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Mag. Dr. Petra Hübner-Schwarzinger im BFGjournal zu Gast

(Bild: © Linde Verlag) (Bild: © Linde Verlag)

Mag. Dr. Petra Hübner-Schwarzinger ist Steuerberaterin in Wien mit dem Schwerpunkt Umgründungsberatung für Kollegen. Nach Absolvierung des WU-Studiums arbeitete sie als Assistentin am Institut für Revisions- und Treuhandwesen (Prof. Dr. Anton Egger) und dissertierte zum „positiven Verkehrs­wert im Umgründungs­recht“.

BFGjournal: Sie sind Steuerberaterin und Mediatorin. Welche Profession beschäftigt Sie zurzeit mehr?

Petra Hübner-Schwarzinger: Ich bin Kollegenberaterin in Umgründungsfragen, dh, ich berate andere Steuerberater oder Rechtsberater zu Umgründungsthemen. Das ist meine Hauptbeschäftigung, wobei in sehr vielen Beratungsvorgängen mediative Elemente eine Rolle spielen. Die klassische „Hardcore-Mediation“ im Sinne der Konfliktbearbeitung ist ein Nebenschauplatz, der mich zwar sehr interessiert und fasziniert, der allerdings in meiner täglichen Arbeit wenig zum Einsatz kommt. Regelmäßig darf ich allerdings Familiensitzungen von Familien­unternehmen moderieren; eine Aufgabe, die auch mediativen Charakter hat. Ich habe bemerkt, dass man in Österreich eher nach dem Motto lebt: „Sag nie Mediation dazu.“

BFGjournal: Sie schrieben Ihre Masterthesis zu „Der Einsatz von Mediation im abgaben­rechtlichen Verfahren – Utopie oder ein Modell für die Zukunft“ 1 . Wann bzw warum begannen Sie sich mit der Mediation im abgaben­rechtlichen Verfahren zu beschäftigen?

Petra Hübner-Schwarzinger: Je mehr ich mich mit der Mediation im Allgemeinen beschäftigt habe, desto faszinierender fand ich die Frage, ob sich in der abgaben­rechtlichen Verfahrenspraxis ein Anwendungsgebiet für alternative Streitbeilegungs­verfahren finden könne. Im Rahmen meiner Recherche habe ich dies, insbesondere auf internationaler Ebene, bestätigt gefunden und auch in Österreich gibt es zahlreiche Beispiele für gesetzlich angeordnete Mediation. Zuerst war es bloß ein Gedankenexperiment und ich wurde für diese Idee mehrfach belächelt. Deshalb auch der Untertitel meiner Arbeit „Utopie oder ein Modell für die Zukunft“. Vielen erschien die Möglichkeit, alternative Konfliktbearbeitungs­methoden in ein klassisches Betriebs­prüfungsverfahren einzubauen, irreal, das aber vielmehr aufgrund der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen als wegen der konkreten Möglichkeit, dadurch Verbesserungen im Verfahrensverlauf zu schaffen. Utopien oder „das Unmögliche“ faszinieren mich grundsätzlich, ich lebe ein bisschen nach dem Motto: „Geht nicht, gibt’s nicht“.

Nach einer Tätigkeit bei der Europäischen Kommission und der Fédération des Experts Comptables in Brüssel kehrte Hübner-Schwarzingernach Wien zurück und ist seitdem als Steuerberaterin tätig. Sie ist Fachvortragende und Lehrbeauftragte an diversen Bildungseinrichtungen wie der Universität Wien (LL.M.-Programm) und der FH Wien, weiters Autorin zahlreicher Fachpublikationen, ua der Monographien „Einführung in das UmgrStG“, „Der positive Verkehrs­wert im Umgründungs­recht“, „Der Weg in die Rechtsanwalts-GmbH“ sowie zahlreicher Aufsätze. (Bild: © Linde Verlag)
Nach einer Tätigkeit bei der Europäischen Kommission und der Fédération des Experts Comptables in Brüssel kehrte Hübner-Schwarzingernach Wien zurück und ist seitdem als Steuerberaterin tätig. Sie ist Fachvortragende und Lehrbeauftragte an diversen Bildungseinrichtungen wie der Universität Wien (LL.M.-Programm) und der FH Wien, weiters Autorin zahlreicher Fachpublikationen, ua der Monographien „Einführung in das UmgrStG“, „Der positive Verkehrs­wert im Umgründungs­recht“, „Der Weg in die Rechtsanwalts-GmbH“ sowie zahlreicher Aufsätze. (Bild: © Linde Verlag)

BFGjournal: Sinn und Zweck von alternativen Konfliktbearbeitungs­methoden sind, die Verfahrensdauer zu verkürzen, Emotionen zu vermeiden, Verständnis für die jeweils andere Verfahrensp­artei aufzubringen. Entstehen dadurch nicht Konflikte mit den rechtlichen Rahmenbedingungen bzw müssten diese nicht vorerst angepasst werden?

