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BFG Einkommensteuer

Stellt der Besuch des „Privaten Ausbildungslehrgangs für islamische Theologie“ Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 dar?

(Bild: © iStock/B-C-Designs) (Bild: © iStock/B-C-Designs)

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts muss die Möglichkeit bestehen, dass die Tätigkeit, für die das Kind ausgebildet wird, tatsächlich als Beruf ausgeübt werden kann. Könnte eine Tätigkeit nur ehrenamtlich, also ohne ein Einkommen zu erzielen, ausgeübt werden, läge keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 vor.

Laut ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts übt der Seelsorger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft einen Beruf aus. 

Eine Differenzierung in Bezug auf § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 zwischen einer staatlichen Kontrolle unterliegenden Ausbildungen und Ausbildungen, die zu den grundrechtlich geschützten inneren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft gehören, würde der Berufsausbildungsfreiheit nach Art 18 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und dem Gleichheitssatz nach Art 7 B-VG widersprechen.


Entscheidung: BFG 5. 10. 2018, RV/7100044/2018 (Revision zulässig).

Normen: § 26 Abs 1 FLAG; § 33 Abs 3 EStG; Art 15 und 18 StGG.


Zum Volltext der Entscheidung


Die Rechtssätze der ergangenen Entscheidung im Detail:

1. Stammrechtssätze

1.1. Anforderungen an die Ausbildung

Dass nur die Ausbildung für einen einzigen oder für mehrere eng zusammenhängende Berufe Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 wäre, lässt sich dem Gesetz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung in keiner Weise entnehmen.

– (RV/7100044/2018-RS3)

Dass mit einer Ausbildung „private Interessen“ verfolgt werden, steht dem Vorliegen einer Berufsausbildung nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung kommt es zur Abgrenzung zu nicht durch eine spätere Berufsausübung motivierten Ausbildungen darauf an, ob sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet.

– (RV/7100044/2018-RS4)

Es kommt nicht darauf an, ob eine Berufsausbildung aus dem Motiv erfolgt, diesen Beruf später tatsächlich auszuüben, oder aus anderen Motiven.

– (RV/7100044/2018-RS5)

Essentiell für eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ist, dass die jeweilige Ausbildungsordnung das Ablegen von Prüfungen vorsieht und der Auszubildende auch zu diesen Prüfungen antritt.

– (RV/7100044/2018-RS6)

1.2. Ausbildungspflichtgesetz

Das Ausbildungspflichtgesetz betrifft nur Jugendliche, also Personen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr (§ 1 Abs 1 APflG). Demzufolge regelt das Ausbildungspflichtgesetz auch nur jene Ausbildungen, die für Jugendliche typischerweise in Betracht kommen. Die Regelungen des Ausbildungspflichtgesetzes betreffend jene Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen, deren Absolvierung oder erfolgreicher Abschluss die bestehende Ausbildungspflicht erfüllen, sind zur Auslegung des Begriffes „Berufsausbildung“ in § 2 Abs 1 lit b Satz 1 FLAG 1967 nicht heranzuziehen. § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 betrifft volljährige Kinder, also Kinder, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben. Für minderjährige Kinder, also Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, ist gemäß § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 Familienbeihilfe unabhängig von einer Berufsausbildung zu leisten.

– (RV/7100044/2018-RS7)

Die zu § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung ist daher auch nach Inkrafttreten des Ausbildungspflichtgesetzes uneingeschränkt anwendbar. Das Ausbildungspflichtgesetz ist für die Auslegung von § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ohne Bedeutung.

– (RV/7100044/2018-RS8)

1.3. Keine Differenzierung zwischen staatlichen Kontrollen unterliegenden Ausbildungen und Ausbildungen einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft

Eine Differenzierung in Bezug auf § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 zwischen einer staatlichen Kontrolle unterliegenden Ausbildungen und Ausbildungen, die zu den grundrechtlich geschützten inneren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft gehören, würde der Berufsausbildungsfreiheit nach Art 18 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und dem Gleichheitssatz nach Art 7 B-VG widersprechen.

– (RV/7100044/2018-RS9)

1.4. Anforderungen an den „Beruf“

Laut ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts übt der Seelsorger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft einen Beruf aus.

– (RV/7100044/2018-RS10)

Unter „Beruf“ wird jede auf Dauer angelegte, der Einkommenserzielung dienende menschliche Betätigung verstanden.

– (RV/7100044/2018-RS11)

Eine tatsächliche spätere Ausübung des Berufes, zu welchem das Kind iSd § 2 FLAG 1967 ausgebildet wird, fordert § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 nicht.

– (RV/7100044/2018-RS12)

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts muss die Möglichkeit bestehen, dass die Tätigkeit, für die das Kind ausgebildet wird, tatsächlich als Beruf ausgeübt werden kann. Könnte eine Tätigkeit nur ehrenamtlich, also ohne ein Einkommen zu erzielen, ausgeübt werden, läge keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 vor.

– (RV/7100044/2018-RS13)


2. Folgerechtssätze

2.1. Bescheidbegründung

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass die nach § 93 Abs 3 lit a BAO erforderliche Begründung eines Bescheides – wozu auch eine Beschwerdevorentscheidung zählt – erkennen lassen muss, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl etwa VwGH 4. 6. 2008, 2003/13/0049 oder 2. 2. 2010, 2009/15/0209).

– (RV/7100044/2018-RS1)
(wie RV/7100874/2014-RS3)

2.2. Begriff „Berufsausbildung“

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff „Berufsausbildung“ nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 „jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird“.

– (RV/7100044/2018-RS2)
(wie RV/7101294/2016-RS4)


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