Die EU geht weiter gegen aus ihrer Sicht schädliche Steuerpraktiken vor. Am 22. Dezember 2021 wurde ein Richtlinienentwurf veröffentlicht, dessen Ziel die Verhinderung der Einschaltung von „Briefkastenfirmen“ ist (Unshell-Richtlinie). Vorbehaltlich der Zustimmung durch die Mitgliedstaaten sollen die Regelungen ab 2024 gelten.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Der Richtlinienentwurf zielt grundsätzlich auf sämtliche in der EU ansässige Unternehmen unabhängig von deren Rechtsform und Größe ab. Folgende als wenig riskant eingestufte Unternehmen sind ausgenommen:
Börsennotierte Unternehmen
Regulierte Finanzunternehmen
Holdinggesellschaften, die in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie deren operativ tätige Tochtergesellschaften oder deren Anteilseigner
Gesellschaften mit mindestens fünf eigenen Vollzeit-Mitarbeitern, die ausschließlich Aktivitäten zur Erzielung des „relevanten Einkommens“ (siehe Definition unten unter Punkt 3.) ausüben
Für alle anderen Unternehmen sieht der Richtlinienentwurf eine zweistufige Substanzprüfung vor.
Prüfschritt 1: Identifikation von „Briefkastenfirmen“
Im ersten Prüfschritt sind potenzielle Briefkastenfirma anhand drei kumulativer Kriterien zu identifizieren:
Die Einkünfte des Unternehmens müssen in den vorangegangenen zwei Wirtschaftsjahren zu mindestens 75 % aus sog „relevanten Einkommen“ bestanden haben. „Relevantes Einkommen“ ist grundsätzlich passiver Natur und umfasst ua Zinsen, Lizenzeinnahmen und Dividenden, aber auch Einnahmen aus Dienstleistungen, die das Unternehmen an verbundene Unternehmen ausgelagert hat oder Einnahmen aus unbeweglichem Vermögen oder beweglichem Vermögen, das für private Zwecke gehalten wird und einen Buchwert von mehr als EUR 1 Mio aufweist. Unabhängig von der Höhe des „relevanten Einkommens“ gilt dieses Erfordernis ebenfalls als erfüllt, wenn in den beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahren mehr als 75 % des Buchwerts des Unternehmensvermögens aus Kapitalanteilen, unbeweglichem Vermögen und nicht betrieblich verwendetem beweglichen Vermögen bestanden hat.
Das Unternehmen ist grenzüberschreitend tätig. Eine grenzüberschreitende Tätigkeit liegt vor, wenn entweder (i) der Buchwert des Unternehmensvermögens in den beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahren zu mehr als 60 % aus im Ausland belegenen unbeweglichen und nicht betrieblichen beweglichen Vermögens – mit Ausnahme von Bargeld, Anteilen oder Wertpapieren – bestanden hat oder (ii) das „relevante Einkommen“ des Unternehmens zu mindestens 60 % aus grenzüberschreitenden Transaktionen erzielt oder ausgezahlt wurde.
Das Unternehmen hat seine Geschäftsführung in den vergangen zwei Wirtschaftsjahren ausgelagert. Unschädlich soll das bloße Outsourcen einzelner Tätigkeiten wie bspw des Rechnungswesens sein.
Prüfschritt 2: Meldepflicht
Unternehmen, die die Kriterien gemäß Prüfungsschritt 1 erfüllen, haben jährlich im Rahmen ihrer Steuererklärungen das (Nicht-)Vorliegen bestimmter Mindestsubstanz-Indikatoren zu erklären und nachzuweisen. Folgende Indikatoren sind vorgesehen:
das Unternehmen verfügt in seinem Ansässigkeitsstaat über eigene Räumlichkeiten (im Eigentum oder im Zuge eines exklusiven Nutzungsrechtes);
das Unternehmen hat ein aktives, eigenes Bankkonto in der EU;
ein Mitglied oder mehrere Mitglieder der Geschäftsführung oder die Mehrheit der Mitarbeiter des Unternehmens erfüllt folgende Voraussetzungen:
Ansässigkeit im Mitgliedsstaat des Unternehmens oder in ausreichender Nähe des Unternehmens;
ausreichende Qualifikation;
bei Geschäftsführern:
üben ihre Befugnisse aktiv, unabhängig und auf regelmäßiger Basis aus;
sind nicht Mitarbeiter eines nicht verbundenen Unternehmens und üben nicht die Funktion eines Geschäftsführers oder eine vergleichbare Funktion für ein nicht verbundenes Unternehmen aus.
Wird nur ein Indikator nicht erfüllt, wird widerlegbar vermutet, dass eine „Briefkastenfirma“ vorliegt. Zur Widerlegung der Vermutung sollen die Mitgliedsstaaten den Unternehmen Nachweise ermöglichen, dass wirtschaftliche Gründe und nicht die Erlangung eines Steuervorteils für die Einschaltung des Unternehmens ursächlich sind.
Konsequenzen für „Briefkastenfirmen“
Gelingt es dem Unternehmen nicht die Vermutung zu widerlegen, qualifiziert das Unternehmen als „Briefkastenfirma“. In diesem Fall sollen folgende steuerliche Konsequenzen eintreten:
Steuervorteile der „Briefkastenfirma“ werden aberkannt oder nicht gewährt (insbesondere DBA-Vorteile oder Quellensteuerbefreiungen nach EU-Richtlinien, wie der Mutter-Tochter- oder der Zins- und die Lizenzgebühren-Richtlinie).
