Der Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben stellt aufgrund der großen Anzahl der ihm unterliegenden Arbeitnehmer einen der bedeutendsten Kollektivverträge Österreichs dar. In der Folge sollen zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu Einstufungsfragen im Handelsangestelltenkollektivvertrag, die das Höchstgericht in den letzten Jahren gefällt hat, dargestellt und kritisch hinterfragt werden.
Stand: Q1/2013
1. Einstufung einer Supermarktkassierin in den Handelsangestellten-KV
In dieser – für die Einstufungspraxis folgenreichen Entscheidung – hatte sich das Höchstgericht mit der Frage nach der Einstufung von Angestellten, die hauptsächlich an Scannerkassen in Supermärkten tätig sind, zu befassen. Strittig war, ob Mitarbeiter, die derartige Tätigkeiten verrichten, in die Beschäftigungsgruppe 2 oder in die Beschäftigungsgruppe 3 des Handelsangestellten KVs einzustufen sind. Unter die Beschäftigungsgruppe 2 fallen all jene Angestellten, die einfache Tätigkeiten ausführen, während die Beschäftigungsgruppe 3 Angestellte umfasst, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig ausführen. Eine nähere Definition der allgemeinen Beschäftigungsgruppenmerkmale nimmt der Kollektivvertrag nicht vor, vielmehr werden die einzelnen Beschäfigungsgruppen durch die beispielhafte Aufzählung typischer und häufig vorkommender Tätigkeiten konkretisiert.
1.1. Auslegungsgrundsätze für Kollektivverträge
Der OGH führte in seiner Entscheidung zunächst aus, dass der normative Teil eines Kollektivvertrages nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, d.h. grundsätzlich nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen sei. Maßgeblich sei damit primär der Text des Kollektivvertrages, da die Normadressaten die Vorstellungen der Kollektivvertragsparteien, die hinter der Textierung stecken, nicht kennen. Dementsprechend dürften Kollektivverträgen keine Deutung gegeben werden, die ihrem klaren und unzweideutig formulierten Wortlaut zuwiderläuft.
Basierend auf diese allgemeinen Auslegungsgrundsätze führte der OGH aus, dass in der Beschäftigungsgruppe 3 als Tätigkeitsbeispiel die Tätigkeit von Kassieren an Sammelkassen angeführt sei. Nachdem sich die Kollektivvertragsparteien bei der näheren Definition der einzelnen Beschäftigungsgruppen einer beispielhaften Aufzählung bedienten, dürften die angeführten Tätigkeitsbeispiele bei der Beurteilung der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht vernachlässigt werden. Vielmehr könne in der Regel aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die dementsprechende Beschäftigungsgruppe geschlossen werden.
1.2. Spielt die Veränderung des Berufsbildes bei der Frage nach der kollektivvertraglichen Einstufung eine Rolle?
Auf den Einwand des beklagten Arbeitgebers, dass sich das Berufsbild einer Ladenkassierin im Selbstbedienungsladen durch die Automatisierung des Kassiervorgangs mittels Scannerkassen vereinfacht habe, antwortete der OGH, dass dies durchaus der Fall sein könne. Andererseits sei aber auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit einer Scannerkassenkassierin im Supermarkt aufgrund der Beschleunigung des Kassiervorgangs eine erhöhte Konzentration bei der Registrierung der gekauften Artikel und beim Zahlungsvorgang erfordere. So sei zB zu beachten, dass Artikel nicht mit den falschen Etiketten beklebt seien, ebenso wie darauf zu achten sei, ob Waren an der Kasse vorbeigeleitet werden würden. Überdies habe die Kassierin auch Zahlungen entgegen zu nehmen und das korrekte Wechselgeld herauszugeben, was insbesondere bei andrängenden Kunden unter Stressbelastung und nicht unerheblichem Zeitdruck erfolge. Dementsprechend könne auch bei Kassierinnen an Scannerkassen durchaus von einer schwierigen Tätigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe 3 ausgegangen werden.
