Mag. Maria Linzner-Strasser ist Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Unternehmens- und Konzernbesteuerung, Betriebsprüfungsverfahren, Konzernsteuer-Reporting, Digital Tax Tools und Tax Compliance sowie Leiterin Global Compliance and Reporting, Tax Accounting und Risk Advisory Services bei EY Österreich.
BFGjournal: Sie sind Expertin im Bereich der Betriebsprüfung. Mit 1. 1. 2019 startete die begleitende Kontrolle1 als in der BAO normiertes Nachfolgeinstrument des Horizontal Monitoring. Sie saßen dazu in der „Neigungsgruppe SKS“ im BMF. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Erwarten Sie viele Anträge vonseiten der Steuerberatung? Welche Benefits gibt es für Unternehmen? Was hat sich im Vergleich zum Pilotversuch geändert?
Linzner-Strasser: Die österreichische Finanzverwaltung hat damit ein zukunftsgerichtetes Instrument geschaffen, für das nunmehr die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Form von § 153a bis g BAO vorliegen. Ganz wesentlich ist auch die erlassene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Prüfung des Steuerkontrollsystems (SKS-Prüfungsverordnung). 2 Das Ergebnis ist jedenfalls sehr positiv. Aus der praktischen Anwendung hat sich wohl noch der eine oder andere Bedarf einer Nachjustierung gezeigt.
Abgesehen von den Pilotfällen wird es aber für die meisten Interessenten aufgrund der bereits bei Antragstellung zu erfüllenden Voraussetzung eines von einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer begutachteten Steuerkontrollsystems und des vorgegebenen Verfahrensablaufs kurzfristig noch gar nicht möglich sein, in den Live-Betrieb der begleitenden Kontrolle einzutreten. Man wird damit daher erst in einigen Jahren eine breitere Erfahrung der Unternehmen haben. Derzeit ist jedenfalls noch kein Massenansturm für die begleitende Kontrolle festzustellen, und das ist auch nicht unbedingt zu erwarten. Viele sind in einer Warteposition und starten zunächst einmal mit der Implementierung eines Steuerkontrollsystems. Dieses ist zwar mit einem nicht zu unterschätzenden Zeit- und Ressourcenaufwand verbunden, stellt aber bei Funktionieren gleichzeitig einen Benefit der begleitenden Kontrolle dar. Weitere positive Effekte sind die Planungs- und Rechtssicherheit sowie der Entfall einer Ex-post-Aufbereitung für teilweise weit zurückliegende Jahre.
Anders im Vergleich zum Pilotprojekt sind insbesondere das nunmehr gesetzlich geregelte, strukturierte Verfahren über FinanzOnline und das Erfordernis, ein Steuerkontrollsystem bereits bei Antragstellung mit einem Gutachten nachweisen zu müssen.
BFGjournal: Bietet sich die begleitende Kontrolle als Alternative zur Betriebsprüfung an? Wird sie mittelfristig gar die klassische Betriebsprüfung ablösen?
Linzner-Strasser: Die begleitende Kontrolle ist definitiv eine Alternative für jene Unternehmen, die Compliance, Trust und Transparenz leben, die in der BAO vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen und denen Rechtsicherheit und Planbarkeit wichtig sind. Gerade bei börsenotierten Konzernen sollten Überraschungen im Steuerbereich in Form von Betriebsprüfungsnachzahlungen, für die im Konzernabschluss nicht vorgesorgt war, nicht vorkommen. Prior Year Adjustments in der Überleitungsrechnung nach IFRS fallen einem Bilanzleser und Analysten immer sehr negativ auf und werden dahingehend interpretiert, dass das Unternehmen seine Steuern nicht im Griff hat. Dennoch gibt es in diesem Unternehmenssegment jene, die bedauern, die begleitende Kontrolle nicht in Anspruch nehmen zu können, weil die Entscheidungen im Konzern in einem schnelllebigen Marktumfeld kurzfristig fallen und das Quartalsmeeting mit dem Prüfer der Finanzverwaltung nicht abgewartet werden kann.