Das Einkommen der „Briefkastenfirma“ wird auf Ebene der Anteilsinhaber besteuert. Dadurch wird eine Art von Hinzurechnungsbesteuerung für natürliche Personen geschaffen.
Die Mitgliedsstaaten stellen Ansässigkeitsbescheinigungen für die „Briefkastenfirma“ nicht mehr oder nur noch mit einem Vermerk aus. Aus dem Vermerk soll hervorgehen, dass die „Briefkastenfirma“ keinen Anspruch auf die Vorteile eines DBA oder einer EU-Richtlinie hat.
Zudem ist zwischen den Finanzbehörden der Mitgliedsstaaten ein (automatischer) Informationsaustausch über die betroffenen „Briefkastenfirmen“ geplant.
Sanktionen
Bei Nicht- oder Falschmeldungen der oa Kriterien sind empfindliche Mindeststrafen iHv 5 % des Umsatzes des Unternehmens vorgesehen.
Auswirkungen auf die Praxis
Der Entwurf der Unshell-Richtlinie sieht weitreichende Konsequenzen für „Briefkastenfirmen“ vor. Zwar sollen die Vorschriften – vorbehaltlich der Zustimmung der Mitgliedstaaten – erst ab 2024 gelten. Die Substanzprüfung bezieht sich aber zum Teil bereits auf die Vorjahre 2022 und 2023. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Holdingstrukturen sollten die Voraussetzungen für die Substanzprüfung daher bereits jetzt beachtet und im Bedarfsfall eine geeignete Dokumentation geschaffen werden.
Gerne unterstützen wir Sie dabei und stehen für Fragen zur Verfügung.
Autor:innen
Clemens Nowotny Steuerberater | Partner | Gesellschafter
Überblick
Die EU geht weiter gegen aus ihrer Sicht schädliche Steuerpraktiken vor. Am 22. Dezember 2021 wurde ein Richtlinienentwurf veröffentlicht, dessen Ziel die Verhinderung der Einschaltung von „Briefkastenfirmen“ ist (Unshell-Richtlinie). Vorbehaltlich der Zustimmung durch die Mitgliedstaaten sollen die Regelungen ab 2024 gelten.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Der Richtlinienentwurf zielt grundsätzlich auf sämtliche in der EU ansässige Unternehmen unabhängig von deren Rechtsform und Größe ab. Folgende als wenig riskant eingestufte Unternehmen sind ausgenommen:
Für alle anderen Unternehmen sieht der Richtlinienentwurf eine zweistufige Substanzprüfung vor.
Prüfschritt 1: Identifikation von „Briefkastenfirmen“
Im ersten Prüfschritt sind potenzielle Briefkastenfirma anhand drei kumulativer Kriterien zu identifizieren:
Das Unternehmen hat seine Geschäftsführung in den vergangen zwei Wirtschaftsjahren ausgelagert. Unschädlich soll das bloße Outsourcen einzelner Tätigkeiten wie bspw des Rechnungswesens sein.
Prüfschritt 2: Meldepflicht
Unternehmen, die die Kriterien gemäß Prüfungsschritt 1 erfüllen, haben jährlich im Rahmen ihrer Steuererklärungen das (Nicht-)Vorliegen bestimmter Mindestsubstanz-Indikatoren zu erklären und nachzuweisen. Folgende Indikatoren sind vorgesehen:
Wird nur ein Indikator nicht erfüllt, wird widerlegbar vermutet, dass eine „Briefkastenfirma“ vorliegt. Zur Widerlegung der Vermutung sollen die Mitgliedsstaaten den Unternehmen Nachweise ermöglichen, dass wirtschaftliche Gründe und nicht die Erlangung eines Steuervorteils für die Einschaltung des Unternehmens ursächlich sind.
Konsequenzen für „Briefkastenfirmen“
Gelingt es dem Unternehmen nicht die Vermutung zu widerlegen, qualifiziert das Unternehmen als „Briefkastenfirma“. In diesem Fall sollen folgende steuerliche Konsequenzen eintreten:
Zudem ist zwischen den Finanzbehörden der Mitgliedsstaaten ein (automatischer) Informationsaustausch über die betroffenen „Briefkastenfirmen“ geplant.
Sanktionen
Bei Nicht- oder Falschmeldungen der oa Kriterien sind empfindliche Mindeststrafen iHv 5 % des Umsatzes des Unternehmens vorgesehen.
Auswirkungen auf die Praxis
Der Entwurf der Unshell-Richtlinie sieht weitreichende Konsequenzen für „Briefkastenfirmen“ vor. Zwar sollen die Vorschriften – vorbehaltlich der Zustimmung der Mitgliedstaaten – erst ab 2024 gelten. Die Substanzprüfung bezieht sich aber zum Teil bereits auf die Vorjahre 2022 und 2023. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Holdingstrukturen sollten die Voraussetzungen für die Substanzprüfung daher bereits jetzt beachtet und im Bedarfsfall eine geeignete Dokumentation geschaffen werden.
Gerne unterstützen wir Sie dabei und stehen für Fragen zur Verfügung.
Autor:innen
Clemens Nowotny Steuerberater | Partner | Gesellschafter
Alexander Kras Steuerberater | Director
Johannes Reiter Steuerberater | Director
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