäftsleitung und den Sitz in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftstraumes (EWR) haben,
  • über eine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung in Österreich verfügen UND
  • die Beteiligungen an den Gruppenmitgliedern dieser inländischen Zweigniederlassung zuzurechnen sind.​​​​​​

Durch die Einschränkung der Gruppenträgereigenschaft auf unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige EU/EWR-Körperschaften will der österreichische Gesetzgeber verhindern, dass das Besteuerungsrecht am steuerlichen Ergebnis der Unternehmensgruppe verloren geht. ​​​​​​​

Insgesamt wird durch die österreichische Gruppenbesteuerung gemäß § 9 KStG das Ziel verfolgt, verbundenen Körperschaften einen Ausgleich zwischen positiven und negativen steuerlichen Einzelergebnissen zu ermöglichen. Den Gruppenteilnehmern wird damit ein Liquiditätsvorteil bei der Besteuerung eingeräumt, weshalb sich die Unternehmensgruppe in der Praxis großer Beliebtheit erfreut.
 

EuGH-Rechtsprechung zur horizontalen Ergebniszurechnung


Es ist vorauszuschicken, dass sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mehrfach mit Einschränkungen nationaler Ergebniszurechnungsregime auf lediglich beschränkt steuerpflichtige EU/EWR-Körperschaften auseinanderzusetzen hatte (vgl insbesondere EuGH 12.6.2014, SCA Group Holding BV ua, verb. Rs C-39/13 ua, zum Gruppenbesteuerungssystem in den Niederlanden, sowie EuGH 14.5.2020, B ua, Rs C-749/18, zum Regime in Luxemburg).

Nach diesen EuGH-Urteilen verstoße die Versagung der Begünstigungen nationaler Ergebniszurechnungsregime bei Konzernkonstruktionen mit nicht beschränkt steuerpflichtigen EU/EWR-Körperschaften als Muttergesellschaften gegen die Niederlassungsfreiheit iSd Art 54 AEUV und sei somit unionsrechtswidrig.  In derartigen Fällen sei daher zumindest ein horizontaler Ergebnisausgleich zwischen den inländischen Tochtergesellschaften geboten.
 

Rechtmittelverfahren vor dem Bundesfinanzgericht


​​​​​​​Sachverhalt und Verfahrensgang

Kürzlich hatte sich das österreichische Bundesfinanzgericht (BFG) wieder einmal mit einer strittigen Rechtsfrage zur nationalen Gruppenbesteuerung zu befassen: Eine in Deutschland ansässige und dort unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft (GmbH) stellte gemäß § 9 Abs 8 KStG einen Antrag auf Bildung einer Unternehmensgruppe für das Veranlagungsjahr 2017. Dabei sollte die deutsche GmbH als Gruppenträgerin fungieren und zwei in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften als Gruppenmitglieder einbeziehen. An den beiden inländischen Gruppenmitgliedern war die deutsche GmbH unmittelbar zu 100 % bzw zu 99,8 % beteiligt. Nachdem die deutsche Muttergesellschaft in Österreich weder unbeschränkt steuerpflichtig war und hier auch über keine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung verfügte, lehnte die österreichische Finanzverwaltung den Gruppenantrag mit der bescheidmäßigen Begründung ab, dass die gesetzlich verlangten Voraussetzungen des § 9 Abs 3 KStG nicht erfüllt seien.

Daraufhin brachte die deutsche Muttergesellschaft als Beschwerdeführerin vor, dass die Voraussetzung einer verpflichtenden inländischen Zweigniederlassung gegen die unionsrechtlich gebotene Niederlassungsfreiheit verstoße, zumal dadurch eine Ungleichbehandlung zwischen inländischen Gesellschaften und EU/EWR-Gesellschaften geschaffen werde. Durch die Beschränkung der Gruppenträgereigenschaft in § 9 Abs 3 TS 4 KStG würde einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat nicht der gleiche Zugang zu den Begünstigungen der Gruppenbesteuerung gewährt.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde jedoch als unbegründet ab, woraufhin die verhinderte „Gruppenträgerin“ einen Vorlageantrag an das BFG stellte.
 

Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG 31.3.2022, RV/7104573/2020)

Nach Auffassung des BFG – mit Verweis auf die obzitierte EuGH-Rechtsprechung – wirke sich das Erfordernis einer Zweigniederlassung des Gruppenträgers in Österreich beschränkend auf die wirtschaftliche Tätigkeit der deutschen Gesellschaft aus. Durch die Einschränkung gemäß § 9 Abs 3 TS 4 KStG stehe im beschwerdegegenständlichen Fall den österreichischen Tochtergesellschaften der deutschen Konzernmutter der Steuer- und Liquiditätsvorteil der Gruppenbesteuerung nicht offen. Um die Vorteile der österreichischen Gruppenbesteuerung in Anspruch nehmen zu können, wäre die Gruppenträgerin faktisch gezwungen, eine Zweigniederlassung in Österreich zu unterhalten und wird somit in der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit eingeschränkt.

Nach Ansicht des BFG sind die im Rahmen der erwähnten EuGH-Rechtsprechung behandelten Fälle trotz dort geforderter höherer Mindestbeteiligung bzw Vollkonsolidierung mit der österreichischen Gruppenbesteuerung durchaus vergleichbar, da in allen Systemen eine Steuervergünstigung durch Gewährung eines Liquiditätsvorteils vorgesehen ist. Dem seitens der österreichischen Finanzverwaltung vorgebrachten Einwand, dass es der Beschwerdeführerin ja offenstand, eine inländische Zweigniederlassung zu schaffen und dadurch den gewünschten Liquiditätsvorteil in Anspruch nehmen zu können, misst das BFG keine Bedeutung zu, da die Niederlassungsfreiheit explizit eine Wahlfreiheit bei der Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit vorsehe. Zudem sei laut BFG trotz fehlender inländischer Zweigniederlassung die Sicherung der Besteuerung problemlos möglich.

Wenngleich die österreichische Gruppenbesteuerung gemäß § 9 KStG grundsätzlich nur eine vertikale Ergebniszurechnung beim Gruppenträger vorsieht, erachtet das BFG auch eine horizontale Einzelergebniszurechnung zwischen den inländischen Gruppenmitgliedern als zulässig, zumal der EuGH ebendies in seinen bisherigen Entscheidungen – im Lichte der Niederlassungsfreiheit – einfordere. Ein solcherart gebotener Ergebnisausgleich zwischen den inländischen Gruppenmitgliedern benötige keine vertikale Ergebniszurechnung zu einer nicht beschränkt steuerpflichtigen EU/EWR-Gruppenträgerin und führe deshalb auch zu keinem Verlust von österreichischen Besteuerungsrechten. Der Umstand, dass bei reinen Inlandssachverhalten keine horizontale Ergebniszurechnung vorgesehen ist und die Gruppenträgerin nicht der österreichischen Steuerhoheit unterliegt, sei laut BFG vollkommen unbeachtlich.

Folglich führt das BFG aus, dass § 9 Abs 3 TS 4 KStG durch das Abstellen auf eine verpflichtende inländische Zweigniederlassung für EU/EWR-Gruppenträger gegen die Niederlassungsfreiheit und somit gegen Unionsrecht verstoße. Vielmehr sei es nach Auffassung des BFG im beschwerdegegenständlichen Fall den beiden inländischen Gruppenmitgliedern zu gestatten, ihre steuerlichen Ergebnisse im Wege eines horizontalen Ergebnisausgleichs zusammenzurechnen. Eine Rechtfertigung der Beschränkung durch Gründe des Allgemeininteresses wurde von den Parteien nicht vorgebracht. Im Ergebnis war daher dem vorliegenden Gruppenantrag stattzugeben.