Eine Ablöse der klassischen Betriebsprüfung erwarte ich nicht. Die Finanzverwaltung hat damit nun zwei Modelle im Angebot. Für Unternehmen, die die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die kein Steuerkontrollsystem einrichten und leben können, wird die klassische Betriebsprüfung weiterhin notwendig sein. Auch aufgrund der begrenzten Ressourcen der Finanzverwaltung wird die begleitende Kontrolle sicherlich nicht zum Massenphänomen. 3
BFGjournal: Die begleitende Kontrolle gilt für Großunternehmen (zB Umsatzerlöse gemäß § 189a Z 5 UGB von mehr als 40 Mio Euro; vgl § 153b Abs 4 Z 3 BAO), nicht jedoch für KMUs. Sehen Sie das als Nachteil bzw könnte eine schiefe Optik dahingehend entstehen, dass es sich Großbetriebe richten können?
Linzner-Strasser: Leider gab es im Zuge der Einführung mit dem Jahressteuergesetz 2018 Medienberichte in diese Richtung. Es entstand dabei der falsche Eindruck, dass hier ein Zuckerl für Großunternehmen verteilt würde und diese in Zukunft von Betriebsprüfungen verschont bleiben würden. Nicht erwähnt wurde, welche erheblichen Leistungen und welchen laufenden Aufwand (Stichwort SKS) die Unternehmen erbringen müssen, um an der begleitenden Kontrolle teilnehmen zu können. Auch vom erforderlichen Bekenntnis zur Steuerehrlichkeit, von der steuerlichen Zuverlässigkeit und der erweiterten Offenlegungsverpflichtung wurde nicht berichtet.
BFGjournal: Die Anforderungen an ein Steuerkontrollsystem (vgl § 153 Abs 6 BAO) werden nun durch die SKS-Prüfungsverordnung näher konkretisiert. Zur Gewährleistung einheitlicher Vorgehensweisen, hinreichender Qualitätsstandards und einer Vergleichbarkeit der Gutachten über ein Steuerkontrollsystem haben der Fachsenat für Unternehmensrecht und Revision und der Fachsenat für Steuerrecht der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die Ausarbeitung eines Fachgutachtens in Angriff genommen. Wie werden die Standards aussehen?
Linzner-Strasser: Die Arbeit am Fachgutachten wurde in der interdisziplinären Arbeitsgruppe im November 2018 begonnen. Ziel ist es, dem Berufsstand das Fachgutachten rechtzeitig für die ersten Gutachten über das Steuerkontrollsystem gemäß § 153b Abs 2 Z 4 BAO, die die Teilnehmer des Pilotprojekts zur nahtlosen Überführung in die begleitende Kontrolle bis 30. 6. 2019 als wesentlichen Teil des Antrags einbringen müssen, zur Verfügung zu stellen. Das ist ein ambitionierter Zeitplan. Die geführten Diskussionen sind sehr konstruktiv und spannend. Die detaillierte Ausarbeitung der Standards bleibt abzuwarten.
BFGjournal: Ist es für Unternehmen auch abseits der begleitenden Kontrolle ratsam, ein Steuerkontrollsystem einzurichten? Welche Vorteile können daraus entstehen?
Linzner-Strasser: Ein Steuerkontrollsystem lohnt sich definitiv. Derzeit stellen wir in Gesprächen mit Unternehmen fest, dass viele mit der Entscheidung zuwarten, ob ein Wechsel in die begleitende Kontrolle beantragt werden soll. Sehr viele haben die Entscheidung aber bereits getroffen, in jedem Fall ein Steuerkontrollsystem einzurichten, auch solche Unternehmen, die eine begleitende Kontrolle aus welchen Gründen auch immer kurz- oder mittelfristig gar nicht in Betracht ziehen.
