X
Digital
Internationales Steuerrecht News SWI

FASTER | EU-weite Einigung auf schnellere QuSt-Rückerstattung

(Bild: © iStock/nevarpp)

Bendlinger Stefan  |  Bendlinger Valentin

Am 14. Mai 2024 haben sich die EU Mitgliedstaaten auf eine Richtlinie über schnellere und sicherere Verfahren für die Entlastung von Quellensteuern auf grenzüberschreitende Dividenden aus öffentlich gehandelten Aktien und bestimmte Zinsen aus öffentlich gehandelten Anleihen, geeinigt. Die Richtlinie verpflichtet in Zukunft die Mitgliedsstaaten, im Rahmen eines automatisierten Verfahrens, Ansässigkeitsbescheinigungen innerhalb von 14 Kalendertagen auszustellen.

Jener Staat, in dem der Emittent des Wertpapiers ansässig ist, hat diese anzuerkennen und entweder eine Entlastung an der Quelle zu gewähren oder eine Rückerstattung in einem beschleunigten Verfahren sicherzustellen. Dadurch soll das Quellensteuerrückerstattungsverfahren nicht nur einfacher und schneller, sondern auch deutlich effizienter und missbrauchssicherer werden. Die Richtlinie ist bis zum 31. Dezember 2028 von den Mitgliedstaaten umzusetzen, wobei die Vorschriften erst ab dem 1. Januar 2030 verpflichtend anzuwenden sind.

Hintergrund

Einkommen- und Körperschaftssteuern und deren Erhebung durch Quellensteuern sind in der EU kaum harmonisiert. Die weitaus überwiegenden Zahl von Mitgliedstaaten erhebt Quellensteuern auf Dividenden von nicht-ansässigen Empfängern, obwohl dem Staat aufgrund eines DBA kein Besteuerungsrecht zusteht oder der Steuereinbehalt auf einen bestimmten Satz beschränkt ist. Mangels unionsrechtlicher Harmonisierung unterscheidet sich das Entlastungsverfahren von Mitgliedstaat zu Mitgliedsstaat und hat sich in der Vergangenheit als äußerst mühsam erwiesen: Einerseits werden zu Unrecht einbehaltene Steuerbeträge manchmal erst nach Jahren oder überhaupt nicht rückerstattet. Andererseits haben sich Entlastungs- und Rückerstattungsverfahren in der Vergangenheit als besonders missbrauchsanfällig herausgestellt und haben mit den Cum-Ex Skandalen beachtliche mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. 

EU Recht toleriert aber weder Beschränkungen noch Missbrauch unionsrechtlicher Regelungen. Folglich ist nicht verwunderlich, dass das Thema Quellensteuern die Europäische Kommission auf den Plan gerufen hat, die am 19.6.2023 einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über schnellere und gleichzeitig sicherere Verfahren für die Entlastung von Quellen– bzw Abzugssteuern auf Dividenden und Zinsen veröffentlicht hat. Die Richtlinie soll die Entlastung von Quellensteuern nicht nur erleichtern, sondern auch missbräuchliche Gestaltungen verhindern. Nach bedeutenden Anpassungen und zähen Verhandlungen im Rat konnte der Rat beim Treffen des ECOFIN am14. Mai 2024 die einstimmige Verabschiedung des finalen Texts der “FASTER Richtlinie” verkünden.

Zum Inhalt der FASTER Richtlinie

Digitale Ansässigkeitsbescheinigung innerhalb von 14 Kalendertagen

Kern der FASTER Richtlinie ist die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, innerhalb von 14 Kalendertagen eine digitale Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC – “electronic tax residency certificate”) für im jeweiligen Mitgliedstaat ansässige natürliche Personen und Rechtsträger (sogenannte “eingetragene Eigentümer”) auszustellen. Die Ausstellung von Ansässigkeitsbescheinigungen sollte sohin in den meisten Mitgliedstaaten deutlich schneller möglich sein, als bisher. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission sollte die digitale Ansässigkeitsbescheinigung gar innerhalb eines einzigen Arbeitstages ausgestellt werden. Nach Widerstand einzelner Mitgliedstaaten wird nun eine Frist von 14 Kalendertagen vorgesehen. Die digitale Ansässigkeitsbescheinigung soll dabei einen Zeitraum von nicht länger als einem Kalenderjahr oder das jeweiligen Steuerjahr abdecken. Mitgliedstaaten können die Ansässigkeitsbescheinigung jedoch unterjährig entziehen, wenn Nachweise vorliegen, dass die jeweilige Person im gesamten oder eines Teils des Zeitraumes tatsächlich nicht ansässig ist oder war.

