Bendlinger Valentin | Mitterlehner Matthias
Bereits im Jahr 2009 ist der Apple-Konzern aufgrund seiner Steuerpraktiken in mediales Rampenlicht gerückt. So wurde etwa von Bloomberg-Journalisten aufgedeckt, dass Apple durch Nutzung von Besonderheiten im irischen Körperschaftsteuerrecht und äußerst günstigen Steuervorbescheiden (sog. „advance rulings“) der irischen Finanzverwaltung – trotz ehemals nominellem Steuersatz von 35 % in den USA und hoher Gewinne – die effektive Steuerbelastung in manchen Geschäftsjahren auf nicht mehr als 0,005 % drücken konnte. Im Jahr 2014 witterte die Kommission eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe. Der EuGH hat die Kommission nun in der Entscheidung C-465/20 P in zweiter Instanz bestätigt und verpflichtet Irland, Körperschaftsteuer iHv EUR 13 Mrd. zuzüglich Zinsen von zwei Gesellschaften des Apple-Konzerns zurückzufordern.
Apple und das berühmte “Double Irish”-Modell
Irland als attraktiver Steuerstandort für lukratives Europa-Geschäft
Apple Inc. ist eine US amerikanische Körperschaft und unterlag dort einer 35 %igen (seit dem sog. „Tax Cuts and Jobs Act“ 2017 nur noch 21 %igen) Körperschaftsteuer auf weltweite Gewinne. Das Welteinkommensprinzip und die Anrechnungsmethode führen immer dazu, dass etwaige im Ausland niedrig besteuerten Gewinne stets dem US Steuersatz unterliegen würden. Durch Gründung von Tochtergesellschaften im niedrig besteuerten Ausland lässt sich die Gewinnbesteuerung aber zumindest temporär umgehen: Solange aktive Einkünfte aus einer Oasengesellschaft nicht ausgeschüttet werden, kam diesen Gesellschaften Abschirmwirkung zu und die Gewinne unterlagen in den USA lange keiner Ertragsbesteuerung. Diverse große Technologiegiganten wie Apple Inc. entschieden daher bereits in den 1990er Jahren, Einkünfte aus internationalen Märkten außerhalb der USA in karibischen Oasengesellschaften (etwa Bermuda) zu sammeln.
Da allerdings die wenigsten Staaten DBA mit Steueroasen abschließen, bedurfte es der Nutzung von moderat besteuerten Zwischengesellschaften in Staaten mit einem soliden DBA Netzwerk. Irland (i) erhebt mit 12,5 % nominaler Körperschaftsteuer eine KÖSt in moderater Höhe, (ii) ist EU-Mitglied und hat damit Zugang zum europäischen Binnenmarkt und (iii) hat DBA mit nahezu allen mittel- bis großen Marktwirtschaften abgeschlossen. Der atlantische Inselstaat war daher seit jeher ein heißer Kandidat für einen internationalen Standort für aktive und operative Vertriebsgesellschaften. Die operativen Gewinne unterlagen dann aber zumindest in Irland einer 12,5 %igen KÖSt. Wie lässt sich also die irische Steuerlast noch reduzieren?
Nutzung “staatenloser” Gesellschaften
Hierzu bot sich ein weiteres Charakteristikum des irischen Körperschaftsteuerrechts an: In Abweichung der meisten nationalen KÖSt-Systeme, wurden Körperschaften in Irland lange nur dann von der unbeschränkten KÖSt-Pflicht erfasst, wenn auch ihr Verwaltungssitz (österreichisches Äquivalent wäre der „Ort der Geschäftsleitung“ nach § 27 Abs 2 BAO) in Irland gelegen ist. Die unbeschränkte Steuerpflicht konnte also vermieden werden, indem eine irische Gesellschaft etwa von einer Steueroase – wie Bermuda – aus, geleitet wurde. Die von Bermuda aus geleitete in Irland eingetragene Gesellschaft war damit in Irland – trotz Eintragung in Irland – nur noch beschränkt steuerpflichtig und die irische Zweigniederlassung (Sitz der Gesellschaft) wurde damit steuerlich zur Betriebsstätte des Stammhauses auf Bermuda. Um nun auch die Gewinne der operativen irischen Gesellschaft auszukehren, wurde also zwischen den operativen Gesellschaften in Irland und der Konzernmutter in den USA eine irische Gesellschaft mit Verwaltungssitz etwa in Bermuda gegründet. Bei dem Verwaltungssitz handelte es sich um nicht mehr als einen Briefkasten oder kleines Büro für Gesellschafterbeschlüsse; manchmal wurde die Leitung von diversen Staaten aus vorgenommen, womit der Ort des Verwaltungssitzes erst gar nicht bestimmbar war.