Ein Steuerkontrollsystem stellt zB in finanzstrafrechtlicher Hinsicht ein Instrument zur Prävention dar. So kann ein Tax-Compliance-Managementsystem nach einem Anwendungserlass der deutschen Finanzverwaltung 4 ein Indiz gegen das Vorliegen eines finanzstrafrechtlich relevanten Tatbestands sein und damit die entscheidende rettende Brücke zwischen einer einfachen Korrektur einer Steuererklärung und einem Selbstanzeigeerfordernis bilden. Die Enthaftung von Organen ist ein wesentliches Kriterium, weil Personen, die abgabenrechtliche Pflichten im Rahmen eines Steuerkontrollsystems zulässig delegieren, keine Verletzung der Überwachungs- und Kontrollpflichten vorgeworfen werden kann, sollte es dennoch zu Pflichtverstößen kommen. 5
Auch eine vergleichbare Erlassregelung der österreichischen Finanzverwaltung ist ein Anliegen der Steuerpflichtigen. Konsequenz des Erlasses in Deutschland war und ist, dass die Unternehmen nahezu massenhaft ein Tax-Compliance-Managementsystem einführ(t)en, obwohl es dafür keine eine gesetzliche Verankerung gibt. Ein Steuerkontrollsystem wird jedenfalls wesentlich zur Steigerung von Qualität und Effizienz, zur Standardisierung von Abläufen und dadurch auch zur Nutzung von Automatisierungs- und Digitalisierungsmöglichkeiten sowie zur Minimierung von Risiken bei wesentlichen Prozessen beitragen. Vor diesem Hintergrund ist es ein Anliegen, für Unternehmen, die freiwillig ein effektives Steuerkontrollsystem einrichten und zertifizieren lassen, Anreize in Form von Verwaltungsvereinfachungen zu schaffen. 6 Es ist auch damit zu rechnen, dass ein vorhandenes Steuerkontrollsystem bei künftigen herkömmlichen Betriebsprüfungen eine wichtige Rolle im Hinblick auf Erwartungshaltung, Prüfungsplanung und ‑abwicklung spielen wird.
BFGjournal: Noch in der Planungsphase befindet sich die automatische Veranlagung (insbesondere für KMUs), durch die die technische Möglichkeit zur Übermittlung von Daten des Rechnungswesens für eine digitale Prüfung geschaffen werden soll (Standard Audit File-Tax (SAF-T). Für einen derartigen Datenaustausch ist gegenseitiges Vertrauen notwendig. Wie sehen Sie das?
Linzner-Strasser: Da stimme ich zu. Ich frage mich manchmal, ob wir in zehn Jahren überhaupt noch Steuererklärungen für Unternehmen abgeben werden müssen oder die Finanzverwaltung nicht ohnehin schon alle Daten haben wird, um die Steuern automatisch festsetzen zu können. Ansätze für derartige Entwicklungen können wir bereits weltweit beobachten. Generell nutzen Finanzverwaltungen die digitalen Entwicklungen, und es wird ein starker Fokus auf die Beinahe-Echtzeit-Übermittlung von Finanz- und Buchhaltungsdaten gelegt. Vertrauen spielt hier natürlich eine wesentliche Rolle.
BFGjournal: Die Finanzverwaltung steht vor einem großen organisatorischen Umbruch: Stichwort Finanzamt Österreich.7 Wie schätzen Sie die geplante Reform aus Sicht der Beratung ein?
Linzner-Strasser: Die Details sind meines Wissens erst in Ausarbeitung, aber alles, was in Richtung Effizienz und Beschleunigung der Steuerverfahren geht, ist aus Sicht der Beratung zu begrüßen.
BFGjournal: Nun zu Ihrer Beratungstätigkeit. Sie sind Spezialistin im Bereich Konzernsteuer-Reporting in einer der Big-Four-Kanzleien. Qualität und Transparenz wird hier großgeschrieben. Können Sie darüber Näheres berichten?