Sollte die Überprüfung der steuerlichen Ansässigkeit mehr als 14 Kalendertage in Anspruch nehmen, so hat der Mitgliedstaat den Steuerpflichtigen über die Verzögerung zu informieren und Gründe für die Verzögerung darzulegen. Fraglich ist indes, inwieweit und ob ein Rechtsschutz gegen eine mangelnde Begründung und pauschale Verzögerung der Ausstellung solcher Bescheinigungen durch die Mitgliedstaaten bestehen soll.

Entlastung an der Quelle oder Schnellrückerstattung

DBA begrenzen nationale Besteuerungsrechte eines Vertragsstaates, regeln aber nicht, in welchem Verfahren der Steuerpflichtige von Abzugssteuern zu entlasten ist. Das DBA überlässt die Modalitäten der Entlastung dem nationalen Verfahrensrecht. Ob eine Steuer zuerst erhoben und dann erstattet oder von vornherein entlastet wird, wird in den DBA nicht festgelegt. So überlässt es auch die FASTER Richtlinie den Mitgliedstaaten, in welcher Form die  Dividenden- oder Zinszahlungen von Abzugssteuern zu entlasten sind. Mitgliedstaaten können entweder von vornherein nur den durch das DBA reduzierten Quellensteuersatz anwenden, oder wahlweise den nationalen Quellensteuersatz erheben und die Entlastung auf den abkommensrechtlich vorgesehenen Satz im Rahmen eines Schnellerstattungsystems gewähren. Schnellerstattung bedeutet, dass der Erstattungsantrag innerhalb von 60 Kalendertagen von den Mitgliedstaaten zu bearbeiten ist. Nach dem 60. Tag sind Verzugszinsen zu bezahlen. Die Richtlinie überlässt die Festlegung des Zinssatzes allerdings dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, womit es den Mitgliedstaaten selbst obliegt, die Höhe der Verzugszinsen gesetzlich festzulegen.

Um den Mitgliedstaaten ein effektives Werkzeug gegen die missbräuchliche Nutzung der FASTER Richtlinie zu ermöglichen, können die Mitgliedstaaten gemäß Art 10 Abs 2 der Richtlinie eine Entlastung in Einzelfällen verweigern. So steht nach der Richtlinie etwa keine Entlastung zu, wenn die Dividende aus der öffentlich gehandelten Aktie (i) fünf Tage vor Notierung der ex Dividende erworben wurde, (ii) die Transaktion vor dem Tag der ex Dividende noch nicht abgewickelt wurde, (iii) eine Befreiung von der Quellensteuer beantragt wird, (iv) ein ermäßigter Steuersatz geltend gemacht wird, der sich nicht aus einem DBA ergibt oder (v) die Bruttodividende mehr als EUR 100.000 pro eingetragenem Eigentümer und Zahlungstag beträgt.

Bestimmte Mitgliedstaaten können von der Anwendung des durch die FASTER Richtlinie geschaffenen Entlastungsregimes absehen, sofern sie über ein “umfassendes System der Steuererleichterung an der Quelle” verfügen und ihre Marktkapitalisierungsquote weniger als 1,5 % der gesamten EU beträgt. Diese Ausnahme soll vor allem kleinen und wirtschaftsschwächeren Mitgliedstaaten die Umsetzung der FASTER-Richtlinie erleichtern.

Standardisierte Berichtspflichten
und Haftung für Zentralverwahrer und Kreditinstitute

Die Mitgliedstaaten haben “Finanzintermediäre” zu verpflichten, bestimmte Informationen über sich und die Empfänger von Dividenden- und/oder Zinszahlungen zu übermitteln und haben diese auch für Einbußen am Quellensteueraufkommen haftbar zu machen. Wie diese Haftung ausgestaltet wird, bleibt allerdings weitestgehend den Mitgliedstaaten überlassen. Verstöße gegen die Richtlinie sind wirksam, verhältnismäßig und in abschreckender Weise zu sanktionieren. Als Finanzintermediäre gelten dabei Zentralverwahrer und Kreditinstitute oder Wertpapierfirmen im Sinne diverser EU-Verordnungen. Besonders große Finanzintermediäre, bezeichnet als “große Institute” iSd VO (EU) 575/2013, müssen sich zudem in ein eigenes Register eintragen, wobei dieses Register öffentlich einsichtig sein soll und regelmäßig aktualisiert wird.