Der OGH kam daher zusammenfassend zu dem Schluss, dass Kassierinnen an Scannerkassen in Supermärkten, soweit sie „klassische“ Tätigkeiten einer Ladenkassierin im Selbstbedienungsladen ausübten, in den Kernbereich des Beispiels der Beschäftigungsgruppe 3 fielen. Dementsprechend habe auch eine Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 3 zu erfolgen.
1.3. Kritik der Literatur an der Entscheidung
Die gegenständliche Entscheidung des OGH wurde in der Literatur von Maska, Einstufung einer Supermarktkassierin in den Handelsangestellten-KollV, ZAS 2011, 332ff kritisiert. Es wurde in diesem Zusammenhang insbesondere ausgeführt, dass sich der OGH bei Lösung des Rechtsproblems des falschen Beispiels im Kollektivvertrag für Handelsangestellte bedient habe. Das vom OGH herangezogene Beispiel eines „Kassiers an Sammelkassen“, sei nach dem Kollektivvertragstext als Tätigkeitsbeispiel des Büros und Rechnungswesens angeführt. Bei der Arbeitstätigkeit einer Kassierin an einer Scannerkasse handle es sich aber nicht um eine Bürotätigkeit, sondern vielmehr um eine klassische Ein- und Verkaufstätigkeit. In dieser Gruppe führe der Kollektivvertrag aber nur Kassiere mit Kassenaufsichtsverantwortung sowie Kassiere an Sammelkassen als der Beschäftigungsgruppe 3 zugehörig an. Daraus lasse sich – so Maska – schließen, dass nur Kassiere mit spezifischen Tätigkeiten an Sammelkassen, also an für alle Abteilungen eines Warenhauses zuständigen zentralen Kassen sowie mit besonderer Kassenaufsichtsverantwortung in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen seien. „Normale“ Kassiere im Ein- und Verkauf übten hingegen einfache Tätigkeiten im Verkauf aus und seien deshalb der Beschäftigungsgruppe 2 zuzuordnen.
Das vom OGH herangezogene Tätigkeitsbeispiel eines Kassiers an Sammelkassen wurde – wie bereits angedeutet – von Maska als verfehlt angesehen, da es vom Kollektivvertrag dem Bereich des Büro und Rechnungswesen zugeordnet ist und es sich dementsprechend hierbei um Kassiere handelt, die hinsichtlich der einzelnen Kassenladen eines Betriebes zu Beginn und am Ende der Kassiertätigkeit erforderliche schwierige Abrechnungstätigkeiten für das Büro und Rechnungswesen selbständig durchführen.
2. Einstufung eines Filialleiters in den KV Handelsangestellte
In diesem Urteil hatte der OGH die Frage zu beantworten, wie ein als Filialleiter beschäftigter Arbeitnehmer in den KV für Handelsangestellte einzustufen ist. Hierbei stellte sich die Frage, ob es sich bei der Tätigkeit des Filialleiters um eine Arbeitstätigkeit der Beschäftigungsgruppe 3 (Angestellte, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig durchführen) oder der Beschäftigungsgruppe 4 (Angestellte mit selbständiger Tätigkeit) handelt.
In beiden Beschäftigungsgruppen wird die Tätigkeit des Filialleiters beispielhaft aufgezählt, sodass die konkrete Einstufung nach der jeweils im Einzelfall ausgeübten Tätigkeit des Mitarbeiters vorgenommen werden muss. Der OGH hielt sich in weiterer Folge an der Tätigkeitsbeschreibung der Beschäftigungsgruppe 4 an, wonach nur jene Filialleiter, die selbständig über Waren-, Lagerhaltung und sonstige Betriebsmittelverfügungen entscheiden, die Warenpräsentation und oder verkaufsfördernde Maßnahmen durchführen, zur selbständigen Preisgestaltung oder zur Preisgestaltung im Rahmen allgemeiner Richtlinien berechtigt sind und für die Abrechnung vereinnahmter Geldbeträge Sorge tragen, in die Beschäftigungsgruppe 4 einzustufen seien.