Petra Hübner-Schwarzinger: Nein und ja. Ich glaube nicht, dass zwingend Konflikte mit rechtlichen Rahmenbedingungen entstehen müssen, wenn Mediation richtig eingesetzt und ordnungsgemäß konzipiert und durchgeführt wird. Ich sehe auch keinen Widerspruch zwischen dem Einsatz von mediativen Verfahren und der Einhaltung der bestehenden Besteuerungsgrundsätze wie zB der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Zwingend notwendig ist allerdings, dass es eine rechtliche Legitimierung für Mediation im abgaben­rechtlichen Verfahren gibt. Es ist somit der Gesetzgeber aufgefordert, im Rahmen der BAO dieses Verfahren für zulässig zu erklären. Die konkrete Ausgestaltung ist besonders wichtig und wird im Detail viele interessante und zu diskutierende Fragen aufwerfen. Ich könnte mir vorstellen, dass, wenn es eine gesetzliche Möglichkeit für Mediation gibt, die Detailfragen im Rahmen einer Verordnung bzw eines Erlasses geregelt werden. Diese Detailfragen müssten ua Antworten geben zu:

  • Wie sieht der Mediationsprozess grundsätzlich aus und welchen Vorgaben hat er zu folgen?
  • Wer kann Mediator/in sein?
  • Welche Rechtsfolgen ergeben sich durch eine Mediation?

Ich persönlich würde mich sehr stark für eine Co-Mediation aussprechen. Das bedeutet, dass es zwei Mediatoren/innen geben soll: eine/n aus dem Bereich der Finanz­verwaltung und eine/n aus dem Berufsstand der Steuerberater. Die Co-Mediation sichert aus meiner Sicht die Allparteilichkeit, eine gegenseitige Akzeptanz und, aufgrund der genannten Personengruppen, auch die fachliche Kompetenz der im Verfahren beteiligten Personen.

BFGjournal: Reichen nicht bereits die Instrumente wie Begleitende Kontrolle (Horizontal Monitoring), das Advance Ruling 2 in der Finanz­verwaltung oder der Erörterungstermin im Bundesfinanz­gericht 3 aus?

Petra Hübner-Schwarzinger: Es ist erfreulich zu beobachten, dass in den letzten Jahren neue Modelle der Zusammenarbeit zwischen Steuer­pflichtigen und Abgabenbehörde entwickelt und eingeführt wurden. Letztlich sollen alle genannten Verfahren der Transparenz, der Erhöhung der Planungssicherheit, dem Austausch über steuerliche Fragen und somit der Compliance dienen. Es zeigt sich, dass großer Bedarf an Rechtssicherheit im Vorfeld, dazu Horizontal Monitoring und Advance Ruling sowie kommunikative und moderierte fachliche Auseinandersetzungen, dazu der Erörterungstermin, erforderlich sind. Mediation schlägt in die gleiche Kerbe, bietet allerdings aus meiner Sicht den positiven Effekt, dass bei Einsatz im Betriebs­prüfungsverfahren eine fachlich geführte, deeskalierende Auseinandersetzung früher beginnt und Rechtsmittel­verfahren dadurch vermieden werden können. Mir persönlich kommt der Gedanke, Mediation möglicherweise für Streitigkeiten in einem betraglich geringeren Segment einzusetzen, während ja Horizontal Monitoring erst ab gewissen Unternehmensgrößen zusteht. Gerade die „kleineren“ Verfahren dauern oft besonders lang, sind hoch emotionalisiert, da Unternehmer oder Privatpersonen selbst persönlich betroffen sind, und kosten letztlich dem Steuer­pflichtigen aber auch dem Staat viel Geld und Energie. Hier Verbesserungen im Verfahrensverlauf vorzunehmen, wäre sicherlich lohnens­wert.

