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VERFAHRENSRECHT | Vorsorgepflichten bei neuen Geschäftsbeziehungen!

(Bild: © iStock/Natali_Mis)

Grubmüller Michael  |  Kesen Ayse  |  Winkler Harald

Wenngleich die Abgabenbehörden die für die Besteuerung relevanten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Amts wegen zu erforschen haben, besteht deren Ermittlungspflicht nur innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes. Insbesondere die Ermittlung von Auslandssachverhalten gestaltet sich mitunter schwierig, da diesbezügliche Quellen in der Regel außerhalb des direkten behördlichen Zugriffsbereiches liegen. In solchen Fällen ist nach der Rechtsprechung von einer erhöhten Mitwirkungspflicht der Rechtsunterworfenen auszugehen.

Insbesondere ergibt sich daraus eine Beweismittelbeschaffungs- und Vorsorgepflicht für Abgabepflichtige. Eine mangelnde (oder gänzlich verweigerte) Mitwirkung kann sowohl die Nichtanerkennung von Betriebsausgaben als auch einen ergänzenden Zuschlag zur Körperschaftsteuer zur Folge haben. Diese Rechtsansicht wurde kürzlich erneut vom VwGH bestätigt, indem das Höchstgericht eine Revision gegen eine diesbezügliche BFG-Entscheidung mittels Beschluss als unzulässig zurückwies. Erfahren Sie nachfolgend, wie Sie die Versagung des Betriebsausgabenabzugs sowie einen drohenden Zuschlag zur Körperschaftsteuer insbesondere bei Zahlungen an Subunternehmen vermeiden können.

1. Beweismittelbeschaffung und Vorsorgepflicht im Abgabenrecht 

Nach § 138 BAO sind Abgabepflichtige in Österreich verpflichtet, an der Feststellung der steuerlichen Grundlagen aktiv mitzuwirken. Diese Mitwirkung umfasst die Offenlegung aller für die Besteuerung wesentlichen Tatsachen sowie die Vorlage von Urkunden, Büchern und Aufzeichnungen, die entweder gesetzlich vorgeschrieben oder für die Sachverhaltsfeststellung notwendig sind. Das Finanzamt ermittelt den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen (§ 115 BAO), darf sich jedoch auf die vom Abgabepflichtigen vorgelegten Beweise stützen, sofern diese vollständig und plausibel erscheinen. Sollten Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben bestehen, ist die Finanzverwaltung berechtigt, weitere Beweise einzufordern. Die Beweismittelbeschaffung unterliegt jedoch dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO), wodurch das Finanzamt entscheidet, welche Beweise es als schlüssig erachtet. Dabei sind die Mitwirkungspflichten der Abgabepflichtigen durch das Recht auf Selbstbelastungsfreiheit, den Schutz der Persönlichkeitsrechte und die Wahrung des Datenschutzes begrenzt. Kommt der Abgabepflichtige diesen Verpflichtungen nicht nach, kann das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen auch schätzen (§ 184 BAO) oder im Rahmen zulässiger Maßnahmen die notwendigen Beweismittel durchsetzen.

Die Vorsorgepflicht ist ein wesentlicher Grundsatz des österreichischen Verfahrensrechts und verpflichtet alle Verfahrensbeteiligten, durch rechtzeitiges und sorgfältiges Handeln zur geordneten Durchführung des Verfahrens beizutragen. Sie verlangt insbesondere, dass Beweismittel fristgerecht eingebracht, Anträge korrekt gestellt und gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Während im Zivilprozess die Parteienverantwortlichkeit im Vordergrund steht und die Parteien selbst für die Darlegung und Beweisführung ihres Sachverhalts zuständig sind, liegt im Strafverfahren die Hauptverantwortung für die Wahrheitsfindung bei den Ermittlungsbehörden und Gerichten, wobei jedoch auch Beschuldigte und Zeugen zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können. Im Verwaltungsverfahren, etwa nach der Bundesabgabenordnung (BAO) oder dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), besteht die Verpflichtung, erforderliche Unterlagen vorzulegen und an behördlichen Ermittlungen mitzuwirken. Die Missachtung dieser Pflicht kann zu prozessualen Nachteilen führen, wie etwa der Ablehnung verspäteter Beweismittel oder der Schätzung von Steuergrundlagen. Die Vorsorgepflicht dient somit der Verfahrensökonomie und Rechtsstaatlichkeit, indem sie eine effiziente, gerechte und rechtzeitige Entscheidungsfindung sicherstellt.

