Dr. Katharina Kubik ist seit 2011 bei Freshfields Bruckhaus Deringer im Bereich Steuerrecht tätig und wurde mit 1. 5. 2019 zur Principal Associate ernannt. Davor war sie drei Jahre als Assistentin an der WU Wien am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht tätig, wo sie weiterhin als Lektorin in der Lehre mitwirkt.
Sie studierte Rechtswissenschaften und internationale Betriebswirtschaft in Wien und Warschau. Dr. Katharina Kubik ist im Unternehmenssteuerrecht, internationalen Steuerrecht sowie im Bereich internationaler Verrechnungspreisstreitigkeiten tätig. Der Fokus ihrer rechtsanwaltlichen Tätigkeit liegt auf der Begleitung nationaler und internationaler Mandanten bei Transaktionen sowie im streitigen Abgabenverfahren.
Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen, zuletzt vor allem im Bereich der internationalen Steuerstreitbeilegung. Dr. Katharina Kubik ist Mitglied des Herausgeberteams der AVR, der neuen Zeitschrift im Linde Verlag zum Abgabenverfahren und Rechtsschutz. 1
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BFGjournal: Zu Beginn möchte ich auf die neue Fachzeitschrift eingehen. Wie läuft die Zusammenarbeit im Redaktionsteam? Haben Sie untereinander die Themen aufgeteilt? Wer kümmert sich um die aktuelle Judikatur zum Abgabenverfahrensrecht?
Katharina Kubik : Das Herausgeberteam setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Beratungspraxis, Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Wissenschaft zusammen. Damit wollen wir sicherstellen, dass wir mit der AVR das Abgabenverfahrensrecht und den Rechtsschutz aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten und aktuelle Themen zeitnah aufgreifen. Denn jede/jeder von uns nimmt aufgrund des jeweiligen beruflichen Hintergrunds unterschiedliche abgabenverfahrensrechtliche Fragestellungen wahr und wir können damit den Leser*innen einen umfassenden Einblick und Überblick über aktuelle Entwicklungen bieten. Gemeinsam können wir die einzelnen Themen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten, und dieser „ganzheitliche Ansatz“ hat sich in unserer bisherigen Arbeit durchaus bestätigt. Einzig im Bereich der Judikatur haben wir uns darum bemüht, Autorinnen und Autoren zu gewinnen, die die abgabenrechtliche Judikatur regelmäßig sichten und über verfahrensrechtliche Besonderheiten berichten. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit und Mitarbeit in einem so hochkarätigen Herausgeberteam. Und wer gerne im Bereich des Abgabenverfahrensrechts publiziert, ist jederzeit herzlich willkommen.
BFGjournal: Können Sie uns schon verraten, welcher Inhalt uns im ersten Heft erwartet?
Katharina Kubik : Bereits die Erstausgabe zeigt das breite und vielfältige Spektrum des Abgabenverfahrensrechts, wobei wir mit dem Zeitschriftentitel „Abgabenverfahren und Rechtsschutz“ den Bogen möglicher Beiträge bewusst weit gespannt haben. So finden sich im ersten Heft zB Abhandlungen über Erfahrungen mit Datenschutz- und Aufbewahrungspflichten aus Beraterperspektive, Meldeverpflichtungen für steuerliche Gestaltungen unter dem EU-Meldepflichtgesetz und die Vereinbarkeit von Schiedsverfahren mit dem Rechtsstaat. Sowohl die ab Juli 2020 geltenden Meldeverpflichtungen als auch das schiedsverfahrensrechtliche Thema, vor dem Hintergrund des seit 1. 9. 2019 geltenden EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetzes, behandeln hochaktuelle Fragestellungen. Neben Themen, die laufend in der alltäglichen Praxis auftreten können, bie Seite 52 ten wir somit einen Überblick über jüngste Entwicklungen und zeigen damit verbundene mögliche Problembereiche und Lösungswege auf. Ich denke, dass die Erstausgabe sehr gelungen ist und den Lesern eine spannende Lektüre bereiten wird.