Dr. Angela Stöger-Frank, die Leiterin des Evidenzbüros des BFG, im Interview mit Mag. Dr. Petra Hübner-Schwarzinger. Dr. Hübner-Schwarzinger ist als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige tätig. 2017 schloss sie ein Masterstudium an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Mediation und Konfliktbearbeitung ab. Der Titel ihrer Masterarbeit lautete „Der Einsatz von Mediation im abgaben­rechtlichen Verfahren – Utopie oder ein Modell für die Zukunft“. (Bild: © Linde Verlag)

BFGjournal: Welche Rolle kann der gütlichen Streitbeilegung auf EU-Ebene dem bevorstehenden EU-Besteuerungsstreitbeilegungs­gesetz 4 , durch welches auf Antrag der betroffenen Person der Besteuerungskonflikt durch ein internationales Schieds­verfahren gelöst wird, beikommen?

Petra Hübner-Schwarzinger: Schieds­verfahren enden, gleich einem Gerichts­verfahren, mit einem durch eine Drittperson fest­gesetzte Lösung, dh mit einem Richtspruch. Mediation hat eine andere Philosophie: die Lösung kommt durch die Parteien, dh durch gegenseitige Darstellung des Sachverhalts, der Position und des Rechtsverständnisses und wird somit von den Parteien erarbeitet. Abgesehen davon glaube ich, dass internationale Schieds­verfahren für die von mir angesprochenen „kleinen“ Verfahren bloße Theorie bleiben werden, da der erforderliche Mitteleinsatz idR nicht vorhanden ist.

BFGjournal: Können klassische Abgaben- und Rechtsmittel­verfahren weitgehend oder gar generell durch alternative Streitbeilegungsinstrumente ersetzt werden oder wird es weiterhin Fälle geben, die sich dafür nicht eignen?

Petra Hübner-Schwarzinger: Eine der größten Herausforderungen wird es sein, zu erkennen, ob eine Streitigkeit mediierbar ist oder nicht, dh ob sie über ein Mediations­verfahren einer Lösung oder zumindest Verbesserung zugeführt werden kann. Es wird meines Erachtens das klassische Rechtsmittel­verfahren durch alternative Konfliktbearbeitungs­methoden nicht generell ersetzt werden können. Zahlreiche Fragen werden nach wie vor nur im Rechtsweg entschieden werden können, ua auch deshalb, weil manche Parteien einen Dritten brauchen und wollen, der ihnen die Lösung vorgibt. Wie die Praxis aber zeigt, sind Betriebs­prüfungen häufig kommunikativ emotional geführt und enden in verhärteten Positionen zwischen den Parteien. Hier wäre Mediation ein guter Ansatz, um die Parteien wieder „auf den Tisch“ zu bringen, die gegenseitigen Standpunkte nochmals vernünftig zu Gehör zu bringen und das Verfahren nicht leichtfertig an die nächste Instanz abzuschieben. Auch bedarf es manchmal eines objektiven Dritten, Sachverhalte zu strukturieren und dabei behilflich zu sein, Standpunkte zu verbalisieren und dem Gegenüber sachge­recht aufzubereiten. Auch dafür kann Mediation behilflich sein. Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang wird sich wohl dahingehend stellen, wann bzw ob bloß Sachverhaltsfragen oder auch Rechtsfragen mediierbar sind. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass Sachverhaltsfragen dann mediierbar sind, wenn das bisherige Verfahren gezeigt hat, dass aufgrund einer kommunikativen Verhärtung Sachverhaltselemente nicht mehr oder nicht mehr ausreichend zur Würdigung gelangen, dass „Sturstandpunkte“ eingenommen werden und der Wille zu einer konkreten Auseinandersetzung mit den Sachverhaltseigenheiten fehlt. Auch muss festgehalten werden, dass der Verfahrensverlauf es manchmal erzwingt, gewisse Sachverhaltsannahmen außer Streit zu stellen, da eine realitätsgenaue Ermittlung und Erfassung nicht mehr möglich ist. Ob Rechtsfragen mediierbar sind, ist aus meiner Sicht auch mit einem vorsichtigen Ja zu beantworten. Nicht immer lässt das Gesetz eine eindeutige und für alle Fälle verständliche Interpretation zu, so dass auch hier unterschiedliche Standpunkte ausdiskutiert werden müssen und in einer fachlich geführten Diskussion aufbereitet werden sollten.

