Mag. Maria Linzner-Strasser ist Steuerberaterin und WirtschaftsprĂĽferin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Unternehmens- und KonzernÂbesteuerung, BetriebsÂprĂĽfungsverfahren, KonzernÂsteuer-Reporting, Digital Tax Tools und Tax Compliance sowie Leiterin Global Compliance and Reporting, Tax Accounting und Risk Advisory Services bei EY Ă–sterreich.
BFGjournal: Sie sind Expertin im Bereich der BetriebsÂprĂĽfung. Mit 1. 1. 2019 startete die begleitende Kontrolle1 als in der BAO normiertes Nachfolgeinstrument des Horizontal Monitoring. Sie saĂźen dazu in der „Neigungsgruppe SKS“ im BMF. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Erwarten Sie viele Anträge vonseiten der Steuerberatung? Welche Benefits gibt es fĂĽr Unternehmen? Was hat sich im Vergleich zum Pilotversuch geändert?
Linzner-Strasser: Die österreichische FinanzÂverwaltung hat damit ein zukunftsÂgerichtetes Instrument geschaffen, fĂĽr das nunmehr die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Form von § 153a bis g BAO vorliegen. Ganz wesentlich ist auch die erlassene Verordnung des Bundesministers fĂĽr Finanzen ĂĽber die PrĂĽfung des Steuerkontrollsystems (SKS-PrĂĽfungsÂverordnung). 2 Das Ergebnis ist jedenfalls sehr positiv. Aus der praktischen Anwendung hat sich wohl noch der eine oder andere Bedarf einer Nachjustierung gezeigt.
Abgesehen von den Pilotfällen wird es aber fĂĽr die meisten Interessenten aufgrund der bereits bei AntragÂstellung zu erfĂĽllenden Voraussetzung eines von einem Steuerberater oder WirtschaftsprĂĽfer begutachteten Steuerkontrollsystems und des vorgeÂgebenen Verfahrensablaufs kurzÂfristig noch gar nicht möglich sein, in den Live-Betrieb der begleitenden Kontrolle einzutreten. Man wird damit daher erst in einigen Jahren eine breitere Erfahrung der Unternehmen haben. Derzeit ist jedenfalls noch kein Massenansturm fĂĽr die begleitende Kontrolle festzustellen, und das ist auch nicht unbedingt zu erwarten. Viele sind in einer Warteposition und starten zunächst einmal mit der Implementierung eines Steuerkontrollsystems. Dieses ist zwar mit einem nicht zu unterschätzenden Zeit- und Ressourcenaufwand verbunden, stellt aber bei Funktionieren gleichzeitig einen Benefit der begleitenden Kontrolle dar. Weitere positive Effekte sind die Planungs- und Rechtssicherheit sowie der Entfall einer Ex-post-Aufbereitung fĂĽr teilweise weit zurĂĽckliegende Jahre.
Anders im Vergleich zum Pilotprojekt sind insbesondere das nunmehr gesetzlich geregelte, strukturierte Verfahren ĂĽber FinanzOnline und das Erfordernis, ein Steuerkontrollsystem bereits bei AntragÂstellung mit einem Gutachten nachweisen zu mĂĽssen.
BFGjournal: Bietet sich die begleitende Kontrolle als Alternative zur BetriebsÂprĂĽfung an? Wird sie mittelÂfristig gar die klassische BetriebsÂprĂĽfung ablösen?
Linzner-Strasser: Die begleitende Kontrolle ist definitiv eine Alternative fĂĽr jene Unternehmen, die Compliance, Trust und Transparenz leben, die in der BAO vorgesehenen Voraussetzungen erfĂĽllen und denen Rechtsicherheit und Planbarkeit wichtig sind. Gerade bei börsenotierten Konzernen sollten Ăśberraschungen im Steuerbereich in Form von BetriebsÂprĂĽfungsnachÂzahlungen, fĂĽr die im Konzernabschluss nicht vorgesorgt war, nicht vorkommen. Prior Year Adjustments in der ĂśberleitungsÂrechnung nach IFRS fallen einem Bilanzleser und Analysten immer sehr negativ auf und werden dahingehend interpretiert, dass das Unternehmen seine Steuern nicht im Griff hat. Dennoch gibt es in diesem Unternehmenssegment jene, die bedauern, die begleitende Kontrolle nicht in Anspruch nehmen zu können, weil die Entscheidungen im Konzern in einem schnelllebigen Marktumfeld kurzÂfristig fallen und das Quartalsmeeting mit dem PrĂĽfer der FinanzÂverwaltung nicht abgewÂartet werden kann.