BFGjournal: Was ist das Schwierige am Abgabenverfahrensrecht? Die Begeisterung an der BAO hält sich bei den Studentinnen und Studenten in Grenzen. Viele Gerichtsentscheidungen enden allerdings verfahrensrechtlich und nicht, wie gewollt, materiell-rechtlich.
Katharina Kubik : Das Schwierige am Abgabenverfahrensrecht ist nicht der Inhalt per se – der, einmal rein auf die BAO bezogen, natürlich auch eine spannende Komplexität enthält –, sondern vielmehr die Breite des Rechtsgebiets. Gerade in der „interdisziplinären“ Diskussion zeigt sich, wie weit man das Abgabenverfahrensrecht eigentlich verstehen kann. Daneben sind es aber natürlich auch die kleinen, feinen, der Materie geschuldeten Unterschiede im Vergleich zu anderen Verfahrensregimen, wie zB unterschiedliche Fristenläufe und Zuständigkeiten. Zu Unrecht wird das Abgabenverfahrensrecht oft als wenig attraktiv oder „verstaubt“ dargestellt oder empfunden und von der Lehre manchmal stiefmütterlich behandelt. Auch diesbezüglich hoffe ich, dass wir mit der AVR einen positiven Beitrag leisten und das Abgabenverfahrensrecht in ein noch besseres Licht rücken können.
BFGjournal: Sollte bei der Ausbildung in den rechtsberatenden Berufen mehr Wert auf Verfahrensrecht gelegt werden?
Katharina Kubik : Ja, unbedingt, insbesondere natürlich im Bereich des Abgabenverfahrensrechts. Schließlich ist das Verfahren – die Vertretung vor Behörden und Gerichten – eine der rechtsanwaltlichen Kerntätigkeiten. Ich selber nehme es mir in meinem Unterricht an der WU Wien bewusst vor, die Bedeutung des Abgabenverfahrensrechts stärker zu unterstreichen und die Darstellung weg von einem schematisch-systematisch, trockenen Zugang hin zu einer lebendigen Materie zu bringen. Denn in Zeiten von BEPS, ATAD und den Entwicklungen auf OECD-Ebene zeigt sich immer deutlicher, dass das Abgabenverfahren – sei es bei der Begleitung von Betriebsprüfungen, dem tatsächlich streitigen Verfahren oder im Bereich der alternativen Streitbeilegung – immer wichtiger wird. Gerade für die Beratungspraxis wird es aus meiner Sicht daher zukünftig noch wichtiger sein, im Abgabenverfahrensrecht sattelfest zu sein, um den Mandanten einen guten Überblick über die möglichen Verfahrensschritte und -arten sowie eine strategische Beratung bieten zu können.
BFGjournal: Als Anwältin arbeiten Sie im internationalen Steuerrecht. Ich habe von Ihnen zahlreiche Publikationen gesichtet. Sehr intensiv haben Sie sich zuletzt mit dem EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz und dem darin festgelegten Verfahren beschäftigt. 2 Sind Sie mit dem Inhalt zufrieden?