Die so entstandene „staatenlose“ Gesellschaft verpachtete Lizenzen an die operativen irischen Gesellschaften in etwa in Höhe der dort erzielten operativen Gewinne. Die Lizenzgebühren waren auf Ebene der operativen Gesellschaften abzugsfähig, der verbleibende zu versteuernde Gewinn damit minimal. Um nun auch eine Erfassung im Betriebsstättengewinn der irischen Zweigniederlassungen der irischen Gesellschaft mit ausländischem Verwaltungssitz zu vermeiden, wurden Steuervorbescheide („advance rulings“) beantragt, in denen die irische Verwaltung dem Apple-Konzern quasi erlaubte, einen Großteil der Lizenzeinnahmen dem Verwaltungssitz zuzuordnen und aus dem Gewinn der Zweigniederlassung (also der steuerlichen Betriebsstätte) auszuscheiden. Die Einkünfte der Gesellschaft wurden damit ebenso „staatenlos“. Nun musste nur noch die US-Hinzurechnungsbesteuerung auf passive Einkünfte vermieden werden.
Umgehung der US-Hinzurechnungsbeststeuerung
Der berühmte Subpart F des amerikanischen Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetzes sieht nämlich Regelungen vergleichbar des österreichischen § 10a KStG vor. Um eine Zurechnung der nunmehr quasi staatenlosen Gewinne an Apple Inc. in den USA zu vermeiden, wurde eine Besonderheit des US-Steuerrechts genutzt: Das „Check-the-Box“-Regime erlaubte Apple Inc. nämlich, für jede einzelne Auslandsgesellschaft selbst zu entscheiden, ob die ausländische Gesellschaft transparent oder intransparent behandelt werden sollte. Während die irische Körperschaft mit Verwaltungssitz außerhalb von Irland intransparent behandelt wurde, wurde für die von dieser gehaltene operativen Gesellschaften zur Transparenz optiert. Die Lizenzzahlungen der operativen Gesellschaften war aus US-Sicht daher eine Zahlung innerhalb des Betriebs der in Irland und nirgends sonst wo ansässigen Körperschaft und wurden negiert. De facto erkannten die USA nur aktive Gewinne aus operativer Tätigkeit in Irland – es gab sohin, trotz Hinzurechnungsbesteuerung, rechtlich keinen Anlass, der Muttergesellschaft Apple Inc. irgendwelche Gewinne hinzuzurechnen. Im Ergebnis wurden die globalen Gewinne, abseits von einem in Irland besteuerten geringen Gewinnaufschlag für die operativen Gesellschaften, weder in Irland noch sonst irgendwo besteuert.
