Mag. Norbert Schrottmeyer ist seit 2001 Steuerberater, seit 2005 Wirtschaftsprüfer, seit 2007 zertifizierter Finanzstrafrechtsexperte und seit 2016 Gerichtssachverständiger. Außerdem ist er seit 2008 Partner bei LeitnerLeitner in Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Internationales Steuerrecht, Konzernsteuerrecht, Verrechnungspreise sowie Verfahrens- und Finanzstrafrecht.
BFGjournal: Wie wirken sich die neuen Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, also zB die Registrierkassenpflicht, Kontenöffnungen im Abgabenverfahren, Kapitalabfluss- bzw -zuflussmeldungen, Abgabenerhöhungen für erst anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung erstattete Selbstanzeigen, im Alltag eines steuerlichen Vertreters aus und machen diese Sinn? Werden nunmehr dem steuerlichen Vertreter gegenüber vermehrt steuerliche Verfehlungen unabhängig von einer angekündigten Prüfungsmaßnahme bekannt gegeben?
Norbert Schrottmeyer: Diese Maßnahmen zeigen teilweise Wirkung. So führen zB die zahlreich versendeten Ergänzungsersuchen aufgrund der Kapitalabfluss- und -zuflussmeldungen vermehrt zu Selbstanzeigen und somit steigenden Steuereinnahmen. Aus Sicht der Steuergerechtigkeit sind das daher zielführende Maßnahmen, zudem ist bei diesen Selbstanzeigen ein Zuschlag von bis zu 30 % zu entrichten, um straffrei zu werden. 1 Obwohl diese Maßnahmen schon länger bekannt sind, werden zahlreiche Selbstanzeigen dennoch erst nach Übermittlung dieser Ergänzungsersuchen erstattet.
Die angesprochene Abgabenerhöhung nach § 29 Abs 6 FinStrG, die für die Erlangung der strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige im zeitlichen Nahebereich von abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahmen zwingend zu entrichten ist, ist zwiespältig zu sehen.
Einerseits ist es legitim und im Sinne der Steuergerechtigkeit, Taktierern entgegenzuwirken. Andererseits führt das vermehrt dazu, dass finanziell abgewogen wird, ob die Selbstanzeige Sinn macht, weil dann ja auch ein Zuschlag von bis zu 30 % der Steuernachzahlungen zu entrichten ist. Dies deshalb, weil in der Strafpraxis die Strafen oftmals nicht höher ausfallen als der erwähnte Zuschlag. Über diese Entwicklung hat auch Heidemarie Winkler aus Sicht der Finanzstrafbehörde in der ZWF berichtet.
Die Klienten sind dahingehend aufzuklären, dass verwaltungsbehördliche Steuerstrafverfahren, insbesondere aber Gerichtverfahren, emotional sehr belastend sind, Kosten verursachen, bei Erfüllung des Tatbestandes des Abgabenbetrugs grundsätzlich zwingende Haftstrafen drohen, mehrfache Strafen bei mehreren Tätern verhängt werden können und möglicherweise auch Berufsberechtigungen auf dem Spiel stehen.
BFGjournal: Die neue Bundesregierung hat verlautbart, die geplanten Neueinstellungen im Finanzressort, die unter anderem für Außenprüfungen und zur Betrugsbekämpfung vorgesehen waren, auszusetzen. Wie stehen Sie als Berater, aber auch Steuerzahler zu solchen Ideen?
Norbert Schrottmeyer: Insbesondere aus Steuerzahlersicht halte ich diese Entwicklungen für ökonomisch nicht sinnvoll. Der Rechnungshof berichtet regelmäßig, dass sich jeder Prüfer aufgrund seiner erzielten Mehrergebnisse selbst rechnet. Auch ist seit vielen Jahren aufgrund der chronisch unterbesetzten Strafsachenstellen ersichtlich, dass eine effektive und präventiv wirkende Strafverfolgung wegen Abgabenverkürzungen oftmals nicht möglich ist.
