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Prof. Georg Kofler im BFGjournal zu Gast

Univ.-Prof. DDr. Georg Kofler. (Bild: © JKU Linz)
Univ.-Prof. DDr. Georg Kofler. (Bild: © JKU Linz)

Univ.-Prof. DDr. Georg Kofler, LL.M. (NYU), ist Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Finanz­recht, Steuer­recht und Steuerpolitik an der eben 50 Jahre „jung“ gewordenen Johannes Kepler Universität Linz. Zudem ist er Vorstand des Forschungsinstituts für Steuer­recht und Steuermanagement. Kofler ist Fachautor auf dem Gebiet des österreichischen und internationalen Steuer­rechts sowie Vortragender bei in- und ausländischen postgradualen Lehrgängen. Wir trafen den vielfach ausgezeichneten Steuerexperten zum Interview beim Semester-Opening an der Universität Linz.

Hier gehts zum Interview auf YouTube

BFGjournal: Sie haben heute das Semester offiziell eröffnet. Was erwarten Sie sich bzw die Studenten, aber auch die Sponsoren, etwa Wirtschaftstreuhandkanzleien, von dieser Auftaktveranstaltung?

Georg Kofler: Das heutige Semester-Opening im „JKU Teichwerk“, unserem schwimmenden Café am Uniteich, ist ein Zeichen unserer Bemühungen, die Universität zum starken Knotenpunkt in der Steuer-Community zu machen. Wir wollen damit sowohl die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Praxis als auch die Vernetzung zwischen unseren Studierenden und potenziellen Arbeitgebern bzw zwischen den Studierenden verschiedener Jahrgänge fördern. Uns geht es vor allem auch darum, dass sich unsere Studierenden rasch in die „Steuerszene“ aufgenommen fühlen, die zweifellos schwierige Ausbildung als Vorteil erkennen und schon während ihres Studiums die Weite und Vielfältigkeit unseres hochinteressanten Fachs kennenlernen.

BFGjournal: Wie sehen Sie allgemein die Entwicklung des Steuer­rechtsstudiums an der Universität Linz? Gibt es besondere Bestrebungen oder Ausrichtungen?

Georg Kofler: Steuerfächer sind mittlerweile aus den universitären Lehrplänen nicht mehr wegzudenken. Dies betrifft sowohl die juristische oder betriebswirtschaftliche Grund­ausbildung als auch die von den Studierenden wählbaren Schwerpunktfächer, die ihnen einen tieferen Einblick und damit den Einstieg in die „Steuerberufe“ vermitteln. In enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Michael Tumpel bieten wir etwa im Bachelorstudium Wirtschafts­recht eine eigene umfassende Ausbildung zur Steuerjuristin bzw zum Steuerjuristen an, die unsere Studierenden optimal auf die Anforderungen der Praxis vorbereitet. Ein besonderes Anliegen ist uns zudem die postgraduale Ausbildung im Masterstudium Steuerwissenschaften, von dem wir hoffen, es in den kommenden Semestern in enger Zusammenarbeit mit der Universitätsleitung noch attraktiver gestalten zu können. Dieser Studiengang ist als begleitendes Masterstudium auf dem Weg zur Steuerberaterin oder zum Steuerberater konzipiert, aber auch ein ideales Studium für jene, die in anderen Bereichen des Steuer­rechts tätig werden wollen, wie zB am Bundesfinanz­gericht, in der Finanz­verwaltung oder in Steuerabteilungen von Unternehmen.

BFGjournal: Bleiben wir beim Thema Universitäten. Bei den Hochschulgesprächen im Rahmen des diesjährigen Europäischen Forums Alpbach war das Ranking der Universitäten ein Thema. Die österreichischen Universitäten liegen – vorsichtig ausgedrückt – höchstens im Mittelfeld. Können Sie insbesondere bei Ihrer Lehrtätigkeit im Ausland Qualitätsunterschiede feststellen?

Georg Kofler: Man sollte diese Rankings keineswegs ignorieren, aber doch kritisch in den Kontext setzen. Es ist gerade auch im juristischen Bereich allgemein schwierig, öffentlich-finanzierte Universitäten mit knappen Budgets und freiem Hochschulzugang mit jenen Institutionen zu vergleichen, die nicht nur finanziell hervorragend ausgestattet sind, sondern auch enorme Studien­gebühren einheben und sich die besten Studierenden aussuchen können. Wir brauchen uns aber sicher nicht zu verstecken: Soweit ich das für meinen Fachbereich beurteilen kann, können sich sowohl unsere Forschungs­leistung als auch unsere Ausbildung sowie die Qualität unserer Absolventinnen und Absolventen international sehen lassen.

Dies zeigt sich einerseits daran, dass wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler international bestens vernetzt und „gefragt“ sind, andererseits daran, dass unsere Absolventinnen und Absolventen „vom Fleck weg“ hochqualifizierte Arbeitsplätze im Steuer­recht finden sowie das Feedback der Arbeitgeber durchwegs ausgezeichnet ist.