Zur Verfahrensgeschichte
Diese Praxis warf bald die Aufmerksamkeit der Kommission auf sich, die es auf zwei von Irland an Apple ausgestellte Steuervorbescheide („advance rulings“) zugunsten von Apple Sales International, Cork/Irland (ASI) und Apple Operations Europe, Cork Irland (AOE) abgesehen hatte. Durch die Steuervorbescheide wurde den beiden Gesellschaften jeweils zugesichert, dass nur bestimmte Pauschalen von Betriebsaufwendungen als Betriebsstättengewinne zu versteuern waren. Der Hauptteil der Gewinne wurde den jeweiligen Verwaltungssitzen außerhalb Irlands zugeordnet. Bei den Verwaltungssitzen handelte es sich de facto um substanzlose Briefkästen. Ohne diese Steuervorbescheide hätten den Verwaltungssitzen wohl keine Gewinne zugerechnet werden können; die Lizenzeinnahmen hätten vielmehr nach Section 25 des irischen Tax Consolidation Act 1997 der normalen irischen KÖSt unterworfen werden müssen. Die Kommission warf Irland also vor, Apple einen selektiven Vorteil dadurch gewährt zu haben, dass den irischen Zweigniederlassungen/Betriebsstätten der irischen Gesellschaften mit ausländischem Verwaltungssitz in Abweichung vom „normalen irischen Körperschaftsteuersystem“, kaum Gewinne zugerechnet wurden. Nach Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens fasste die Kommission am 30.08.2016 den Beschluss, Irland habe von ASI und AOE Körperschaftsteuer in Höhe von EUR 13 Mrd. zurückzufordern. Vereinfacht dargestellt, argumentierte die Kommission, die Steuervorbescheide seien nicht unter Beachtung des sonst – auch von irischem Recht üblicherweise vorausgesetztem – Fremdvergleichsgrundsatzes erlassen worden, sondern seien vielmehr zwischen dem Apple-Konzern und der irischen Finanzbehörde ausverhandelt worden.
Die beiden irischen Apple-Gesellschaften ASI und AOE als auch Irland klagten die Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG). Die Kommission habe insbesondere irischem Recht, konkret der Section 25 des irischen Tax Consolidation Act 1997 (vergleichbar mit § 21 Abs 1 KStG), einen falschen Bedeutungsinhalt beigemessen. Die Kommission habe den Fremdvergleichsgrundsatz für die Beurteilung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe ins Treffen geführt, obwohl nichts in Art 107 AEUV auf die notwendige Anwendung des Fremdverhaltensgrundsatzes für steuerliche Sachverhalte hinweise.
Das EuG (siehe die verbundenen Rechtssachen T-778/16 und T-892/16) betonte zwar, dass auch in nationalen Körperschaftsteuergesetzen keine selektiven Vorteile iSd Art 107 AEUV gewährt werden dürften, kam aber letztlich zu dem Ergebnis, die Kommission habe keinen solchen selektiven Vorteil nachweisen können. Das Gericht erkannte zwar methodische Mängel und Widersprüchlichkeiten in den Steuervorbescheiden, allerdings sah das Gericht dies nicht als ausreichend an, die Gewinne den irischen Zweigniederlassungen (Betriebsstätten) zuzurechnen. Eine Zurechnung der Gewinne an die Zweigniederlassungen (Betriebsstätten) bedürfe einer exakten Funktionsanalyse, die von der Kommission nicht vollständig und zudem inkorrekt vorgenommen worden sei.
Rechtsmittelentscheidung des EuGH
Die Kommission erhob wiederum Rechtsmittel gegen die Entscheidung, womit nun der EuGH berufen war, die Entscheidung des EuG zu überprüfen. In über 400 Randziffern werden vom EuGH sämtliche vorgebrachten Argument der Kommission gegen jene von ASI, AOE und Irland abgewogen. Im Ergebnis erkannte der EuGH, dass die Kommission, anders als vom EuG angenommen, hinreichend nachgewiesen hat, dass ASI und AOE durch die Steuervorbescheide eine günstigere steuerliche Behandlung erfahren hätten, als gebietsansässige Gesellschaften, die in Irland besteuert werden. Die Steuervorbescheide haben – so der EuGH – den zu versteuernden Gewinn von ASI und AOE aber deutlich verringert und damit auch die KÖSt-Last dieser Gesellschaften im Vergleich zu anderen in Irland ansässigen Gesellschaften reduziert. Irland hat den beiden Gesellschaften sohin einen aus staatlichen Mitteln finanzierten selektiven Vorteil und folglich eine verbotene Beihilfe iSd Art 107 AEUV gewährt. Der EuGH weist dabei ausdrücklich darauf hin, dass Irland sich nicht darauf berufen habe, inwieweit das steuerliche Territorialitätsprinzip (die Besteuerung ausländischer Steuerpflichtiger nur auf im Inland gelegene Einkunftsquellen) eine günstigere Behandlung von Auslandsgesellschaften rechtfertige. Eine denkbare Rechtfertigung der Beihilfe wurde daher vom EuGH erst gar nicht erwogen.