Linzner-Strasser: Ich bin im Rahmen unserer Organisation auch Tax Quality Coordinator für Österreich. Wir haben hier weltweit geltende Regeln, die uns bei der Arbeit unterstützen und ein strukturiertes Vorgehen ermöglichen sollen. Alle Schritte des Arbeitsprozesses – beginnend bei der Klienten- und Auftragsannahme – werden transparent dokumentiert und im Rahmen von regelmäßigen, sehr intensiven Quality Reviews einer Überprüfung unterzogen.
BFGjournal: Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich schwerpunktmäßig?
Linzner-Strasser: Aktuell widme ich mich vor allem der Implementierung digitaler Lösungen zur Unterstützung von Steuerabteilungen. Schwerpunkte sind die aktuellen Herausforderungen für Unternehmen und Konzerne, insbesondere die neuen Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung und die Einführung von Steuerkontrollsystemen.
BFGjournal: Sie werden am 7. Mai 2019 im Rahmen des Lindecampus-Lehrgangs „Zertifizierte/r Tax Compliance Manager/in“ vortragen. Welches Ziel bzw welches Anliegen verfolgen Sie dabei?
Linzner-Strasser: Der von Gerhard Steiner geleitete Lehrgang soll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Unternehmen einen Überblick über die Anforderungen an die Tax Compliance geben, dh die steuerrechtlichen Regeln einzuhalten, das Risiko vorausschauend zu minimieren und gleichzeitig die Steuerquote zu optimieren. Neben der Tax-Compliance-Konferenz werden in einer Reihe von Modulen – zB zum Thema Umsatzsteuer und Finanzstrafrecht oder Tax Controversy Management – die wesentlichen Tax-Compliance-Themen bis zu den Grenzen der steuerlichen Gestaltungsfreiheit in – nach meiner Erfahrung – angeregter Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern behandelt.
BFGjournal: Sie sind vielfache Fachautorin. Ein Buch ist mir besonders aufgefallen: „Künstler und Sportler im nationalen und internationalen Steuerrecht“ (2011 im Linde Verlag 2011 erschienen). Was waren die Beweggründe für dieses Buch? Haben Sie – auch außerhalb des Steuerrechts – eine besondere Affinität für Kunst und Sport?
Linzner-Strasser: Ja, ich habe tatsächlich eine besondere Affinität für Kunst, insbesondere für klassische Musik. So genieße ich dank meiner Abos zahlreiche Aufführungen im Musikverein und in der Oper. Ich bin glücklich, dieses Hobby auch mit meinem Beruf verbinden zu können. So betreue ich etwa auch Musiker, vom Einzelkünstler bis hin zum Orchester. Die mit einer weltweiten künstlerischen und sportlichen Tätigkeit verbundenen Steuerfragen sind sehr spannend, aber nicht immer so leicht und kompakt zu klären. Daher habe ich auch gerne an diesem Buch mitgeschrieben. Meine Affinität für Sport in Form von aktiver Betätigung könnte allerdings noch intensiviert werden.
1) Mein Ziel für heuer ist?
Ich habe zwar nach wie vor nicht vor, meine sportlichen Ambitionen auf das Niveau meiner Zeit für Kunstgenuss anzuheben, aber mehr Sport als bisher habe ich mir jedenfalls vorgenommen.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Who Moved My Cheese“ von Spencer Johnson.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… die Natur zu erleben.
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
… Königin Rania von Jordanien.
5) Nach der Arbeit …
… kein Fernseher und kein PC, am liebsten im Konzert sitzend.
1Vgl auch Brandl/Macho/Schrottmeyer/Vock (Hrsg), Begleitende Kontrolle, SWK-Spezial (2019).
Mag. Maria Linzner-Strasser ist Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Unternehmens- und Konzernbesteuerung, Betriebsprüfungsverfahren, Konzernsteuer-Reporting, Digital Tax Tools und Tax Compliance sowie Leiterin Global Compliance and Reporting, Tax Accounting und Risk Advisory Services bei EY Österreich.
