Dr. Atzmüller ist Fachexperte in der Sektion IV Steuerpolitik und Steuerrecht des Bundesministeriums für Finanzen. Nach langjähriger Tätigkeit in den Abteilungen für Lohnsteuer und Einkommen-/Körperschaftsteuer ist er nunmehr als Fachexperte tätig. Atzmüller ist ua Mitautor des von Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn herausgegebenen EStG-Kommentars sowie Verfasser zahlreicher Fachartikel. Nach dem Steuertag 2018, einer gemeinsamen Veranstaltung des Bundesministeriums für Finanzen und der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, baten wir ihn zum Interview.
BFGjournal: Sie sind in der Steuersektion des Bundesministeriums für Finanzen als „Fachexperte“ tätig? Worin besteht Ihr Aufgabengebiet?
Martin Atzmüller: Als Fachexperte habe ich materiell-rechtliche Aufgabengebiete, wie insbesondere steuerliche Fördermaßnahmen, Pauschalbesteuerung und Steuerberechnung. Darüber hinaus betreue ich die Schnittstelle der Sektion IV (Steuerrecht, Steuerpolitik) mit der Sektion I (Organisation, IT) und der Kommunikationsabteilung im Bundesministerium für Finanzen.
BFGjournal: Was kann man sich unter dieser „Schnittstellenbetreuung“ vorstellen?
Martin Atzmüller: Steuerlegistische Maßnahmen müssen im Interesse einer ressourcenschonenden Vollziehung immer auch in ihren konkreten Auswirkungen auf das Finanzressort beurteilt werden. Im Bundesministerium für Finanzen wird diesem Aspekt sowohl in der Legistik als auch in der Umsetzung neuer Regelungen eine hohe Bedeutung beigemessen. Dementsprechend sind Abstimmungsprozesse mit Organisation und EDV erforderlich. Damit hat sich mein Tätigkeitsfeld ein Stück weit von meiner eigentlichen Herkunft als Einkommensteuerrechtler in den operativen Bereich verschoben. Die automatische Datenübermittlung betreffend Sonderausgaben und die antragslose Arbeitnehmerveranlagung sind typische Beispiele für Umsetzungen, die nur in einer vernetzten Arbeitsweise zielführend erfolgen konnten, in der Steuerlegistik, Organisation, IT und Kommunikation auf einander abgestimmt tätig waren.
BFGjournal: Können Sie das näher erläutern?
Martin Atzmüller: Die automatische Datenübermittlung von Sonderausgaben bedeutet einen Systemwechsel, der die Finanzverwaltung, die betroffenen Organisationen und jeden, der Spenden oder Kirchenbeiträge absetzen möchte, betrifft. Angesichts einer Größenordnung von mehr als einer Million betroffenen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und geschätzten 6.000 betroffenen Organisationen hat diese Umstellung eine erhebliche Breitenwirkung. Die Einhaltung der hohen Standards in Bezug auf den Datenschutz erhöhte die Komplexität zudem.
Dementsprechend wurde für die Umsetzung ein Projekt im Bundesministerium für Finanzen aufgesetzt, in dem die Verantwortlichen aus Organisation, IT, Steuerrecht und Kommunikation unter Einbindung externer Mitbetroffener (Bundesministerium für Inneres) zusammengearbeitet haben. Die gemeinsame Erarbeitung der Prozessschritte hatte schließlich eine Rückkoppelung auf die Legistik, im Konkreten auf die Sonderausgaben -Datenübermittlungsverordnung.
BFGjournal: Sie haben die antragslose Arbeitnehmerveranlagung erwähnt: Welche Anforderungen bestanden hier für das Bundesministerium für Finanzen?
Martin Atzmüller: Mit der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung soll Personen, die sich ihre Steuergutschrift nicht im Wege der Arbeitnehmerveranlagung vom Finanzamt „abholen“, ein besonderer Service geboten werden, indem das Finanzamt die Veranlagung selbst (antragslos) durchführt und die Steuergutschrift refundiert. Die besondere Problematik besteht dabei darin, dass in derartigen Fällen Steuerbescheide auf einer „nicht gesicherten“ Grundlage ergehen, weil Informationen, die nur auf Grundlage einer Steuererklärung bekannt werden, notwendigerweise nicht berücksichtigt werden können.