Eine Ablöse der klassischen BetriebsÂprĂĽfung erwarte ich nicht. Die FinanzÂverwaltung hat damit nun zwei Modelle im Angebot. FĂĽr Unternehmen, die die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfĂĽllen oder die kein Steuerkontrollsystem einrichten und leben können, wird die klassische BetriebsÂprĂĽfung weiterhin notwendig sein. Auch aufgrund der begrenzten Ressourcen der FinanzÂverwaltung wird die begleitende Kontrolle sicherlich nicht zum Massenphänomen. 3
BFGjournal: Die begleitende Kontrolle gilt für Großunternehmen (zB Umsatzerlöse gemäß § 189a Z 5 UGB von mehr als 40 Mio Euro; vgl § 153b Abs 4 Z 3 BAO), nicht jedoch für KMUs. Sehen Sie das als Nachteil bzw könnte eine schiefe Optik dahingehend entstehen, dass es sich Großbetriebe richten können?
Linzner-Strasser: Leider gab es im Zuge der EinfĂĽhrung mit dem JahresÂsteuergesetz 2018 Medienberichte in diese Richtung. Es entstand dabei der falsche Eindruck, dass hier ein Zuckerl fĂĽr GroĂźunternehmen verteilt wĂĽrde und diese in Zukunft von BetriebsÂprĂĽfungen verschont bleiben wĂĽrden. Nicht erwähnt wurde, welche erheblichen Leistungen und welchen laufenden Aufwand (Stichwort SKS) die Unternehmen erbringen mĂĽssen, um an der begleitenden Kontrolle teilnehmen zu können. Auch vom erforderlichen Bekenntnis zur Steuerehrlichkeit, von der steuerlichen Zuverlässigkeit und der erweiterten OffenlegungsÂverpflichtung wurde nicht berichtet.
BFGjournal: Die Anforderungen an ein Steuerkontrollsystem (vgl § 153 Abs 6 BAO) werden nun durch die SKS-PrĂĽfungsÂverordnung näher konkretisiert. Zur GewährÂleistung einheitlicher Vorgehensweisen, hinreichender Qualitätsstandards und einer Vergleichbarkeit der Gutachten ĂĽber ein Steuerkontrollsystem haben der Fachsenat fĂĽr UnternehmensÂrecht und Revision und der Fachsenat fĂĽr SteuerÂrecht der Kammer der Steuerberater und WirtschaftsprĂĽfer die Ausarbeitung eines Fachgutachtens in Angriff genommen. Wie werden die Standards aussehen?
Linzner-Strasser: Die Arbeit am Fachgutachten wurde in der interdisziplinären Arbeitsgruppe im November 2018 begonnen. Ziel ist es, dem Berufsstand das Fachgutachten rechtzeitig fĂĽr die ersten Gutachten ĂĽber das Steuerkontrollsystem gemäß § 153b Abs 2 Z 4 BAO, die die Teilnehmer des Pilotprojekts zur nahtlosen ĂśberfĂĽhrung in die begleitende Kontrolle bis 30. 6. 2019 als wesentlichen Teil des Antrags einbringen mĂĽssen, zur VerfĂĽgung zu stellen. Das ist ein ambitionierter Zeitplan. Die gefĂĽhrten Diskussionen sind sehr konstruktiv und spannend. Die detaillierte Ausarbeitung der Standards bleibt abzuwÂarten.
BFGjournal: Ist es für Unternehmen auch abseits der begleitenden Kontrolle ratsam, ein Steuerkontrollsystem einzurichten? Welche Vorteile können daraus entstehen?
Linzner-Strasser: Ein Steuerkontrollsystem lohnt sich definitiv. Derzeit stellen wir in Gesprächen mit Unternehmen fest, dass viele mit der Entscheidung zuwarten, ob ein Wechsel in die begleitende Kontrolle beantragt werden soll. Sehr viele haben die Entscheidung aber bereits getroffen, in jedem Fall ein Steuerkontrollsystem einzurichten, auch solche Unternehmen, die eine begleitende Kontrolle aus welchen GrĂĽnden auch immer kurz- oder mittelÂfristig gar nicht in Betracht ziehen.