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BFGjournal: Sie sind Expertin im Bereich der Betriebsprüfung. Mit 1. 1. 2019 startete die begleitende Kontrolle 1 als in der BAO normiertes Nachfolgeinstrument des Horizontal Monitoring. Sie saßen dazu in der „Neigungsgruppe SKS“ im BMF. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Erwarten Sie viele Anträge vonseiten der Steuerberatung? Welche Benefits gibt es für Unternehmen? Was hat sich im Vergleich zum Pilotversuch geändert?
Linzner-Strasser: Die österreichische Finanzverwaltung hat damit ein zukunftsgerichtetes Instrument geschaffen, für das nunmehr die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Form von § 153a bis g BAO vorliegen. Ganz wesentlich ist auch die erlassene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Prüfung des Steuerkontrollsystems (SKS-Prüfungsverordnung). 2 Das Ergebnis ist jedenfalls sehr positiv. Aus der praktischen Anwendung hat sich wohl noch der eine oder andere Bedarf einer Nachjustierung gezeigt.
Abgesehen von den Pilotfällen wird es aber für die meisten Interessenten aufgrund der bereits bei Antragstellung zu erfüllenden Voraussetzung eines von einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer begutachteten Steuerkontrollsystems und des vorgegebenen Verfahrensablaufs kurzfristig noch gar nicht möglich sein, in den Live-Betrieb der begleitenden Kontrolle einzutreten. Man wird damit daher erst in einigen Jahren eine breitere Erfahrung der Unternehmen haben. Derzeit ist jedenfalls noch kein Massenansturm für die begleitende Kontrolle festzustellen, und das ist auch nicht unbedingt zu erwarten. Viele sind in einer Warteposition und starten zunächst einmal mit der Implementierung eines Steuerkontrollsystems. Dieses ist zwar mit einem nicht zu unterschätzenden Zeit- und Ressourcenaufwand verbunden, stellt aber bei Funktionieren gleichzeitig einen Benefit der begleitenden Kontrolle dar. Weitere positive Effekte sind die Planungs- und Rechtssicherheit sowie der Entfall einer Ex-post-Aufbereitung für teilweise weit zurückliegende Jahre.
Anders im Vergleich zum Pilotprojekt sind insbesondere das nunmehr gesetzlich geregelte, strukturierte Verfahren über FinanzOnline und das Erfordernis, ein Steuerkontrollsystem bereits bei Antragstellung mit einem Gutachten nachweisen zu müssen.
BFGjournal: Bietet sich die begleitende Kontrolle als Alternative zur Betriebsprüfung an? Wird sie mittelfristig gar die klassische Betriebsprüfung ablösen?
Linzner-Strasser: Die begleitende Kontrolle ist definitiv eine Alternative für jene Unternehmen, die Compliance, Trust und Transparenz leben, die in der BAO vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen und denen Rechtsicherheit und Planbarkeit wichtig sind. Gerade bei börsenotierten Konzernen sollten Überraschungen im Steuerbereich in Form von Betriebsprüfungsnachzahlungen, für die im Konzernabschluss nicht vorgesorgt war, nicht vorkommen. Prior Year Adjustments in der Überleitungsrechnung nach IFRS fallen einem Bilanzleser und Analysten immer sehr negativ auf und werden dahingehend interpretiert, dass das Unternehmen seine Steuern nicht im Griff hat. Dennoch gibt es in diesem Unternehmenssegment jene, die bedauern, die begleitende Kontrolle nicht in Anspruch nehmen zu können, weil die Entscheidungen im Konzern in einem schnelllebigen Marktumfeld kurzfristig fallen und das Quartalsmeeting mit dem Prüfer der Finanzverwaltung nicht abgewartet werden kann.