Katharina Kubik : Das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG) bietet Steuerpflichtigen seit 1. 9. 2019 eine neue, zusätzliche rechtliche Grundlage zur Beilegung von internationalen Steuerstreitigkeiten. Zusätzlich deshalb, weil das Verfahren nach dem EU-BStbG neben bereits bestehende Verfahrensmöglichkeiten (Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren) nach einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (verbessert durch das MLI) oder dem EU-Schiedsübereinkommen tritt. Vorteile des EU-BStbG – die sich in der Praxis allerdings noch beweisen werden müssen – liegen im ver Seite 53 besserten und beschleunigten zeitlichen Verfahrensablauf, in der Einräumung von Rechtsschutzmöglichkeiten für den Steuerpflichtigen und im für die Staaten verpflichtenden Schiedsverfahren als zweitem Verfahrensschritt. Man darf jedoch nicht außer Acht lassen, dass das Verfahren unter dem EU-BStbG weiterhin ein Verfahren zwischen den betroffenen Staaten ist. Den Steuerpflichtigen werden neben der Einleitung durch Antragstellung zwar gewisse Rechte eingeräumt, sie erlangen aber nie Parteistellung im Verfahren. Das kann man grundsätzlich als Manko sehen – es setzt jedoch die Verfahrenstradition im Bereich der internationalen Steuerstreitbeilegung fort. Es bleibt abzuwarten, wie das Verfahren von den Steuerpflichtigen aufgenommen und genutzt wird. Auch hier gilt: Für die Beratungspraxis ist es wichtig, die unterschiedlichen Verfahrensarten zu kennen, um dem Mandanten in der Planung und Umsetzung der Verfahrensstrategie zur Seite stehen zu können. Mit der AVR wollen wir den Leserinnen und Lesern auch zu diesem Themengebiet aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen näherbringen.
BFGjournal: Sie verfolgen die internationalen Entwicklungen und beobachten die Arbeit der OECD. Könnten Sie für uns einen Blick in die Zukunft werfen?
Katharina Kubik : Die OECD hat im letzten Jahr mit ihren Arbeiten zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft den Grundstein für eine umfassende Reform der Besteuerung von multinationalen Unternehmen gelegt. Dies geschah in einem bisher noch nie dagewesenen Tempo und mit der Aussicht auf fundamentale Neuerungen. Die Arbeiten gliedern sich dabei in zwei Säulen: Die erste Säule beschäftigt sich mit der Neuaufteilung von Besteuerungsrechten, unabhängig von der bisher notwendigen physischen Präsenz in einem Staat; die zweite Säule sieht die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung mit entsprechenden Begleitmaßnahmen (ua im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen) vor. Die Arbeiten sollen noch 2020 fertiggestellt werden. 3 Und selbst wenn die OECD ihre ambitionierten Pläne wider Erwarten nicht umsetzen sollte, so wird die EU sicherlich nicht untätig bleiben. Das Jahr 2020 könnte sich damit als Jahr erweisen, in dem für international tätige Unternehmen aus steuerlicher Sicht kein Stein auf dem anderen bleibt.
BFGjournal: Sie haben sowohl an der WU Wien Internationale Betriebswirtschaft studiert als auch (klassisch) Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Ihr Doktoratsstudium der Wirtschaftswissenschaften haben Sie wiederum an der WU Wien absolviert. Wie kam es dazu, was waren Ihre Beweggründe?
Katharina Kubik : Die Entscheidung, dass ich mich in meinem Berufsleben mit Steuerrecht beschäftigen möchte, hatte ich im Zeitpunkt meiner Studienwahl bereits getroffen. Allerdings hatte ich damals noch den klassischen Weg in die Steuerberatung vor Augen. Was für meine Entscheidung letztlich ausschlaggebend war, kann ich heute nicht mehr sagen (nur, dass sie für mich richtig war und ist). An die WU Wien hat es mich primär aufgrund des dortigen tollen Sprachenangebots und der vielfältigen Austauschprogramme gezogen. Rechtswissenschaften hatte ich damals ebenfalls inskribiert, allerdings mit weniger Fokus betrieben. Zum Doktoratsstudium an der WU Wien hat mich dann meine Tätigkeit als Assistentin am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht gebracht; die Tätigkeit hatte mich aufgrund der internationalen Bekanntheit der Professoren sowie der Lehrmöglichkeit gereizt. Dass ich auch als Anwältin im Bereich Steuerrecht tätig sein könnte, hat sich für mich nach dem Doktoratsstudium über zahlreiche Gespräche ergeben. Diese Perspektive hat mich dann auch zum Abschluss meines rechtswissenschaftlichen Studiums bewegt. Die gegenseitige Ergänzung der wirtschaftswissenschaftlichen und der juristischen Ausbildung hat sich für mich als sehr Seite 54 hilfreich erwiesen. Diese Kombination sowie die Zulassung zur Anwaltschaft lassen sich heute durch das Studium Wirtschaftsrecht natürlich ebenfalls erreichen.