Die Steuerehrlichkeit kann nur durch die Erhöhung der Aufdeckungswahrscheinlichkeiten erreicht werden, und dafür bedarf es mehr Prüfer. Durch die ständige Verschärfung der Strafbestimmungen kann dieser Effekt meines Erachtens nicht wirkungsvoll erzielt werden.
BFGjournal: Hat die finanzstrafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden für ihre Entscheidungsträger und Mitarbeiter das Bewusstsein für Sorgfaltspflichten in einem Unternehmen geschärft?
Norbert Schrottmeyer: Dazu muss man sagen, dass es die Verbandsverantwortlichkeit in Österreich zwar seit dem Jahr 2006 gibt, die Strafsachenstellen und Gerichte Verbände jedoch erst seit den letzten Jahren vermehrt, mittlerweile aber konsequent, verfolgen. Dies führt natürlich dazu, dass Unternehmen zunehmend darauf reagieren und geeignete Maßnahmen setzen, um dieses Risiko zu minimieren. Hier bieten sich vor allem entsprechende Steuer-IKS an: Wir haben diesbezüglich einen Tax Risk Protector (TRP) entwickelt. Sind derartige Kontrollsysteme eingerichtet, stellt dies nach Ansicht des deutschen BMF ein Indiz gegen finanzstrafrechtlich relevantes Fehlverhalten dar. Auch der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom 2. 12. 2016, G 497/2015, zur Verbandsverantwortlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass derartige Tax-Compliance-Systeme Risiken einer Verbandsverantwortlichkeit nicht nur minimieren, sondern im Ergebnis sogar eliminieren.
Auch in laufenden Steuerstrafverfahren gegen Verbände wegen Steuerhinterziehung von Mitarbeitern und Entscheidungsträgern kann man, wenn man dem Staatsanwalt erläutert, dass aufgrund des Verfahrens nun ein Steuer-IKS eingeführt wird, erreichen, dass dieser von der Verfolgung zurücktritt.
BFGjournal: Gibt es Neuigkeiten zu Ihrem Kommentar „Selbstanzeige nach § 29 FinStrG“? Ist eine Neuauflage in Planung und sehen Sie in Bezug auf diese Norm gesetzlichen Änderungsbedarf?
Norbert Schrottmeyer: Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt in der präventiven Beratung, somit in der Selbstanzeigeberatung bzw -erstattung. Der genannte Kommentar ist eine wissenschaftliche Aufbereitung der Bestimmung mit praxisorientierten Lösungen.
Seit dem Erscheinen der dritten Auflage im Jahr 2016 gab es keine gesetzlichen Änderungen betreffend § 29 FinStrG, jedoch zahlreiche spannende BFG-Entscheidungen dazu. Aus Sicht der Praxis und Wissenschaft ist es etwas bedauerlich, dass in finanzstrafrechtlichen Rechtsmittelverfahren oftmals beim BFG Schluss ist und der VwGH nicht mehr befasst wird. Die Qualität der BFG-Entscheidungen ist aber insbesondere in Fragen zur Selbstanzeige durchaus eine sehr hohe.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass laufende gesetzliche Änderungen bei der Selbstanzeige nicht erstrebenswert sind, besonders keine anlassbezogenen. Da es in den letzten Jahren immer wieder gesetzliche Änderungen zu § 29 FinStrG gab, stellt sich in der Praxis und für das BFG die Frage, welche Fassung des § 29 FinStrG anzuwenden ist.
Diese Neuregelungen bringen immer wieder Zweifelsfragen mit sich, was besonders problematisch ist, weil diese Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung als Ausnahmebestimmung eng auszulegen ist und die Irrtumsregelung des § 9 FinStrG nicht greift.
In einigen Bereichen der Bestimmung sollten hingegen Änderungen vorgenommen werden. Wir haben dazu im Fachsenat für Steuerrecht der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer einen Reformkatalog erarbeitet. Eine kleine, aber wesentliche Änderung wäre bei der Sperrwirkung in § 29 Abs 3 lit d FinStrG dringend notwendig. Diese Sperrwirkung besagt, dass nur einmal für denselben Abgabenanspruch – ausgenommen Vorauszahlungen – Selbstanzeige erstattet werden kann.
