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Der Trend zu Big Data in der Umsatzsteuer oder: Warum die Umsatzsteuer zur Datenmanagement-Herausforderung wird

(Bild: © Maxger) (Bild: © Maxger)

Den allgegenwärtigen Trend zu künstlicher Intelligenz und Big Data haben auch die Finanzverwaltungen weltweit in unterschiedlichem Ausmaß bereits vor der weltweiten Pandemie aufgegriffen. Durch die Covid-19 Krise ist zu erwarten, dass dies noch zunehmen wird: Die Umsatzsteuer als eine der wichtigsten Einnahmequellen von Staaten ist gleichzeitig aufgrund ihrer Systematik auch eine der betrugsanfälligsten Steuern.

Die Toleranz von aggressiver Steuerplanung sowie Steuerbetrug wird durch Covid-19 weiter massiv sinken. Um solchen Betrug zu bekämpfen und das Staatseinkommen durch Reduzierung des „VAT Gap“ bestmöglich zu sichern, ist sehr wahrscheinlich, dass immer mehr Staaten dazu Daten in großen Mengen in Echtzeit oder möglichst zeitnah von Unternehmen zu sammeln und analysieren. Für Unternehmen geht dies regelmäßig mit zusätzlichen Pflichten einher.

Im Bereich Umsatzsteuer-Compliance wird Datenmanagement daher – nicht zuletzt pandemiebedingt – zu einem immer wichtigeren Faktor und sollte keinesfalls unterschätzt werden. 

Unterschiedliche Maßnahmen seitens der EU Staaten

In der EU haben bereits einige Staaten unterschiedliche digitale Systeme zu Mehrwertsteuerzwecken eingeführt. Die fortschreitende Digitalisierung hat vor allem Berichtspflichten zum Teil massiv verändert. Immer mehr Staaten führen neue Berichtspflichten ein, die die traditionellen Steuererklärungen unterstützen oder in manchen Fällen sogar gänzlich ersetzen. Es gibt auch bereits neue Methoden für die Abfuhr der Umsatzsteuer sowie für Gegenprüfungen von Transaktionsdaten mit Umsatzsteuererklärungen ohne Betriebsprüfungen dafür durchführen zu müssen. 

Solche Maßnahmen können grob in die folgenden Kategorien unterteilt werden: 

  • Standard Audit File for Tax (SAF-T): Der SAF-T ist eine von der OECD entwickelte genormte Datei, die zuverlässige aus einem Buchhaltungssystem exportierte Daten enthält. Es werden das Datenformat sowie der Dateninhalt vorgegeben. Dies ist bereits in sehr vielen Ländern Standard. 
  • Real-Time Reporting (RTR): RTR umfasst die Bereitstellung von Informationen für die Steuerbehörden in Echtzeit oder zumindest beinahe Echtzeit. Vor allem Rechnungen und Transaktionsabläufe sollen möglichst zeitnah übermittelt werden. So sollen verdächtige Transaktionen und betrügerische Tätigkeiten frühestmöglich erkannt oder bestenfalls sogar im Vorfeld verhindert werden. Die meisten dieser Systeme basieren auf Datenübermittlungen nach der SAF-T- Norm. 
  • Split-Payment: Beim Split-Payment werden Leistungen brutto (inkl. USt) verrechnet, die Bezahlung wird allerdings in zwei Teilbeträge aufgeteilt. Der leistende Unternehmer erhält nur den Nettobetrag, und die geschuldete Umsatzsteuer wird direkt an den Fiskus oder auf ein spezielles Umsatzsteuerkonto des leistenden Unternehmers überwiesen. Mit unterschiedlich ausgestalteten Split-Payment-Methoden versucht man zu erreichen, was RTR nicht abzudecken schafft. Denn mit der Methode des RTRs können keine Betrüger erfasst werden, die von vornherein keine Umsatzsteuer von ihren Kunden erhalten (sog. Schwarzumsätze).

In welchen EU Ländern gibt es schon Real Time Reporting?

Ein Real-Time Reporting von Transaktionsdaten wurde in Spanien am 1. Juli 2017 eingeführt:

  1. Bestimmte Steuerpflichtige müssen der Steuerbehörde sowohl Eingangs- als auch Ausgangsrechnungen innerhalb von vier Tagen übermitteln. 
  2. Dies sind Steuerpflichtige, die monatlich Erklärungen abgeben müssen, wie beispielsweise Unternehmer mit einem Umsatz von mehr als EUR 6.000.000 oder umsatzsteuerliche Gruppenmitglieder. 
  3. Andere Steuerpflichtige können das System freiwillig anwenden.

Auch Ungarn hat ein Jahr später ein RTR-System eingeführt. Das ungarische System umfasste ursprünglich nur verkaufsseitige B2B-Umsätze über HUF 100.000 (ca. EUR 270). Der Anwendungsbereich wird allerdings laufend erweitert und es wurde bereits per 1. Juli 2020 die Rechnungsbetragsschwelle abgeschafft. Für 2021 ist eine Ausweitung auf B2C-Umsätze geplant. 

