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(Bild: © ojogabonitoo) (Bild: © ojogabonitoo)

Das Aliud der §§ 377f UGB bereitet in der Praxis im Bereich der Mängelrüge Probleme und wirft die Frage auf, ob bei Vorliegen eines Aliuds Gewährleistungsrecht oder Verzugsrecht zur Anwendung kommt. Der folgende Beitrag soll die wesentlichen Grundfragen hierzu erörtern und einen kurzen Leitfaden bieten.

1. Definition Aliud (Anderslieferung)

Von einem Aliud spricht man dann, wenn der Schuldner etwas anderes liefert als er vertraglich schuldet. In dieser Pauschalität wird die Definition jedoch abgemildert und zwischen Spezies- und Gattungsschuld unterschieden.

Bei der Speziesschuld heißt das, dass jede Leistung, die nicht dem Vertrag entspricht eine Anderslieferung ist (siehe Praxisfall 1 unter Punkt 3.1.).

Bei der Gattungsschuld soll eine Anderslieferung nur dann vorliegen, wenn die gelieferte Sache einer anderen Gattung angehört (siehe Praxisfall 2 unter 3.2.). Sprachgebrauch und Verkehrssitte entscheiden in diesem Fall darüber, ob die gelieferte Ware einer anderen Gattung angehört oder es sich um eine mangelhafte Ware handelt.

Auf den ersten Blick mögen diese Ausführungen nachvollziehbar sein, die nachfolgenden Fälle aus der Praxis sollen aber zeigen, wie schwierig die Abgrenzung des Aliuds speziell bei der Gattungsschuld sein kann, da der Begriff Gattung noch nicht final definiert ist und die oberstgerichtliche Judikatur teils zu nicht ausreichend nachvollziehbaren Ergebnissen führt, da auch der OGH den Begriff Gattung fallbezogen unterschiedlich definiert.

2. Rechtsfolgen des Aliuds

Liegt ein Aliud vor, dann befindet sich der Verkäufer im Stadium der Nichterfüllung. Anders gesagt, hat er seine Leistung damit nicht erbracht und befindet sich in Verzug. Für den Käufer bedeutet dies, dass er keine Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer geltend machen kann, sondern die Rechte des Verzugs.

Liegt kein Aliud vor, dann stehen dem Käufer grundsätzlich nur die Gewährleistungsrechte zu, dh er hat zunächst die Möglichkeit Verbesserung oder Austausch zu verlangen und kann erst später Preisminderung oder Wandlung anstreben.

3. Praxisfälle

3.1. Renault statt Mercedes

Die A-GmbH bestellt bei der B-GmbH basierend auf ihren speziellen Anforderungen einen Lieferwagen der Marke Mercedes, geliefert wird ein Lieferwagen der Marke Renault.

Im konkreten Fall handelt es sich um eine Speziesschuld, da der Schuldner dem Gläubiger eine konkret spezifizierte individuelle Sache liefern muss. Durch die Lieferung der nicht im Vertrag speziell vereinbarten Sache, liegt ein Aliud vor. Der Verkäufer befindet sich daher in Verzug, der Käufer hat die Wahl: Er kann entweder auf Erfüllung des Vertrages bestehen oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten.

3.2. Birnen statt Äpfel

Die C-GmbH kauft bei der D-GmbH 20kg Äpfel, geliefert werden jedoch Birnen.

Im konkreten Fall liegt keine Speziesschuld vor, da nicht die Lieferung konkret spezifizierter individueller Äpfel vereinbart war, sondern bloß die Lieferung von 20kg Äpfel. Es handelt sich um eine Gattungsschuld, weswegen in Bezug auf das Vorliegen eines Aliuds zu prüfen ist, ob eine andere Gattung als die vereinbarte geliefert wurde. Dies ist im konkreten Fall gegeben, da Birnen eine andere Gattung darstellen als Äpfel.

Der Schuldner befindet sich sohin im Verzug, der Käufer hat die Wahl: Er kann entweder auf Erfüllung des Vertrages bestehen oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten.

3.3. Scheindecken werden aus einem anderen als dem vereinbarten Material geliefert

In diesem Fall liegt eine Aliud-Lieferung vor, da der Käufer ein ganz bestimmtes Material unter Angabe der Artikelnummer bestellt hat.

Der Schuldner befindet sich daher in Verzug, der Käufer hat die Wahl: Er kann entweder auf Erfüllung des Vertrages bestehen oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten.

3.4. Lieferung eines verrosteten Geräts

In diesem Fall liegt eine Aliud-Lieferung vor, da das Gerät als Schrott zu qualifizieren ist und daher einer anderen Gattung angehört.

Der Schuldner befindet sich daher in Verzug, der Käufer hat die Wahl: Er kann entweder auf Erfüllung des Vertrages bestehen oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten.

3.5. Lieferung von Tafelöl statt Sonnenblumenöl

In diesem Fall liegt eine Aliud-Lieferung vor, da die Öle einer anderen Gattung angehören.

Der Schuldner befindet sich daher in Verzug, der Käufer hat die Wahl: Er kann entweder auf Erfüllung des Vertrages bestehen oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten.

3.6. Lieferung von minderwertigem kleinkörnigem Kaffee, der nicht dem Muster des bestellten großkörnigen Kaffees erster Klasse entspricht

In diesem Fall liegt keine Aliud-Lieferung vor, da es sich um die gleiche Gattung handelt. Die Lieferung ist aber mangelhaft.

Der Käufer kann daher lediglich Gewährleistungsrecht zur Anwendung bringen, dh er hat zunächst die Möglichkeit Verbesserung oder Austausch zu verlangen und kann erst später Preisminderung oder Wandlung anstreben.

4. Fazit

Die vorliegenden Fälle zeigen, dass die Feststellung, ob ein Aliud vorliegt, nicht immer einfach und auch die gerichtliche Entscheidungspraxis nicht immer einheitlich ist. Zu beachten ist aber auch Vorliegen eines Aliuds immer, ob dieses genehmigungsfähig ist oder nicht. Hiervon hängt ab, ob dieses gerügt werden muss oder nicht.

Zum Autor:

Dr. Patrick Stummer ist stellvertretender Verlagsleiter und leitet als Leiter Content Management strategisch und operativ das Programm des Linde Verlags.

1 Kommentar zu “Das Aliud im Unternehmergeschäft und seine Folgen

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