Diese Form der Selbständigkeit in den unterschiedlichen betrieblichen Bereichen wurde im konkreten Anlassfall verneint. Nachdem der Mitarbeiter im Bereich Waren, Personal, Marketing und Finanzen an die Vorgaben des Konzerns gebunden war und er keinen Einfluss auf die Preisgestaltung, die Produktpalette, die Produktpräsentation sowie auf Werbe- und andere kundenbindende Maßnahmen nehmen konnte, war er nicht in der Lage – so der OGH – die für die in der Berufsgruppe 4 erforderliche Selbständigkeit notwendigen eigenständigen wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen. Das Argument des Arbeitnehmers, dass auch Ladenkassierinnen in Supermärkten in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen seien und deren Tätigkeit keinesfalls mit der Tätigkeit eines Filialleiters vergleichbar sei, hielt der OGH nicht für überzeugend, da beide Tätigkeiten in der Beschäftigungsgruppe 3 genannt seien. Diese Gleichsetzung könne nicht durch Auslegung korrigiert werden, sondern bedürfte einer Überprüfung durch die Kollektivvertragsparteien.
3. Eigene Stellungnahme zur Rechtsprechung des OGH
Die zwei oben ausgeführten Entscheidungen zeigen deutlich, dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Einstufung von Handelsangestellten durchaus mit Widersprüchen behaftet ist. Dass eine Kassierin, die eine Scannerkasse bedient und der Filialleiter eines Handelsbetriebes tatsächlich in die selbe Verwendungsgruppe eingestuft werden sollen, erschließt sich dem Rechtsunterworfenen nach seinem „natürlichen Rechtsempfinden“ nicht. Dennoch kommt der OGH durch seine stark am Wortlaut der einzelnen Tätigkeitsbeispiele orientierten Auslegung des Kollektivvertrages zu genau diesem Ergebnis.
Die Problematik dabei liegt unseres Erachtens nicht in der Argumentation, dass ein – unselbstständig agierender – Filialleiter in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen ist, sondern vielmehr in der Annahme, dass Kassierinnen an Scannerkassen eben derselben Beschäftigungsgruppe unterliegen. Unseres Erachtens ist der Rechtsmeinung von Maska, dass sich das Höchstgericht bei der Beurteilung dieser Einstufungsfrage am falschen Beispiel des Handelsangestellten-KVs orientiert hat, vollinhaltlich zuzustimmen. Tatsächlich findet sich der „Kassier an Sammelkassen“ im Bereich des Büros und Rechnungswesens, sodass die Kollektivvertragsparteien mit diesem Beispiel keinesfalls den „klassischen“ Kassier im Einzelhandel gemeint haben können. Nachdem es sich bei Kassiertätigkeiten um Tätigkeiten des Verkaufs handelt, ist in der Beschäftigungsgruppe 3 das in lit a (Ein- und Verkauf) angeführte Beispiel des Kassiers heranzuziehen. Dabei sind nach dem Willen der KV-Parteien aber nur jene Kassiere, die entweder Kassenaufsichtsverantwortung haben oder die an Sammelkassen eingesetzt sind, in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen. Als Gegenschluss daraus lässt sich ableiten, dass „normale“ Kassiertätigkeiten als einfache Arbeitstätigkeiten zu qualifizieren sind, die der Beschäftigungsgruppe 2 unterliegen. Die Problematik liegt daher nicht – wie von OGH angeführt – in der Zuordnung der einzelnen Tätigkeitsbeispiele durch die Kollektivvertragsparteien sondern vielmehr in einer fehlerhaften Auswahl des relevanten Beispiels durch das Höchstgericht.
