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Dr. Mario Perl im BFGjournal zu Gast

(Bild: © Linde Verlag) (Bild: © Linde Verlag)

Mario Perl ist seit 2019 selbstständig in seiner Kanzlei in Wien tätig. Davor war er für die fachliche Leitung des Steuerrechtsteams bei Schönherr Rechtsanwälte GmbH zuständig. Er ist ein auf Steuerrecht spezialisierter Rechtsanwalt mit Fokus auf steueroptimale Strukturierung von Unternehmen, Transaktionen und Rechtsverhältnissen sowie die steuerrechtliche Spezialberatung von Unternehmen und Beratern bei schwierigen Sachverhalten und komplexen Problemen.

Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften (WU Wien, 2007) und der Rechtswissenschaften (Universität Wien, 2007) arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dissertant (2010) am Institut für Finanzrecht der Universität Wien. Nach Absolvierung des LL.M. Internationales Steuerrecht (WU Wien, 2010) arbeitete er zwei Jahre im internationalen und US-Steuerrecht in einer New Yorker Steuerberatungskanzlei.

Er publiziert regelmäßig im Steuerrecht und ist Lektor an Universitäten, Fachhochschulen und privaten Bildungseinrichtungen.

Vor kurzem erschien die zweite Auflage seines Buches, Steuer­recht für die Praxis 1. Zielsetzung des Buches ist, für Studierende genauso wie für erfahrene Praktiker eine Hilfe­stellung für alle steuerlichen Probleme zu bieten. Das Buch zeichnet sich durch sehr viele praxisnahe Beispiele, Übersichtsgrafiken und Tabellen aus.

(Bild: © Linde Verlag)

BFGjournal: Herr Doktor Perl, bereits nach einem Jahr erscheint die zweite, überarbeitete Auflage Ihres Werks, Steuer­recht für die Praxis. Können Sie den Inhalt und die Zielgruppe kurz skizzieren und haben Sie neben einer inhaltlichen Aktualisierung noch andere Änderungen vorgenommen?

Mario Perl: Das Buch deckt den gesamten Rahmen des Steuer­rechts ab, von den Grundsätzen des Steuer­rechts bis hin zum Finanzstraf­verfahren. Es richtet sich einerseits an Studierende und Berufsanwärter, die sich vertiefend mit Steuer­recht auseinandersetzen. Dies erklärt auch den didaktischen Aufbau des Buches in Module, und zwar Überblick, Grundsätze, Vertiefung und Beispiele.

Andererseits eignet es sich hervorragend als Nachschlagewerk für Praktiker (auch ich nutze es bei meiner Arbeit), um entweder den schnellen Einstieg in eine Steuermaterie zu schaffen oder auch gleich eine passende Lösung für häufig vorkommende Fälle mitzunehmen. Dazu dienen insbesondere die zitierten Entscheidungen und Fundstellen. Das Buch soll eine Brücke zwischen Ausbildung und Praxis schlagen – ich fand es toll und effizient, wenn ich während meines Studiums erworbene Lehrbücher dann auch in der Praxis weiterverwenden konnte.

In der zweiten Auflage haben wir die Paragraphenzitate und die Beispielsammlung erweitert, den Stoff auf 20 Kapitel statt bisher auf 14 Kapitel aufgeteilt und die Grundsätze jedes Abschnittes nunmehr besser hervorgehoben.

„Eine Vereinfachung des Steuerrechts und ein effizienterer
Umgang mit Steuergeldern wären wünschenswert“

Dr. Mario Perl, LL.M., CPA, Rechtsanwalt in Wien

BFGjournal: Ihr Vorwort beginnt mit einem Aufruf, ich würde sogar sagen Weckruf: „Wacht auf, ihr Geister der Praxis, und haucht der grauen Steuertheorie Leben ein!“ Fehlt es an Leidenschaft im Steuer­recht oder finden Sie steuer­rechtliche Werke zu wenig praxisrelevant?

Mario Perl: Das Steuer­recht zählt zu jenen Materien, die schwer greifbar sind und mit denen Studierende von Beginn an wenig anfangen können. Es ist ein Gedankenkonstrukt, das auf eigenen Regeln basiert und bereits ein rechtliches und wirtschaftliches Verständnis voraussetzt. Die Struktur und Logik des Steuer­rechts erschließt sich erst nach und nach – und die Spannung steigt mit dem Verständnis des Steuer­rechts. Um Studenten daher Steuer­recht im Vortrag näherzubringen, verpacke ich die Theorie in spannende Praxisfälle.