Ein Steuerkontrollsystem stellt zB in finanzstrafÂrechtlicher Hinsicht ein Instrument zur Prävention dar. So kann ein Tax-Compliance-Managementsystem nach einem AnwendungsÂerlass der deutschen FinanzÂverwaltung 4 ein Indiz gegen das Vorliegen eines finanzstrafÂrechtlich relevanten Tatbestands sein und damit die entscheidende rettende BrĂĽcke zwischen einer einfachen Korrektur einer Steuererklärung und einem Selbstanzeigeerfordernis bilden. Die Enthaftung von Organen ist ein wesentliches Kriterium, weil Personen, die abgabenÂrechtliche Pflichten im Rahmen eines Steuerkontrollsystems zulässig delegieren, keine Verletzung der Ăśberwachungs- und KontrollÂpflichten vorgeworfen werden kann, sollte es dennoch zu Pflichtverstößen kommen. 5
Auch eine vergleichbare Erlassregelung der österreichischen FinanzÂverwaltung ist ein Anliegen der SteuerÂpflichtigen. Konsequenz des Erlasses in Deutschland war und ist, dass die Unternehmen nahezu massenhaft ein Tax-Compliance-Managementsystem einfĂĽhr(t)en, obwohl es dafĂĽr keine eine gesetzliche Verankerung gibt. Ein Steuerkontrollsystem wird jedenfalls wesentlich zur Steigerung von Qualität und Effizienz, zur Standardisierung von Abläufen und dadurch auch zur Nutzung von Automatisierungs- und Digitalisierungsmöglichkeiten sowie zur Minimierung von Risiken bei wesentlichen Prozessen beitragen. Vor diesem Hintergrund ist es ein Anliegen, fĂĽr Unternehmen, die freiwillig ein effektives Steuerkontrollsystem einrichten und zertifizieren lassen, Anreize in Form von Verwaltungsvereinfachungen zu schaffen. 6 Es ist auch damit zu rechnen, dass ein vorhandenes Steuerkontrollsystem bei kĂĽnftigen herkömmlichen BetriebsÂprĂĽfungen eine wichtige Rolle im Hinblick auf Erwartungshaltung, PrĂĽfungsplanung und ‑abwicklung spielen wird.
BFGjournal: Noch in der Planungsphase befindet sich die automatische Veranlagung (insbesondere für KMUs), durch die die technische Möglichkeit zur Übermittlung von Daten des Rechnungswesens für eine digitale Prüfung geschaffen werden soll (Standard Audit File-Tax (SAF-T). Für einen derartigen Datenaustausch ist gegenseitiges Vertrauen notwendig. Wie sehen Sie das?
Linzner-Strasser: Da stimme ich zu. Ich frage mich manchmal, ob wir in zehn Jahren ĂĽberhaupt noch Steuererklärungen fĂĽr Unternehmen abgeben werden mĂĽssen oder die FinanzÂverwaltung nicht ohnehin schon alle Daten haben wird, um die Steuern automatisch festsetzen zu können. Ansätze fĂĽr derartige Entwicklungen können wir bereits weltweit beobachten. Generell nutzen FinanzÂverwaltungen die digitalen Entwicklungen, und es wird ein starker Fokus auf die Beinahe-Echtzeit-Ăśbermittlung von Finanz- und Buchhaltungsdaten gelegt. Vertrauen spielt hier natĂĽrlich eine wesentliche Rolle.
BFGjournal: Die FinanzÂverwaltung steht vor einem groĂźen organisatorischen Umbruch: Stichwort Finanzamt Ă–sterreich.7 Wie schätzen Sie die geplante Reform aus Sicht der Beratung ein?
Linzner-Strasser: Die Details sind meines Wissens erst in Ausarbeitung, aber alles, was in Richtung Effizienz und Beschleunigung der SteuerÂverfahren geht, ist aus Sicht der Beratung zu begrĂĽĂźen.
BFGjournal: Nun zu Ihrer Beratungstätigkeit. Sie sind Spezialistin im Bereich KonzernÂsteuer-Reporting in einer der Big-Four-Kanzleien. Qualität und Transparenz wird hier groĂźgeschrieben. Können Sie darĂĽber Näheres berichten?