Im Ergebnis hob der EuGH die Entscheidung des EuG auf. Als der Gerichtshof die Rechtssache als zur Entscheidung reif betrachtete, entschied der EuGH in der Sache und wies zugleich auch die Klage von ASI, AOE und Irland ab. Der Beschluss der Kommission wird damit rechtskräftig und Irland hat die in Form von Körperschaftsteuernachlässen gewährte verbotene Beihilfe iHv EUR 13 Mrd. von den Apple-Gesellschaften ASI und AOE zurückzufordern.
FAZIT
Einmal mehr zeigt die Entscheidung des EuGH in der Rs Apple, dass der Kampf gegen Steuervermeidung hoch auf der Agenda diverser EU-Institutionen steht. Zumindest die Kommission wird die Entscheidung als Sieg gegen aggressive Steuerplanung der US-IT-Giganten vermarkten. Für große multinationale Unternehmensgruppen bietet die Entscheidung wohl einen zusätzlichen Anlass, die Nachhaltigkeit ihrer Steuergestaltungen auf den Prüfstand zu stellen. Auch ist anzunehmen, dass die Rs Apple Einfluss auf die Inanspruchnahme und Gewährung von „advance rulings“ nehmen wird. Das Risiko, einen zum Zeitpunkt des Erhalts eines solchen rulings bloß potenziell generierten Steuervorteil Jahrzehnte später rückzahlen zu müssen, dürfte durchaus abschreckend wirken. Indes werden insbesondere jene Mitgliedstaaten wie eben Irland und Luxemburg, die für die unkomplizierte und rasche Erlangung vorteilhafter „advance rulings“ bekannt gewesen sind, künftig zurückhaltender sein, bestimmte Steuer- und Verrechnungspreisgestaltungen zu gewähren oder von Großkonzernen präsentierte Gestaltungen abzusegnen.
Für Fragen stehen die Autoren und unser Team der Service Line „International Tax“ sehr gerne zur Verfügung.
Autoren
Bendlinger Valentin
Mitterlehner Matthias
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Bereits im Jahr 2009 ist der Apple-Konzern aufgrund seiner Steuerpraktiken in mediales Rampenlicht gerückt. So wurde etwa von Bloomberg-Journalisten aufgedeckt, dass Apple durch Nutzung von Besonderheiten im irischen Körperschaftsteuerrecht und äußerst günstigen Steuervorbescheiden (sog. „advance rulings“) der irischen Finanzverwaltung – trotz ehemals nominellem Steuersatz von 35 % in den USA und hoher Gewinne – die effektive Steuerbelastung in manchen Geschäftsjahren auf nicht mehr als 0,005 % drücken konnte. Im Jahr 2014 witterte die Kommission eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe. Der EuGH hat die Kommission nun in der Entscheidung C-465/20 P in zweiter Instanz bestätigt und verpflichtet Irland, Körperschaftsteuer iHv EUR 13 Mrd. zuzüglich Zinsen von zwei Gesellschaften des Apple-Konzerns zurückzufordern.
Apple und das berühmte “Double Irish”-Modell
Irland als attraktiver Steuerstandort für lukratives Europa-Geschäft
Apple Inc. ist eine US amerikanische Körperschaft und unterlag dort einer 35 %igen (seit dem sog. „Tax Cuts and Jobs Act“ 2017 nur noch 21 %igen) Körperschaftsteuer auf weltweite Gewinne. Das Welteinkommensprinzip und die Anrechnungsmethode führen immer dazu, dass etwaige im Ausland niedrig besteuerten Gewinne stets dem US Steuersatz unterliegen würden. Durch Gründung von Tochtergesellschaften im niedrig besteuerten Ausland lässt sich die Gewinnbesteuerung aber zumindest temporär umgehen: Solange aktive Einkünfte aus einer Oasengesellschaft nicht ausgeschüttet werden, kam diesen Gesellschaften Abschirmwirkung zu und die Gewinne unterlagen in den USA lange keiner Ertragsbesteuerung. Diverse große Technologiegiganten wie Apple Inc. entschieden daher bereits in den 1990er Jahren, Einkünfte aus internationalen Märkten außerhalb der USA in karibischen Oasengesellschaften (etwa Bermuda) zu sammeln.