Wirkt das Steuer­recht aus der Sicht der Studierenden zu Beginn oftmals einschläfernd und belanglos, kann man diese durch mitreißende Geschichten plötzlich aus der Lethargie holen und mit Ihnen überraschend tiefgreifende Diskussionen führen und Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln. Das Steuer­recht wird dadurch lebendiger und greifbarer. Es ist eine Herausforderung eine komplexe Materie einfach darzustellen – ich freue mich, diese Herausforderung Vortrag für Vortrag annehmen zu dürfen.

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BFGjournal: Ihr aktuelles Werk bietet einen Überblick über das gesamte Steuer­recht inklusive Abgaben­verfahren. Welches Gebiet ist aber Ihre tatsächliche „Lieblingsmaterie“? 2

Mario Perl: Aufgrund der Liebe zur Komplexität bevorzuge ich Materien, bei denen sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Elemente gemeinsamen auf das Steuer­recht wirken, dh insbesondere Umgründungen, Transaktionen und Strukturierung von Unternehmen. Neben steuerlichen sind dabei unter anderem auch gesellschafts­rechtliche und sozial­versicherungsrechtliche Themen zu durchleuchten und für den Mandanten zu optimieren – ein ganzheitlicher Ansatz, das „Big Picture“ sozusagen. Aber auch das internationale Steuer­recht gehört zu meinen Favoriten, weil es dabei mehrere Ebenen in Einklang zu bringen gibt und sich insbesondere in den letzten Jahren sehr viel auf diesem Gebiet getan hat – denkt man nur an die BEPS-Problematik und seine Auswirkungen.

BFGjournal: Und was hat Sie dazu motiviert, ein derartiges Werk zu verfassen, obwohl es „am Markt“ bereits ähnliche Überblickswerke gibt? Hängt das damit zusammen, dass Sie an Universitäten, Fachhochschulen und privaten Bildungseinrichtungen sehr viel unterrichten?

Mario Perl: Während der Zeit in der USA habe ich einen praktischen Leitfaden zur Lösung von Fällen gesucht, um mich nicht im Dickicht des Steuer­rechts zu verirren. Dabei bin ich auf ein Prüfungsschema gestoßen, das ich nach meiner Rückkehr verfeinert und verbessert habe und auch in der Ausbildung einsetze. Das Buch baut auf diesem Prüfungsschema auf und ist Ergebnis einer leidenschaftlichen Arbeit an dessen Optimierung und meiner bisher gesammelten praktischen Erfahrung. Aus einem persönlichen Begleiter für meine Arbeit ist zu guter Letzt ein Lehrbuch für Studenten und Nachschlagewerk für Praktiker geworden, auf das ich auch stolz bin.

BFGjournal: Sie haben sich für das Steuer­recht entschieden, obwohl sie ein Studium sowohl an der Wirtschaftsuniversität als auch auf der Universität Wien abschlossen. Dann haben sie als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dissertant am Institut für Finanz­recht der Universität Wien gearbeitet. Was war ausschlag­gebend, dass Sie sich im Steuer­recht spezialisiert haben?

Mario Perl: Zu Beginn des Studiums haben sich Studienkollegen immer wieder mit der Frage beschäftigt, was man eigentlich „von der Steuer absetzen“ kann. Ich dachte als junger Student: Das muss groß­artig sein, wenn man weiß was „absetzbar“ ist – dann kann man Menschen beim Steuersparen helfen. In der Folge durfte ich das Steuer­recht aufgrund der Verknüpfung von rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen als genau das erleben, was mich interessiert – eine komplexe, vielschichtige Materie.

Aufgrund meiner weiteren Spezialisierung während des Studiums und auch danach war der Weg in die Höhen und Tiefen des Steuer­rechts vorgezeichnet. Außerordentlich wertvoll war einerseits die Zeit am Institut für Finanz­recht bei Prof. Doralt, der uns Assistenten gefördert und unterstützt hat. Andererseits war es auch das anschließende Studium International Tax Law auf der WU und der Sprung in die USA, die die Begeisterung für das Steuer­recht bestärkt haben.