BFGjournal: Es freut mich, dass ich seit zwei Jahren mehr Frauen als Interviewpartnerinnen habe als noch zu Beginn. Im Jänner war Univ.-Ass. Dr. Elisabeth Steinhauser von der Universität Salzburg mein Gast. 4 Zu meiner Frage nach „Frauen in der Wissenschaft“ bekannte sie, dass trotz der vielen Vorzüge, die ein Arbeitsplatz an der Universität zu bieten hat, es kein „Nine-to-five-Job“ mit klassischen „Feierabenden“ oder Wochenenden ist. Daher hat sie großen Respekt vor Leistungen von Wissenschaftlerinnen, die Karriere und Familie erfolgreich vereinbaren. Ich denke, im Anwaltsberuf läuft es ähnlich. Aber abgesehen vom Arbeitsaufwand: Schaffen es Anwältinnen in die Führungsebene, oder werden nach wie vor Männer bevorzugt?
Katharina Kubik : In den Jahren, die ich nunmehr in der Branche tätig bin, hat sich aus meiner Sicht sehr viel verändert – nicht nur im Anwaltsberuf insgesamt, sondern auch in den Kanzleien. Die Anzahl der Anwärterinnen und Anwältinnen bei uns im Haus lässt sich sehen. Vielleicht ist man noch nicht ganz am Ziel, aber die Richtung passt auf jeden Fall. Eine Bevorzugung von Männern sehen ich aber keinesfalls.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… meine Yoga- und Meditationspraxis durch eine weitere Ausbildung zu vertiefen. Und eventuell eine Reise nach Japan.
2) Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Arbeit?
Dass kein Tag dem anderen gleicht; weder inhaltlich noch von den Abläufen her. Das kann mitunter stressig sein, bringt aber eine schöne Herausforderung, die ich sehr schätze.
3) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„The Handmaid‘s Tale“ und „The Testaments“ von Margaret Atwood (zugegebenermaßen, nachdem ich die Serie gesehen habe).
4) Welche sozialen Medien nutzen Sie? Was sind Ihre Lieblings-Podcasts? Haben Sie einen Blog?
Ich bin vorrangig auf LinkedIn aktiv. Bei Podcasts lasse ich mich regelmäßig neu inspirieren – sehr gerne höre ich die „Carpe Diem – Zeit zum Zuhören“-Serie, Harvard Business Review „Women at Work“ oder BBC „In the Balance“.
5) Nach der Arbeit …
… gehe ich sehr gerne ins Kino oder genieße ein gutes Essen.
1 Das AVR-Herausgeberteam besteht aus Dr. Katharina Kubik, Dr. Christian Lenneis, Mag. Maria Linzner-Strasser, Univ.-Prof. Dr. Claus Staringer und Dr. Martin Vock, LL.M.
2 Kubik/Turcan, National Report Austria, in Lang/Pistone/Rust/Schuch/Staringer (Hrsg), International Tax Dispute Resolution (2018) in Druck; Kubik, Internationale Streitbeilegung durch Schiedsverfahren – die „neue Hoffnung“? in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), Symposium Unternehmenssteuerrecht (2019) in Druck; Kubik, Das neue Verfahren zur Beilegung von grenzüberschreitenden Steuerstreitigkeiten innerhalb der EU, SWK 25/2019, 1018; Kubik, Inkrafttreten und zeitlicher Geltungsbereich des EU-BStbG, in Kubik/Schmidjell-Dommes/Staringer (Hrsg), EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz, SWI-Spezial (2019) 74 (76 ff).
3 Siehe das aktuelle Statement des Inclusive Framework vom 31. 1. 2020, abrufbar unter https://www.oecd.org/tax/beps/statement-by-the-oecd-g20-inclusive-framework-on-beps-january-2020.pdf (Zugriff am 10. 2. 2020).