Das bedeutet, dass wenn zB ein Gruppenmitglied für das Jahr 2014 für die Körperschaftsteuer Selbstanzeige erstattet, die Sperrwirkung für die Körperschaftsteuer 2014 für die ganze Gruppe eintritt. Dieselbe Problematik ergibt sich bei Personengesellschaften. Hier sollte eine täterbezogene Einschränkung der Sperrwirkung gesetzlich geregelt werden, damit jeder Täter einmal für denselben Abgabenanspruch Selbstanzeige erstatten kann.
BFGjournal: Sie werden auch bei Finanzstrafverfahren als Verteidiger tätig. Welche Rolle spielen Steuerberater in gerichtlichen Steuerstrafverfahren?
Norbert Schrottmeyer: Steuerberater dürfen in finanzstrafrechtlichen Gerichtsverfahren nicht verteidigen. Dennoch zeigt sich, dass auch bei diesen Verfahren Steuerexperten notwendig sind, weil es schlussendlich um verkürzte Abgaben geht, somit um materielles Steuerrecht. Der Beschuldigte kann zur Unterstützung seines Verteidigers im Hauptverfahren einen Wirtschaftstreuhänder beiziehen.
BFGjournal: Auch zum Thema Verrechnungspreise publizieren Sie viel. Demnächst wird dazu im Linde Verlag ein Fachbuch erscheinen. Worauf liegt der Fokus des Buchs? Welche Auswirkungen zeitigt das seit 2016 in Geltung stehende Verrechnungspreisdokumentationsgesetz (VPDG) bei der Beratung international tätiger Unternehmen? Führte dieses Gesetz zu mehr Transparenz bei Verrechnungspreisen?
Norbert Schrottmeyer: Der Fokus des Buchs liegt auf einer praxisorientieren Aufbereitung der österreichischen Dokumentationspflichten. So werden zB zahlreiche Checklisten zur Verfügung gestellt, ein Best Practice für den Projektablauf zum Aufbau von Erstdokumentationen dargestellt, die Sichtweisen der Betriebsprüfung sowie die Folgen, die es nach sich ziehen kann, wenn man diese Verpflichtungen verletzt, erläutert.
Bekanntlich bestehen seit dem Jahr 2016 aufgrund des VPDG nunmehr auch in Österreich für multinationale Unternehmensgruppen ab der Überschreitung gewisser Umsatzschwellen kodifizierte Dokumentationspflichten. Aufgrund der BAO und allgemeiner Grundsätze bestehen diese Pflichten auch für kleinere Unternehmen, jedoch in abgeschwächter Form.
Aus Sicht der Beratung ist zu sagen, dass in der Vergangenheit etliche Unternehmen keinen Schwerpunkt auf die Dokumentationen der Verrechnungspreise gelegt haben, sich dies aufgrund des VPDG aber zwingend ändert. Diese gesetzlich definierten Dokumentationspflichten bringen aus meiner praktischen Erfahrung durchaus auch positive Effekte für die Unternehmen mit sich.
Einerseits wird dadurch oftmals ein gewisser Lerneffekt erzielt, weil man sich detailliert mit dem Unternehmen und den Intercompany-Beziehungen auseinandersetzt. Andererseits ist die Position in Betriebsprüfungen eine wesentlich bessere, wenn man über eine belastbare Dokumentation verfügt. Abweichende Feststellungen seitens der Prüfer sind dann wesentlich schwerer möglich. Weiters ist zu berücksichtigen, dass Prüfungen etliche Jahre später kommen und Wissensträger zu diesem Zeitpunkt möglicherweise nicht mehr im Unternehmen tätig sind.
Diese Dokumentationspflichten werden jedenfalls zu noch effizienteren und zielgerichteteren Prüfungen führen. Somit wird für das Prüffeld Verrechnungspreise die Arbeit für Prüfer wesentlich erleichtert, natürlich auch auf Kosten der Unternehmen.