(Bild: © Linde Verlag)
(Bild: © Linde Verlag)

BFGjournal: 2019 verließen Sie die Großkanzlei Schönherr Rechtsanwälte und gründeten eine eigene Kanzlei. Wie war der Umstieg? Was war auschlag­gebend und wer ist, vor allem als „steuer­rechtlicher Spezialberater“ Ihre Klientel?

Mario Perl: Der Umstieg hat aus meiner Sicht überraschend gut geklappt. Es herrschte natürlich zu Beginn eine bisher nicht dagewesene Unsicherheit über die Zukunft, mit der man zurechtkommen muss. Die Selbständigkeit ist harte Arbeit, die aber aufgrund der Eigenverantwortung außerordentlich Spaß macht. Ich brauche diese Freiheiten, um mich bestmöglich entfalten zu können. Das Tolle dabei ist, ich kann neben fachlichen zusätzlich auch unternehmerische Entscheidungen treffen und ich konnte aufgrund dieser Freiheiten in den letzten Monaten eine Vielzahl von Menschen kennenlernen, die mein Leben außerordentlich bereichern.

Meine Klientel reicht von Steuerberatern, Rechtsanwälten, Notaren und Bilanzbuchhaltern über Selbständige und Unternehmer im In- und Ausland. Der Fokus liegt einerseits auf der Beratung bei oftmals schwierigen steuer­rechtlichen Fragen und andererseits auf der umfassenden Unterstützung in entscheidenden Situationen wie Gründungen, Umgründungen, Nachfolgeplanung oder Unternehmenstransaktionen. Darüber hinaus berate und unterstütze ich im Abgaben­verfahren, wo insbesondere eine gute juristische Argumentation gefragt ist und immer wichtiger wird.

BFGjournal: In der SWK schrieben Sie einen Artikel zu „Melde­pflicht für Berater über grenzüberschreitende Steuergestaltungen“. 3 Auch dieser Artikel enthält Grafiken und Beispiele. Außerdem ist mir der sich an George Orwell orientierende Untertitel aufgefallen: „Big Brother is watching you!“ Sehen Sie die betreffende EU-Richtlinie 4kritisch oder war sie notwendig?

Mario Perl: Einerseits verstehe ich das Interesse der Staaten und der EU an Informationen zur Bekämpfung aggressiver Steuermodelle – es soll jeder seinen fairen Steuerbeitrag leisten, wenn auch steueroptimiert innerhalb des rechtlichen Rahmens. Andererseits darf man nicht den Verwaltungsaufwand übersehen, der durch die Melde­pflicht für 99 % der Steuer­pflichtigen und Berater entsteht, die keine derartig aggressiven Gestaltungen nutzen, sich aber dennoch mit dem Gesetz und unklaren Begriffen auseinandersetzen müssen.

(Bild: © Linde Verlag)
(Bild: © Linde Verlag)

Es geht dabei im Ergebnis um die Frage: Wo hört legale Steueroptimierung auf und wo fängt illegale Steuervermeidung an. Diejenigen, die gute Gründe haben, zu glauben, sich im rechtlichen Rahmen zu bewegen, werden entweder die Meldung der Vorsicht halber machen – worin sich für die Finanz­verwaltungen kein Mehrwert ergibt und ein Datenfriedhof zurückbleiben wird – oder gute Argumente finden, warum die Meldung nicht zu machen ist.

Diejenigen, die es eigentlich treffen sollte, befinden sich am Rande des Finanzstraf­rechts und werden die Meldung von vornherein unterlassen – schließlich droht bei Aufdeckung und Einleitung eines Finanzstraf­verfahren das größere Übel. Ich denke, dass es im materiellen Steuer­recht auf der Basis der EU-Steuervermeidungs­richtlinie oder über Doppel-besteuerungsabkommen bessere Instrumente gibt, aggressive Steuermodelle zu bekämpfen.

BFGjournal: Welche Wünsche aus steuer­rechtlicher Sicht haben Sie an die neue Regierung?