4 BFGjournal 2020, 3.
Dr. Katharina Kubik ist seit 2011 bei Freshfields Bruckhaus Deringer im Bereich Steuerrecht tätig und wurde mit 1. 5. 2019 zur Principal Associate ernannt. Davor war sie drei Jahre als Assistentin an der WU Wien am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht tätig, wo sie weiterhin als Lektorin in der Lehre mitwirkt.
Sie studierte Rechtswissenschaften und internationale Betriebswirtschaft in Wien und Warschau. Dr. Katharina Kubik ist im Unternehmenssteuerrecht, internationalen Steuerrecht sowie im Bereich internationaler Verrechnungspreisstreitigkeiten tätig. Der Fokus ihrer rechtsanwaltlichen Tätigkeit liegt auf der Begleitung nationaler und internationaler Mandanten bei Transaktionen sowie im streitigen Abgabenverfahren.
Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen, zuletzt vor allem im Bereich der internationalen Steuerstreitbeilegung. Dr. Katharina Kubik ist Mitglied des Herausgeberteams der AVR, der neuen Zeitschrift im Linde Verlag zum Abgabenverfahren und Rechtsschutz. 1
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BFGjournal: Zu Beginn möchte ich auf die neue Fachzeitschrift eingehen. Wie läuft die Zusammenarbeit im Redaktionsteam? Haben Sie untereinander die Themen aufgeteilt? Wer kümmert sich um die aktuelle Judikatur zum Abgabenverfahrensrecht?
Katharina Kubik : Das Herausgeberteam setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Beratungspraxis, Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Wissenschaft zusammen. Damit wollen wir sicherstellen, dass wir mit der AVR das Abgabenverfahrensrecht und den Rechtsschutz aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten und aktuelle Themen zeitnah aufgreifen. Denn jede/jeder von uns nimmt aufgrund des jeweiligen beruflichen Hintergrunds unterschiedliche abgabenverfahrensrechtliche Fragestellungen wahr und wir können damit den Leser*innen einen umfassenden Einblick und Überblick über aktuelle Entwicklungen bieten. Gemeinsam können wir die einzelnen Themen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten, und dieser „ganzheitliche Ansatz“ hat sich in unserer bisherigen Arbeit durchaus bestätigt. Einzig im Bereich der Judikatur haben wir uns darum bemüht, Autorinnen und Autoren zu gewinnen, die die abgabenrechtliche Judikatur regelmäßig sichten und über verfahrensrechtliche Besonderheiten berichten. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit und Mitarbeit in einem so hochkarätigen Herausgeberteam. Und wer gerne im Bereich des Abgabenverfahrensrechts publiziert, ist jederzeit herzlich willkommen.
BFGjournal: Können Sie uns schon verraten, welcher Inhalt uns im ersten Heft erwartet?
Katharina Kubik : Bereits die Erstausgabe zeigt das breite und vielfältige Spektrum des Abgabenverfahrensrechts, wobei wir mit dem Zeitschriftentitel „Abgabenverfahren und Rechtsschutz“ den Bogen möglicher Beiträge bewusst weit gespannt haben. So finden sich im ersten Heft zB Abhandlungen über Erfahrungen mit Datenschutz- und Aufbewahrungspflichten aus Beraterperspektive, Meldeverpflichtungen für steuerliche Gestaltungen unter dem EU-Meldepflichtgesetz und die Vereinbarkeit von Schiedsverfahren mit dem Rechtsstaat. Sowohl die ab Juli 2020 geltenden Meldeverpflichtungen als auch das schiedsverfahrensrechtliche Thema, vor dem Hintergrund des seit 1. 9. 2019 geltenden EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetzes, behandeln hochaktuelle Fragestellungen. Neben Themen, die laufend in der alltäglichen Praxis auftreten können, bie Seite 52 ten wir somit einen Überblick über jüngste Entwicklungen und zeigen damit verbundene mögliche Problembereiche und Lösungswege auf. Ich denke, dass die Erstausgabe sehr gelungen ist und den Lesern eine spannende Lektüre bereiten wird.