BFGjournal: In Deutschland gibt es, vereinfacht gesagt, Vergleiche im Verwaltungs­verfahren, in Großbritannien und Amerika werden unabhängige Dritte als Streitbeileger eingesetzt. Welche Modelle/Methoden eigenen sich bzw könnte man für Österreich heranziehen?

Petra Hübner-Schwarzinger: Um diese Frage zu beantworten, möchte ich einen Blick auf die derzeitige Verfahrenspraxis werfen. Ein Großteil der Betriebs­prüfungsverfahren endet heute mit einem Vergleich, der hinter vorgehaltener Hand manchmal sogar als „Kuhhandel“ bezeichnet werden könnte. Dies, obwohl es unstrittige Judikatur und Lehre ist, dass abgaben­rechtliche Ansprüche nicht vergleichbar sind. Ich glaube, dass kein Verfahren, auch nicht ein Mediations­verfahren, dazu beitragen sollte, „Kuhhandel“ zu fördern bzw willkürliche Vergleiche zuzulassen. Es zeigt sich aber, dass – und das wurde mir auch bei den Befragungen im Rahmen meiner Masterarbeit bestätigt – im Steuer­recht nicht immer eine „Punktlandung“ möglich ist und man somit aufgrund unterschiedlicher Interpretationsmöglichkeiten und insbesondere aufgrund der bunten Realität zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Mediation in dem von mir angedachten Sinne soll eine transparentere Möglichkeit für eine Lösungsfindung darstellen und einen Beitrag zur Verbesserung der derzeit gelebten Verfahrenspraxis liefern. Aus diesem Grund halte ich es auch für erforderlich, ein für die österreichische Verfahrenslandschaft eigenständiges Modell zu erarbeiten. Man kann die bereits eingesetzten Methoden anderer Länder als Input verstehen; ich habe im Rahmen meiner Recherche jedoch kein Modell gefunden, das ich 1:1 auf Österreich umlegen würde.

BFGjournal: Sie haben bei Ihren Nachforschungen Interviews mit den Stakeholdern durchgeführt. Wie war Ihr Eindruck? Gemäß Ihrem Titel der Masterarbeit, eher Utopie oder sehr wohl Realität in der (näheren) Zukunft?

Petra Hübner-Schwarzinger: Es ist richtig, dass ich im empirischen Teil der Arbeit Befragungen mit diversen am abgaben­rechtlichen Verfahren Beteiligten, zB Steuerberater, Betriebsprüfer, BFG-Richter, Unternehmer und auch BMF-Mitarbeiter, durchgeführt habe. Es war einerseits überraschend, andererseits beeindruckend, in welcher Offenheit man mit mir ua über die Schwächen des derzeitigen Verfahrens gesprochen hat. Im Wesentlichen wurde die Belastung über die Länge der Verfahrensdauern und die sich dadurch ergebende Planungsunsicherheit genannt. Als Gründe für die attestierten Schwächen wurde mitunter mangelnde Kommunikation, Verhärtung von Verhandlungspositionen und emotionalisierende Verfahren genannt. Dies hat mir eigentlich Bestätigung darüber gegeben, dass Mediation ein hilfreiches Instrument sein kann, um die genannten Schwächen zumindest zu verringern. Es ist mir durchaus bewusst, dass – wie es so schön heißt – Veränderung oft Widerstand hervorruft. Dennoch halte ich, insbesondere auch aufgrund der Interviews, Mediation derzeit mehr für Realität als für Utopie und es würde sich eine Testphase, so wie zB vor der rechtlichen Einführung des Horizontal Monitoring, durchaus lohnen, um konkrete Praxisergebnisse zu gewinnen.

BFGjournal: Zur möglichen Kehrseite der gütlichen Streitbeilegung, vor allem im Beschwerde­verfahren: Könnte dieses Instrument eventuell auch dazu führen, dass die Rechtsfortentwicklung gehemmt wird, weil es zu wichtigen Fragen weniger höchst­gerichtliche Rechtsprechung gibt?