Auch im Vergleich zur Situation in anderen Kollektivverträgen vermag eine Einstufung von Scannerkassierinnen in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages für Handelsangestellte keineswegs zu überzeugen. Im Bereich der Lebensmittelgewerbe etwa werden Mitarbeiter, die den Kunden Waren aushändigen und das Geld dafür entgegennehmen (sogenannte Ladner bzw. Ladnerinnen) klassischerweise als Arbeiter in die Lohnordnungen der Arbeiterkollektivverträge eingestuft. Dass die Tätigkeit einer Scannerkassierin im Supermarkt eine um ein Wesentliches diffizilere Arbeitsleistung darstellt, die im Rahmen des Angestelltenkollektivvertrages für Handelsbetriebe eine Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 3 und damit eine Qualifikation als schwierige Tätigkeit, die auf Anweisung selbstständig ausgeführt wird, rechtfertigt, ist auch in diesem Vergleich nicht nachvollziehbar. Deswegen läge es näher die Tätigkeit einer Scannerkassenkassierin als Arbeitertätigkeit zu werten und sie dementsprechend in eine passende Kategorie des Arbeiterkollektivvertrages einzustufen. Die unterschiedliche Bewertung einer an sich gleichen Tätigkeit bloß aufgrund unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit – die vom OGH zum Teil auch mit der Verkehrsauffassung begründet wird (z.B. OGH 19.12.1978, 4 Ob 106/78, Arb 9749) – ist in Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wohl bedenklich.
Plastisch wird dies am Beispiel einer Tankstelle:
Tankstellen können gewerberechtlich sowohl mit einer eigenen Tankstellenberechtigung als auch mit einer Handelsberechtigung betrieben werden. Aus den unterschiedlichen Berechtigungen ergibt sich auch eine unterschiedliche Mitgliedschaft zu den Sparten (Handel bzw. Verkehr) und daraus folgend eine unterschiedliche Mitgliedschaft zu den Fachgruppen, was die Anwendung unterschiedlicher Kollektivverträge (Arbeiter Tankstellen bzw. die Handelskollektivverträge) zur Folge hat. Gem. § 157 Abs.1 lit. d GewO dürfen diese u.a. im Nebenrecht auch vorverpackt gelieferte Lebensmittel, alkoholfreie Getränke etc. verkaufen. In der Praxis entspricht dieses Sortiment in der Regel dem eines kleineren Lebensmittelhändlers. Solche Tankstellen werden auch fast nur noch als Selbstbedienungstankstellen betrieben. Verfügt der DG über eine Tankstellenberechtigung ist bisher unstreitig auf die beschäftigten Arbeitnehmer der Kollektivvertrag für Arbeiter im Tankstellengewerbe anzuwenden. In der Lohnordnung dieses Kollektivvertrages findet sich u.a. auch die Gruppe der Arbeiter, die ausschließlich oder im überwiegenden Ausmaß mit dem Inkasso betraut sind. Nach Meinung der KV-Parteien – wohl somit nach der Verkehrsauffassung – ist diese Tätigkeit als Arbeitertätigkeit zu werten.
Würde man die gleiche Selbstbedienungstankstelle mit der Handelsberechtigung betreiben, hätte die zitierte Rechtsprechung wohl zur Folge, dass diese Kassiertätigkeit als Angestelltentätigkeit bewertet werden würde mit der Konsequenz der Einstufung in die BG 3.
Nachdem die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aber bis auf Weiteres als einzige höchstgerichtliche Auslegung der beschriebenen Problematik vorliegt und in der Zwischenzeit auch der Verwaltungsgerichtshof, als höchste Instanz in Beitragsangelegenheiten, diese Entscheidung bestätigt hat, bleibt dem Arbeitgeber nichts anderes, als Mitarbeiter, die überwiegend an Scannerkassen eingesetzt werden, in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages einzustufen. Abhilfe bieten Mischformen bei der Beschäftigung, soweit die Kassiertätigkeit dabei nicht zeitlich überwiegt. In jenen Fällen, in denen Tätigkeiten, die der Beschäftigungsgruppe 2 des KVs zuzuordnen sind, zeitlich überwiegend erledigt werden, ist selbstverständlich auch bei einer untergeordneten Tätigkeit an Scannerkassen nach wie vor eine Einstufung der Mitarbeiter in die Beschäftigungsgruppe 2 möglich.