Für wen sich zum Beispiel wegen unterjährig verschieden hoher nichtselbständiger Bezüge eine Steuergutschrift ergibt, wird nicht erfreut sein, wenn das Finanzamt einen Gutschriftsbescheid von Amts wegen erlässt, ohne zusätzlich angefallene Werbungskosten zu berücksichtigen, die die Gutschrift noch höher machen würden. Es war daher eine besondere Herausforderung, Kriterien für diejenigen Fälle herauszufinden, bei denen die antragslose Veranlagung tatsächlich zur „richtigen“ Steuergutschrift und damit zu einer endgültigen Verfahrenserledigung führt. Das spiegelt sich nicht zuletzt auch im Gesetzestext wider.
Zudem stellt die amtswegige Erlassung von Arbeitnehmerveranlagungsbescheiden in Gutschriftsfällen Neuland dar. Bisher erfolgte eine amtswegige Arbeitnehmerveranlagung ja nur in Fällen einer Pflichtveranlagung. Die Geltendmachung einer Steuergutschrift war bislang der Antragstellung und Abgabe einer Steuererklärung vorbehalten. Demnach war es erforderlich, die Neuregelung entsprechend zu kommunizieren. Die Tatsache, dass mittlerweile zirka 850.000 Bescheide ergangen sind und die Anzahl der Rechtsmittel verschwindend gering ist, zeigt, dass es gelungen ist, das Projekt „antragslose Arbeitnehmerveranlagung“ gut umzusetzen.
BFGjournal: Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm zu einer effizienten kunden- bzw serviceorientierten Finanzverwaltung. Sehen Sie hier im Zusammenhang mit der Digitalisierung weitere Entwicklungspotenziale?
Martin Atzmüller: Die elektronische Sonderausgaben-Datenübermittlung und die antragslose Arbeitnehmerveranlagung sind Anwendungsfälle von Vereinfachungen, die möglich sind, weil veranlagungsrelevante Daten von Dritten beigesteuert werden, sodass der Betroffene selbst nicht mehr mitzuwirken braucht. Je weiter dieser Weg beschritten wird, umso mehr kann der Bürger entlastet werden. Zweifellos gibt es weitere Anwendungsfälle, in denen es möglich ist, Daten unmittelbar von der Quelle einzubeziehen.
Allerdings gilt es dabei immer zu beachten, dass dies für die betroffenen Akteure mit Mehraufwand verbunden ist, weil technische Übermittlungsschienen aufzubauen und zu administrieren sind. Jede Maßnahme steht daher immer in einem Spannungsfeld von Entlastungseffekten und einer Mehrbelastung für die von der Übermittlung Betroffenen.
BFGjournal: Zu Ihrem Tätigkeitsbereich gehört auch die steuerliche Forschungsförderung, die vor Kurzem für Wirtschaftsjahre ab 2018 auf 14 % angehoben wurde. Wird die Forschungsprämie von den in Betracht kommenden Unternehmen gut angenommen? Sind weitere Maßnahmen zu erwarten?
Martin Atzmüller: Die Forschungsprämie ist ein wichtiges Instrument der Forschungsförderung. Sie wird aufgrund ihrer Branchenoffenheit in der Breite der Unternehmen gut angenommen und ist in der internationalen Förderungslandschaft auch ein erhebliches Asset für Österreich. Mit der Einbindung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft wurde die Treffsicherheit erhöht und ein gutes, EDV-basiertes Begutachtungsverfahren eingeführt. Im Zuge der Wirkungsevaluierung der Forschungsprämie wurden aber auch Verbesserungspotenziale identifiziert. Dementsprechend ist durchaus mit weiteren Impulsen zu rechnen.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… alle Lieder aus dem Liederzyklus „Dichterliebe“ von Robert Schumann einzustudieren.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Tyll“ von Daniel Kehlmann.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… mich mit meiner Frau in der Natur zu bewegen (Wandern, Radfahren).
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
Franz von Assisi.
5) Nach der Arbeit …
… eile ich zum Zug und freue ich mich auf meine Familie.
Der ganze Artikel (BFGjournal 2018, 42) als PDF und bei Lindeonline.