Petra Hübner-Schwarzinger: Bitte verzeihen Sie, dass ich diese Frage aus meiner Rolle als Beraterin beantworte. Es ist zwar gut und schön, dass es zur Rechtsfortentwicklung auch durch Rechtsprechung kommt, ich glaube dennoch, dass dieser Aspekt ein „Nebenprodukt“ sein sollte und diese Art der Rechtsfortentwicklung in vielfacher Hinsicht auf Kosten eines Einzelnen, nämlich des Abgaben­pflichtigen erfolgt, der mitunter die Kosten des Verfahrens (zumindest seiner Beratung) zu bezahlen hat. ME ist es nicht geboten, den Preis für Rechtsfortentwicklung auf einen Steuer­pflichtigen zu über wälzen. Außerdem denke ich, dass die Rechtsfortentwicklung sich nicht durch Quantität, sondern durch Qualität speist. Mehr Urteile bedingen nicht zwingend eine Verbesserung des Rechtsbestandes; es geht wohl um die Güte der Judikatur.

BFGjournal: Wie halten Sie es in Ihrer steuerlichen Beratungstätigkeit persönlich mit Mediation oder sonstigen alternativen Streitbeilegungsinstrumenten? Können Sie diese häufig zum Einsatz bringen?

Petra Hübner-Schwarzinger: Vielleicht dazu ein kurzer Ausflug, wie es überhaupt dazu kam, dass ich mich für die Mediations­ausbildung entschlossen habe. Ich habe im Rahmen meiner Beratungstätigkeit bemerkt, dass viele Parteien (mittelbar über den Steuerberater) zu mir gekommen sind, um ein Umstrukturierungsthema steuerlich zu hinterfragen. Bei näherer Hinsicht hat sich aber gezeigt, dass hinter Unternehmensre­organisationsmaßnahmen oftmals ganz andere Themen- und Frage­stellungen steckten wie zB Generationsprobleme, Unternehmensübergaben, Vermögensaufteilungsprozesse und dergleichen, deren Emotionalisierung manchmal in technische Planungen versteckt wurde. Zu Ihrer Frage: Meine Beratungspraxis und mein Beratungsansatz hat sich in den letzten Jahren sicherlich dahingehend verändert, dass ich mich traue, hinter Umstrukturierungsvorgängen stehende Überlegungen konkret anzusprechen und zu hinterfragen. Das WARUM ist meist der Schlüssel zum WIE.

BFGjournal: Abschließend noch eine steuer­rechtliche Frage: Sie sind spezialisiert auf Umgründungen. Im Juni fand bereits zum fünften Mal das Kremser Umgründungsforum statt. 5 Sie waren Referentin am Podium bei den Praxisbeispielen. Welche Themen und Probleme sehen Sie vorrangig in der Praxis?

Petra Hübner-Schwarzinger: Ich durfte, wie auch schon in den vergangenen Jahren, zum Thema „Praxisfragen aus der Umgründungsberatung“ referieren. Ich habe mir ein paar konkrete Beispiele aus meiner Beratungspraxis zusammengestellt und die dabei aufgetretenen Frage­stellungen zur Diskussion gestellt. Trotz des mehr als 20-jährigen Bestehens des UmgrStG, zahlreicher Novellierungen, UmgrStR und Wartungserlässe, gibt es immer noch Fragen, Unklarheiten, Interpretationsunsicherheiten und spannende Herausforderungen bei der Anwendung des Umgründungs­steuerrechts. Herausheben könnte ich den mir besonders am Herzen liegenden Bereich der Freiberufler; gerade im Art IV und V UmgrStG finden wir immer noch viele ungelöste Fragen. Aber auch zB bei der umgründungs­bedingten Verlustübertragung gibt es Zweifelsfragen. Eine immer einzelfallbezogen auftretende Frage wird die Abgrenzung zur missbräuchlichen Anwendung des UmgrStG bleiben. Die meisten Kollegen kommen zu mir oder in Seminare, einfach, um „es richtig zu machen“; andere natürlich brauchen einen guten Gedanken, eine Idee, einen Tipp, der zur optimalen Lösung ihres Problems führt. Aber auch schon das „Richtigmachen“ ist manchmal gar nicht so eindeutig. In diesem Zusammenhang möchte ich dankbar hervorheben, dass das BMF sich Diskussionen zu Zweifelsfällen nicht verweigert und ein kommunikativer und fruchtbarer Austausch zu Fachthemen besteht, den ich persönlich gerne in Anspruch nehme. Auch das ist ja letztlich ein Schritt in Richtung „Mediationsgedanke“.

BFGjournal: Sie sind ausschließlich in der Kollegenberatung auf dem Gebiet des Umgründungs­steuerrechts tätig. Ihre Kanzlei verfügt über keine eigene Mandantschaft und arbeitet ausschließlich für Berufskollegen. Was hat Sie dazu bewogen? Geht Ihnen der direkte Kontakt zu Steuer­pflichtigen manchmal ab?