Autorin:
Mag. Dr. Claudia Wolfsgruber und Mag. Peter Wolfartsberger, WKOÖ
Der Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben stellt aufgrund der großen Anzahl der ihm unterliegenden Arbeitnehmer einen der bedeutendsten Kollektivverträge Österreichs dar. In der Folge sollen zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu Einstufungsfragen im Handelsangestelltenkollektivvertrag, die das Höchstgericht in den letzten Jahren gefällt hat, dargestellt und kritisch hinterfragt werden.
Stand: Q1/2013
1. Einstufung einer Supermarktkassierin in den Handelsangestellten-KV
In dieser – für die Einstufungspraxis folgenreichen Entscheidung – hatte sich das Höchstgericht mit der Frage nach der Einstufung von Angestellten, die hauptsächlich an Scannerkassen in Supermärkten tätig sind, zu befassen. Strittig war, ob Mitarbeiter, die derartige Tätigkeiten verrichten, in die Beschäftigungsgruppe 2 oder in die Beschäftigungsgruppe 3 des Handelsangestellten KVs einzustufen sind. Unter die Beschäftigungsgruppe 2 fallen all jene Angestellten, die einfache Tätigkeiten ausführen, während die Beschäftigungsgruppe 3 Angestellte umfasst, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig ausführen. Eine nähere Definition der allgemeinen Beschäftigungsgruppenmerkmale nimmt der Kollektivvertrag nicht vor, vielmehr werden die einzelnen Beschäfigungsgruppen durch die beispielhafte Aufzählung typischer und häufig vorkommender Tätigkeiten konkretisiert.
1.1. Auslegungsgrundsätze für Kollektivverträge
Der OGH führte in seiner Entscheidung zunächst aus, dass der normative Teil eines Kollektivvertrages nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, d.h. grundsätzlich nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen sei. Maßgeblich sei damit primär der Text des Kollektivvertrages, da die Normadressaten die Vorstellungen der Kollektivvertragsparteien, die hinter der Textierung stecken, nicht kennen. Dementsprechend dürften Kollektivverträgen keine Deutung gegeben werden, die ihrem klaren und unzweideutig formulierten Wortlaut zuwiderläuft.
Basierend auf diese allgemeinen Auslegungsgrundsätze führte der OGH aus, dass in der Beschäftigungsgruppe 3 als Tätigkeitsbeispiel die Tätigkeit von Kassieren an Sammelkassen angeführt sei. Nachdem sich die Kollektivvertragsparteien bei der näheren Definition der einzelnen Beschäftigungsgruppen einer beispielhaften Aufzählung bedienten, dürften die angeführten Tätigkeitsbeispiele bei der Beurteilung der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht vernachlässigt werden. Vielmehr könne in der Regel aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die dementsprechende Beschäftigungsgruppe geschlossen werden.
1.2. Spielt die Veränderung des Berufsbildes bei der Frage nach der kollektivvertraglichen Einstufung eine Rolle?
Auf den Einwand des beklagten Arbeitgebers, dass sich das Berufsbild einer Ladenkassierin im Selbstbedienungsladen durch die Automatisierung des Kassiervorgangs mittels Scannerkassen vereinfacht habe, antwortete der OGH, dass dies durchaus der Fall sein könne. Andererseits sei aber auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit einer Scannerkassenkassierin im Supermarkt aufgrund der Beschleunigung des Kassiervorgangs eine erhöhte Konzentration bei der Registrierung der gekauften Artikel und beim Zahlungsvorgang erfordere. So sei zB zu beachten, dass Artikel nicht mit den falschen Etiketten beklebt seien, ebenso wie darauf zu achten sei, ob Waren an der Kasse vorbeigeleitet werden würden. Überdies habe die Kassierin auch Zahlungen entgegen zu nehmen und das korrekte Wechselgeld herauszugeben, was insbesondere bei andrängenden Kunden unter Stressbelastung und nicht unerheblichem Zeitdruck erfolge. Dementsprechend könne auch bei Kassierinnen an Scannerkassen durchaus von einer schwierigen Tätigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe 3 ausgegangen werden.