Nachdem der EuGH bisher noch keine Aussage zur konkreten Umsetzung einer horizontalen Ergebnisverrechnung in einem gruppenähnlichen Konstrukt getätigt hatte, entschied das BFG, dass die nicht beschränkt steuerpflichtige EU/EWR-Gruppenträgerin lediglich als„Referenzobjekt“ für die Möglichkeit der Bildung einer Unternehmensgruppe diene. Die Ergebnisse der Gruppenmitglieder sollen hingegen nur auf horizontaler Ebene zugerechnet werden bzw darf keine Hinaufschleusung zum Gruppenträger stattfinden. Dadurch soll verhindert werden, dass österreichisches Besteuerungssubstrat verloren geht. Im Ergebnis wird durch die horizontale Ergebniszurechnung zwischen den Gruppenmitgliedern die Besteuerung der inländischen Ergebnisse in Österreich gesichert. Abschließend führte das BFG aus, dass der Unternehmensgruppe ein Wahlrecht dahingehend einzuräumen sei, ein inländisches Gruppenmitglied zu bestimmen, welches gegenüber der österreichischen Finanzverwaltung die Funktionen der Gruppenträgerin übernimmt und dort somit die Ergebnisse (auf horizontaler Ebene) zugerechnet werden und die Körperschaftsteuer erhoben wird.

Da die unionsrechtskonforme Umsetzung der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zur horizontalen Ergebniszurechnung bei nicht beschränkt steuerpflichtigen EU/EWR-Gruppenträgern in Österreich bisher noch nicht höchstgerichtlich geklärt wurde, hat das BFG eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zugelassen. Die Finanzverwaltung brachte auch umgehend eine Amtsrevision beim Höchstgericht ein, welches nun endgültig zu entscheiden hat, ob eine horizontale Ergebniszurechnung im obigen Sinne – im Lichte der vorliegenden EuGH-Rechtsprechung – unionsrechtlich tatsächlich geboten ist.
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FAZIT


​​​​​​​Soferne sich auch der VwGH der obigen Entscheidung des BFG anschließt,würde daraus eine (weitere) wesentliche Änderung bei der Gruppenbesteuerung in Österreich resultieren. Inländische Tochtergesellschaften ausländischer EU/EWR-Mutterunternehmen könnten dann nämlich auch ohne Teilnahme einer beschränkt steuerpflichtigen Gruppenträgerin zu einer körperschaftsteuerlichen Unternehmensgruppe zusammengefasst werden.

Dadurch würden etwa gesonderte Landesholdings in Österreich verzichtbar bzw benötigen EU/EWR-Muttergesellschaften auch keine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung in Österreich mehr, um inländischen Konzerngesellschaften dennoch die Vorteile der Gruppenbesteuerung zu gewähren. Daran knüpfen sich freilich weitere Zweifelsfragen an, etwa ob auch inländische Enkelgesellschaften in einen solcherart horizontalen Ergebnisausgleich miteinbezogen werden könnten. Nachdem eine nicht beschränkt steuerpflichtige EU/EWR-Gruppenträgerin als „Referenzobjekt“ für derartige Unternehmensgruppen gilt, muss aber wohl jedenfalls eine ausreichende finanzielle Verbindung zur Muttergesellschaft vorliegen. Fraglich ist auch, ob die Beteiligungen an den (inländischen) Gruppenmitgliedern dem Stammhaus der EU/EWR-Gruppenträgerin zurechenbar sein müssen oder ob diese Beteiligungen etwa auch durch eine Zweigniederlassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat gehalten werden könnten.

Die Letztentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bleibt mit Interesse abzuwarten, und wir werden Sie natürlich auch darüber informieren. Sollten Sie Fragen zu Themen rund um die Gruppenbesteuerung haben, stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrages sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Line „Corporate Tax“ gerne zur Verfügung!​​​​​​​

Autoren

Gahleitner Lukas  |  Heidrich Gerhard

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