BFGjournal: Sie leiten das jährlich stattfindende Forum Finanzstrafrecht für Praktiker in der Orangerie Schönbrunn, das heuer am 19. 6. 2018 bereits zum neunten Mal stattfinden wird. Das Generalthema lautet „Neue Maßnahmen zur Bekämpfungen von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung – Zusammenarbeit mit den Behörden“. Können Sie uns schon Details zur Veranstaltung verraten?
Norbert Schrottmeyer: Das Programm und die Vortragenden wurden erst vor Kurzem gemeinsam mit Dr. Rainer Brandl ( LeitnerLeitner) fixiert. Wir sind überzeugt, wieder spannende Themen für die Praxis gefunden zu haben, die von hochkarätigen Praktikern präsentiert und mit den Teilnehmern diskutiert werden.
So wird Dr. Herwig Heller (BMF) einleitend die neuen Möglichkeiten der Finanz zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung erläutern und zudem darstellen, wie diese genutzt werden können. Anschließend werde ich darauf eingehen, welche abgabenrechtlichen Mitwirkungspflichten bestehen, wenn Informationen über Privatkonten angefordert werden.
Frau Dr. Veronika Daurer (BMF) wird über BEPS-Maßnahmen und deren Beitrag zur Vermeidung von Steuerhinterziehung referieren, Frau Dr. Michaela Schmutzer (BFG) wird einen Überblick über die aktuelle Judikatur zum Generalthema geben. Mehr möchte ich noch nicht verraten.
Nähere Informationen finden Sie in Kürze auf unserer Homepage.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… wieder mehr Sport zu betreiben.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Als Gutenachtgeschichte für meine Söhne „Der Räuber Hotzenplotz“.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… mit meiner Familie Zeit in der Natur zu verbringen.
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
Marcel Hirscher.
5) Nach der Arbeit …
… genieße ich die Zeit mit meiner Familie und Freunden sowie beim Sport.
Der ganze Artikel (BFGjournal 2018, 86) als PDF und bei Lindeonline.
Lindeonline:
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Mag. Norbert Schrottmeyer ist seit 2001 Steuerberater, seit 2005 Wirtschaftsprüfer, seit 2007 zertifizierter Finanzstrafrechtsexperte und seit 2016 Gerichtssachverständiger. Außerdem ist er seit 2008 Partner bei LeitnerLeitner in Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Internationales Steuerrecht, Konzernsteuerrecht, Verrechnungspreise sowie Verfahrens- und Finanzstrafrecht.
BFGjournal: Wie wirken sich die neuen Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, also zB die Registrierkassenpflicht, Kontenöffnungen im Abgabenverfahren, Kapitalabfluss- bzw -zuflussmeldungen, Abgabenerhöhungen für erst anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung erstattete Selbstanzeigen, im Alltag eines steuerlichen Vertreters aus und machen diese Sinn? Werden nunmehr dem steuerlichen Vertreter gegenüber vermehrt steuerliche Verfehlungen unabhängig von einer angekündigten Prüfungsmaßnahme bekannt gegeben?
Norbert Schrottmeyer: Diese Maßnahmen zeigen teilweise Wirkung. So führen zB die zahlreich versendeten Ergänzungsersuchen aufgrund der Kapitalabfluss- und -zuflussmeldungen vermehrt zu Selbstanzeigen und somit steigenden Steuereinnahmen. Aus Sicht der Steuergerechtigkeit sind das daher zielführende Maßnahmen, zudem ist bei diesen Selbstanzeigen ein Zuschlag von bis zu 30 % zu entrichten, um straffrei zu werden. 1 Obwohl diese Maßnahmen schon länger bekannt sind, werden zahlreiche Selbstanzeigen dennoch erst nach Übermittlung dieser Ergänzungsersuchen erstattet.