Der OGH kam daher zusammenfassend zu dem Schluss, dass Kassierinnen an Scannerkassen in Supermärkten, soweit sie „klassische“ Tätigkeiten einer Ladenkassierin im Selbstbedienungsladen ausübten, in den Kernbereich des Beispiels der Beschäftigungsgruppe 3 fielen. Dementsprechend habe auch eine Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 3 zu erfolgen.
1.3. Kritik der Literatur an der Entscheidung
Die gegenständliche Entscheidung des OGH wurde in der Literatur von Maska, Einstufung einer Supermarktkassierin in den Handelsangestellten-KollV, ZAS 2011, 332ff kritisiert. Es wurde in diesem Zusammenhang insbesondere ausgeführt, dass sich der OGH bei Lösung des Rechtsproblems des falschen Beispiels im Kollektivvertrag für Handelsangestellte bedient habe. Das vom OGH herangezogene Beispiel eines „Kassiers an Sammelkassen“, sei nach dem Kollektivvertragstext als Tätigkeitsbeispiel des Büros und Rechnungswesens angeführt. Bei der Arbeitstätigkeit einer Kassierin an einer Scannerkasse handle es sich aber nicht um eine Bürotätigkeit, sondern vielmehr um eine klassische Ein- und Verkaufstätigkeit. In dieser Gruppe führe der Kollektivvertrag aber nur Kassiere mit Kassenaufsichtsverantwortung sowie Kassiere an Sammelkassen als der Beschäftigungsgruppe 3 zugehörig an. Daraus lasse sich – so Maska – schließen, dass nur Kassiere mit spezifischen Tätigkeiten an Sammelkassen, also an für alle Abteilungen eines Warenhauses zuständigen zentralen Kassen sowie mit besonderer Kassenaufsichtsverantwortung in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen seien. „Normale“ Kassiere im Ein- und Verkauf übten hingegen einfache Tätigkeiten im Verkauf aus und seien deshalb der Beschäftigungsgruppe 2 zuzuordnen.
Das vom OGH herangezogene Tätigkeitsbeispiel eines Kassiers an Sammelkassen wurde – wie bereits angedeutet – von Maska als verfehlt angesehen, da es vom Kollektivvertrag dem Bereich des Büro und Rechnungswesen zugeordnet ist und es sich dementsprechend hierbei um Kassiere handelt, die hinsichtlich der einzelnen Kassenladen eines Betriebes zu Beginn und am Ende der Kassiertätigkeit erforderliche schwierige Abrechnungstätigkeiten für das Büro und Rechnungswesen selbständig durchführen.
2. Einstufung eines Filialleiters in den KV Handelsangestellte
In diesem Urteil hatte der OGH die Frage zu beantworten, wie ein als Filialleiter beschäftigter Arbeitnehmer in den KV für Handelsangestellte einzustufen ist. Hierbei stellte sich die Frage, ob es sich bei der Tätigkeit des Filialleiters um eine Arbeitstätigkeit der Beschäftigungsgruppe 3 (Angestellte, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig durchführen) oder der Beschäftigungsgruppe 4 (Angestellte mit selbständiger Tätigkeit) handelt.
In beiden Beschäftigungsgruppen wird die Tätigkeit des Filialleiters beispielhaft aufgezählt, sodass die konkrete Einstufung nach der jeweils im Einzelfall ausgeübten Tätigkeit des Mitarbeiters vorgenommen werden muss. Der OGH hielt sich in weiterer Folge an der Tätigkeitsbeschreibung der Beschäftigungsgruppe 4 an, wonach nur jene Filialleiter, die selbständig über Waren-, Lagerhaltung und sonstige Betriebsmittelverfügungen entscheiden, die Warenpräsentation und oder verkaufsfördernde Maßnahmen durchführen, zur selbständigen Preisgestaltung oder zur Preisgestaltung im Rahmen allgemeiner Richtlinien berechtigt sind und für die Abrechnung vereinnahmter Geldbeträge Sorge tragen, in die Beschäftigungsgruppe 4 einzustufen seien.
