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EINKÜNFTE AUS KAPITALVERMÖGEN: ÄNDERUNGEN DURCH DEN WARTUNGSERLASS 2021

(Bild: © iStock/peterschreiber.media) (Bild: © iStock/peterschreiber.media)

Am 17. Mai 2021 hat das BMF den Wartungserlass 2021 zu den Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2000 veröffentlicht. Wenig überraschend konzentriert sich der Erlass auf die Begleitmaßnahmen zu COVID-19, dabei insbesondere auf den Verlustrücktrag. Einige wenige Änderungen sind aber auch im Bereich der Kapitaleinkünftebesteuerung enthalten.

Besteuerung von XETRA und vergleichbaren Zertifikaten

Die Aussagen der EStR 2000 zur Besteuerung von XETRA Zertifikaten waren bis dato nicht eindeutig. Diese gewähren dem Anleger neben der Möglichkeit der Veräußerung des Zertifikats am Sekundärmarkt das Recht auf Auslieferung eines Gramms Gold (physische Lieferung). Die neue Rz 6203a stellt nun klar, dass es für die Zwecke der Besteuerung weniger auf die Ausgestaltung, sondern auf den Umstand einer tatsächlichen Lieferung ankommt. Bezugnehmend auf die einschlägige Judikatur des deutschen Bundesfinanzhofes (BFH) zu XETRA Zertifikaten (BFH 6.2.2018, IX R 33/17) soll die physische Lieferung des Referenzwertes (underlying) keine Besteuerung auslösen. Ähnlich dem steuerlichen Verständnis einer Option liegt eine Anschaffung des Referenzwertes vor. Erst dessen spätere Veräußerung kann der Steuerpflicht unterliegen, sofern diese innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist erfolgt. Der Lauf der Spekulationsfrist beginnt dabei bereits mit dem Erwerb des Zertifikats. 

Wird hingegen das Zertifikat veräußert, ist von Einkünften aus Kapitalvermögen, konkret Einkünften aus Derivaten (§ 27 Abs 4 EStG), auszugehen. Diese sind ungeachtet der Behaltedauer steuerpflichtig, dabei setzt die Anwendung des Sondersteuersatzes von 27,5 % und die Endbesteuerungswirkung das öffentliche Angebot der Zertifikate in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht voraus.

Depotübertragung

Dem jüngsten Erkenntnis des VwGH (VwGH 10.9.2020, Ro 2020/15/0016) folgend ist die Übertragung der Wertpapiere von einem steuerpflichtigen auf ein steuerbefreites Depot als eine Veräußerung zu sehen. Die Besteuerungsmöglichkeit jener stillen Reserven, die bis zum Übertragungszeitpunkt angewachsen sind, ist bei einem steuerbefreiten Depot nicht mehr gesichert, sodass im Zeitpunkt des Depotübertrags stille Reserven steuerpflichtig sind.

Wertpapieranschaffung und maßgebender Zeitpunkt

Nach den neu eingeführten EStR 2000 Rz 6106a und 6106b ist bei der Bestimmung des An-schaffungszeitpunktes im Depotgeschäft auf den Zeitpunkt der Einbuchung abzustellen. Damit folgt das BMF seiner Praxis beim Erwerb im Rahmen der betrieblichen Wertpapierdeckung. Die Einbuchung markiert demnach den Zeitpunkt, zu dem das wirtschaftliche Eigen-tum über das Wertpapier erworben wird. Für die Bestimmung der Anschaffungskosten ist jedoch auf den Kurs abzustellen, zu dem ein Kaufauftrag zustande kommt (Schlusskurs).

Begriffserweiterung bei Forderungswertpapieren

Den Anforderungen des Kapitalmarktes folgend wird schließlich der Begriff des Forderungswertpapiers zunächst auf Wertpapiere im Rahmen der Girosammelverwahrung erweitert. Auch soll ein Forderungswertpapier für steuerliche Zwecke bei Verbriefung in einer Sam-melurkunde vorliegen. Weil aber die Sammelverwahrung seit November 2020 die digitale Sammelverwahrung beinhaltet, werden digitale Sammelurkunden für das Vorliegen eines Forderungswertpapiers als ausreichend angesehen. Damit fallen rein elektronisch (digital) begebene Wertpapiere unter den Begriff des Forderungswertpapiers und vermitteln dem Anleger – das öffentliche Angebot vorausgesetzt – die Besteuerung zum Steuersatz von 27,5 %. 

Unter den erweiterten Wertpapierbegriff sind wohl auch Schweizer Wertrechte zu subsumieren. Zugleich stellt sich die Frage, ob cryptobonds oder blockchain bonds ebenso als Forderungswertpapiere qualifiziert werden können und ob der Sondersteuersatz auf diese anzu-wenden ist. Die eindeutige Bestimmbarkeit derartiger Bonds könnte dem Vorliegen des öffentlichen Angebots entgegenstehen. 

Verfasserinnen:

Sabine Kirchmayr-Schliesselberger

Steuerberaterin | Of Counsel | Prof. an der Universität Wien

Tatjana Polivanova-Rosenauer

Steuerberaterin | Partnerin

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