X
Digital
Internationales Steuerrecht News SWI

Neuer Ansatz zur Vermeidung von Verrechnungspreiskonflikten für große Unternehmen in der EU

(Bild: © iStock/cirquedesprit) (Bild: © iStock/cirquedesprit)

Die Europäische Kommission erkennt die derzeitigen Schwächen und Problemfelder – insbesondere Kosten und lange Verfahrensdauer – von Verständigungsverfahren innerhalb der EU und bietet Großunternehmen mit Konzernumsätzen über EUR 750 Mio ein alternatives Verfahren für bestimmte Verrechnungspreisfälle an.

Es handelt sich um ein Pilotprojekt, zu dem sich Unternehmen freiwillig seit Jänner 2022 anmelden können und das im März 2022 mit ausgewählten interessierten Mitgliedstaaten starten soll.

Hintergrund: Streitprävention statt Streitbeilegung

Die Europäische Kommission hat bereits im Juli 2020 den Aktionsplan für faire und einfache Besteuerung veröffentlicht. Ein Thema dieses Aktionsplans war die Einrichtung eines Programms kooperativer Tax Compliance mit interessierten Mitgliedstaaten (European Trust and Cooperation Approach; „ETACA“).

Ziel dieser nichtlegislativen Initiative ist es, auf freiwilliger Basis eine transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Steuerpflichtigen und Steuerverwaltungen innerhalb der EU zu ermöglichen und internationale Steuerfälle mit den betroffenen Steuerverwaltungen abzustimmen. Dies hauptsächlich mit dem Ziel Konflikte im Hinblick auf die Auslegung des Fremdverhaltensgrundsatzes zu vermeiden.

Wer hat Zugang zu ETACA?

Grundsätzlich steht das Programm multinationalen Konzernen mit einem konsolidierten Gesamtumsatz von mehr als EUR 750 Mio sowie Ansässigkeit der Obersten Muttergesellschaft in der EU offen.

Allerdings können auch multinationale Konzerne mit einem konsolidierten Gesamtumsatz von weniger als 750 Millionen Euro in das Programm aufgenommen werden, sofern sie die gleichen Informationen wie im CbCR vorlegen können.

Nach der Pilotphase (bis Ende 2022) soll die Teilnahme von multinationalen Unternehmen mit Konzernspitze außerhalb der EU in Frage kommen, sofern die an der Risikobewertung des Unternehmens beteiligten Steuerverwaltungen zustimmen.

Welche Transaktionen sind von ETACA umfasst?

Grundsätzlich ist der Konzern bei Teilnahme an dem Programm verpflichtet, alle konzerninternen Transaktionen ohne Einschränkungen offenzulegen.

Der Risikocheck durch die Steuerverwaltungen deckt allerdings in der Folge nur Routine-Transaktionen ab. Dies sind Transaktionen, bei denen eine der Parteien nur einfache Funktionen ausübt und keine einzigartigen und wertvollen Beiträge leistet.

Beispiele für Routinetransaktionen, die sich für das Programm eignen, sind risikoarme Vertriebstätigkeiten, Auftragsfertigungstätigkeiten und konzerninterne Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung („low value adding Services“).

Transaktionen wie Übertragung von geistigem Eigentum oder Unternehmensrestrukturierungen sind aufgrund ihrer Komplexität allerdings grundsätzlich nicht umfasst. Solche Transaktionen können ggf nur einzelfallsbezogen in Abstimmung mit den Steuerverwaltungen mit aufgenommen werden.

Wie ist der Ablauf des Programms?

Unternehmen können sich seit Jänner 2022 über ein Opting-In freiwillig für das Programm anmelden.

Grundsätzlich verläuft das Programm in folgenden drei Phasen:

  1. Zulassung zum Programm: Hierfür muss ein Antrag grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat er obersten Konzerngesellschaft gestellt werden, in dem die Voraussetzungen für die Teilnahme am Programm dargestellt werden. In der Folge sollte die Steuerverwaltung sich innerhalb von zwei Wochen melden und signalisieren, ob eine Teilnahme an dem Programm grundsätzlich in Frage kommt. Falls ja, hat der Steuerpflichtige in einem nächsten Schritt ein Dokumentationspaket über die konzerninternen Transaktionen innerhalb der Gruppe einzureichen. Für den Antrag bestehen entsprechende Vorlagen in der EU Richtlinie (abrufbar hier: https://ec.europa.eu/taxation_customs/eu-cooperative-compliance-programme/european-trust-and-cooperation-approach-etaca-pilot-project-mnes_en). Seitens der Steuerverwaltungen sollte dann innerhalb von 4-8 Wochen eine Rückmeldung erfolgen, welche Transaktionen vom Programm umfasst werden.
  • Risikoanalyse: Die Risikoanalyse erfolgt seitens aller beteiligten Mitgliedstaaten, wobei insbesondere auf Basis der Funktionsanalyse die Adäquanz der Verrechnungspreismethode analysiert und in einem gemeinsamen Risk Assessment zusammengefasst werden soll. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten sollen die Gründe für die Differenzen erläutert werden. Grundsätzlich wird angenommen, dass selbst „agree-to-disagree“ Ergebnisse dazu beitragen können, mögliche künftige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und Verständigungsverfahren zu vereinfachen. Der angestrebte Zeitrahmen für den Abschluss der Risikobewertungsphase beträgt 20 Wochen.
  • Outcome: Zum Schluss soll ein zusammenfassender Abschlussbericht abgeben werden. Der zusammenfassende Abschlussbericht sollte in englischer Sprache verfasst werden, es sei denn, die teilnehmenden Mitgliedstaaten einigen sich auf eine andere gemeinsame Sprache.

Der koordinierende Mitgliedstaat sollte der obersten Konzerngesellschaft diesen Bericht übermitteln. Wesentlich ist, dass der Bericht – anders als bei Advance Pricing Agreements – keine Detailanalyse umfasst, sondern lediglich eine high-level Risikobewertung beinhaltet.

Was ist der Vorteil?

Für Verrechnungspreisfälle wurde zwar für Wirtschaftsjahre ab 2018 ein verbessertes Streibeilegungsverfahren innerhalb der EU eingeführt. Allerdings ist dieses Verfahren – wie die bestehenden Instrumente der Streitbeilegung – noch mit vielen Problemfeldern wie insbesondere lange Verfahrensdauern und hohen Verfahrenskosten behaftet.

Die Intention ist somit grundsätzlich Konfliktprävention für „low-risk“ Transaktionen. Unternehmen erhalten über das Programm vorab eine steuerliche Risikoeinschätzung für bestimmte Transaktionen. Damit soll eine gewisse Sicherheit für den internationalen Konzern einhergehen und Verrechnungspreiskonflikte zwischen Mitgliedstaaten vermieden werden.

TPA Tipp: Komplexe Transaktionen rund um immaterielle Vermögenswerte und Lizenzierungen, bei denen die Wahrscheinlichkeit von Konflikten noch höher ist, sind zwar explizit nicht umfasst. Da aber häufig selbst Routinetransaktionen unterschiedlich beurteilt werden, kann es für internationale Unternehmen dennoch Sinn machen an diesem Programm teilzunehmen, insbesondere für Unternehmen mit Auftragsfertigung, „limited risk“ Vertriebsgesellschaften sowie hohen Volumina von konzerninternen Serviceleistungen.