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FinCEN-Files enthüllen illegale Geldflüsse nach Österreich

US-Finanzministerium als "Maschinenraum globaler Geldwäsche" - Geschäfte mit hochriskanten und mutmaßlich kriminellen Kunden - Auch österreichische Banken in FinCEN-Files genannt. (Bild: © Joa_Souza) US-Finanzministerium als "Maschinenraum globaler Geldwäsche" - Geschäfte mit hochriskanten und mutmaßlich kriminellen Kunden - Auch österreichische Banken in FinCEN-Files genannt. (Bild: © Joa_Souza)

Wien/Washington – Nach den Panama und Paradise Papers gibt es nun die sogenannten FinCEN-Files. Darin wird enthüllt, wie Geld, das aus Staatskassen abfloss, durch kriminelle Handlungen generiert und weltweit versteckt wurde, berichteten das Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ) und das US-Onlineportal BuzzFeed am Sonntagabend (MESZ). Spuren führen auch nach Österreich.

Gut 100 Medien mit mehr als 400 Journalisten aus 88 Ländern des – darunter aus Österreich ORF und profil – haben sich länger als ein Jahr mit Korruption, Geldwäsche und Großbanken sowie der Frage auseinandergesetzt, was falsch läuft im internationalen Bankensystem. Die Geldwäschemeldungen, die man sich angeschaut hat, „zeichnen ein verstörendes Bild“, schreibt das profil. Ungeachtet aller Anstrengungen gegen Geldwäsche wurden Milliarden US-Dollar aus dunklen Quellen durch das internationale Bankensystem geschleust.

In den FinCEN Files – geleakte Dokumente aus dem Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN), der Strafverfolgungsbehörde des US-Finanzministeriums – werden den Berichten zufolge auch österreichische Banken genannt. Zwischen 2007 und 2017 registrierten US-Banken mindestens 804 verdächtige Transaktionen in einer Höhe von mehr als einer Milliarde US-Dollar – die entweder bei österreichischen Banken landeten oder von diesen auf die Reise geschickt wurden. Die von den US-Banken als verdächtig eingestuften Transaktionen involvierten unter anderem UniCredit Bank Austria, Erste Group, Bawag, Raiffeisen Bank International, Meinl und den Österreich-Ableger der russischen VTB, so ORF und profil.

Die mittlerweile insolvente Meinl Bank und deren frühere Antigua-Operation spielen auch eine besondere Rolle. Das hat mit deren Verwicklung in den Schmiergeldskandal rund um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht zu tun. Die US-Reports dokumentieren verdächtige Transaktionen der Meinl Bank Antigua von insgesamt 188 Millionen US-Dollar, ein Teil davon lief auch über die Raiffeisen Bank International.

Eine der Verdachtsmeldungen stammt von der US-Zentrale der britischen Standard Chartered Bank. Dort fiel auf, dass Odebrecht 2011 offenbar eine Mehrheit an der Meinl Bank Antigua erworben hatte und sie dazu nutzte, Bestechungsgelder in Milliardenhöhe „zu waschen, zu verteilen und zu verbergen“. Nun bieten Einvernahmen ehemaliger Odebrecht-Mitarbeiter neue Erkenntnisse.

Ein geständiger Ex-Odebrecht-Mitarbeiter sagte demnach gegenüber der brasilianischen Staatsanwaltschaft aus, dass die bis dahin für schmutzige Transfers genutzte Antigua Overseas Bank 2010 in Schieflage geraten sei. Und bei der Suche nach Ersatz sei man bei der Karibiktochter der Meinl Bank fündig geworden. Über Antigua seien dann nicht nur Beamte bestochen worden, sondern „alle“.

Dass die Meinl Bank Antigua in den Odebrecht-Skandal verwickelt ist, steht schon seit einigen Jahren fest. Doch Vertreter der Meinl Bank in Wien bestritten immer, Bestechungsgelder wissentlich weitergeleitet zu haben. 2016 hatte die Bank selbst, nachdem der Skandal medial bekanntgeworden war, eine Geldwäscheverdachtsmeldung erstattet, auch wenn sie inhaltlich nicht besonders umfangreich ausgefallen ist.

Schon 2017 hatten ORF und profil berichtet, dass Meinl Antigua die Wiener Meinl Bank als Korrespondenzbank genutzt und über sie Transaktionen abgewickelt habe, da die Karibik-Bank keinen Zugang zum internationalen Zahlungsverkehr hatte. Dieser Verdacht wird nun in den FinCEN-Files erhärtet – und auch deswegen dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) ihr im November 2019 per Bescheid die Bankkonzession, allerdings noch nicht rechtskräftig, entzogen haben. Die Meinl Bank nennt sich heute Anglo Austrian Bank (AAB) und ist derzeit in Abwicklung, bis Jahresende solle die Bank endgültig stillgelegt sein. Seit 2017 ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Bestechung und der Geldwäscherei. Die meisten Ermittlungen gegen die Meinl Bank wurden im Mai eingestellt – nicht so jene in Sachen Antigua.