1.1. Die Rolle der Beweismittelbeschaffung und Vorsorgepflicht nach § 162 BAO 

Gemäß § 162 BAO kann die Abgabenbehörde verlangen, dass der Abgabepflichtige die Gläubiger oder die Empfänger der als Betriebsausgabe abgesetzten Beträge genau bezeichnet. Soweit der Steuerpflichtige diese Empfängerbenennung verweigert bzw. die Benennung nicht ausreichend gelingt, sind die geltend gemachten Beträge nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Die Begriffe „Gläubiger“ und „Empfänger“ sind im steuerlichen Kontext gleichwertig, wobei der Gläubiger als wirtschaftlicher Eigentümer einer Forderung gilt, während der Empfänger jene Person ist, der die Zahlung tatsächlich wirtschaftlich zufließt.[1] Als Empfänger zählt ausschließlich der Vertragspartner im Leistungsaustausch, nicht jedoch weitere Personen, an welche der Empfänger Mittel weiterleitet. Daher ist es hier unerheblich, mit welchen Subunternehmen oder Konzerngesellschaften der Geschäftspartner seine Leistungen erbringt oder wie er die erhaltene Gegenleistung verwendet.

Ein Auskunftsverlangen gemäß § 162 BAO bezieht sich immer auf den tatsächlichen Empfänger der gezahlten Beträge und endet dort, wo dieser zweifelsfrei benannt werden kann. Besonders bei Zahlungen an sog. “Domizilgesellschaften” wird der wahre Empfänger oft in dahinterstehenden Personen gesehen. Der Empfänger muss eindeutig identifizierbar sein, was in der Regel durch die Angabe des vollständigen Namens und der Anschrift erfolgt. Diese Informationen sollen es der Behörde ermöglichen, den Empfänger ohne zusätzlichen Ermittlungsaufwand zu identifizieren.

Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte der Steuerpflichtige im Zweifel die Identität des Empfängers durch hiefür geeignete Dokumente (insb. Ausweispapiere) bestätigen. Dies minimiert das Risiko von negativen Konsequenzen einer Nichtanerkennung geltend gemachter Betriebsausgaben gemäß § 162 Abs. 2 BAO. Ungenaue Angaben, wie fingierte Namen oder falsche Adressen, können dazu führen, dass der Empfänger nicht anerkannt wird. Die Angabe der Adresse ist insbesondere wichtig, um das für den Empfänger zuständige Finanzamt feststellen zu können. Fehlende Informationen zur aktuellen Anschrift führen jedoch nicht automatisch zu einem Abzugsverbot; entscheidend ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse.

1.2. Erhöhte Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten 

Die Mitwirkungsverpflichtung des Abgabepflichtigen basiert auf § 115 Abs. 1 BAO, wenngleich diese Norm primär die Behörde zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhalts auffordert und keine unmittelbaren Vorgaben an den Bürger richtet.[2] Dennoch ist der Steuerpflichtige angehalten, aktiv bei der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, indem er alle steuerlich relevanten Tatsachen wahrheitsgemäß, vollständig und korrekt offenlegt. Im System der BAO stehen die Mitwirkungspflicht des Bürgers und die Ermittlungspflicht der Behörde einander ergänzend gegenüber, um gemeinsam eine schnelle und präzise Klärung des Sachverhalts zu gewährleisten.