Linzner-Strasser: Ich bin im Rahmen unserer Organisation auch Tax Quality Coordinator für Österreich. Wir haben hier weltweit geltende Regeln, die uns bei der Arbeit unterstützen und ein strukturiertes Vorgehen ermöglichen sollen. Alle Schritte des Arbeitsprozesses – beginnend bei der Klienten- und Auftragsannahme – werden transparent dokumentiert und im Rahmen von regelmäßigen, sehr intensiven Quality Reviews einer Überprüfung unterzogen.
BFGjournal: Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich schwerpunktmäßig?
Linzner-Strasser: Aktuell widme ich mich vor allem der Implementierung digitaler Lösungen zur UnterstĂĽtzung von Steuerabteilungen. Schwerpunkte sind die aktuellen Herausforderungen fĂĽr Unternehmen und Konzerne, insbesondere die neuen Regelungen der HinzuÂrechnungsbesteuerung und die EinfĂĽhrung von Steuerkontrollsystemen.
BFGjournal: Sie werden am 7. Mai 2019 im Rahmen des Lindecampus-Lehrgangs „Zertifizierte/r Tax Compliance Manager/in“ vortragen. Welches Ziel bzw welches Anliegen verfolgen Sie dabei?
Linzner-Strasser: Der von Gerhard Steiner geleitete Lehrgang soll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Unternehmen einen Ăśberblick ĂĽber die Anforderungen an die Tax Compliance geben, dh die steuerÂrechtlichen Regeln einzuhalten, das Risiko vorausschauend zu minimieren und gleichzeitig die Steuerquote zu optimieren. Neben der Tax-Compliance-Konferenz werden in einer Reihe von Modulen – zB zum Thema UmsatzÂsteuer und FinanzstrafÂrecht oder Tax Controversy Management – die wesentlichen Tax-Compliance-Themen bis zu den Grenzen der steuerlichen Gestaltungsfreiheit in – nach meiner Erfahrung – angeregter Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern behandelt.
BFGjournal: Sie sind vielfache Fachautorin. Ein Buch ist mir besonders aufgefallen: „KĂĽnstler und Sportler im nationalen und internationalen SteuerÂrecht“ (2011 im Linde Verlag 2011 erschienen). Was waren die BeweggrĂĽnde fĂĽr dieses Buch? Haben Sie – auch auĂźerhalb des SteuerÂrechts – eine besondere Affinität fĂĽr Kunst und Sport?
Linzner-Strasser: Ja, ich habe tatsächlich eine besondere Affinität für Kunst, insbesondere für klassische Musik. So genieße ich dank meiner Abos zahlreiche Aufführungen im Musikverein und in der Oper. Ich bin glücklich, dieses Hobby auch mit meinem Beruf verbinden zu können. So betreue ich etwa auch Musiker, vom Einzelkünstler bis hin zum Orchester. Die mit einer weltweiten künstlerischen und sportlichen Tätigkeit verbundenen Steuerfragen sind sehr spannend, aber nicht immer so leicht und kompakt zu klären. Daher habe ich auch gerne an diesem Buch mitgeschrieben. Meine Affinität für Sport in Form von aktiver Betätigung könnte allerdings noch intensiviert werden.
1) Mein Ziel fĂĽr heuer ist?
Ich habe zwar nach wie vor nicht vor, meine sportlichen Ambitionen auf das Niveau meiner Zeit fĂĽr Kunstgenuss anzuheben, aber mehr Sport als bisher habe ich mir jedenfalls vorgenommen.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Who Moved My Cheese“ von Spencer Johnson.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… die Natur zu erleben.
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
… Königin Rania von Jordanien.
5) Nach der Arbeit …
… kein Fernseher und kein PC, am liebsten im Konzert sitzend.
1Vgl auch Brandl/Macho/Schrottmeyer/Vock (Hrsg), Begleitende Kontrolle, SWK-Spezial (2019).
Mag. Maria Linzner-Strasser ist Steuerberaterin und WirtschaftsprĂĽferin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Unternehmens- und KonzernÂbesteuerung, BetriebsÂprĂĽfungsverfahren, KonzernÂsteuer-Reporting, Digital Tax Tools und Tax Compliance sowie Leiterin Global Compliance and Reporting, Tax Accounting und Risk Advisory Services bei EY Ă–sterreich.