BFGjournal: Was ist das Schwierige am Abgabenverfahrensrecht? Die Begeisterung an der BAO hält sich bei den Studentinnen und Studenten in Grenzen. Viele Gerichtsentscheidungen enden allerdings verfahrensrechtlich und nicht, wie gewollt, materiell-rechtlich.
Katharina Kubik : Das Schwierige am Abgabenverfahrensrecht ist nicht der Inhalt per se – der, einmal rein auf die BAO bezogen, natürlich auch eine spannende Komplexität enthält –, sondern vielmehr die Breite des Rechtsgebiets. Gerade in der „interdisziplinären“ Diskussion zeigt sich, wie weit man das Abgabenverfahrensrecht eigentlich verstehen kann. Daneben sind es aber natürlich auch die kleinen, feinen, der Materie geschuldeten Unterschiede im Vergleich zu anderen Verfahrensregimen, wie zB unterschiedliche Fristenläufe und Zuständigkeiten. Zu Unrecht wird das Abgabenverfahrensrecht oft als wenig attraktiv oder „verstaubt“ dargestellt oder empfunden und von der Lehre manchmal stiefmütterlich behandelt. Auch diesbezüglich hoffe ich, dass wir mit der AVR einen positiven Beitrag leisten und das Abgabenverfahrensrecht in ein noch besseres Licht rücken können.
BFGjournal: Sollte bei der Ausbildung in den rechtsberatenden Berufen mehr Wert auf Verfahrensrecht gelegt werden?
Katharina Kubik : Ja, unbedingt, insbesondere natürlich im Bereich des Abgabenverfahrensrechts. Schließlich ist das Verfahren – die Vertretung vor Behörden und Gerichten – eine der rechtsanwaltlichen Kerntätigkeiten. Ich selber nehme es mir in meinem Unterricht an der WU Wien bewusst vor, die Bedeutung des Abgabenverfahrensrechts stärker zu unterstreichen und die Darstellung weg von einem schematisch-systematisch, trockenen Zugang hin zu einer lebendigen Materie zu bringen. Denn in Zeiten von BEPS, ATAD und den Entwicklungen auf OECD-Ebene zeigt sich immer deutlicher, dass das Abgabenverfahren – sei es bei der Begleitung von Betriebsprüfungen, dem tatsächlich streitigen Verfahren oder im Bereich der alternativen Streitbeilegung – immer wichtiger wird. Gerade für die Beratungspraxis wird es aus meiner Sicht daher zukünftig noch wichtiger sein, im Abgabenverfahrensrecht sattelfest zu sein, um den Mandanten einen guten Überblick über die möglichen Verfahrensschritte und -arten sowie eine strategische Beratung bieten zu können.
BFGjournal: Als Anwältin arbeiten Sie im internationalen Steuerrecht. Ich habe von Ihnen zahlreiche Publikationen gesichtet. Sehr intensiv haben Sie sich zuletzt mit dem EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz und dem darin festgelegten Verfahren beschäftigt. 2 Sind Sie mit dem Inhalt zufrieden?