Die Mitwirkungspflicht umfasst verschiedene Einzelpflichten des Abgabepflichtigen, wie etwa die Pflicht zur 

  • Beweismittelbeschaffung 
  • wahrheitsgemäßen und vollständigen Offenlegung steuerrelevanter Sachverhalte
  • diverse Anzeigepflichten
  • Führen von Büchern und Aufzeichnungen
  • Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern
  • Stelligmachen von Auslandszeugen, Geschäftspartnern oder sonstigen Personen

Diese Verpflichtung ist bei Auslandssachverhalten aufgrund der erschwerten Ermittlungsmöglichkeiten der Behörden deutlich erhöht (§ 115 Abs 1 Satz 2 BAO; § 138 Abs. 2 BAO). Steuerpflichtige müssen in solchen Fällen umfassendere Nachweise erbringen, wie beispielsweise Verträge, Kontoauszüge oder Übersetzungen fremdsprachiger Dokumente. Hintergrund ist, dass die österreichische Finanzverwaltung auf ausländische Informationen oft nur begrenzt zugreifen kann, was die Beweislast stärker auf die Steuerpflichtigen verlagert. Eine Verletzung dieser Mitwirkungspflichten kann zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 184 BAO) und zu Sanktionen führen. Die erhöhte Mitwirkungspflicht dient der Sicherung der Steuergerechtigkeit, insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, die ein höheres Risiko für Steuerverkürzungen bergen.

2. Rechtsfolgen unzureichender Empfängerbenennungen

Kann auf Verlangen der Finanzbehörde der Empfänger einer Zahlung nicht eindeutig benannt werden, so sind die vom Auskunftsverlangen umfassten Aufwendungen nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig (§ 162 Abs 2 BAO). 

Neben der Versagung des Betriebsausgabenabzugs kann zudem – zusätzlich zur regulären Körperschaftsteuer – ein KöSt-Zuschlag iHv 25 % auf jene Beträge verhängt werden, bei denen der Abgabepflichtige auf Verlangen der Abgabenbehörde die Gläubiger oder Empfänger der Beträge nicht genau bezeichnet (§ 22 Abs 3 KStG). Dieser Zuschlag wird ggfs auch in Verlustjahren (mit der Mindestkörperschaftsteuer) erhoben. Bei Unternehmensgruppen erfolgt die Entrichtung durch den Gruppenträger.

Mit dem Verhältnis dieser beiden Sanktionsmaßnahmen zueinander hat sich ua auch der Verwaltungsgerichtshof in einer aktuellen, nachfolgend noch skizzierten Entscheidung neuerlich auseinandergesetzt (vgl zu einer früheren Entscheidung bereits unseren NEWS-Beitrag “KÖRPERSCHAFTSTEUER | Zuschlag für nicht abgesetzte Ausgaben bestätigt!” vom 15.12.2017).

3. Aktuelle VwGH-Entscheidung 

Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.2.2024, Ro 2022/13/0009), bei der die begehrte Revision gegen ein vorangegangenes BFG-Erkenntnis mittels Beschluss zurückgewiesen wurde, betraf eine in der Baubranche tätige “V GmbH”, welche Zahlungen an letztlich als Scheinfirmen identifizierte Unternehmen vorgenommen hatte. Diese Entscheidung verdeutlicht schwerwiegende Verstöße gegen die Beweismittelbeschaffungs- und Vorsorgepflicht nach § 162 BAO. Im Kern ging es um die Nichtbenennung der Empfänger von Zahlungen und das Fehlen von Unterlagen, die für eine ordnungsgemäße Prüfung notwendig gewesen wären (insbesondere Verträge, Bautagebücher oder Nachweise zur Leistungsfähigkeit (!) der beauftragten Firmen bzw Subunternehmen).