Die angesprochene Abgabenerhöhung nach § 29 Abs 6 FinStrG, die für die Erlangung der strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige im zeitlichen Nahebereich von abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahmen zwingend zu entrichten ist, ist zwiespältig zu sehen.
Einerseits ist es legitim und im Sinne der Steuergerechtigkeit, Taktierern entgegenzuwirken. Andererseits führt das vermehrt dazu, dass finanziell abgewogen wird, ob die Selbstanzeige Sinn macht, weil dann ja auch ein Zuschlag von bis zu 30 % der Steuernachzahlungen zu entrichten ist. Dies deshalb, weil in der Strafpraxis die Strafen oftmals nicht höher ausfallen als der erwähnte Zuschlag. Über diese Entwicklung hat auch Heidemarie Winkler aus Sicht der Finanzstrafbehörde in der ZWF berichtet.
Die Klienten sind dahingehend aufzuklären, dass verwaltungsbehördliche Steuerstrafverfahren, insbesondere aber Gerichtverfahren, emotional sehr belastend sind, Kosten verursachen, bei Erfüllung des Tatbestandes des Abgabenbetrugs grundsätzlich zwingende Haftstrafen drohen, mehrfache Strafen bei mehreren Tätern verhängt werden können und möglicherweise auch Berufsberechtigungen auf dem Spiel stehen.
BFGjournal: Die neue Bundesregierung hat verlautbart, die geplanten Neueinstellungen im Finanzressort, die unter anderem für Außenprüfungen und zur Betrugsbekämpfung vorgesehen waren, auszusetzen. Wie stehen Sie als Berater, aber auch Steuerzahler zu solchen Ideen?
Norbert Schrottmeyer: Insbesondere aus Steuerzahlersicht halte ich diese Entwicklungen für ökonomisch nicht sinnvoll. Der Rechnungshof berichtet regelmäßig, dass sich jeder Prüfer aufgrund seiner erzielten Mehrergebnisse selbst rechnet. Auch ist seit vielen Jahren aufgrund der chronisch unterbesetzten Strafsachenstellen ersichtlich, dass eine effektive und präventiv wirkende Strafverfolgung wegen Abgabenverkürzungen oftmals nicht möglich ist.
Die Steuerehrlichkeit kann nur durch die Erhöhung der Aufdeckungswahrscheinlichkeiten erreicht werden, und dafür bedarf es mehr Prüfer. Durch die ständige Verschärfung der Strafbestimmungen kann dieser Effekt meines Erachtens nicht wirkungsvoll erzielt werden.
BFGjournal: Hat die finanzstrafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden für ihre Entscheidungsträger und Mitarbeiter das Bewusstsein für Sorgfaltspflichten in einem Unternehmen geschärft?
Norbert Schrottmeyer: Dazu muss man sagen, dass es die Verbandsverantwortlichkeit in Österreich zwar seit dem Jahr 2006 gibt, die Strafsachenstellen und Gerichte Verbände jedoch erst seit den letzten Jahren vermehrt, mittlerweile aber konsequent, verfolgen. Dies führt natürlich dazu, dass Unternehmen zunehmend darauf reagieren und geeignete Maßnahmen setzen, um dieses Risiko zu minimieren. Hier bieten sich vor allem entsprechende Steuer-IKS an: Wir haben diesbezüglich einen Tax Risk Protector (TRP) entwickelt. Sind derartige Kontrollsysteme eingerichtet, stellt dies nach Ansicht des deutschen BMF ein Indiz gegen finanzstrafrechtlich relevantes Fehlverhalten dar. Auch der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom 2. 12. 2016, G 497/2015, zur Verbandsverantwortlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass derartige Tax-Compliance-Systeme Risiken einer Verbandsverantwortlichkeit nicht nur minimieren, sondern im Ergebnis sogar eliminieren.
Auch in laufenden Steuerstrafverfahren gegen Verbände wegen Steuerhinterziehung von Mitarbeitern und Entscheidungsträgern kann man, wenn man dem Staatsanwalt erläutert, dass aufgrund des Verfahrens nun ein Steuer-IKS eingeführt wird, erreichen, dass dieser von der Verfolgung zurücktritt.