Katharina Kubik : Das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG) bietet Steuerpflichtigen seit 1. 9. 2019 eine neue, zusätzliche rechtliche Grundlage zur Beilegung von internationalen Steuerstreitigkeiten. Zusätzlich deshalb, weil das Verfahren nach dem EU-BStbG neben bereits bestehende Verfahrensmöglichkeiten (Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren) nach einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (verbessert durch das MLI) oder dem EU-Schiedsübereinkommen tritt. Vorteile des EU-BStbG – die sich in der Praxis allerdings noch beweisen werden müssen – liegen im ver Seite 53 besserten und beschleunigten zeitlichen Verfahrensablauf, in der Einräumung von Rechtsschutzmöglichkeiten für den Steuerpflichtigen und im für die Staaten verpflichtenden Schiedsverfahren als zweitem Verfahrensschritt. Man darf jedoch nicht außer Acht lassen, dass das Verfahren unter dem EU-BStbG weiterhin ein Verfahren zwischen den betroffenen Staaten ist. Den Steuerpflichtigen werden neben der Einleitung durch Antragstellung zwar gewisse Rechte eingeräumt, sie erlangen aber nie Parteistellung im Verfahren. Das kann man grundsätzlich als Manko sehen – es setzt jedoch die Verfahrenstradition im Bereich der internationalen Steuerstreitbeilegung fort. Es bleibt abzuwarten, wie das Verfahren von den Steuerpflichtigen aufgenommen und genutzt wird. Auch hier gilt: Für die Beratungspraxis ist es wichtig, die unterschiedlichen Verfahrensarten zu kennen, um dem Mandanten in der Planung und Umsetzung der Verfahrensstrategie zur Seite stehen zu können. Mit der AVR wollen wir den Leserinnen und Lesern auch zu diesem Themengebiet aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen näherbringen.
BFGjournal: Sie verfolgen die internationalen Entwicklungen und beobachten die Arbeit der OECD. Könnten Sie für uns einen Blick in die Zukunft werfen?
Katharina Kubik : Die OECD hat im letzten Jahr mit ihren Arbeiten zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft den Grundstein für eine umfassende Reform der Besteuerung von multinationalen Unternehmen gelegt. Dies geschah in einem bisher noch nie dagewesenen Tempo und mit der Aussicht auf fundamentale Neuerungen. Die Arbeiten gliedern sich dabei in zwei Säulen: Die erste Säule beschäftigt sich mit der Neuaufteilung von Besteuerungsrechten, unabhängig von der bisher notwendigen physischen Präsenz in einem Staat; die zweite Säule sieht die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung mit entsprechenden Begleitmaßnahmen (ua im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen) vor. Die Arbeiten sollen noch 2020 fertiggestellt werden. 3 Und selbst wenn die OECD ihre ambitionierten Pläne wider Erwarten nicht umsetzen sollte, so wird die EU sicherlich nicht untätig bleiben. Das Jahr 2020 könnte sich damit als Jahr erweisen, in dem für international tätige Unternehmen aus steuerlicher Sicht kein Stein auf dem anderen bleibt.
BFGjournal: Sie haben sowohl an der WU Wien Internationale Betriebswirtschaft studiert als auch (klassisch) Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Ihr Doktoratsstudium der Wirtschaftswissenschaften haben Sie wiederum an der WU Wien absolviert. Wie kam es dazu, was waren Ihre Beweggründe?
Katharina Kubik : Die Entscheidung, dass ich mich in meinem Berufsleben mit Steuerrecht beschäftigen möchte, hatte ich im Zeitpunkt meiner Studienwahl bereits getroffen. Allerdings hatte ich damals noch den klassischen Weg in die Steuerberatung vor Augen. Was für meine Entscheidung letztlich ausschlaggebend war, kann ich heute nicht mehr sagen (nur, dass sie für mich richtig war und ist). An die WU Wien hat es mich primär aufgrund des dortigen tollen Sprachenangebots und der vielfältigen Austauschprogramme gezogen. Rechtswissenschaften hatte ich damals ebenfalls inskribiert, allerdings mit weniger Fokus betrieben. Zum Doktoratsstudium an der WU Wien hat mich dann meine Tätigkeit als Assistentin am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht gebracht; die Tätigkeit hatte mich aufgrund der internationalen Bekanntheit der Professoren sowie der Lehrmöglichkeit gereizt. Dass ich auch als Anwältin im Bereich Steuerrecht tätig sein könnte, hat sich für mich nach dem Doktoratsstudium über zahlreiche Gespräche ergeben. Diese Perspektive hat mich dann auch zum Abschluss meines rechtswissenschaftlichen Studiums bewegt. Die gegenseitige Ergänzung der wirtschaftswissenschaftlichen und der juristischen Ausbildung hat sich für mich als sehr Seite 54 hilfreich erwiesen. Diese Kombination sowie die Zulassung zur Anwaltschaft lassen sich heute durch das Studium Wirtschaftsrecht natürlich ebenfalls erreichen.