Im Mittelpunkt der Pflichten aller “Finanzintermediäre” steht eine in Art 9 der Richtlinie verankerte Meldeverpflichtung, wonach die Mitgliedstaaten die in Anhang II näher definierten Datensätze innerhalb des zweiten Monats nach Zahlungstag der Dividenden oder Zinsen an ihre jeweils zuständige Behörde im XML Format übermitteln müssen. Dadurch soll es nationalen Behörden erleichtert werden, den Zahlungsverkehr zu überwachen und missbräuchliche Transaktionen frühzeitig zu  erkennen.

FAZIT

Die FASTER Richtlinie soll vorwiegend private Anleger mit Anlagekonto bei Kreditinstituten vor drohender Doppelbesteuerung durch exzessive Quellenbesteuerung entlasten. Durch eine beschleunigte Ausstellung digitaler Ansässigkeitsbescheinigungen innerhalb von 14 Tagen und einem positiven Anreiz für Mitgliedstaaten, die im nationalen Steuerrecht vorgesehenen, abkommensrechtlich jedoch zu eliminierenden oder auf einen niedrigeren Satz zu begrenzenden Quellensteuerabzüge innerhalb von 60 Kalendertagen zu erstatten, werden Hemmnisse im Bereich des freien Kapitalverkehrs im Binnenmarkt  beseitigt. Für sogenannte Finanzintermediäre, also vorwiegend Zentralverwahrer und Kreditinstitute, geht die Richtlinie mit bedeutenden Berichtspflichten einher. Das tatsächliche Verfahren zur Entlastung liegt überwiegend in ihrer Verantwortung.

In der Praxis werden die Richtlinie wohl tatsächlich nur Portfolioanlegern bei Kreditinstituten nutzen können, zumal der Anwendungsbereich der Richtlinie äußerst eng gefasst worden ist. Sämtliche Dividenden, die nicht über ein Anlagekonto abgewickelt werden, sind nicht von der FASTER Richtlinie erfasst. Selbiges gilt für Zinsen, die nicht aus öffentlichen Anleihen oder außerhalb eines Anlagekonto bezogen werden. Lizenzgebühren sind vom Anwendungsbereich der FASTER-Richtlinie ausgenommen.

Trotz des eingeschränkten Anwendungsbereichs der FASTER Richtlinie ist die Initiative der Kommission zur weiteren Reduktion von Steuerhemmnissen im Binnenmarkt durch Beschleunigung von Steuerrückerstattungen und -entlastungen äußerst begrüßenswert. Es bleibt zu hoffen, dass die Beseitigung der Doppelbesteuerung durch zu Unrecht erhobene Bruttoquellensteuern weiter auf der Agenda der EU bleibt. Jedenfalls zeigt die notwendige Verabschiedung der FASTER Richtlinie, dass die EU ihren Einflussbereich auf das direkte Steuerrecht der Mitgliedstaaten weiter zu vertiefen versucht.

Bei Fragen zu dieser neuen Richtlinie des Rates der EU wenden Sie sich bitte an die Autoren diese Beitrages oder einen unserer Mitarbeiter. 


Ebenfalls zu FASTER und der Steuerentlastung im Allgemeinen, siehe kürzlich etwa

  • Kofler, Steuerentlastung an der Quelle und Ansässigkeitsbescheinigung, SWIK 2024, 630.
  • SWI-Redaktion, Rat einigt sich auf neue Vorschriften für Quellen­steuerverfahren (FASTER), SWI 6/2024, 304.
  • Beinert, Steuerertüchtigungsprogramme: Stand und Perspektiven der europäischen Steuerertüchtigungsprogramme (BEFIT, FASTER pp.), ISR 2024, 151 ff.
  • Neumüller, „FASTER“ – Richtlinienentwurf verspricht schnellere und sicherere Entlastung von zu viel erhobenen Quellen­steuern, SWI 2023, 475.

Zum Originalartikel

über

Die 1993 in Linz/Oberösterreich gegründete und ansässige ICON Wirtschaftstreuhand GmbH ist das Kompetenzzentrum für internationale Steuerfragen in Österreich. ICON deckt das gesamte Portfolio der Geschäftsfelder „Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung“ in 9 spezialisierten Service Lines mit derzeit 80 Mitarbeiterinnen ab. ICON ist mehrfach ausgezeichneter Partner und Berater der Industrie, von Konzernen sowie von mittelständischen Unternehmen. Im Rahmen der ICON Tax Academy vermittelt ICON Expertenwissen an Berufskollegen und Klienten. ICON ist exklusives Mitglied der WTS Global in Österreich. Mit weltweit über 100 assoziierten Partnerfirmen gehört WTS Global zu den führenden internationalen Steuerpraxen.