Da allerdings die wenigsten Staaten DBA mit Steueroasen abschließen, bedurfte es der Nutzung von moderat besteuerten Zwischengesellschaften in Staaten mit einem soliden DBA Netzwerk. Irland (i) erhebt mit 12,5 % nominaler Körperschaftsteuer eine KÖSt in moderater Höhe, (ii) ist EU-Mitglied und hat damit Zugang zum europäischen Binnenmarkt und (iii) hat DBA mit nahezu allen mittel- bis großen Marktwirtschaften abgeschlossen. Der atlantische Inselstaat war daher seit jeher ein heißer Kandidat für einen internationalen Standort für aktive und operative Vertriebsgesellschaften. Die operativen Gewinne unterlagen dann aber zumindest in Irland einer 12,5 %igen KÖSt. Wie lässt sich also die irische Steuerlast noch reduzieren?
Nutzung “staatenloser” Gesellschaften
Hierzu bot sich ein weiteres Charakteristikum des irischen Körperschaftsteuerrechts an: In Abweichung der meisten nationalen KÖSt-Systeme, wurden Körperschaften in Irland lange nur dann von der unbeschränkten KÖSt-Pflicht erfasst, wenn auch ihr Verwaltungssitz (österreichisches Äquivalent wäre der „Ort der Geschäftsleitung“ nach § 27 Abs 2 BAO) in Irland gelegen ist. Die unbeschränkte Steuerpflicht konnte also vermieden werden, indem eine irische Gesellschaft etwa von einer Steueroase – wie Bermuda – aus, geleitet wurde. Die von Bermuda aus geleitete in Irland eingetragene Gesellschaft war damit in Irland – trotz Eintragung in Irland – nur noch beschränkt steuerpflichtig und die irische Zweigniederlassung (Sitz der Gesellschaft) wurde damit steuerlich zur Betriebsstätte des Stammhauses auf Bermuda. Um nun auch die Gewinne der operativen irischen Gesellschaft auszukehren, wurde also zwischen den operativen Gesellschaften in Irland und der Konzernmutter in den USA eine irische Gesellschaft mit Verwaltungssitz etwa in Bermuda gegründet. Bei dem Verwaltungssitz handelte es sich um nicht mehr als einen Briefkasten oder kleines Büro für Gesellschafterbeschlüsse; manchmal wurde die Leitung von diversen Staaten aus vorgenommen, womit der Ort des Verwaltungssitzes erst gar nicht bestimmbar war.
Die so entstandene „staatenlose“ Gesellschaft verpachtete Lizenzen an die operativen irischen Gesellschaften in etwa in Höhe der dort erzielten operativen Gewinne. Die Lizenzgebühren waren auf Ebene der operativen Gesellschaften abzugsfähig, der verbleibende zu versteuernde Gewinn damit minimal. Um nun auch eine Erfassung im Betriebsstättengewinn der irischen Zweigniederlassungen der irischen Gesellschaft mit ausländischem Verwaltungssitz zu vermeiden, wurden Steuervorbescheide („advance rulings“) beantragt, in denen die irische Verwaltung dem Apple-Konzern quasi erlaubte, einen Großteil der Lizenzeinnahmen dem Verwaltungssitz zuzuordnen und aus dem Gewinn der Zweigniederlassung (also der steuerlichen Betriebsstätte) auszuscheiden. Die Einkünfte der Gesellschaft wurden damit ebenso „staatenlos“. Nun musste nur noch die US-Hinzurechnungsbesteuerung auf passive Einkünfte vermieden werden.
