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(Bild: © Sitthiphong) (Bild: © Sitthiphong)

Der Selbsthilfeverkauf ist in § 373f UGB geregelt und stellt ein probates Mittel dar, um dem Annahmeverzug des Käufers entgegenzuwirken. Im folgenden Beitrag sollen die Voraussetzungen für einen Selbsthilfeverkauf und dessen Auswirkungen insbesondere für Gläubiger und Schuldner dargelegt werden.

1. Geltungsbereich

§ 373 UGB gilt für zumindest einseitig unternehmensbezogene Geschäfte, dh es reicht, dass zumindest ein Vertragsteil (Schulnder oder Gläubiger) Unternehmer iSd UGB ist. Dies hat zur Folge, dass der Selbsthilfeverkauf auch durch einen Nichtunternehmer oder gegen einen Nichtunternehmer zulässig ist.

2. Annahmeverzug als Voraussetzung des Selbsthilfeverkaufs

Essentielle Voraussetzung für den Selbsthilfeverkauf ist der Annahmeverzug, der dann gegeben ist, wenn der Schuldner zwar zur bedungenen Zeit, am bedungenen Ort und auf die bedungene Weise zum Fälligkeitszeitpunkt seine Leistung real (es sei denn es handelt sich um eine Holschuld, dann reicht ein bloßes Verbalangebot) anbietet, der Gläubiger die vertragsgemäße Leistung des Schuldners verschuldet oder unverschuldet aber nicht annimmt. Die Beweislast des Annahmeverzuges trifft den Schuldner.

Beispiel: Die Interieur A AG kauft bei der Möbel B GmbH einen neuen Bürotisch. Als die Möbel B GmbH wie vereinbarte die Ware an die Adresse des A liefert, nimmt A die Ware nicht an. Alternative: A ist nicht anwesend. In beiden Fällen liegt Annahmeverzug vor, der grundsätzlich den Selbsthilfeverkauf ermöglicht.

Hervorzuheben ist, dass den Gläubiger, es sei denn der Gläubiger befindet sich selbst mit seiner Gegenleistung im Schuldnerverzug, grundsätzlich keine Annahmeverpflichtung trifft sondern die Verweigerung der Annahme eine bloße Obliegenheitsverletzung darstellt. An den Annahmeverzug sind jedoch Rechtsfolgen geknüpft, die den Gläubiger treffen und im Folgenden dargestellt werden sollen.

3. Rechtsfolgen des Annahmeverzugs

Verweigert der Gläubiger die vertragsgemäße Annahme, so sind daran folgende Rechtsfolgen geknüpft:

  • Übergang der Preisgefahr auf den sich in Annahmeverzug befindlichen Gläubiger, dh der zufällige Untergang der Sache befreit den Schuldner von seiner Pflicht zu leisten
  • Haftungsmilderung des Schuldners bzgl der gegenüber der Sache geschuldeten Sorgfalt, dh der Schuldner haftet lediglich bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz
  • Recht des Schuldners die Sache bei Gericht des Erfüllungsortes zu hinterlegen bzw gerichtlich verwahren zu lassen
  • Recht auf Selbsthilfeverkauf

4. Der Selbsthilfeverkauf

Der Selbsthilfeverkauf ist die Möglichkeit des Schuldners jenen Gegenstand, in Bezug auf den sich der Käufer in Annahmeverzug befindet, auf Rechnung des Gläubigers, dh der sich in Annahmeverzug befindlichen Person, zu verkaufen. Dies kann durch öffentliche Versteigerung oder, wenn der Kaufgegenstand einen Börsen- oder Marktpreis hat, durch freihändigen Kauf erfolgen.

Werden die nachstehenden Voraussetzungen eingehalten, dann erfolgt der Selbsthilfeverkauf auf Rechnung des Gläubigers. Dh, der Verkäufer hat grundsätzlich den Verkaufserlös abzüglich seiner Aufwendungen und einem angemessenen Entgelt für die Durchführung des Selbsthilfeverkaufs an den Käufer herauszugeben. Davor hat er natürlich das Recht mit seiner eigenen Kaufpreisforderung aufzurechnen. Ist der aus dem Selbsthilfeverkauf erzielte Preis geringer als der zwischen dem Schuldner und sich in Annahmeverzug befindlichen Gläubiger vertraglich vereinbarte Preis, dann hat der Gläubiger die Differenz an den Schuldner zu bezahlen.

Um einen wirksamen Selbsthilfeverkauf zu vollziehen, bedarf es folgender Voraussetzungen:

  • Freihandverkauf und öffentliche Versteigerung bedürfen zunächst einer Androhung gegenüber dem Gläubiger, welche eine empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt, die formlos erfolgen kann.
  • Formlos heißt, es reicht eine mündliche Androhung, Schriftlichkeit ist keine Voraussetzung.
  • Empfangsbedürftig heißt, dass die Androhung dem Gläubiger zugegangen sein muss.
  • Zu beachten gilt, dass es keine gesetzlich geregelte Frist zwischen Androhung und späterem Verkauf geben muss
  • Mit der Androhung soll dem Gläubiger die nochmalige Möglichkeit gegeben werden, die Sache anzunehmen.
  • Die Androhung kann unterbleiben, wenn es sich um verderbliche Waren (zB Obst) handelt, Gefahr in Verzug ist oder die Androhung aus anderen Gründen untunlich ist (zB drohender Preisverfall einer Sache).
  • Freihandverkauf und öffentliche Versteigerung müssen durch einen befugten Unternehmer durchgeführt werden, dh dieser benötigt eine öffentlich-rechtliche Befugnis (gewerbliche Berechtigung) zur Durchführung von Versteigerungen.
  • Es besteht eine Interessenswahrungspflicht, dh der Verkäufer muss zu einem möglichst guten Verkaufspreis verkaufen.
  • Der Gläubiger ist vom Schuldner unverzüglich, dh ohne schuldhafte Verzögerung, über den Verkauf zu informieren. Sollte er dies unterlassen, wird er schadenersatzpflichtig.

Erfolgt der Verkauf ohne Androhung (siehe die Ausnahmen oben), wurde der Selbsthilfeverkauf nicht von einem befugten Unternehmer durchgeführt oder wurde ein Freihandverkauf durchgeführt, obwohl die Ware keinen Börsen- oder Marktpreis hat, dann kann der sich in Annahmeverzug befindliche Käufer weiterhin Erfüllung und damit die Lieferung des Kaufgegenstandes verlangen.

5. Fazit

Mit dem Selbsthilfeverkauf hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit vorgesehen, die es dem Schuldner ermöglicht, seine Ware ohne Bindung an den sich in Annahmeverzug befindlichen Gläubiger zu verkaufen und so die Ware vor Preisverfall oder dem Verderben zu schützen.

Autor:

Univ. Lektor Dr. Patrick Stummer, Institut für Recht der Wirtschaft, Universität Wien