Eine Ablöse der klassischen Betriebsprüfung erwarte ich nicht. Die Finanzverwaltung hat damit nun zwei Modelle im Angebot. Für Unternehmen, die die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die kein Steuerkontrollsystem einrichten und leben können, wird die klassische Betriebsprüfung weiterhin notwendig sein. Auch aufgrund der begrenzten Ressourcen der Finanzverwaltung wird die begleitende Kontrolle sicherlich nicht zum Massenphänomen. 3
BFGjournal: Die begleitende Kontrolle gilt für Großunternehmen (zB Umsatzerlöse gemäß § 189a Z 5 UGB von mehr als 40 Mio Euro; vgl § 153b Abs 4 Z 3 BAO), nicht jedoch für KMUs. Sehen Sie das als Nachteil bzw könnte eine schiefe Optik dahingehend entstehen, dass es sich Großbetriebe richten können?
Linzner-Strasser: Leider gab es im Zuge der Einführung mit dem Jahressteuergesetz 2018 Medienberichte in diese Richtung. Es entstand dabei der falsche Eindruck, dass hier ein Zuckerl für Großunternehmen verteilt würde und diese in Zukunft von Betriebsprüfungen verschont bleiben würden. Nicht erwähnt wurde, welche erheblichen Leistungen und welchen laufenden Aufwand (Stichwort SKS) die Unternehmen erbringen müssen, um an der begleitenden Kontrolle teilnehmen zu können. Auch vom erforderlichen Bekenntnis zur Steuerehrlichkeit, von der steuerlichen Zuverlässigkeit und der erweiterten Offenlegungsverpflichtung wurde nicht berichtet.
BFGjournal: Die Anforderungen an ein Steuerkontrollsystem (vgl § 153 Abs 6 BAO) werden nun durch die SKS-Prüfungsverordnung näher konkretisiert. Zur Gewährleistung einheitlicher Vorgehensweisen, hinreichender Qualitätsstandards und einer Vergleichbarkeit der Gutachten über ein Steuerkontrollsystem haben der Fachsenat für Unternehmensrecht und Revision und der Fachsenat für Steuerrecht der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die Ausarbeitung eines Fachgutachtens in Angriff genommen. Wie werden die Standards aussehen?
Linzner-Strasser: Die Arbeit am Fachgutachten wurde in der interdisziplinären Arbeitsgruppe im November 2018 begonnen. Ziel ist es, dem Berufsstand das Fachgutachten rechtzeitig für die ersten Gutachten über das Steuerkontrollsystem gemäß § 153b Abs 2 Z 4 BAO, die die Teilnehmer des Pilotprojekts zur nahtlosen Überführung in die begleitende Kontrolle bis 30. 6. 2019 als wesentlichen Teil des Antrags einbringen müssen, zur Verfügung zu stellen. Das ist ein ambitionierter Zeitplan. Die geführten Diskussionen sind sehr konstruktiv und spannend. Die detaillierte Ausarbeitung der Standards bleibt abzuwarten.
BFGjournal: Ist es für Unternehmen auch abseits der begleitenden Kontrolle ratsam, ein Steuerkontrollsystem einzurichten? Welche Vorteile können daraus entstehen?
Linzner-Strasser: Ein Steuerkontrollsystem lohnt sich definitiv. Derzeit stellen wir in Gesprächen mit Unternehmen fest, dass viele mit der Entscheidung zuwarten, ob ein Wechsel in die begleitende Kontrolle beantragt werden soll. Sehr viele haben die Entscheidung aber bereits getroffen, in jedem Fall ein Steuerkontrollsystem einzurichten, auch solche Unternehmen, die eine begleitende Kontrolle aus welchen Gründen auch immer kurz- oder mittelfristig gar nicht in Betracht ziehen.
