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Klimafit – Das Geschäftsmodell im (Klima-)Wandel

(Bild: © iStock/Pogonici)

Die strategische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Klimawandels auf das Geschäftsmodell gewinnt an Relevanz. Ein sinnvolles Werkzeug dafür sind Szenarioanalysen.

Die Initiative Climate Action 100+ umfasst inzwischen Investoren mit insgesamt über 41 Billionen USD an verwaltetem Vermögen.[1] Der Global Risk Report[2] nennt die Top-3-Risiken nach Schweregrad der Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat den Klimaschutz neben der Digitalisierung zu einem der beiden Schwerpunkte ihrer Amtszeit erklärt. Es ist absehbar, dass das Emittieren von Treibhausgasen einen massiven Einfluss auf die Wirtschaft haben wird. Je früher sich Unternehmen auf die neuen Herausforderungen einstellen, desto eher werden sie dabei Chancen ergreifen und sich besser auf die Risiken einstellen können.

Klimabezogene Risiken und Chancen gewinnen an Bedeutung

Die drohenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels sind immer deutlicher zu spüren. Einerseits direkt – über Brände, Dürren und Hochwasser, die Einfluss auf die Lieferkette, Rohstoffpreise und die eigenen Assets haben können. Andererseits indirekt – über politische Vorgaben, Reputationsrisiken und technologischen Wandel, Faktoren also, die Anforderungen an die Art und Weise, wie Geschäfte durchgeführt werden, stellen. Sicher ist, dass der Klimawandel große Auswirkungen hat und haben wird. Offen ist nur, ob die Auswirkungen in Zukunft eher physischer Natur sein werden, wenn die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad nicht gelingt, oder ob die Auswirkungen eher der Transformation entspringen, wenn sich die Gesellschaft in kürzester Zeit radikal ändert. Für Unternehmen geht es darum, die möglichen Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell bestmöglich zu beziffern und sich entsprechend darauf vorzubereiten.

Abbildung 1: IPCC, AR5, Creative Commons Licence, eigene Bearbeitung

Integration in das Geschäftsmodell

Damit sich Unternehmen auf die Herausforderungen bestmöglich vorbereiten können, schlagen die EU-Kommission in ihrem Nachtrag zur klimabezogenen Berichterstattung[3] sowie die Task Force on Climate-related Financial Disclosures[4] (TCFD) vor, eine Szenarioanalyse durchzuführen, um damit die Auswirkungen auf das Geschäftsmodell besser abschätzen zu können. Die TCFD wurde vom Finanzstabilitätsrat der G20 ins Leben gerufen, um Entscheidungshilfen für potenzielle finanzielle Auswirkungen des Klimawandels zu erhalten. Die treibende Kraft bei einer Szenarioanalyse sind also nicht gesetzliche Verpflichtungen, sondern das Eigeninteresse der Unternehmen, die finanzielle Leistungsfähigkeit sowie einen guten Zugang zum Kapitalmarkt zu erhalten und zur gesamtwirtschaftlichen Stabilität beizutragen. Die TCFD und der EU-Nachtrag dienen dabei eher als Hilfestellung. Idealerweise geht eine Szenarioanalyse mit folgenden Maßnahmen einher:

Governance: Etablierung von Governancestrukturen zum Klimawandel; so zum Beispiel das Klimathema in die Vorstandsverantwortung zu integrieren, ein Klimakomitee mit Teilnehmern aus relevanten Abteilungen wie Strategie, Risiko, Nachhaltigkeit, Vertrieb und Einkauf zu bilden sowie entsprechende Metriken und Ziele zu formulieren.

Chancen- und Risikenassessment: Erhebung, Bewertung und Kartierung aller klimarelevanten Chancen und Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette und in weiterer Folge die Integration von Klimathemen in das bestehende Risikomanagement. Dies beinhaltet auch eine Schätzung der potenziellen Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis.