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BFGjournal: Sie sind Expertin im Bereich der BetriebsÂprĂĽfung. Mit 1. 1. 2019 startete die begleitende Kontrolle 1 als in der BAO normiertes Nachfolgeinstrument des Horizontal Monitoring. Sie saĂźen dazu in der „Neigungsgruppe SKS“ im BMF. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Erwarten Sie viele Anträge vonseiten der Steuerberatung? Welche Benefits gibt es fĂĽr Unternehmen? Was hat sich im Vergleich zum Pilotversuch geändert?
Linzner-Strasser: Die österreichische FinanzÂverwaltung hat damit ein zukunftsÂgerichtetes Instrument geschaffen, fĂĽr das nunmehr die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Form von § 153a bis g BAO vorliegen. Ganz wesentlich ist auch die erlassene Verordnung des Bundesministers fĂĽr Finanzen ĂĽber die PrĂĽfung des Steuerkontrollsystems (SKS-PrĂĽfungsÂverordnung). 2 Das Ergebnis ist jedenfalls sehr positiv. Aus der praktischen Anwendung hat sich wohl noch der eine oder andere Bedarf einer Nachjustierung gezeigt.
Abgesehen von den Pilotfällen wird es aber fĂĽr die meisten Interessenten aufgrund der bereits bei AntragÂstellung zu erfĂĽllenden Voraussetzung eines von einem Steuerberater oder WirtschaftsprĂĽfer begutachteten Steuerkontrollsystems und des vorgeÂgebenen Verfahrensablaufs kurzÂfristig noch gar nicht möglich sein, in den Live-Betrieb der begleitenden Kontrolle einzutreten. Man wird damit daher erst in einigen Jahren eine breitere Erfahrung der Unternehmen haben. Derzeit ist jedenfalls noch kein Massenansturm fĂĽr die begleitende Kontrolle festzustellen, und das ist auch nicht unbedingt zu erwarten. Viele sind in einer Warteposition und starten zunächst einmal mit der Implementierung eines Steuerkontrollsystems. Dieses ist zwar mit einem nicht zu unterschätzenden Zeit- und Ressourcenaufwand verbunden, stellt aber bei Funktionieren gleichzeitig einen Benefit der begleitenden Kontrolle dar. Weitere positive Effekte sind die Planungs- und Rechtssicherheit sowie der Entfall einer Ex-post-Aufbereitung fĂĽr teilweise weit zurĂĽckliegende Jahre.
Anders im Vergleich zum Pilotprojekt sind insbesondere das nunmehr gesetzlich geregelte, strukturierte Verfahren ĂĽber FinanzOnline und das Erfordernis, ein Steuerkontrollsystem bereits bei AntragÂstellung mit einem Gutachten nachweisen zu mĂĽssen.
BFGjournal: Bietet sich die begleitende Kontrolle als Alternative zur BetriebsÂprĂĽfung an? Wird sie mittelÂfristig gar die klassische BetriebsÂprĂĽfung ablösen?
Linzner-Strasser: Die begleitende Kontrolle ist definitiv eine Alternative fĂĽr jene Unternehmen, die Compliance, Trust und Transparenz leben, die in der BAO vorgesehenen Voraussetzungen erfĂĽllen und denen Rechtsicherheit und Planbarkeit wichtig sind. Gerade bei börsenotierten Konzernen sollten Ăśberraschungen im Steuerbereich in Form von BetriebsÂprĂĽfungsnachÂzahlungen, fĂĽr die im Konzernabschluss nicht vorgesorgt war, nicht vorkommen. Prior Year Adjustments in der ĂśberleitungsÂrechnung nach IFRS fallen einem Bilanzleser und Analysten immer sehr negativ auf und werden dahingehend interpretiert, dass das Unternehmen seine Steuern nicht im Griff hat. Dennoch gibt es in diesem Unternehmenssegment jene, die bedauern, die begleitende Kontrolle nicht in Anspruch nehmen zu können, weil die Entscheidungen im Konzern in einem schnelllebigen Marktumfeld kurzÂfristig fallen und das Quartalsmeeting mit dem PrĂĽfer der FinanzÂverwaltung nicht abgewÂartet werden kann.