Der frühere Meinl-Bank-CEO Peter Weinzierl bestreitet gegenüber dem profil und dem ORF sämtliche Vorwürfe und betont, dass es sich bei Meinl in Wien und der Meinl Bank Antigua um „völlig getrennte Einheiten“ gehandelt habe. In Wien habe man „keine operative Kontrolle über die Aktivitäten der Meinl Bank Antigua“ gehabt. Bei den Transaktionen, die man für die Karibik-Bank abgewickelt habe, habe man keinen Verdacht gehegt. Allerdings hielt die Meinl Bank laut EZB-Beschluss an der Meinl Bank Antigua bis zum Verkauf der letzten verbliebenen Anteile im Oktober 2015 eine Sperrminorität und sei „effektiv an der Kontrolle über die Meinl Bank Antigua beteiligt“ gewesen.

Odebrecht hatte seine Schmiergeldzahlungen über mehrere Offshore-Firmen abgewickelt. Diese hatten Konten bei der Meinl Bank Antigua. Und die wiederum wickelten ihre Zahlungen über mehrere Korrespondenzbanken ab. Über die Meinl Bank in Wien dürften laut den FinCEN-Files mindestens 64 Millionen Dollar in 134 verdächtigen Transaktionen geflossen sein.

Ebenfalls involviert war laut den Dokumenten auch die Raiffeisen Bank International. Zwischen Ende 2013 und 2015 sollen es hier mindestens 54 Millionen Dollar in 102 Zahlungen gewesen sein. Insgesamt sind beide Summen aber nur ein kleiner Teil der Odebrecht-Zahlungen, die über die Meinl Bank Antigua gelaufen sind: Einer der drei Direktoren der Bank, der mittlerweile als Kronzeuge geführt wird, behauptet, über Meinl Antigua sollen insgesamt 1,6 Milliarden Dollar bewegt worden sein.

Ob auch Raiffeisen eine Geldwäschemeldung erstattet hat, ließ die Bank auf Anfrage von ORF und profil offen: Aufgrund des Bankgeheimnisses sei man nicht dazu berechtigt, „Angaben zum Bestand oder Nicht-Bestand einer Geschäftsbeziehung oder zu einzelnen Transaktionen zu machen“, hieß es zunächst von einer Sprecherin. Selbstverständlich würde die Bank „alle gesetzlichen Verpflichtungen einhalten“. Und weiter: „Wir melden Verdachtsfälle und wir beenden auch Beziehungen, wenn entsprechende Verdachtsmomente bestehen.“

Später ergänzte die RBI, dass die Meinl Bank Antigua nicht Inhaberin des Kontos gewesen sei, über das laut Verdachtsmeldung die Transaktionen gelaufen sind. Die Geldflüsse als solche hat es demnach aber gegeben. Von der RBI heißt es weiter: „Die von den US-Banken gemeldeten Zahlungen haben auch einen Alarm unserer Geldwäschesysteme ausgelöst. Daraufhin haben wir sofort eine Erstanalyse durchgeführt und in der Folge derartige Zahlungen unterbunden. Nach Durchführung einer Detailanalyse haben wir die Geschäftsbeziehung mit dem betroffenen Kontoinhaber beendet.“

Begonnen hatte alles mit einem Datenleck in den USA. Der Projektname Fincen-Files nimmt Bezug auf jene US-Behörde, bei welcher diese Verdachtsmeldungen eingehen. Wann immer eine US-Bank Hinweise darauf hat, dass ihre Systeme zur Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung genutzt werden, muss sie das im US-Finanzministerium angesiedelte Financial Crimes Enforcement Network, FinCEN, informieren. In Österreich ist dafür das Bundeskriminalamt zuständig.

Die vertraulichen US-Regierungsdokumente gewähren laut profil einen bisher einzigartigen Einblick in eine Schattenwelt, in der Geld aus dunkelsten Quellen ohne nennenswerte Widerstände zirkuliert und dabei umstandslos Landesgrenzen überwindet. All das unter den Augen heillos überforderter Behörden.

Es handle sich um ein Panoptikum des Bösen: Steuerhinterziehung, Betrug, Korruption, Menschen-, Waffen- und Drogenhandel, Verbrechen gegen Leib und Leben. Die Reports lieferten unter anderem Hinweise auf die Verwicklung von Banken in die Finanzierung des Fentanyl-Handels, einem Opioid, dem allein in den USA jedes Jahr zehntausende Menschen zum Opfer fallen. Sie zeigen, wie problemlos Wirtschaftskriminelle öffentliche Mittel aus Malaysia und Venezuela veruntreuen und verschwinden lassen konnten. Auch ukrainische Oligarchen mit Österreich-Bezug nutzten die Bankerservices, um diskret Milliarden US-Dollar unklarer Provenienz zu verschieben. (APA)

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