Umgehung der US-Hinzurechnungsbeststeuerung
Der berühmte Subpart F des amerikanischen Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetzes sieht nämlich Regelungen vergleichbar des österreichischen § 10a KStG vor. Um eine Zurechnung der nunmehr quasi staatenlosen Gewinne an Apple Inc. in den USA zu vermeiden, wurde eine Besonderheit des US-Steuerrechts genutzt: Das „Check-the-Box“-Regime erlaubte Apple Inc. nämlich, für jede einzelne Auslandsgesellschaft selbst zu entscheiden, ob die ausländische Gesellschaft transparent oder intransparent behandelt werden sollte. Während die irische Körperschaft mit Verwaltungssitz außerhalb von Irland intransparent behandelt wurde, wurde für die von dieser gehaltene operativen Gesellschaften zur Transparenz optiert. Die Lizenzzahlungen der operativen Gesellschaften war aus US-Sicht daher eine Zahlung innerhalb des Betriebs der in Irland und nirgends sonst wo ansässigen Körperschaft und wurden negiert. De facto erkannten die USA nur aktive Gewinne aus operativer Tätigkeit in Irland – es gab sohin, trotz Hinzurechnungsbesteuerung, rechtlich keinen Anlass, der Muttergesellschaft Apple Inc. irgendwelche Gewinne hinzuzurechnen. Im Ergebnis wurden die globalen Gewinne, abseits von einem in Irland besteuerten geringen Gewinnaufschlag für die operativen Gesellschaften, weder in Irland noch sonst irgendwo besteuert.
Zur Verfahrensgeschichte
Diese Praxis warf bald die Aufmerksamkeit der Kommission auf sich, die es auf zwei von Irland an Apple ausgestellte Steuervorbescheide („advance rulings“) zugunsten von Apple Sales International, Cork/Irland (ASI) und Apple Operations Europe, Cork Irland (AOE) abgesehen hatte. Durch die Steuervorbescheide wurde den beiden Gesellschaften jeweils zugesichert, dass nur bestimmte Pauschalen von Betriebsaufwendungen als Betriebsstättengewinne zu versteuern waren. Der Hauptteil der Gewinne wurde den jeweiligen Verwaltungssitzen außerhalb Irlands zugeordnet. Bei den Verwaltungssitzen handelte es sich de facto um substanzlose Briefkästen. Ohne diese Steuervorbescheide hätten den Verwaltungssitzen wohl keine Gewinne zugerechnet werden können; die Lizenzeinnahmen hätten vielmehr nach Section 25 des irischen Tax Consolidation Act 1997 der normalen irischen KÖSt unterworfen werden müssen. Die Kommission warf Irland also vor, Apple einen selektiven Vorteil dadurch gewährt zu haben, dass den irischen Zweigniederlassungen/Betriebsstätten der irischen Gesellschaften mit ausländischem Verwaltungssitz in Abweichung vom „normalen irischen Körperschaftsteuersystem“, kaum Gewinne zugerechnet wurden. Nach Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens fasste die Kommission am 30.08.2016 den Beschluss, Irland habe von ASI und AOE Körperschaftsteuer in Höhe von EUR 13 Mrd. zurückzufordern. Vereinfacht dargestellt, argumentierte die Kommission, die Steuervorbescheide seien nicht unter Beachtung des sonst – auch von irischem Recht üblicherweise vorausgesetztem – Fremdvergleichsgrundsatzes erlassen worden, sondern seien vielmehr zwischen dem Apple-Konzern und der irischen Finanzbehörde ausverhandelt worden.
Die beiden irischen Apple-Gesellschaften ASI und AOE als auch Irland klagten die Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG). Die Kommission habe insbesondere irischem Recht, konkret der Section 25 des irischen Tax Consolidation Act 1997 (vergleichbar mit § 21 Abs 1 KStG), einen falschen Bedeutungsinhalt beigemessen. Die Kommission habe den Fremdvergleichsgrundsatz für die Beurteilung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe ins Treffen geführt, obwohl nichts in Art 107 AEUV auf die notwendige Anwendung des Fremdverhaltensgrundsatzes für steuerliche Sachverhalte hinweise.