Mario Perl: Eine Vereinfachung würde dem Steuer­recht guttun. Die Umsetzung scheitert, da Steuer­recht wie keine andere Rechtsmaterie von politischen Geschehen beeinflusst ist. Dazu kommt auch noch, dass unantastbare „heiße Kartoffeln“ wie zB die begünstigte Besteuerung des 13. und 14. Gehalts und das Pendant, der betriebliche Grundfrei­betrag, das Steuer­recht unnötig verkomplizieren, statt diese Vorteile in den Steuertarif einzuarbeiten. Vor allem in den letzten Jahren hat die Anzahl der neuen Steuerbestimmungen substanziell zugenommen, bedingt auch durch die Gesetzgebung der EU und internationaler Abkommen – da wäre zeitgleich eine Vereinfachung der nationalen Regeln sinnvoll. Ich würde mir in weiterer Folge wünschen, dass mit den eingenommenen Steuergeldern effizienter umgegangen wird, unabhängig davon, ob man einen schlanken oder aufgabenreichen Staat bevorzugt. Diese Punkte würden aus meiner Sicht auch die Steuermoral heben.

BFGjournal: Zum Schluss komme ich noch einmal zurück zu Ihrem Buch. Planen Sie bereits eine dritte Auflage? Vielleicht kommt 2020 doch noch die Neukodifizierung des EStG.

Mario Perl: Die dritte Auflage ist schon in Planung. Es soll wieder didaktische und inhaltliche Verbesserungen geben. Eine Neukodifizierung wird keine große Änderung an der Struktur des Buches bringen, weil das Prüfungsschema an sich die allgemeinen Grundsätze des Steuer­rechts widerspiegeln und daher von inhaltlichen Änderungen unabhängig ist. Die durch eine Neukodifizierung erhoffte Vereinfachung im Steuer­recht wäre zu begrüßen – solange sie nicht zulasten der Steuerge­rechtigkeit geht.

1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… die wenigen freien Tage bestmöglich zur Erholung und Entspannung nutzen zu können.

2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen? Robert B. Cialdini, Influence – The Psychology of Persuasion. Es verpackt Verhaltenspsychologie in nette Geschichten – didaktisch auch für das Steuer­recht inspirierend – und erklärt, wie wir in unseren Entscheidungen gesteuert werden und uns davor schützen und selbst andere beeinflussen können.

3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… wenn ich nach einem anstrengenden, arbeitsreichen Tag Menschen bei der Lösung von Problemen weiterhelfen konnte oder in Studierende Begeisterung für das Vortragsfach geweckt habe.

4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen? Es fällt mir schwer, mich auf eine oder mehrere Personen festzulegen. Ich liebe es, tagtäglich mit Menschen zu arbeiten, ihre Wünsche, Ideen, Visionen und Beweggründe und auch die Persönlichkeit dahinter kennen zu lernen. Ich finde die Vielfalt und unterschiedlichen Meinungen spannend, die es dabei zu entdecken gibt.

5) Nach der Arbeit …
… entspanne ich am liebsten zu Hause mit meiner Frau und meiner kleinen Tochter.

1

Ein Nachschlagewerk für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Lehrbuch für Studenten, Berufsanwärter und Rechtsanwaltswärter: Von den Grundsätzen des Abgaben­rechts über wesentliche Steuer­arten bis hin zu Abgaben­verfahren und Finanzstraf­recht.

2

Unser Interviewp­artner hat bspw ua auch (gemeinsam mit Sabine Kirchmayr) im EStG-Kommentar von Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in der 17. Lfg § 31 (Spekulations­geschäfte) kommentiert.

3

Perl, Melde­pflicht für Berater über grenzüberschreitende Steuergestaltungen, SWK 1/2019, 2; vgl dazu etwa auch Spanblöchl, Offenlegungs­verpflichtungen für Intermediäre von potenziell aggressiven Steuerplanungsgestaltungen – DAC 6 und OECD-Entwurf im Vergleich, SWI 2018, 318 bzw Reither/Spanblöchl, Das EU-Melde­pflichtgesetz zur Umsetzung der DAC 6, SWI 2019, 269.

4

Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. 5. 2018 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über melde­pflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen, ABl L 139 vom 5. 6. 2018, 1.

Der Linde Verlag ist tätig im Bereich Recht, Wirtschaft und Steuern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Steuerrecht. Erfahren Sie hier mehr über die Verlagsgeschichte, die Programmstruktur und die Kooperationspartner des Hauses.

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