Eine Ablöse der klassischen BetriebsÂprĂĽfung erwarte ich nicht. Die FinanzÂverwaltung hat damit nun zwei Modelle im Angebot. FĂĽr Unternehmen, die die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfĂĽllen oder die kein Steuerkontrollsystem einrichten und leben können, wird die klassische BetriebsÂprĂĽfung weiterhin notwendig sein. Auch aufgrund der begrenzten Ressourcen der FinanzÂverwaltung wird die begleitende Kontrolle sicherlich nicht zum Massenphänomen. 3
BFGjournal: Die begleitende Kontrolle gilt für Großunternehmen (zB Umsatzerlöse gemäß § 189a Z 5 UGB von mehr als 40 Mio Euro; vgl § 153b Abs 4 Z 3 BAO), nicht jedoch für KMUs. Sehen Sie das als Nachteil bzw könnte eine schiefe Optik dahingehend entstehen, dass es sich Großbetriebe richten können?
Linzner-Strasser: Leider gab es im Zuge der EinfĂĽhrung mit dem JahresÂsteuergesetz 2018 Medienberichte in diese Richtung. Es entstand dabei der falsche Eindruck, dass hier ein Zuckerl fĂĽr GroĂźunternehmen verteilt wĂĽrde und diese in Zukunft von BetriebsÂprĂĽfungen verschont bleiben wĂĽrden. Nicht erwähnt wurde, welche erheblichen Leistungen und welchen laufenden Aufwand (Stichwort SKS) die Unternehmen erbringen mĂĽssen, um an der begleitenden Kontrolle teilnehmen zu können. Auch vom erforderlichen Bekenntnis zur Steuerehrlichkeit, von der steuerlichen Zuverlässigkeit und der erweiterten OffenlegungsÂverpflichtung wurde nicht berichtet.
BFGjournal: Die Anforderungen an ein Steuerkontrollsystem (vgl § 153 Abs 6 BAO) werden nun durch die SKS-PrĂĽfungsÂverordnung näher konkretisiert. Zur GewährÂleistung einheitlicher Vorgehensweisen, hinreichender Qualitätsstandards und einer Vergleichbarkeit der Gutachten ĂĽber ein Steuerkontrollsystem haben der Fachsenat fĂĽr UnternehmensÂrecht und Revision und der Fachsenat fĂĽr SteuerÂrecht der Kammer der Steuerberater und WirtschaftsprĂĽfer die Ausarbeitung eines Fachgutachtens in Angriff genommen. Wie werden die Standards aussehen?
Linzner-Strasser: Die Arbeit am Fachgutachten wurde in der interdisziplinären Arbeitsgruppe im November 2018 begonnen. Ziel ist es, dem Berufsstand das Fachgutachten rechtzeitig fĂĽr die ersten Gutachten ĂĽber das Steuerkontrollsystem gemäß § 153b Abs 2 Z 4 BAO, die die Teilnehmer des Pilotprojekts zur nahtlosen ĂśberfĂĽhrung in die begleitende Kontrolle bis 30. 6. 2019 als wesentlichen Teil des Antrags einbringen mĂĽssen, zur VerfĂĽgung zu stellen. Das ist ein ambitionierter Zeitplan. Die gefĂĽhrten Diskussionen sind sehr konstruktiv und spannend. Die detaillierte Ausarbeitung der Standards bleibt abzuwÂarten.
BFGjournal: Ist es für Unternehmen auch abseits der begleitenden Kontrolle ratsam, ein Steuerkontrollsystem einzurichten? Welche Vorteile können daraus entstehen?
Linzner-Strasser: Ein Steuerkontrollsystem lohnt sich definitiv. Derzeit stellen wir in Gesprächen mit Unternehmen fest, dass viele mit der Entscheidung zuwarten, ob ein Wechsel in die begleitende Kontrolle beantragt werden soll. Sehr viele haben die Entscheidung aber bereits getroffen, in jedem Fall ein Steuerkontrollsystem einzurichten, auch solche Unternehmen, die eine begleitende Kontrolle aus welchen GrĂĽnden auch immer kurz- oder mittelÂfristig gar nicht in Betracht ziehen.