Diese Form der Selbständigkeit in den unterschiedlichen betrieblichen Bereichen wurde im konkreten Anlassfall verneint. Nachdem der Mitarbeiter im Bereich Waren, Personal, Marketing und Finanzen an die Vorgaben des Konzerns gebunden war und er keinen Einfluss auf die Preisgestaltung, die Produktpalette, die Produktpräsentation sowie auf Werbe- und andere kundenbindende Maßnahmen nehmen konnte, war er nicht in der Lage – so der OGH – die für die in der Berufsgruppe 4 erforderliche Selbständigkeit notwendigen eigenständigen wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen. Das Argument des Arbeitnehmers, dass auch Ladenkassierinnen in Supermärkten in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen seien und deren Tätigkeit keinesfalls mit der Tätigkeit eines Filialleiters vergleichbar sei, hielt der OGH nicht für überzeugend, da beide Tätigkeiten in der Beschäftigungsgruppe 3 genannt seien. Diese Gleichsetzung könne nicht durch Auslegung korrigiert werden, sondern bedürfte einer Überprüfung durch die Kollektivvertragsparteien.
3. Eigene Stellungnahme zur Rechtsprechung des OGH
Die zwei oben ausgeführten Entscheidungen zeigen deutlich, dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Einstufung von Handelsangestellten durchaus mit Widersprüchen behaftet ist. Dass eine Kassierin, die eine Scannerkasse bedient und der Filialleiter eines Handelsbetriebes tatsächlich in die selbe Verwendungsgruppe eingestuft werden sollen, erschließt sich dem Rechtsunterworfenen nach seinem „natürlichen Rechtsempfinden“ nicht. Dennoch kommt der OGH durch seine stark am Wortlaut der einzelnen Tätigkeitsbeispiele orientierten Auslegung des Kollektivvertrages zu genau diesem Ergebnis.
Die Problematik dabei liegt unseres Erachtens nicht in der Argumentation, dass ein – unselbstständig agierender – Filialleiter in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen ist, sondern vielmehr in der Annahme, dass Kassierinnen an Scannerkassen eben derselben Beschäftigungsgruppe unterliegen. Unseres Erachtens ist der Rechtsmeinung von Maska, dass sich das Höchstgericht bei der Beurteilung dieser Einstufungsfrage am falschen Beispiel des Handelsangestellten-KVs orientiert hat, vollinhaltlich zuzustimmen. Tatsächlich findet sich der „Kassier an Sammelkassen“ im Bereich des Büros und Rechnungswesens, sodass die Kollektivvertragsparteien mit diesem Beispiel keinesfalls den „klassischen“ Kassier im Einzelhandel gemeint haben können. Nachdem es sich bei Kassiertätigkeiten um Tätigkeiten des Verkaufs handelt, ist in der Beschäftigungsgruppe 3 das in lit a (Ein- und Verkauf) angeführte Beispiel des Kassiers heranzuziehen. Dabei sind nach dem Willen der KV-Parteien aber nur jene Kassiere, die entweder Kassenaufsichtsverantwortung haben oder die an Sammelkassen eingesetzt sind, in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen. Als Gegenschluss daraus lässt sich ableiten, dass „normale“ Kassiertätigkeiten als einfache Arbeitstätigkeiten zu qualifizieren sind, die der Beschäftigungsgruppe 2 unterliegen. Die Problematik liegt daher nicht – wie von OGH angeführt – in der Zuordnung der einzelnen Tätigkeitsbeispiele durch die Kollektivvertragsparteien sondern vielmehr in einer fehlerhaften Auswahl des relevanten Beispiels durch das Höchstgericht.
