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Gruppenbesteuerung: Weiterlaufen der Firmenwertabschreibung für bis zum 28. Februar 2014 erworbene EU-Auslandsbeteiligungen in Perioden ab 2014 ff

(Bild: © iStock/nadia_bormotova) (Bild: © iStock/nadia_bormotova)

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat mit Erkenntnis vom 19.3.2021, RV/7103647/2019, entschieden, dass die Firmenwertabschreibung (FW-Afa) für bis zum 28. Februar 2014 erworbene EU-Auslandsbeteiligungen in den Perioden ab dem Jahr 2014 und folgende auch bei bloß potenzieller Kaufpreisrelevanz der FW-Afa zusteht. Dies stellt eine Abkehr von der bisherigen Verwaltungspraxis dar.

1 Ausgangslage

Für die Beteiligung an inländischen Gruppenmitgliedern war bis 28. Februar 2014 eine FW-Afa auf 15 Jahre verteilt vorgesehen (§ 9 Abs 7 KStG idF vor AbgÄG 2014). Für Beteiligungserwerbe ab dem 1. März 2014 hat der Gesetzgeber die FW-Afa mit dem AbgÄG 2014 zur Gänze abgeschafft. Auslöser dafür war ein Rechtsstreit zur Frage, ob die FW-Afa aus unionsrechtlichen Gründen auch für EU-Auslandsbeteiligungen zu gewähren ist. Diese Frage wurde von den Höchstgerichten letztlich bejaht (EuGH 6.10.2015, C-66/14, Rs Finanzamt Linz; VwGH 10.2.2016, 2015/15/0001).

Für bis zum 28. Februar 2014 getätigte Erwerbe (Altfälle) hat der Gesetzgeber aus Gründen des Vertrauensschutzes ein Weiterlaufen der FW-Afa bis zum Ende des jeweiligen Abschreibungszeitraums gewährt (Bestandsschutzregelung nach § 26c Z 47 KStG), wenn

  1. „sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte“ (kurz „Kaufpreisrelevanz“) und 
  2. „die Einbeziehung dieser Körperschaft in eine Unternehmensgruppe spätestens für ein Wirtschaftsjahr dieser Körperschaft erfolgt, das im Kalenderjahr 2015 endet“.

Das Weiterlaufen der FW-Afa bei EU-Auslandsbeteiligungen auf Basis der Bestandsschutzregelung hat die Finanzverwaltung von folgenden restriktiven und defacto unerfüllbaren Voraussetzungen abhängig gemacht (vgl BMF-Information vom 16. Juni 2016, BMF-010203/0178-VI/6/2016, Pkt 3 und KStR 2013 Rz 1110c): „Bei der Anschaffung von Beteiligungen an nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedern kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Firmenwertabschreibung im Kaufpreis der ausländischen Beteiligung Niederschlag fand, da für eine solche Beteiligung gesetzlich keine Firmenwertabschreibung vorgesehen war. Dadurch war eine Beeinflussung des Kaufpreises nicht möglich und folglich liegt kein Fall des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes vor. Dies gilt jedenfalls für all jene Fälle, in denen der Steuerpflichtige die Firmenwertabschreibung […] bei erstmaliger Abgabe der Steuererklärung für das Jahr der Einbeziehung in die Unternehmensgruppe nicht beantragt hat […].“

In einer aktuellen Entscheidung hat sich das BFG mit der Bestandsschutzregelung des § 26c Z 47 KStG auseinandergesetzt und diese restriktive Verwaltungspraxis verworfen. 

2 Der Fall

Die Beschwerdeführerin (Bf) (Gruppenträgerin) erwarb in den Jahren 2008, 2009 und 2013 sukzessive nahezu 100 % der Anteile einer im EU-Ausland ansässigen Gesellschaft (EU-Auslandsbeteiligung). Im Jahr 2015 wurde die EU-Auslandsbeteiligung in die steuerliche Unternehmensgruppe der Bf einbezogen.

Für die Jahre 2015, 2016 und 2017 wurde im Rahmen der Körperschaftsteuererklärungen eine FW-Afa hinsichtlich der EU-Auslandsbeteiligung geltend gemacht. Der Betrag setzte sich aus einer Abrechnung des Fünfzehntels auf Basis des Firmenwerts aus 2008 sowie der Fünfzehntel aus den Zuerwerben in den Jahren 2009 und 2013 zusammen. Die belangte Behörde versagte die FW-Afa und erließ entsprechende Feststellungsbescheide Gruppenträger 2015, 2016 und 2017. Gegen diese Feststellungsbescheid brachte die Bf das Rechtsmittel der Beschwerde beim BFG ein.

3 Entscheidung des BFG

Das BFG hält einleitend fest, dass offene Fünfzehntel für Beteiligungen, die vor dem 1. März 2014 angeschafft wurden, nur dann weiter zu berücksichtigen sind, wenn sich der steuerliche Vorteil aus der FW-Afa beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte (§ 26c Z 47 KStG). Der Wortlaut dieser Bestimmung stellt auf die abstrakte Möglichkeit einer Kaufpreisbeeinflussung ab. Dass, wie die Gesetzesmaterialien ausführen, nur dann „eine Beeinflussung des Kaufpreises überhaupt abstrakt möglich sein soll, wenn der Käufer „(zweifelsfrei) mit einer Zulässigkeit der FW-Afa rechnet“, ergibt sich aus diesem Wortlaut nicht. Es erscheint für das BFG auch angesichts des in den Gesetzesmaterialien angeführten verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes weder erforderlich noch zweckmäßig, das hochgradig unbestimmte Abstellen auf eine potenzielle Möglichkeit einer Kaufpreisrelevanz im Interpretationswege eng auszulegen, insbesondere dann, wenn eine solche Auslegung – wie vom BFG unter Verweis auf die herrschende Meinung im Schrifttum hervorgehoben – zu unionsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Primärrecht führt.