Ein Steuerkontrollsystem stellt zB in finanzstrafÂrechtlicher Hinsicht ein Instrument zur Prävention dar. So kann ein Tax-Compliance-Managementsystem nach einem AnwendungsÂerlass der deutschen FinanzÂverwaltung 4 ein Indiz gegen das Vorliegen eines finanzstrafÂrechtlich relevanten Tatbestands sein und damit die entscheidende rettende BrĂĽcke zwischen einer einfachen Korrektur einer Steuererklärung und einem Selbstanzeigeerfordernis bilden. Die Enthaftung von Organen ist ein wesentliches Kriterium, weil Personen, die abgabenÂrechtliche Pflichten im Rahmen eines Steuerkontrollsystems zulässig delegieren, keine Verletzung der Ăśberwachungs- und KontrollÂpflichten vorgeworfen werden kann, sollte es dennoch zu Pflichtverstößen kommen. 5
Auch eine vergleichbare Erlassregelung der österreichischen FinanzÂverwaltung ist ein Anliegen der SteuerÂpflichtigen. Konsequenz des Erlasses in Deutschland war und ist, dass die Unternehmen nahezu massenhaft ein Tax-Compliance-Managementsystem einfĂĽhr(t)en, obwohl es dafĂĽr keine eine gesetzliche Verankerung gibt. Ein Steuerkontrollsystem wird jedenfalls wesentlich zur Steigerung von Qualität und Effizienz, zur Standardisierung von Abläufen und dadurch auch zur Nutzung von Automatisierungs- und Digitalisierungsmöglichkeiten sowie zur Minimierung von Risiken bei wesentlichen Prozessen beitragen. Vor diesem Hintergrund ist es ein Anliegen, fĂĽr Unternehmen, die freiwillig ein effektives Steuerkontrollsystem einrichten und zertifizieren lassen, Anreize in Form von Verwaltungsvereinfachungen zu schaffen. 6 Es ist auch damit zu rechnen, dass ein vorhandenes Steuerkontrollsystem bei kĂĽnftigen herkömmlichen BetriebsÂprĂĽfungen eine wichtige Rolle im Hinblick auf Erwartungshaltung, PrĂĽfungsplanung und ‑abwicklung spielen wird.
BFGjournal: Noch in der Planungsphase befindet sich die automatische Veranlagung (insbesondere für KMUs), durch die die technische Möglichkeit zur Übermittlung von Daten des Rechnungswesens für eine digitale Prüfung geschaffen werden soll (Standard Audit File-Tax (SAF-T). Für einen derartigen Datenaustausch ist gegenseitiges Vertrauen notwendig. Wie sehen Sie das?
Linzner-Strasser: Da stimme ich zu. Ich frage mich manchmal, ob wir in zehn Jahren ĂĽberhaupt noch Steuererklärungen fĂĽr Unternehmen abgeben werden mĂĽssen oder die FinanzÂverwaltung nicht ohnehin schon alle Daten haben wird, um die Steuern automatisch festsetzen zu können. Ansätze fĂĽr derartige Entwicklungen können wir bereits weltweit beobachten. Generell nutzen FinanzÂverwaltungen die digitalen Entwicklungen, und es wird ein starker Fokus auf die Beinahe-Echtzeit-Ăśbermittlung von Finanz- und Buchhaltungsdaten gelegt. Vertrauen spielt hier natĂĽrlich eine wesentliche Rolle.
BFGjournal: Die FinanzÂverwaltung steht vor einem groĂźen organisatorischen Umbruch: Stichwort Finanzamt Ă–sterreich. 7 Wie schätzen Sie die geplante Reform aus Sicht der Beratung ein?
Linzner-Strasser: Die Details sind meines Wissens erst in Ausarbeitung, aber alles, was in Richtung Effizienz und Beschleunigung der SteuerÂverfahren geht, ist aus Sicht der Beratung zu begrĂĽĂźen.
BFGjournal: Nun zu Ihrer Beratungstätigkeit. Sie sind Spezialistin im Bereich KonzernÂsteuer-Reporting in einer der Big-Four-Kanzleien. Qualität und Transparenz wird hier groĂźgeschrieben. Können Sie darĂĽber Näheres berichten?
Linzner-Strasser: Ich bin im Rahmen unserer Organisation auch Tax Quality Coordinator für Österreich. Wir haben hier weltweit geltende Regeln, die uns bei der Arbeit unterstützen und ein strukturiertes Vorgehen ermöglichen sollen. Alle Schritte des Arbeitsprozesses – beginnend bei der Klienten- und Auftragsannahme – werden transparent dokumentiert und im Rahmen von regelmäßigen, sehr intensiven Quality Reviews einer Überprüfung unterzogen.