Auch im Vergleich zur Situation in anderen Kollektivverträgen vermag eine Einstufung von Scannerkassierinnen in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages für Handelsangestellte keineswegs zu überzeugen. Im Bereich der Lebensmittelgewerbe etwa werden Mitarbeiter, die den Kunden Waren aushändigen und das Geld dafür entgegennehmen (sogenannte Ladner bzw. Ladnerinnen) klassischerweise als Arbeiter in die Lohnordnungen der Arbeiterkollektivverträge eingestuft. Dass die Tätigkeit einer Scannerkassierin im Supermarkt eine um ein Wesentliches diffizilere Arbeitsleistung darstellt, die im Rahmen des Angestelltenkollektivvertrages für Handelsbetriebe eine Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 3 und damit eine Qualifikation als schwierige Tätigkeit, die auf Anweisung selbstständig ausgeführt wird, rechtfertigt, ist auch in diesem Vergleich nicht nachvollziehbar. Deswegen läge es näher die Tätigkeit einer Scannerkassenkassierin als Arbeitertätigkeit zu werten und sie dementsprechend in eine passende Kategorie des Arbeiterkollektivvertrages einzustufen. Die unterschiedliche Bewertung einer an sich gleichen Tätigkeit bloß aufgrund unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit – die vom OGH zum Teil auch mit der Verkehrsauffassung begründet wird (z.B. OGH 19.12.1978, 4 Ob 106/78, Arb 9749) – ist in Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wohl bedenklich.
Plastisch wird dies am Beispiel einer Tankstelle:
Tankstellen können gewerberechtlich sowohl mit einer eigenen Tankstellenberechtigung als auch mit einer Handelsberechtigung betrieben werden. Aus den unterschiedlichen Berechtigungen ergibt sich auch eine unterschiedliche Mitgliedschaft zu den Sparten (Handel bzw. Verkehr) und daraus folgend eine unterschiedliche Mitgliedschaft zu den Fachgruppen, was die Anwendung unterschiedlicher Kollektivverträge (Arbeiter Tankstellen bzw. die Handelskollektivverträge) zur Folge hat. Gem. § 157 Abs.1 lit. d GewO dürfen diese u.a. im Nebenrecht auch vorverpackt gelieferte Lebensmittel, alkoholfreie Getränke etc. verkaufen. In der Praxis entspricht dieses Sortiment in der Regel dem eines kleineren Lebensmittelhändlers. Solche Tankstellen werden auch fast nur noch als Selbstbedienungstankstellen betrieben. Verfügt der DG über eine Tankstellenberechtigung ist bisher unstreitig auf die beschäftigten Arbeitnehmer der Kollektivvertrag für Arbeiter im Tankstellengewerbe anzuwenden. In der Lohnordnung dieses Kollektivvertrages findet sich u.a. auch die Gruppe der Arbeiter, die ausschließlich oder im überwiegenden Ausmaß mit dem Inkasso betraut sind. Nach Meinung der KV-Parteien – wohl somit nach der Verkehrsauffassung – ist diese Tätigkeit als Arbeitertätigkeit zu werten.
Würde man die gleiche Selbstbedienungstankstelle mit der Handelsberechtigung betreiben, hätte die zitierte Rechtsprechung wohl zur Folge, dass diese Kassiertätigkeit als Angestelltentätigkeit bewertet werden würde mit der Konsequenz der Einstufung in die BG 3.
Nachdem die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aber bis auf Weiteres als einzige höchstgerichtliche Auslegung der beschriebenen Problematik vorliegt und in der Zwischenzeit auch der Verwaltungsgerichtshof, als höchste Instanz in Beitragsangelegenheiten, diese Entscheidung bestätigt hat, bleibt dem Arbeitgeber nichts anderes, als Mitarbeiter, die überwiegend an Scannerkassen eingesetzt werden, in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages einzustufen. Abhilfe bieten Mischformen bei der Beschäftigung, soweit die Kassiertätigkeit dabei nicht zeitlich überwiegt. In jenen Fällen, in denen Tätigkeiten, die der Beschäftigungsgruppe 2 des KVs zuzuordnen sind, zeitlich überwiegend erledigt werden, ist selbstverständlich auch bei einer untergeordneten Tätigkeit an Scannerkassen nach wie vor eine Einstufung der Mitarbeiter in die Beschäftigungsgruppe 2 möglich.
Autorin:
Mag. Dr. Claudia Wolfsgruber und Mag. Peter Wolfartsberger, WKOÖ