BFGjournal: Nun zum internationalen Steuer­recht. Der Steuerwettbewerb, selbst unter den Staaten der Europäischen Union, ist zunehmend spürbar. Gibt es auf europäischer Ebene „ernst gemeinte“ Bestrebungen, diesem Missbrauch entgegenzuwirken oder gehen Eigen­interessen der Mitgliedstaaten vor?

Georg Kofler: Man sollte zunächst nicht vergessen, dass das Steuer­recht Eingriffs­recht ist. Es liegt am Gesetzgeber, genaue Regeln aufzustellen und deren Befolgung zu sichern. Ob und in welcher Höhe eine Steuer­pflicht besteht, ist eine Rechtsfrage und lässt sich nicht mit – notwendigerweise divergierenden – Moral- oder Gerechtigkeitsvor­stellungen beantworten. Die auch medial geführten Diskussionen rund um eine „gerechte“ Besteuerung zeigen aber, dass das Steuer­recht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht. Es liegt daher am demokratischen Diskurs, „Besteuerungslücken“ zu identifizieren, zu evaluieren und sodann allenfalls durch klare und vollziehbare Regeln zu schließen. Dies wird aktuell sowohl auf nationaler Ebene wie auch auf Ebene der OECD und der EU versucht.

Die EU hat beispielsweise mit der sogenannten „Anti-BEPS-Richtlinie“ fünf Maßnahmen gegen die Steuervermeidung im Unternehmens­steuerrecht eingeführt, darunter eine Zinsschranke, eine Hinzu­rechnungsbesteuerung und Maßnahmen gegen hybride Gestaltungen. Diese Maßnahmen sind grundsätzlich bis 2019 von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen und anzuwenden. Natürlich schlägt in der aktuell aufgeheizten politischen Stimmung das Pendel stark in die eine Richtung aus und manche angedachten Maßnahmen haben relativ wenig mit der Bekämpfung der Steuervermeidung zu tun. Gerade die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der diese Maßnahmen ergriffen wurden, lassen zudem befürchten, dass womöglich einige technische Probleme übersehen wurden und uns diese noch viele Jahre beschäftigen werden.

BFGjournal: Eine Frage zum Kontenregister und weiteren Transparenzmaßnahmen. Seit Oktober 2016 besteht im abgabenbehördlichen Verfahren die Möglichkeit, an Bankdaten zu gelangen (siehe dazu den ausführlichen Artikel von Sara Märzendorfer in diesem Heft 1 ). Weiters sind die Veröffentlichung von Unternehmensdaten und das „Beneficial Ownership Register“ geplant. Wohin führen uns diese Maßnahmen und wie wird sich die internationale Steuerwelt im Lichte von verpflichtenden Reporting-Vorschriften der OECD und dem automatischen Informationsaustausch verändern?

Georg Kofler: Es ist mit Sicherheit eine Kernanforderung an ein gerechtes Steuersystem, die Rechtsunterworfenen gleichmäßig zu belasten und die Steuer­hinterziehung zu bekämpfen. Dazu gehört es auch, das „Verstecken“ von Schwarzgeld durch internationale Transparenzmaßnahmen – wie etwa den Austausch von Finanzinformationen – so schwer wie möglich zu machen. Nach Angaben der OECD haben mittlerweile mehr als eine halbe Million Steuer­pflichtige ihre Offshore-Steueragenden offengelegt und zumindest 50 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen wurden durch Alternativ­verfahren der freiwilligen Offenlegung und ähnliche Programme generiert.

In der öffentlichen Diskussion verschwimmen die Grenzen jedoch oft: Gerade die „Panama-Papers“ zeigen, dass dort Steuerfragen vielfach nur eine untergeordnete Rolle spielten, während illegale Transaktionen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Vordergrund standen. Es ist natürlich sinnvoll, etwa Informationen aus der Geldwäschebekämpfung auch für Steuerzwecke zu nutzen und an einem Beneficial Ownership Register zu arbeiten. Umgekehrt darf auch im Lichte der Hinterziehungsbekämpfung das Augenmaß nicht völlig verloren gehen. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Steuerehrlichkeit in Österreich relativ hoch, was ausreichend Grundlage für ein vertrauensvolles Verhältnis geben sollte.

BFGjournal: Sie sind Herausgeber und Mitautor namhafter Kommentare, etwa zu Umgründungen und Doppel­besteuerungsabkommen. Dürfen wir bald mit Updates rechnen?

Georg Kofler: Selbstverständlich! Unser Kommentar zum Umgründungs­steuergesetz wird plangemäß im Frühjahr 2017 in seiner sechsten Auflage erscheinen, auch bei den anderen Kommentierungen werden Aktualisierungen folgen. Ich bin davon überzeugt, dass die Wissenschaft gerade durch gute Kommentare ihre „Dienst­leistungsfunktion“ für die Beratungspraxis und Rechtsprechung erfüllen kann, weil eine systematische, zugängliche und wertende Aufarbeitung des oft kaum noch überblickbaren Rechtsstoffs dem Rechtsanwender eine rasche Hilfe­stellung bei der täglichen Arbeit bietet.