Das EuG (siehe die verbundenen Rechtssachen T-778/16 und T-892/16) betonte zwar, dass auch in nationalen Körperschaftsteuergesetzen keine selektiven Vorteile iSd Art 107 AEUV gewährt werden dürften, kam aber letztlich zu dem Ergebnis, die Kommission habe keinen solchen selektiven Vorteil nachweisen können. Das Gericht erkannte zwar methodische Mängel und Widersprüchlichkeiten in den Steuervorbescheiden, allerdings sah das Gericht dies nicht als ausreichend an, die Gewinne den irischen Zweigniederlassungen (Betriebsstätten) zuzurechnen. Eine Zurechnung der Gewinne an die Zweigniederlassungen (Betriebsstätten) bedürfe einer exakten Funktionsanalyse, die von der Kommission nicht vollständig und zudem inkorrekt vorgenommen worden sei.
Rechtsmittelentscheidung des EuGH
Die Kommission erhob wiederum Rechtsmittel gegen die Entscheidung, womit nun der EuGH berufen war, die Entscheidung des EuG zu überprüfen. In über 400 Randziffern werden vom EuGH sämtliche vorgebrachten Argument der Kommission gegen jene von ASI, AOE und Irland abgewogen. Im Ergebnis erkannte der EuGH, dass die Kommission, anders als vom EuG angenommen, hinreichend nachgewiesen hat, dass ASI und AOE durch die Steuervorbescheide eine günstigere steuerliche Behandlung erfahren hätten, als gebietsansässige Gesellschaften, die in Irland besteuert werden. Die Steuervorbescheide haben – so der EuGH – den zu versteuernden Gewinn von ASI und AOE aber deutlich verringert und damit auch die KÖSt-Last dieser Gesellschaften im Vergleich zu anderen in Irland ansässigen Gesellschaften reduziert. Irland hat den beiden Gesellschaften sohin einen aus staatlichen Mitteln finanzierten selektiven Vorteil und folglich eine verbotene Beihilfe iSd Art 107 AEUV gewährt. Der EuGH weist dabei ausdrücklich darauf hin, dass Irland sich nicht darauf berufen habe, inwieweit das steuerliche Territorialitätsprinzip (die Besteuerung ausländischer Steuerpflichtiger nur auf im Inland gelegene Einkunftsquellen) eine günstigere Behandlung von Auslandsgesellschaften rechtfertige. Eine denkbare Rechtfertigung der Beihilfe wurde daher vom EuGH erst gar nicht erwogen.
Im Ergebnis hob der EuGH die Entscheidung des EuG auf. Als der Gerichtshof die Rechtssache als zur Entscheidung reif betrachtete, entschied der EuGH in der Sache und wies zugleich auch die Klage von ASI, AOE und Irland ab. Der Beschluss der Kommission wird damit rechtskräftig und Irland hat die in Form von Körperschaftsteuernachlässen gewährte verbotene Beihilfe iHv EUR 13 Mrd. von den Apple-Gesellschaften ASI und AOE zurückzufordern.
FAZIT
Einmal mehr zeigt die Entscheidung des EuGH in der Rs Apple, dass der Kampf gegen Steuervermeidung hoch auf der Agenda diverser EU-Institutionen steht. Zumindest die Kommission wird die Entscheidung als Sieg gegen aggressive Steuerplanung der US-IT-Giganten vermarkten. Für große multinationale Unternehmensgruppen bietet die Entscheidung wohl einen zusätzlichen Anlass, die Nachhaltigkeit ihrer Steuergestaltungen auf den Prüfstand zu stellen. Auch ist anzunehmen, dass die Rs Apple Einfluss auf die Inanspruchnahme und Gewährung von „advance rulings“ nehmen wird. Das Risiko, einen zum Zeitpunkt des Erhalts eines solchen rulings bloß potenziell generierten Steuervorteil Jahrzehnte später rückzahlen zu müssen, dürfte durchaus abschreckend wirken. Indes werden insbesondere jene Mitgliedstaaten wie eben Irland und Luxemburg, die für die unkomplizierte und rasche Erlangung vorteilhafter „advance rulings“ bekannt gewesen sind, künftig zurückhaltender sein, bestimmte Steuer- und Verrechnungspreisgestaltungen zu gewähren oder von Großkonzernen präsentierte Gestaltungen abzusegnen.
Für Fragen stehen die Autoren und unser Team der Service Line „International Tax“ sehr gerne zur Verfügung.
Autoren
Bendlinger Valentin
Mitterlehner Matthias
Zum Originalartikel