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BFG: Unzulässige Fortführung eines bereits eingestellt gewesenen Finanzstrafverfahrens und Finanzstraftäterhaftung nach § 11 BAO

Werden im Zuge von Vorerhebungen nach § 82 Abs 1 FinStrG Verfolgungshandlungen gegen einen bestimmten Verdächtigten wegen eines konkreten Tatverdachts gesetzt, gelangt dieser in die Rechtsposition eines Beschuldigten (§ 75 Satz 2 FinStrG).

Nach (förmlicher) Einstellung eines derartigen Finanzstrafverfahrens bedarf es zur späteren Fortsetzung dieses Verfahrens, etwa mittels Einleitung eines finanzstrafbehördlichen Untersuchungsverfahrens, des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme von Amts wegen. Dabei stellt eine bloße neuerliche Beweiswürdigung bei gleichbleibender Beweislage, aber abweichendem Ergebnis, und dabei nunmehr erkanntem strafrelevanten Sachverhalt keine neu hervorgekommene Tatsache oder Beweismittel im Sinne des § 165 Abs 1 lit b FinStrG dar.


Entscheidung: BFG 28. 12. 2018, RV/2300005/2016 (Revision nicht zugelassen).


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Finanzstraftäterhaftung (§ 11 BAO): Keine Prüfung des Verschuldens als Haftungsvoraussetzung oder bei der behördlichen Ermessensübung im Haftungsverfahren

Ein Vorbringen zur Verschuldensfrage ist unbeachtlich, weil mit der rechtskräftigen Bestrafung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens die (einzige) Voraussetzung für die Haftung nach § 11 BAO erfüllt ist, weshalb (anders als bei der Haftung nach § 9 BAO) keine eigenständige Prüfung des Verschuldens stattzufinden hat; es ist aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung als gegeben anzunehmen.

Zweck des Haftungsausspruches ist die Einhebung von Abgaben. Der Haftungsausspruch ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn eine (gänzliche oder teilweise) Abgabeneinhebung beim Haftungspflichtigen entweder sofort möglich oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht völlig ausgeschlossen ist. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Vermögenslosigkeit bzw. Arbeitslosigkeit des Haftenden an sich in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht, zumal es eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (für viele: VwGH 14. 12. 2006, 2006/14/0044).

Auch die mögliche Teilnahme des Abgabengläubigers an einem Verfahren nach der Insolvenzordnung (hier: die Beschwerdeführerin droht in der Beschwerde die „Privatinsolvenz“ an) macht die Haftungsinanspruchnahme zweckmäßig, zumal nur die volle Haftungsinanspruchnahme eine die Unerheblichkeitsgrenze überschreitende Quote erhoffen lässt.

Im Haftungsverfahren nach § 11 BAO hat auch die Ermessensregelung nicht den Zweck, das aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung als gegeben anzunehmende Verschulden einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen.
Will der zur Haftung Herangezogene mit dem Vorbringen zu seinen persönlichen Verhältnissen eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben aufzeigen, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Umstand im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ist (VwGH 18. 10. 2005, 2004/14/0112; zur Unmaßgeblichkeit persönlicher Umstände des zur Haftung Herangezogenen im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung vgl auch VwGH 14. 12. 2006, 2006/14/0044; 2. 9. 2009, 2008/15/0139).
Eine Ermahnung anstelle eines Haftungsausspruches (hier: nach § 11 BAO) ist gesetzlich nicht vorgesehen, weil die Ermahnung eine Maßnahme des Strafrechts, der Haftungsausspruch hingegen eine Maßnahme der Abgabeneinhebung (und keine strafrechtliche Maßnahme) ist. Daher ist es im Haftungsverfahren auch nicht von Belang, ob der Haftungsausspruch spezial- oder generalpräventiv wirkt.

Entscheidung: BFG 6. 2. 2019, RV/2100007/2019 (Revision nicht zugelassen).


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