BFGjournal: Am 19. und 20. Oktober 2016 findet eine gemeinsame, seit Wochen ausverkaufte, Veranstaltung der Universität Linz und des Bundesfinanz­gerichts statt; auch unterjährig tragen immer wieder Richter des Bundesfinanz­gerichts an der Universität Linz vor. Wie sehen Sie die Zusammenarbeit des Bundesfinanz­gerichts mit universitären Einrichtungen? Sind derartige Veranstaltungen Ausdruck einer besonderen Verbundenheit zwischen der Universität Linz und dem Bundesfinanz­gericht bzw einzelnen Mitgliedern? Ergeben sich dabei auch Impulse für die wissenschaftliche Forschung?

Georg Kofler: Wir freuen uns ganz besonders, dass wir heuer gemeinsam mit dem Bundesfinanz­gericht unter der Schirmherrschaft von Frau Präsidentin Dr. Daniela Moser den ersten Bundesfinanz­gerichtstag an der Universität Linz abhalten dürfen. Diese Veranstaltung, die von Seiten der Universität wesentlich durch meinen Professorenkollegen und Richter des Bundesfinanz­gerichts Univ.-Prof. Dr. Walter Summersberger erdacht und konzipiert wurde, soll Rechtsprechungstrends und Entwicklungen aufzeigen und zur breiten Diskussion stellen. Dieser intensive Austausch zwischen dem Bundesfinanz­gericht und der Universität befruchtet und inspiriert hoffentlich beides: die Rechtsprechung und die Wissenschaft!

BFGjournal: Die Altersstruktur der Richter am Bundesfinanz­gericht bringt es mit sich, dass in nächster Zeit Richterposten zur Ausschreibung gelangen werden. Ist das Richteramt auch für Wissenschaftler eine interessante Alternative?

Georg Kofler: Natürlich! Je durchlässiger die Grenzen zwischen Rechtsprechung, Beratungspraxis, Wissenschaft und Verwaltung werden, desto besser ist das für die Entwicklung des Steuer­rechts als Ganzes. In anderen Ländern ist es vollkommen üblich, dass Praktiker zu Richtern werden, Wissenschaftler in die Steuer­verwaltung wechseln etc. Mehrere tolle Beispiele für die hervorragenden Impulse, die sich aus dieser Durchlässigkeit ergeben, haben wir auch an den Linzer Steuerinstituten: Univ.-Prof. Dr. Markus Achatz und Univ.-Prof. Dr. Walter Summersberger sind nicht nur Wissenschaftler am Institut für Finanz­recht, sondern auch als Richter am Verfassungs­gerichtshof bzw am Bundesfinanz­gericht tätig, Assoz. Univ.-Prof. Dr. Sebastian Bergmann, LL.M. MBA erwirbt nun nach seiner Habilitation an der Universität Linz weitere Praxiserfahrung in einer international tätigen Wirtschaftstreuhandkanzlei und Priv.-Doz. MMag. Dr. Ernst Marschner, LL.M. ist nicht nur ein hervorragend ausgewiesener Praktiker, sondern auch der Wissenschaft sehr eng verbunden, was er zuletzt durch seine steuer­rechtliche Habilitation an der Universität Linz bewiesen hat. Für eine gelebte Durchlässigkeit von und zur Rechtsprechung ist es natürlich erforderlich, dass entsprechende institutionelle Rahmenbedingungen geschaffen werden und ein Wechsel ohne große Einbußen möglich ist.

BFGjournal: Zum Schluss eine persönliche Frage. Sie sind kürzlich zum dritten Mal Vater geworden – herzlichen Glückwunsch! Wie bringen Sie Familie und Ihre oft mit längeren Auslandsaufenthalten verbundene Forschungstätigkeit „unter einen Hut“?

Georg Kofler: Durch mein tolles Team am Institut, viel Leidenschaft für das Fach und für meine Tätigkeit als Hochschullehrer, ein gelegentliches Schlafdefizit und natürlich meine wundervolle Frau, ohne deren unermüdliche Unterstützung vieles nicht möglich wäre.

1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …

… intensiv für den vor meinem 40er geplanten Marathon zu trainieren und so viel Zeit wie möglich mit meinen beiden Söhnen und meiner kleinen Tochter zu verbringen.

2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

Derzeit steht eher leichte Kost auf dem Programm. Ich bin ein „Heavy-Hörbuch-User“ und höre gerade beim Sport „1Q84“ von Haruki Murakami und zwischendurch „American Heiress“, das Buch über die Entführung von Patty Hearst von Jeffrey Toobin. Physische Bücher haben wir aus Platzgründen vor einigen Jahren aus der Wohnung verbannt; am Kindle lese ich gerade das neue Buch von Harlan Coben: „Home“.

3) Das größte Vergnügen für mich ist …

… den Morgen mit zwei Kaffees und mehreren Tageszeitungen zu starten und im Sommer ausgedehnte Radtouren durch europäische Länder zu unternehmen.

4) Nach der Arbeit …

… freue ich mich auf die Zeit mit der Familie, eine Runde in den Laufschuhen oder am Mountainbike und das gelegentliche Treffen mit Freunden.

1 Märzendorfer, Grundlagen des zentralen Kontenregisters, BFGjournal 2016, 369.

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