Ein Steuerkontrollsystem stellt zB in finanzstrafrechtlicher Hinsicht ein Instrument zur Prävention dar. So kann ein Tax-Compliance-Managementsystem nach einem Anwendungserlass der deutschen Finanzverwaltung 4 ein Indiz gegen das Vorliegen eines finanzstrafrechtlich relevanten Tatbestands sein und damit die entscheidende rettende Brücke zwischen einer einfachen Korrektur einer Steuererklärung und einem Selbstanzeigeerfordernis bilden. Die Enthaftung von Organen ist ein wesentliches Kriterium, weil Personen, die abgabenrechtliche Pflichten im Rahmen eines Steuerkontrollsystems zulässig delegieren, keine Verletzung der Überwachungs- und Kontrollpflichten vorgeworfen werden kann, sollte es dennoch zu Pflichtverstößen kommen. 5
Auch eine vergleichbare Erlassregelung der österreichischen Finanzverwaltung ist ein Anliegen der Steuerpflichtigen. Konsequenz des Erlasses in Deutschland war und ist, dass die Unternehmen nahezu massenhaft ein Tax-Compliance-Managementsystem einführ(t)en, obwohl es dafür keine eine gesetzliche Verankerung gibt. Ein Steuerkontrollsystem wird jedenfalls wesentlich zur Steigerung von Qualität und Effizienz, zur Standardisierung von Abläufen und dadurch auch zur Nutzung von Automatisierungs- und Digitalisierungsmöglichkeiten sowie zur Minimierung von Risiken bei wesentlichen Prozessen beitragen. Vor diesem Hintergrund ist es ein Anliegen, für Unternehmen, die freiwillig ein effektives Steuerkontrollsystem einrichten und zertifizieren lassen, Anreize in Form von Verwaltungsvereinfachungen zu schaffen. 6 Es ist auch damit zu rechnen, dass ein vorhandenes Steuerkontrollsystem bei künftigen herkömmlichen Betriebsprüfungen eine wichtige Rolle im Hinblick auf Erwartungshaltung, Prüfungsplanung und ‑abwicklung spielen wird.
BFGjournal: Noch in der Planungsphase befindet sich die automatische Veranlagung (insbesondere für KMUs), durch die die technische Möglichkeit zur Übermittlung von Daten des Rechnungswesens für eine digitale Prüfung geschaffen werden soll (Standard Audit File-Tax (SAF-T). Für einen derartigen Datenaustausch ist gegenseitiges Vertrauen notwendig. Wie sehen Sie das?
Linzner-Strasser: Da stimme ich zu. Ich frage mich manchmal, ob wir in zehn Jahren überhaupt noch Steuererklärungen für Unternehmen abgeben werden müssen oder die Finanzverwaltung nicht ohnehin schon alle Daten haben wird, um die Steuern automatisch festsetzen zu können. Ansätze für derartige Entwicklungen können wir bereits weltweit beobachten. Generell nutzen Finanzverwaltungen die digitalen Entwicklungen, und es wird ein starker Fokus auf die Beinahe-Echtzeit-Übermittlung von Finanz- und Buchhaltungsdaten gelegt. Vertrauen spielt hier natürlich eine wesentliche Rolle.
BFGjournal: Die Finanzverwaltung steht vor einem großen organisatorischen Umbruch: Stichwort Finanzamt Österreich. 7 Wie schätzen Sie die geplante Reform aus Sicht der Beratung ein?
Linzner-Strasser: Die Details sind meines Wissens erst in Ausarbeitung, aber alles, was in Richtung Effizienz und Beschleunigung der Steuerverfahren geht, ist aus Sicht der Beratung zu begrüßen.
BFGjournal: Nun zu Ihrer Beratungstätigkeit. Sie sind Spezialistin im Bereich Konzernsteuer-Reporting in einer der Big-Four-Kanzleien. Qualität und Transparenz wird hier großgeschrieben. Können Sie darüber Näheres berichten?
Linzner-Strasser: Ich bin im Rahmen unserer Organisation auch Tax Quality Coordinator für Österreich. Wir haben hier weltweit geltende Regeln, die uns bei der Arbeit unterstützen und ein strukturiertes Vorgehen ermöglichen sollen. Alle Schritte des Arbeitsprozesses – beginnend bei der Klienten- und Auftragsannahme – werden transparent dokumentiert und im Rahmen von regelmäßigen, sehr intensiven Quality Reviews einer Überprüfung unterzogen.
BFGjournal: Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich schwerpunktmäßig?