BFGjournal: Gibt es Neuigkeiten zu Ihrem Kommentar „Selbstanzeige nach § 29 FinStrG“? Ist eine Neuauflage in Planung und sehen Sie in Bezug auf diese Norm gesetzlichen Änderungsbedarf?
Norbert Schrottmeyer: Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt in der präventiven Beratung, somit in der Selbstanzeigeberatung bzw -erstattung. Der genannte Kommentar ist eine wissenschaftliche Aufbereitung der Bestimmung mit praxisorientierten Lösungen.
Seit dem Erscheinen der dritten Auflage im Jahr 2016 gab es keine gesetzlichen Änderungen betreffend § 29 FinStrG, jedoch zahlreiche spannende BFG-Entscheidungen dazu. Aus Sicht der Praxis und Wissenschaft ist es etwas bedauerlich, dass in finanzstrafrechtlichen Rechtsmittelverfahren oftmals beim BFG Schluss ist und der VwGH nicht mehr befasst wird. Die Qualität der BFG-Entscheidungen ist aber insbesondere in Fragen zur Selbstanzeige durchaus eine sehr hohe.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass laufende gesetzliche Änderungen bei der Selbstanzeige nicht erstrebenswert sind, besonders keine anlassbezogenen. Da es in den letzten Jahren immer wieder gesetzliche Änderungen zu § 29 FinStrG gab, stellt sich in der Praxis und für das BFG die Frage, welche Fassung des § 29 FinStrG anzuwenden ist.
Diese Neuregelungen bringen immer wieder Zweifelsfragen mit sich, was besonders problematisch ist, weil diese Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung als Ausnahmebestimmung eng auszulegen ist und die Irrtumsregelung des § 9 FinStrG nicht greift.
In einigen Bereichen der Bestimmung sollten hingegen Änderungen vorgenommen werden. Wir haben dazu im Fachsenat für Steuerrecht der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer einen Reformkatalog erarbeitet. Eine kleine, aber wesentliche Änderung wäre bei der Sperrwirkung in § 29 Abs 3 lit d FinStrG dringend notwendig. Diese Sperrwirkung besagt, dass nur einmal für denselben Abgabenanspruch – ausgenommen Vorauszahlungen – Selbstanzeige erstattet werden kann.
Das bedeutet, dass wenn zB ein Gruppenmitglied für das Jahr 2014 für die Körperschaftsteuer Selbstanzeige erstattet, die Sperrwirkung für die Körperschaftsteuer 2014 für die ganze Gruppe eintritt. Dieselbe Problematik ergibt sich bei Personengesellschaften. Hier sollte eine täterbezogene Einschränkung der Sperrwirkung gesetzlich geregelt werden, damit jeder Täter einmal für denselben Abgabenanspruch Selbstanzeige erstatten kann.
BFGjournal: Sie werden auch bei Finanzstrafverfahren als Verteidiger tätig. Welche Rolle spielen Steuerberater in gerichtlichen Steuerstrafverfahren?
Norbert Schrottmeyer: Steuerberater dürfen in finanzstrafrechtlichen Gerichtsverfahren nicht verteidigen. Dennoch zeigt sich, dass auch bei diesen Verfahren Steuerexperten notwendig sind, weil es schlussendlich um verkürzte Abgaben geht, somit um materielles Steuerrecht. Der Beschuldigte kann zur Unterstützung seines Verteidigers im Hauptverfahren einen Wirtschaftstreuhänder beiziehen.
BFGjournal: Auch zum Thema Verrechnungspreise publizieren Sie viel. Demnächst wird dazu im Linde Verlag ein Fachbuch erscheinen. Worauf liegt der Fokus des Buchs? Welche Auswirkungen zeitigt das seit 2016 in Geltung stehende Verrechnungspreisdokumentationsgesetz (VPDG) bei der Beratung international tätiger Unternehmen? Führte dieses Gesetz zu mehr Transparenz bei Verrechnungspreisen?