§ 26c Z 47 KStG bestimmt ferner nicht, in welchem Ausmaß eine (mögliche) Kaufpreisrelevanz erforderlich ist. Selbst geringste Beträge müssen also ausreichen. Letztlich kann sich auch der Umstand, dass keine FW-Afa möglich zu sein scheint, auf den Kaufpreis auswirken.

In weiter Folge führt das BFG unter Verweis auf die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hinsichtlich belastender nationaler Normen aus, „dass sich die, wenn auch noch vage, jedenfalls aber gegeben erscheinende Möglichkeit einer FW-Afa bereits auf Beteiligungserwerbe im EU-Ausland nach dem 31. Dezember 2004 zumindest geringfügig ausgewirkt haben kann.“ § 26c Z 47 KStG verlangt auch nur die bloße Möglichkeit einer Auswirkung  und nicht deren tatsächlichen Eintritt.

Noch viel mehr ist diese potenzielle Kaufpreisrelevanz für Beteiligungserwerbe anzunehmen, die, wie im gegenständlichen Fall, im Jahr 2008 und später erfolgten. Das oben angeführte VwGH-Erkenntnis vom 10.2.2016, 2015/15/0001 spricht über die Gruppenfeststellungsbescheide der dortigen Bf für die Jahre 2006 bis 2010 ab. Daraus ist erkennbar, dass es bereits entsprechende Streitfälle vor dem beschwerdegegenständlichen Jahr 2008 gegeben hat. Die Möglichkeit einer, wenn auch unter Umständen minimalen Kaufpreisrelevanz muss folglich vorhanden sein. Dass die Bf aus kaufmännischer Vorsicht mit der Einbeziehung der EU-Auslandsbeteiligungen in die Unternehmensgruppe bis nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 6.10.2015, C-66/14 Rs Finanzamt Linz zugewartet hat, ist für die Geltendmachung der Firmenwertabschreibung nicht schädlich, zumal weder § 9 Abs 7 noch § 26c Z 47 KStG diesbezügliche Ausschlussfristen enthalten.

Auch der Umstand, dass die Bf im BFG-Verfahren selbst vorbrachte, dass sich die FW-Afa auf den Kaufpreis nicht auswirken konnte, ist unschädlich und liegt daran, dass die Bf die Bestimmung – in Verkennung der Rechtslage – nach den Gesetzesmaterialien zum AbgÄG 2014 ausgelegt hat. Abweichend dazu und entsprechend dem vom BFG zugrunde gelegten Verständnis der Bestandsschutzregelung des § 26c Z 47 KStG ist davon auszugehen, dass eine potenzielle Kaufpreisrelevanz genügt und im Zusammenhang mit der FW-Afa für die beschwerdegegenständlichen Beteiligungserwerbe der Jahre 2008, 2009 und 2013 vorliegt.

Im Ergebnis erachtet das BFG die Voraussetzungen der Bestandsschutzregelung nach § 26c Z 47 KStG somit als gegeben, wenn im Erwerbszeitpunkt der EU-Auslandsbeteiligung eine bloß potenzielle Kaufpreisrelevanz bestand. Eine derartige Kaufpreisrelevanz ist laut BFG jedenfalls bei Erwerben im Jahr 2008 und später anzunehmenEiner tatsächlichen Auswirkung der FW-Afa auf den Kaufpreis bedarf es nicht. Ob das Finanzamt gegen die BFG-Entscheidung Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhebt, ist offen und bleibt mit Spannung abzuwarten.

4 Auswirkungen auf die Praxis

Auf Basis der oben angeführten BFG-Entscheidung ist die aktuelle Verwaltungspraxis zur Geltendmachung der FW-Afa bei EU-Auslandsbeteiligungen in den Perioden ab dem Jahr 2014 überholt. Bei Bestehen einer steuerlichen Unternehmensgruppe sollte die Möglichkeit der Geltendmachung einer FW-Afa für bis zum 28. Februar 2014 erworbene EU-Auslandsbeteiligungen im Lichte der neuen BFG-Rechtsprechung somit neu überprüft bzw bewertet werden.

Für noch nicht veranlagte Perioden kann die FW-Afa im Rahmen der Steuererklärung unter Verweis auf die oben angeführte BFG-Entscheidung – entgegen der Verwaltungspraxis – geltend gemacht werden. Für bereits veranlagte Perioden kann die FW-Afa – abhängig vom verfahrensrechtlichen Stadium – gegebenenfalls noch durch zielgerichtete verfahrensrechtliche Schritte nachgeholt werden. 

Gerne stehen Ihnen unsere Experten bei Fragen zur Verfügung und unterstützen Sie bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung.

Autoren:

Gebhard Furherr

Wirtschaftsprüfer | Steuerberater | allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger | Partner

Johannes Reiter

Steuerberater | zertifizierter Verfahrensrechtsexperte | Director

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