Linzner-Strasser: Aktuell widme ich mich vor allem der Implementierung digitaler Lösungen zur Unterstützung von Steuerabteilungen. Schwerpunkte sind die aktuellen Herausforderungen für Unternehmen und Konzerne, insbesondere die neuen Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung und die Einführung von Steuerkontrollsystemen.
BFGjournal: Sie werden am 7. Mai 2019 im Rahmen des Lindecampus-Lehrgangs „Zertifizierte/r Tax Compliance Manager/in“ vortragen. Welches Ziel bzw welches Anliegen verfolgen Sie dabei?
Linzner-Strasser: Der von Gerhard Steiner geleitete Lehrgang soll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Unternehmen einen Überblick über die Anforderungen an die Tax Compliance geben, dh die steuerrechtlichen Regeln einzuhalten, das Risiko vorausschauend zu minimieren und gleichzeitig die Steuerquote zu optimieren. Neben der Tax-Compliance-Konferenz werden in einer Reihe von Modulen – zB zum Thema Umsatzsteuer und Finanzstrafrecht oder Tax Controversy Management – die wesentlichen Tax-Compliance-Themen bis zu den Grenzen der steuerlichen Gestaltungsfreiheit in – nach meiner Erfahrung – angeregter Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern behandelt.
BFGjournal: Sie sind vielfache Fachautorin. Ein Buch ist mir besonders aufgefallen: „Künstler und Sportler im nationalen und internationalen Steuerrecht“ (2011 im Linde Verlag 2011 erschienen). Was waren die Beweggründe für dieses Buch? Haben Sie – auch außerhalb des Steuerrechts – eine besondere Affinität für Kunst und Sport?
Linzner-Strasser: Ja, ich habe tatsächlich eine besondere Affinität für Kunst, insbesondere für klassische Musik. So genieße ich dank meiner Abos zahlreiche Aufführungen im Musikverein und in der Oper. Ich bin glücklich, dieses Hobby auch mit meinem Beruf verbinden zu können. So betreue ich etwa auch Musiker, vom Einzelkünstler bis hin zum Orchester. Die mit einer weltweiten künstlerischen und sportlichen Tätigkeit verbundenen Steuerfragen sind sehr spannend, aber nicht immer so leicht und kompakt zu klären. Daher habe ich auch gerne an diesem Buch mitgeschrieben. Meine Affinität für Sport in Form von aktiver Betätigung könnte allerdings noch intensiviert werden.
1) Mein Ziel für heuer ist?
Ich habe zwar nach wie vor nicht vor, meine sportlichen Ambitionen auf das Niveau meiner Zeit für Kunstgenuss anzuheben, aber mehr Sport als bisher habe ich mir jedenfalls vorgenommen.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Who Moved My Cheese“ von Spencer Johnson.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… die Natur zu erleben.
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
… Königin Rania von Jordanien.
5) Nach der Arbeit …
… kein Fernseher und kein PC, am liebsten im Konzert sitzend.
1 Vgl auch Brandl/Macho/Schrottmeyer/Vock (Hrsg), Begleitende Kontrolle, SWK-Spezial (2019).
2 SKS-PV, BGBl II 2018/340.
3 Vgl Zöchling/Dziurdz, Das Steuerkontrollsystem als große Chance für mehr Co-operative Tax Compliance in Österreich, SWK 26/2018, 1150 (1152).
4 Anwendungserlass zu § 153 dAO vom 23. 5. 2016, IV A 3 – S 0324/15/10001.
5 Vgl Leitner/Brandl (Hrsg), Finanzstrafrechtliche Aspekte bei der begleitenden Kontrolle, in Brandl/Macho/Schrottmeyer/Vock (Hrsg), Begleitende Kontrolle, SWK-Spezial (2019) 147 (148).
6 Vgl Zöchling/Dziurdz, SWK 26/2018, 1150 (1153).
7 Vgl auch SWK, Auf dem Weg zum „Finanzamt Österreich“, SWK 36/2018, 1558.