BFGjournal: Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich schwerpunktmäßig?
Linzner-Strasser: Aktuell widme ich mich vor allem der Implementierung digitaler Lösungen zur UnterstĂĽtzung von Steuerabteilungen. Schwerpunkte sind die aktuellen Herausforderungen fĂĽr Unternehmen und Konzerne, insbesondere die neuen Regelungen der HinzuÂrechnungsbesteuerung und die EinfĂĽhrung von Steuerkontrollsystemen.
BFGjournal: Sie werden am 7. Mai 2019 im Rahmen des Lindecampus-Lehrgangs „Zertifizierte/r Tax Compliance Manager/in“ vortragen. Welches Ziel bzw welches Anliegen verfolgen Sie dabei?
Linzner-Strasser: Der von Gerhard Steiner geleitete Lehrgang soll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Unternehmen einen Ăśberblick ĂĽber die Anforderungen an die Tax Compliance geben, dh die steuerÂrechtlichen Regeln einzuhalten, das Risiko vorausschauend zu minimieren und gleichzeitig die Steuerquote zu optimieren. Neben der Tax-Compliance-Konferenz werden in einer Reihe von Modulen – zB zum Thema UmsatzÂsteuer und FinanzstrafÂrecht oder Tax Controversy Management – die wesentlichen Tax-Compliance-Themen bis zu den Grenzen der steuerlichen Gestaltungsfreiheit in – nach meiner Erfahrung – angeregter Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern behandelt.
BFGjournal: Sie sind vielfache Fachautorin. Ein Buch ist mir besonders aufgefallen: „KĂĽnstler und Sportler im nationalen und internationalen SteuerÂrecht“ (2011 im Linde Verlag 2011 erschienen). Was waren die BeweggrĂĽnde fĂĽr dieses Buch? Haben Sie – auch auĂźerhalb des SteuerÂrechts – eine besondere Affinität fĂĽr Kunst und Sport?
Linzner-Strasser: Ja, ich habe tatsächlich eine besondere Affinität für Kunst, insbesondere für klassische Musik. So genieße ich dank meiner Abos zahlreiche Aufführungen im Musikverein und in der Oper. Ich bin glücklich, dieses Hobby auch mit meinem Beruf verbinden zu können. So betreue ich etwa auch Musiker, vom Einzelkünstler bis hin zum Orchester. Die mit einer weltweiten künstlerischen und sportlichen Tätigkeit verbundenen Steuerfragen sind sehr spannend, aber nicht immer so leicht und kompakt zu klären. Daher habe ich auch gerne an diesem Buch mitgeschrieben. Meine Affinität für Sport in Form von aktiver Betätigung könnte allerdings noch intensiviert werden.
1) Mein Ziel fĂĽr heuer ist?
Ich habe zwar nach wie vor nicht vor, meine sportlichen Ambitionen auf das Niveau meiner Zeit fĂĽr Kunstgenuss anzuheben, aber mehr Sport als bisher habe ich mir jedenfalls vorgenommen.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Who Moved My Cheese“ von Spencer Johnson.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… die Natur zu erleben.
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
… Königin Rania von Jordanien.
5) Nach der Arbeit …
… kein Fernseher und kein PC, am liebsten im Konzert sitzend.
1 Vgl auch Brandl/Macho/Schrottmeyer/Vock (Hrsg), Begleitende Kontrolle, SWK-Spezial (2019).
2 SKS-PV, BGBl II 2018/340.
3 Vgl Zöchling/Dziurdz, Das Steuerkontrollsystem als große Chance für mehr Co-operative Tax Compliance in Österreich, SWK 26/2018, 1150 (1152).
4 AnwendungsÂerlass zu § 153 dAO vom 23. 5. 2016, IV A 3 – S 0324/15/10001.
5 Vgl Leitner/Brandl (Hrsg), FinanzstrafÂrechtliche Aspekte bei der begleitenden Kontrolle, in Brandl/Macho/Schrottmeyer/Vock (Hrsg), Begleitende Kontrolle, SWK-Spezial (2019) 147 (148).
6 Vgl Zöchling/Dziurdz, SWK 26/2018, 1150 (1153).
7 Vgl auch SWK, Auf dem Weg zum „Finanzamt Österreich“, SWK 36/2018, 1558.