Szenariomodellierung: Synthese von makroökonomischen Daten, Prognosen und unternehmensspezifischen Annahmen zu detaillierten Szenarien, wie sich ausgewählte, klimarelevante Parameter entwickeln werden. Dies betrifft vor allem die im Chancen- und Risikenassessment identifizierten Aspekte der Wertschöpfungskette auf Einnahmen- wie auf Ausgabenseite.

Metriken und Ziele: Implementierung entsprechender Kennzahlen und Ziele, die dem Bewerten und Managen klimarelevanter Chancen und Risiken sowie der gesamten Klimaperformance dienen. Dies beinhaltet auch das Setzen eines Science-based Target – ein Ziel basierend auf einer wissenschaftlichen Methode, um den eigenen Anteil am Erreichen der globalen Klimaziele zu berechnen. Ein anderes Beispiel ist die Einführung eines Klimafaktors bei der Vorstandsremuneration. 

Strategie und Geschäftsmodell: Die im Zuge der Szenariomodellierung erarbeiteten Ergebnisse zeigen auf, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um das Geschäftsmodell resilienter gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Auch solche Maßnahmen können in die bestehenden Szenarien eingefügt werden, die es erlauben, die Auswirkungen auf die Resilienz zu bewerten und zu quantifizieren. So könnten physische Risikokriterien für die Auswahl neuer Standorte und Märkte einbezogen werden, das bestehende Portfolio modifiziert werden oder eine Verlagerung von Investitionen hin zu Technologien stattfinden, die weniger durch die modellierte Klimapolitik unter Druck geraten. 

Ergebnis: Das Ergebnis zieht sich praktisch durch alle Unternehmensbereiche. Klimarisiken und -chancen sowie strategische Reaktionen werden in der Gewinn- und Verlustrechnung und in der Bilanz quantitativ abgebildet; Klimathemen finden sich im Risikomanagement wieder und die neuen Anforderungen der EU und der TCFD werden in die nichtfinanzielle Berichterstattung integriert. Insbesondere aber finden die gewonnenen Erkenntnisse in der strategischen Ausrichtung ihre Berücksichtigung.

Vorteile einer Szenarioanalyse

Mit einer Szenarioanalyse kann das Verständnis der wichtigsten Kosten- und Umsatztreiber in der Wertschöpfungskette des Unternehmens, die von verschiedenen Klimaszenarien betroffen sind, geschärft werden. Die grafisch aufbereiteten Ergebnisse zum modellierten Geschäftsverlauf und zu strategischen Maßnahmen können in die Entscheidungsfindung auf strategischer, sektoraler und Kundenebene einfließen, um den Klimawandel nicht nur als Risiko zu betrachten, sondern auch als Chance zu begreifen und strategischen Profit daraus zu schlagen. Dazu gehört eine höhere Resilienz gegenüber klimarelevanten Entwicklungen und eine Vorbereitung auf eine strengere Klimapolitik sowie eine Plattform für die externe Kommunikation und das Engagement mit Investoren. 

Fazit

Die Integration von Klimathemen in das Geschäftsmodell gewinnt an Bedeutung. Eine erfolgreiche Integration beinhaltet Elemente, die sich quer durch verschiedenste Geschäftsbereiche ziehen; von Governancestrukturen über ein Chancen- und Risikenassessment bis hin zu einer finanzorientierten Modellierung der klimarelevanten Entwicklungen. Wichtig ist dabei, dass die Ergebnisse auch in der Strategie ihre Berücksichtigung finden.

Autor

Georg Rogl, Director, EY Österreich


[1] Bloomberg 2020, https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-01-09/blackrock-joins-investor-group-campaigning-for-climate-action

[2] WEF: Global Risk Report 2022, https://www3.weforum.org/docs/WEF_The_Global_Risks_Report_2022.pdf

[3] EU-Kommission: Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen: Nachtrag zur klimabezogenen Berichterstattung (2019)

[4] TCFD: Recommendations of the Task Force on Climate-related Financial Disclosures (2017)