Petra Hübner-Schwarzinger: Meine Tätigkeit ist die Fortsetzung dessen, was mein Vater in den frühen 90er Jahren aufgebaut hat. Er hat sich auf die Kollegenberatung zu Umgründungsfragen spezialisiert. Ich bin nach einer rund zehnjährigen gemeinsamen Arbeit in seiner Kanzlei diesen Weg weitergegangen und bin dankbar, dass mich die Kollegenschaft in gleicher Weise annimmt. Da ich in der Regel mit Steuerberaterkollegen zu tun habe, schätze ich das fachlich kompetente Gegenüber. Die Arbeit wird damit auch effizient und qualitativ hoch­wertig. Natürlich ist mir aber auch ein Kollege willkommen, der seinen Mandanten gleich mitbringen will, quasi, damit ich authentisch meine Beratung vorbringe oder der sagt, dass er sich mit Umgründungen gar nicht auskennt und mich eben daher zu Rate zieht. Dafür bin ich ja da! Auch im Steuer­recht ist Spezialisierung mittlerweile notwendig. Es ist für mich ein gewisser Luxus, dass ich mich auf eine Nische konzentrieren und im Rahmen dieses Rechtsgebiets meine Dienste anbieten darf.

1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …

Im Zusammenhang mit dem Thema Mediation würde ich mein Ziel dahingehend formulieren, dass ein Gesetzesvorhaben vorliegt, in dem Mediation im abgaben­rechtlichen Verfahren vorgesehen ist und dass, vorzugsweise mit meinem Berufsstand, konkret an der Ausgestaltung gearbeitet wird. In privater Hinsicht ist eigentlich das Ziel immer, dass es so bleibt wie es ist – es ist alles gut!

2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

Auf meinem Nachtkästchen liegen immer mehrere Bücher. Zuletzt habe ich den aktuellen Roman der österreichischen Autorin Vea Kaiser – „Rückwärtswalzer“ – gelesen. Ich fand ihn fast so gut wie ihren Vorgängerroman (Makarionissi). Derzeit lese ich „Der holistische Mensch“ von Johannes Huber: ziemlich schwierig für eine Nichtnaturwissenschaftlerin wie mich.

3) Das größte Vergnügen für mich ist …

Schwierig zu sagen. Vergnügen macht mir Gesellschaft, meine Familie oder Freunde; ich bin nicht gerne allein.

4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?

Eigentlich fällt mir dazu kein konkreter Name ein. Aber immer wieder lerne ich Menschen kennen, über die ich vorher nichts gewusst habe, die sich im Nachhinein für mich aber als „echte Persönlichkeiten“ herausstellen. Dann bin ich froh, diesen Menschen kennengelernt zu haben.

5) Nach der Arbeit …

… ist meistens vor der Arbeit. Irgendwas wartet immer. Aber irgendwie brauche ich das.

1 Masterarbeit zur Erlangung des Master of Science (Mediation und Konfliktregelung) am Universitätsinstitut für Beratungs- und Managementwissenschaften (ARGE Bildungsmanagement) an der Fakultät für Psychologie der Sigmund-Freud-Privatuniversität: Hübner-Schwarzinger, Der Einsatz von Mediation im abgaben­rechtlichen Verfahren – Utopie oder ein Modell für die Zukunft (2018), approbiert im Mai 2018.

2 Eingeführt bzw erweitert durch das Jahres­steuergesetz 2018; § 323 Abs 55 BAO.

3 § 269 Abs 3 BAO: Der Einzelrichter bzw der Berichterstatter kann die Parteien zur Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie zur Beilegung des Rechtsstreits laden. Über das Ergebnis ist eine Niederschrift anzufertigen.

4 Vgl dazu etwa Vock/Spanblöchl, Das EU-Besteuerungsstreitbeilegungs­gesetz im Überblick, RdW 2019, 192.

5 Wissenschaft & Praxis im Dialog, 26. bis 28. 6. 2019 unter der fachlichen Leitung und Moderation von SC Univ.-Prof. DDr. Gunter Mayr und StB Univ.-Prof. MMag. Dr. Klaus Hirschler.

Der ganze Artikel (BFGjournal 2019, 278) als PDF und bei Linde Digital.

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