BFGjournal: Es freut mich, dass ich seit zwei Jahren mehr Frauen als Interviewpartnerinnen habe als noch zu Beginn. Im Jänner war Univ.-Ass. Dr. Elisabeth Steinhauser von der Universität Salzburg mein Gast. 4 Zu meiner Frage nach „Frauen in der Wissenschaft“ bekannte sie, dass trotz der vielen Vorzüge, die ein Arbeitsplatz an der Universität zu bieten hat, es kein „Nine-to-five-Job“ mit klassischen „Feierabenden“ oder Wochenenden ist. Daher hat sie großen Respekt vor Leistungen von Wissenschaftlerinnen, die Karriere und Familie erfolgreich vereinbaren. Ich denke, im Anwaltsberuf läuft es ähnlich. Aber abgesehen vom Arbeitsaufwand: Schaffen es Anwältinnen in die Führungsebene, oder werden nach wie vor Männer bevorzugt?
Katharina Kubik : In den Jahren, die ich nunmehr in der Branche tätig bin, hat sich aus meiner Sicht sehr viel verändert – nicht nur im Anwaltsberuf insgesamt, sondern auch in den Kanzleien. Die Anzahl der Anwärterinnen und Anwältinnen bei uns im Haus lässt sich sehen. Vielleicht ist man noch nicht ganz am Ziel, aber die Richtung passt auf jeden Fall. Eine Bevorzugung von Männern sehen ich aber keinesfalls.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… meine Yoga- und Meditationspraxis durch eine weitere Ausbildung zu vertiefen. Und eventuell eine Reise nach Japan.
2) Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Arbeit?
Dass kein Tag dem anderen gleicht; weder inhaltlich noch von den Abläufen her. Das kann mitunter stressig sein, bringt aber eine schöne Herausforderung, die ich sehr schätze.
3) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„The Handmaid‘s Tale“ und „The Testaments“ von Margaret Atwood (zugegebenermaßen, nachdem ich die Serie gesehen habe).
4) Welche sozialen Medien nutzen Sie? Was sind Ihre Lieblings-Podcasts? Haben Sie einen Blog?
Ich bin vorrangig auf LinkedIn aktiv. Bei Podcasts lasse ich mich regelmäßig neu inspirieren – sehr gerne höre ich die „Carpe Diem – Zeit zum Zuhören“-Serie, Harvard Business Review „Women at Work“ oder BBC „In the Balance“.
5) Nach der Arbeit …
… gehe ich sehr gerne ins Kino oder genieße ein gutes Essen.
1 Das AVR-Herausgeberteam besteht aus Dr. Katharina Kubik, Dr. Christian Lenneis, Mag. Maria Linzner-Strasser, Univ.-Prof. Dr. Claus Staringer und Dr. Martin Vock, LL.M.
2 Kubik/Turcan, National Report Austria, in Lang/Pistone/Rust/Schuch/Staringer (Hrsg), International Tax Dispute Resolution (2018) in Druck; Kubik, Internationale Streitbeilegung durch Schiedsverfahren – die „neue Hoffnung“? in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), Symposium Unternehmenssteuerrecht (2019) in Druck; Kubik, Das neue Verfahren zur Beilegung von grenzüberschreitenden Steuerstreitigkeiten innerhalb der EU, SWK 25/2019, 1018; Kubik, Inkrafttreten und zeitlicher Geltungsbereich des EU-BStbG, in Kubik/Schmidjell-Dommes/Staringer (Hrsg), EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz, SWI-Spezial (2019) 74 (76 ff).
3 Siehe das aktuelle Statement des Inclusive Framework vom 31. 1. 2020, abrufbar unter https://www.oecd.org/tax/beps/statement-by-the-oecd-g20-inclusive-framework-on-beps-january-2020.pdf (Zugriff am 10. 2. 2020).
4 BFGjournal 2020, 3.