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Dr. Atzmüller ist Fachexperte in der Sektion IV Steuerpolitik und Steuerrecht des Bundesministeriums für Finanzen. Nach langjähriger Tätigkeit in den Abteilungen für Lohnsteuer und Einkommen-/Körperschaftsteuer ist er nunmehr als Fachexperte tätig. Atzmüller ist ua Mitautor des von Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn herausgegebenen EStG-Kommentars sowie Verfasser zahlreicher Fachartikel. Nach dem Steuertag 2018, einer gemeinsamen Veranstaltung des Bundesministeriums für Finanzen und der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, baten wir ihn zum Interview.
BFGjournal: Sie sind in der Steuersektion des Bundesministeriums für Finanzen als „Fachexperte“ tätig? Worin besteht Ihr Aufgabengebiet?
Martin Atzmüller: Als Fachexperte habe ich materiell-rechtliche Aufgabengebiete, wie insbesondere steuerliche Fördermaßnahmen, Pauschalbesteuerung und Steuerberechnung. Darüber hinaus betreue ich die Schnittstelle der Sektion IV (Steuerrecht, Steuerpolitik) mit der Sektion I (Organisation, IT) und der Kommunikationsabteilung im Bundesministerium für Finanzen.
BFGjournal: Was kann man sich unter dieser „Schnittstellenbetreuung“ vorstellen?
Martin Atzmüller: Steuerlegistische Maßnahmen müssen im Interesse einer ressourcenschonenden Vollziehung immer auch in ihren konkreten Auswirkungen auf das Finanzressort beurteilt werden. Im Bundesministerium für Finanzen wird diesem Aspekt sowohl in der Legistik als auch in der Umsetzung neuer Regelungen eine hohe Bedeutung beigemessen. Dementsprechend sind Abstimmungsprozesse mit Organisation und EDV erforderlich. Damit hat sich mein Tätigkeitsfeld ein Stück weit von meiner eigentlichen Herkunft als Einkommensteuerrechtler in den operativen Bereich verschoben. Die automatische Datenübermittlung betreffend Sonderausgaben und die antragslose Arbeitnehmerveranlagung sind typische Beispiele für Umsetzungen, die nur in einer vernetzten Arbeitsweise zielführend erfolgen konnten, in der Steuerlegistik, Organisation, IT und Kommunikation auf einander abgestimmt tätig waren.
BFGjournal: Können Sie das näher erläutern?
Martin Atzmüller: Die automatische Datenübermittlung von Sonderausgaben bedeutet einen Systemwechsel, der die Finanzverwaltung, die betroffenen Organisationen und jeden, der Spenden oder Kirchenbeiträge absetzen möchte, betrifft. Angesichts einer Größenordnung von mehr als einer Million betroffenen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und geschätzten 6.000 betroffenen Organisationen hat diese Umstellung eine erhebliche Breitenwirkung. Die Einhaltung der hohen Standards in Bezug auf den Datenschutz erhöhte die Komplexität zudem.
Dementsprechend wurde für die Umsetzung ein Projekt im Bundesministerium für Finanzen aufgesetzt, in dem die Verantwortlichen aus Organisation, IT, Steuerrecht und Kommunikation unter Einbindung externer Mitbetroffener (Bundesministerium für Inneres) zusammengearbeitet haben. Die gemeinsame Erarbeitung der Prozessschritte hatte schließlich eine Rückkoppelung auf die Legistik, im Konkreten auf die Sonderausgaben -Datenübermittlungsverordnung.
BFGjournal: Sie haben die antragslose Arbeitnehmerveranlagung erwähnt: Welche Anforderungen bestanden hier für das Bundesministerium für Finanzen?
Martin Atzmüller: Mit der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung soll Personen, die sich ihre Steuergutschrift nicht im Wege der Arbeitnehmerveranlagung vom Finanzamt „abholen“, ein besonderer Service geboten werden, indem das Finanzamt die Veranlagung selbst (antragslos) durchführt und die Steuergutschrift refundiert. Die besondere Problematik besteht dabei darin, dass in derartigen Fällen Steuerbescheide auf einer „nicht gesicherten“ Grundlage ergehen, weil Informationen, die nur auf Grundlage einer Steuererklärung bekannt werden, notwendigerweise nicht berücksichtigt werden können.
