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VIDEO: Bewerbungsgespräch – rechtliche Rahmenbedingungen – Patrick Kainz

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Im Zuge eines Bewerbungsgespräches soll unter anderem geklärt werden, ob die Persönlichkeit von Bewerber*innen kompatibel ist mit dem bestehenden Team und ob die gefragten Kompetenzen bei dem/der BewerberIn vorhanden sind. Das Interesse von Bewerber*innen möglichst wenig Informationen aus dem Privatleben bzw. aus einem sensiblen Bereich preiszugeben und das Interesse von zukünftigen Arbeitgeber*innen ein möglichst umfassendes Bild über einen/eine zukünftige MitarbeiterIn zu erhalten befinden sich in einem Spannungsverhältnis. Man könnte sagen, die Privatautonomie des/der ArbeitgeberIn steht den Persönlichkeitsrechten des/der BewerberIn gegenüber.

Um zu beurteilen ob eine konkrete Frage im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens zulässig ist, muss oftmals eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung einer Interessensabwägung durchgeführt werden. Es gibt aber Fragen, die jedenfalls unzulässig sind.

Fragen zum bisherigen Werdegang und zur fachlichen Ausbildung von Bewerber*innen sind jedenfalls legitim. Ebenso ist die Frage nach einem etwaigen Führerschein unproblematisch. Bewerber*innen sind grundsätzlich nicht verpflichtet sämtliche bisherigen Tätigkeiten zu beauskunften. Zeugnisse von Bewerber*innen sind auf Wunsch des/der ArbeitgeberIn aber jedenfalls vorzulegen.

Fragen nach dem Präsenzdienst der Bewerber sind zulässig, weil es sich dabei um sachliche und vertragsbezogene Information handelt. Sollte ein Bewerber allerdings untauglich gewesen sein, so sind Fragen zu den Hintergründen der Untauglichkeit nur dann gestattet, wenn der oder die Arbeitgeberin ein berechtigtes Interesse an der Information hat.

Bewerber*innen sind nicht generell in der Pflicht Informationen zu ihren Vermögensverhältnissen offen zu legen. Ausnahmsweise kann eine Informationspflicht hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse angenommen werden und können dann Fragen dazu gestellt werden. Insbesondere, wenn ausnahmsweise ein sachlicher Bezug zu den privaten Vermögensverhältnissen der potenziellen Arbeitnehmer*innen besteht. Wenn die Vermögensinteressen der zukünftigen Arbeitgeber*innen gefährdet erscheinen oder wenn die Vermögenslage der BewerberIn für die Glaubwürdigkeit oder Eignung ausschlaggebend ist.

Allgemeine Fragen zum früheren Gesundheitszustand oder zu früheren Verletzungen ohne Bezug zur Tätigkeit der ausgeschriebenen Stelle sind unzulässig. Eine Informationspflicht bezüglich des gesundheitlichen Zustands ist von Bewerber*innen erst dann zu bejahen, wenn sie potenziell Dritte im Arbeitsumfeld gefährden könnte. Ebenso wenn der Bewerber, die Bewerberin davon ausgehen muss, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein wird, der Arbeitspflicht vollständig nachzukommen.

Bezüglich allfälliger möglicher Vorstrafen von Bewerber*innen gilt, dass grundsätzlich nur Vorsatzdelikte einer Informationspflicht unterliegen. Lediglich bei Vorsatzdelikten wird angenommen, dass der Unrechtsgehalt Interessen der Arbeitgeber*innen tangieren kann. Insbesondere einschlägige Delikte unterliegen regelmäßig einer Auskunftspflicht. Bei Mitarbeiter*innen die zB mit der Betreuung von Kindern betraut werden sollen, ist die Frage nach Sexualdelikten zulässig.

Fragen nach der Mitgliedschaft in Vereinen, zur Parteizugehörigkeit und oder zur Konfession von Bewerber*innen sind im Regelfall nicht zulässig. Diese Fragen berühren sehr persönliche Lebensbereiche der Bewerber*innen. Im Ausnahmefall kann eine Informationspflicht dann angenommen werden, wenn die zukünftige Stelle dies rechtfertigt oder es einen besonderen Unternehmenszweck gibt.

Ein absolutes No-Go im Bewerbungsverfahren sind Fragen zu Schwangerschaft und oder Familienplanung. Ebenso unzulässig sind Fragen nach der Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung. Bei Fragen dieser Art gibt es keine Informationsverpflichtung von Bewerber*innen und müssen Fragen dieser Art auch nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden. Wenn eine Schwangerschaft verschwiegen oder diese unzulässige Frage wahrheitswidrig beantwortet wird, ist das weder ein Nichtigkeits- bzw Anfechtungsgrund noch liegt ein Entlassungstatbestand vor.

Fragen die die Intimsphäre von Bewerber*innen berühren, wie Beziehungspartner*innen, sexuelle Orientierung oder Verwandtschaft müssen grundsätzlich nicht beantwortet werden.

Wird eine Bewerberin oder ein Bewerber wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht eingestellt, können Betroffene den Ersatz des Vermögensschadens und Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geltend machen.

Der Ersatzanspruch beträgt mindestens zwei Monatsentgelte, wenn der/ die Bewerberin bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte. Wenn der/ die Arbeitgeberin nachweisen kann, dass der Schaden durch die Diskriminierung nur darin besteht, dass die Berücksichtigung der Bewerbung verweigert wird- bis zu 500 Euro.

Der Anspruch ist binnen sechs Monaten ab Ablehnung der Bewerbung gerichtlich geltend zu machen. Alternativ kann auch ein Verfahren bei der Gleichbehandlungskommission angestrengt werden. Die Empfehlungen der Kommission begründen allerdings keinen direkten Anspruch auf Schadenersatz

Autor: Mag. Patrick Kainz

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