Die V GmbH konnte im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren nicht nachweisen, dass sie ihre vertraglichen Partner und die tatsächliche Leistungserbringung ausreichend überprüft hatte. Nach § 162 BAO sind Steuerpflichtige verpflichtet, alle relevanten Beweismittel zu beschaffen und Vorsorge für eine lückenlose Dokumentation zu treffen. Das Gericht stellte fest, dass die GmbH diese Pflicht verletzt hatte, da weder die Empfänger der Zahlungen exakt benannt noch notwendige Unterlagen vorgelegt wurden. Die im Baugewerbe üblichen Sorgfaltspflichten, wie das Überprüfen der Gewerbeberechtigungen und das Besuchen von Subunternehmern an deren Firmensitz (insbesondere bei fehlenden Referenzprojekten), wurden im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Insbesondere fehlten auch Beweise, dass die Subunternehmen tatsächlich die vereinbarten Leistungen erbracht hatten.

Die höchstgerichtliche Entscheidung stellte klar, dass die ordnungsgemäße Beweismittelbeschaffung und Vorsorgepflicht für die Empfängernennung maßgeblich sind, um steuerliche Vorteile zu erhalten und Strafzuschläge zu vermeiden. Demgemäß führten die beanstandeten Versäumnisse nicht nur zur Nichtanerkennung der Betriebsausgaben iS § 162 BAO, sondern zudem auch zu einem KöSt-Zuschlag iHv 25 % der betreffenden Beträge gemäß § 22 Abs 3 KStG. 

FAZIT

Beim Eintritt in neue Geschäftsbeziehungen ist es auch für steuerliche Zwecke wichtig, sich ein Bild von der Seriosität der Geschäftspartner zu machen und insbesondere Erkundigungen über die wahren Eigentumsverhältnisse bei neu beauftragten Subunternehmen einzuholen.

Durch die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 162 BAO über die Pflicht zur Nennung der wahren Empfänger von Zahlungen sowie die darüber hinausgehende materiell-rechtliche Bestimmung des § 22 Abs 3 KStG (Körperschaftsteuerzuschlag iHv 25 % der fraglichen Beträge) sollen insbesondere Zahlungen an Scheinfirmen sanktioniert bzw verhindert werden.

Die Praxis zeigt, dass die ordnungsgemäße Identifikation der Empfänger und die Beschaffung relevanter Beweismittel unerlässlich ist, um steuerliche Vorteile zu lukrieren und Risiken wie Strafzuschläge oder die Nichtanerkennung von Ausgaben zu vermeiden. Steuerpflichtige sollten daher jedenfalls darauf achten, dass sie alle erforderlichen bzw steuerrelevanten Dokumente (insb. Verträge, Rechnungen und Nachweise über die tatsächliche Leistungserbringung) stets vollständig und nachvollziehbar vorlegen können.

Es ist daher ratsam, bereits im Vorfeld von Geschäftsbeziehungen und Zahlungen an Subunternehmer eine gründliche Dokumentation sicherzustellen und gegebenenfalls rechtzeitig vertragliche Vereinbarungen zu treffen, welche die spätere Nachvollziehbarkeit und Nennung der Empfänger gewährleisten. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass insbesondere bei Auslandstransaktionen oder bei komplexen Geschäftsbeziehungen eine detaillierte Dokumentation und proaktive Beweismittelbeschaffung entscheidend sein können, um möglichen steuerlichen Problemen vorzubeugen.

Für weitere Fragen zu diesen oder ähnlichen verfahrensrechtlichen Themen stehen Ihnen die Verfasser mit den Team der Service Line „Tax Controversy“ gerne zur Verfügung!


[1]Kotschnigg, Beweisrecht der BAO (Spezialkommentar), § 162 Rz 31, 584.

[2]Kotschnigg, Beweisrecht der BAO (Spezialkommentar), § 119 Rz 16, 488. 


Autoren

Grubmüller Michael

Kesen Ayse

Winkler Harald

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