Weitere Staaten wie beispielsweise Irland oder Schweden haben bereits Interesse an der Verwendung solcher Systeme bekundet, aber noch nichts umgesetzt.

Wo gibt es Split Payment Maßnahmen?

Obwohl es auf den ersten Blick nicht unmittelbar als solches erscheint, ist Split-Payment ein datenbezogenes Thema. Denn letztendlich müssen die vom leistenden Unternehmer erklärten Umsatzdaten mit dem vom Leistungsempfänger abgeführten Umsatzsteuerbetrag übereinstimmen und erhalten die Steuerbehörden dadurch weitere Möglichkeiten zum Datenabgleich.

Als erstes Land in der EU hat Italien Split-Payment 2015 für Umsätze an öffentliche Stellen eingeführt und auf Umsätze an staatlich kontrollierte Unternehmen ausgedehnt. Auch hier wird der Anwendungsbereich stetig erweitert. 

Das seit 1. November 2019 in Polen verpflichtende Split-Payment ersetzt nationale Reverse Charge Umsätze und kommt bei B2B-Umsätzen in gewissen Branchen bzw. für gewisse Produktgruppen über PLN 15.000 (ca. EUR 3.300) zur Anwendung. Für ausländische Unternehmer mit steuerbaren Umsätzen in Polen führt dies unter Umständen zur Pflicht ein polnisches Bankkonto zu führen.

Das in Rumänien am 1. Jänner 2018 eingeführte verpflichtende Split-Payment wurde von der Europäischen Kommission als nicht mit EU-Vorschriften kompatibel eingestuft, da der notwendige Verwaltungsaufwand nicht im Verhältnis zur erwarteten Betrugsreduktion stand.1 Daher ist das System seit 1. Februar 2020 nicht mehr verpflichtend anzuwenden. 

Split-Payment ist also ein sehr junger Trend und daher drängt sich die Frage nach dessen Nachhaltigkeit auf. Es scheint nicht völlig ausgeschlossen, dass ein EU-weites Split-Payment-System in ferner Zukunft eingeführt wird. Im Rahmen der Verhandlungen im EU-Rat zum endgültigen Mehrwertsteuersystem wurde bereits ein solches als zusätzliche betrugsbekämpfende Maßnahme angedacht.2 Die Bedenken dagegen sind allerdings weitreichend, vor allem auch aufgrund der Cash-Flow-Nachteile für den leistenden Unternehmer. 

Entwicklungen außerhalb der EU

Obwohl Europa oftmals als Geburtsstätte der Umsatzsteuer bezeichnet wird, ist die steigende Tendenz zur Datensammlung in Steuerverwaltungen keinesfalls auf den europäischen Kontinent begrenzt: 

  1. In Lateinamerika hat Brasilien 2008 als erstes Land elektronische Berichtspflichten eingeführt. Umsätze sind per elektronischer Rechnung zu erfassen und an die Steuerverwaltung vor Übermittlung an den Empfänger zu übermitteln. 
  2. Auch Mexiko hat sich bereits für ähnliche Maßnahmen entschieden. 
  3. Im asiatisch-pazifischen Raum hat der Trend zur elektronischen Umsatzerfassung erst ein paar Länder erreicht, wie beispielsweise Südkorea oder Indonesien, aber auch hier wird davon ausgegangen, dass die Anzahl der Länder mit Real-Time-Reporting-Systemen zunehmen wird. 

Herausforderung Datenmanagement

Für Unternehmer, die grenzüberschreitend tätig sind, bedeutet der globale Trend zu Big Data enorme Hürden. Einerseits sind oftmals eigene Software-Programme notwendig, um die von den Steuerverwaltungen angeforderten Daten strukturiert zu sammeln und übermitteln zu können. Andererseits ist auch nicht zu unterschätzen, dass Finanzverwaltungen immer mehr transaktionsbezogene Daten erhalten und somit viel mehr Informationen über die Vorgänge im Unternehmen zur Verfügung haben. Unternehmen müssen sich dieses datenbezogenen „Footprints“ bewusst sein. Inwiefern oder besser: wann Steuerverwaltungen die umfangreichen Daten auch tatsächlich effizient auswerten und nützen können, wird sich wohl erst in der Zukunft weisen. Im Hinblick auf die zT hohen Strafen für Non-Compliance sollten Unternehmen jedenfalls ihre Prozesse überdenken und gegebenenfalls rasch anpassen sowie internes Datenmanagement hoch auf ihre Agenda setzen.

1 Siehe European Commission Communication to the Council, COM(2018) 666 vom 8.11.2018

2 Siehe ECOFIN Report to the European Council on tax issues, EUCO 15082/18 vom 6.12.2018, Rz 82

Autorinnen:

Mag. Veronika Seitweger, Steuerberaterin und Partnerin bei TPA
Mag. Lia Pachler, Steuerberateranwärterin und Consultant bei TPA