Für wen sich zum Beispiel wegen unterjährig verschieden hoher nichtselbständiger Bezüge eine Steuergutschrift ergibt, wird nicht erfreut sein, wenn das Finanzamt einen Gutschriftsbescheid von Amts wegen erlässt, ohne zusätzlich angefallene Werbungskosten zu berücksichtigen, die die Gutschrift noch höher machen würden. Es war daher eine besondere Herausforderung, Kriterien für diejenigen Fälle herauszufinden, bei denen die antragslose Veranlagung tatsächlich zur „richtigen“ Steuergutschrift und damit zu einer endgültigen Verfahrenserledigung führt. Das spiegelt sich nicht zuletzt auch im Gesetzestext wider.
Zudem stellt die amtswegige Erlassung von Arbeitnehmerveranlagungsbescheiden in Gutschriftsfällen Neuland dar. Bisher erfolgte eine amtswegige Arbeitnehmerveranlagung ja nur in Fällen einer Pflichtveranlagung. Die Geltendmachung einer Steuergutschrift war bislang der Antragstellung und Abgabe einer Steuererklärung vorbehalten. Demnach war es erforderlich, die Neuregelung entsprechend zu kommunizieren. Die Tatsache, dass mittlerweile zirka 850.000 Bescheide ergangen sind und die Anzahl der Rechtsmittel verschwindend gering ist, zeigt, dass es gelungen ist, das Projekt „antragslose Arbeitnehmerveranlagung“ gut umzusetzen.
BFGjournal: Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm zu einer effizienten kunden- bzw serviceorientierten Finanzverwaltung. Sehen Sie hier im Zusammenhang mit der Digitalisierung weitere Entwicklungspotenziale?
Martin Atzmüller: Die elektronische Sonderausgaben-Datenübermittlung und die antragslose Arbeitnehmerveranlagung sind Anwendungsfälle von Vereinfachungen, die möglich sind, weil veranlagungsrelevante Daten von Dritten beigesteuert werden, sodass der Betroffene selbst nicht mehr mitzuwirken braucht. Je weiter dieser Weg beschritten wird, umso mehr kann der Bürger entlastet werden. Zweifellos gibt es weitere Anwendungsfälle, in denen es möglich ist, Daten unmittelbar von der Quelle einzubeziehen.
Allerdings gilt es dabei immer zu beachten, dass dies für die betroffenen Akteure mit Mehraufwand verbunden ist, weil technische Übermittlungsschienen aufzubauen und zu administrieren sind. Jede Maßnahme steht daher immer in einem Spannungsfeld von Entlastungseffekten und einer Mehrbelastung für die von der Übermittlung Betroffenen.
BFGjournal: Zu Ihrem Tätigkeitsbereich gehört auch die steuerliche Forschungsförderung, die vor Kurzem für Wirtschaftsjahre ab 2018 auf 14 % angehoben wurde. Wird die Forschungsprämie von den in Betracht kommenden Unternehmen gut angenommen? Sind weitere Maßnahmen zu erwarten?
Martin Atzmüller: Die Forschungsprämie ist ein wichtiges Instrument der Forschungsförderung. Sie wird aufgrund ihrer Branchenoffenheit in der Breite der Unternehmen gut angenommen und ist in der internationalen Förderungslandschaft auch ein erhebliches Asset für Österreich. Mit der Einbindung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft wurde die Treffsicherheit erhöht und ein gutes, EDV-basiertes Begutachtungsverfahren eingeführt. Im Zuge der Wirkungsevaluierung der Forschungsprämie wurden aber auch Verbesserungspotenziale identifiziert. Dementsprechend ist durchaus mit weiteren Impulsen zu rechnen.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… alle Lieder aus dem Liederzyklus „Dichterliebe“ von Robert Schumann einzustudieren.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Tyll“ von Daniel Kehlmann.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… mich mit meiner Frau in der Natur zu bewegen (Wandern, Radfahren).
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
Franz von Assisi.
5) Nach der Arbeit …
… eile ich zum Zug und freue ich mich auf meine Familie.
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