Norbert Schrottmeyer: Der Fokus des Buchs liegt auf einer praxisorientieren Aufbereitung der österreichischen Dokumentationspflichten. So werden zB zahlreiche Checklisten zur Verfügung gestellt, ein Best Practice für den Projektablauf zum Aufbau von Erstdokumentationen dargestellt, die Sichtweisen der Betriebsprüfung sowie die Folgen, die es nach sich ziehen kann, wenn man diese Verpflichtungen verletzt, erläutert.
Bekanntlich bestehen seit dem Jahr 2016 aufgrund des VPDG nunmehr auch in Österreich für multinationale Unternehmensgruppen ab der Überschreitung gewisser Umsatzschwellen kodifizierte Dokumentationspflichten. Aufgrund der BAO und allgemeiner Grundsätze bestehen diese Pflichten auch für kleinere Unternehmen, jedoch in abgeschwächter Form.
Aus Sicht der Beratung ist zu sagen, dass in der Vergangenheit etliche Unternehmen keinen Schwerpunkt auf die Dokumentationen der Verrechnungspreise gelegt haben, sich dies aufgrund des VPDG aber zwingend ändert. Diese gesetzlich definierten Dokumentationspflichten bringen aus meiner praktischen Erfahrung durchaus auch positive Effekte für die Unternehmen mit sich.
Einerseits wird dadurch oftmals ein gewisser Lerneffekt erzielt, weil man sich detailliert mit dem Unternehmen und den Intercompany-Beziehungen auseinandersetzt. Andererseits ist die Position in Betriebsprüfungen eine wesentlich bessere, wenn man über eine belastbare Dokumentation verfügt. Abweichende Feststellungen seitens der Prüfer sind dann wesentlich schwerer möglich. Weiters ist zu berücksichtigen, dass Prüfungen etliche Jahre später kommen und Wissensträger zu diesem Zeitpunkt möglicherweise nicht mehr im Unternehmen tätig sind.
Diese Dokumentationspflichten werden jedenfalls zu noch effizienteren und zielgerichteteren Prüfungen führen. Somit wird für das Prüffeld Verrechnungspreise die Arbeit für Prüfer wesentlich erleichtert, natürlich auch auf Kosten der Unternehmen.
BFGjournal: Sie leiten das jährlich stattfindende Forum Finanzstrafrecht für Praktiker in der Orangerie Schönbrunn, das heuer am 19. 6. 2018 bereits zum neunten Mal stattfinden wird. Das Generalthema lautet „Neue Maßnahmen zur Bekämpfungen von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung – Zusammenarbeit mit den Behörden“. Können Sie uns schon Details zur Veranstaltung verraten?
Norbert Schrottmeyer: Das Programm und die Vortragenden wurden erst vor Kurzem gemeinsam mit Dr. Rainer Brandl ( LeitnerLeitner) fixiert. Wir sind überzeugt, wieder spannende Themen für die Praxis gefunden zu haben, die von hochkarätigen Praktikern präsentiert und mit den Teilnehmern diskutiert werden.
So wird Dr. Herwig Heller (BMF) einleitend die neuen Möglichkeiten der Finanz zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung erläutern und zudem darstellen, wie diese genutzt werden können. Anschließend werde ich darauf eingehen, welche abgabenrechtlichen Mitwirkungspflichten bestehen, wenn Informationen über Privatkonten angefordert werden.
Frau Dr. Veronika Daurer (BMF) wird über BEPS-Maßnahmen und deren Beitrag zur Vermeidung von Steuerhinterziehung referieren, Frau Dr. Michaela Schmutzer (BFG) wird einen Überblick über die aktuelle Judikatur zum Generalthema geben. Mehr möchte ich noch nicht verraten.
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… wieder mehr Sport zu betreiben.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
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3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… mit meiner Familie Zeit in der Natur zu verbringen.
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Marcel Hirscher.
5) Nach der Arbeit …
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