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GLEITZEIT | Stolperfallen bei Überstundenpauschalen & ALL-IN

(Bild: © iStock/fizkes)

Hofer Andrea  |  Kastner Sissy

In der Praxis treten immer wieder Rechtsfragen auf, wie sich eine ALL-IN Vereinbarung und eine Überstundepauschale rechtskonform mit einer Gleitzeitvereinbarung verbinden lassen. Nicht nur arbeitsrechtliche Fragen, wie z.B. „Können Mitarbeiter mit ALL-IN grundsätzlich von der Gleitzeitvereinbarung umfasst sein?“ oder „Wie genau müssen die Stunden behandelt werden, welche von der Überstundenpauschale gedeckt sind?“ stellen sich hier. Insbesondere wird auch immer wieder die steuerrechtliche Frage aufgeworfen: „Unter welchen Voraussetzungen kann § 68 Abs 2 EStG bei der Abrechnung angewandt werden? Einige dieser Fragen wurden bereits durch höchstgerichtliche Entscheidungen beantwortet, doch viele weitere Fragen wurden weder durch Gesetzgebung noch durch Rechtsprechung bislang konkretisiert, weshalb weiterhin Rechtsunsicherheit besteht. Im folgenden Artikel zeigen wir Ihnen die wesentlichen Aspekte der ALL IN Vereinbarungen und Überstundenpauschale iVm Gleitzeitvereinbarungen auf und erläutern die daraus entstehenden Risiken.

1. Überstundenpauschale

1.1. Grundsätzliches zur Überstundenpauschale

​​​​​​​Im Rahmen einer Überstundenpauschale erfolgt die Abgeltung einer im Vorfeld definierten Anzahl an Überstunden. Werden Überstunden geleistet, die nicht von der Pauschale abgedeckt sind, sind diese Überstunden zusätzlich zu vergüten. Die Prüfung, ob die tatsächlich geleisteten Überstunden von der Pauschale abgedeckt sind, muss mangels anderslautender Vereinbarung zum Ende des Kalenderjahres durchgeführt werden. Es kann jedoch ein abweichender Beobachtungszeitraum vereinbart werden. Falls weniger oder gar keine Überstunden geleistet werden, die mit der Pauschale gedeckt sein sollen, hat der Arbeitnehmer dennoch Anspruch auf die Überstundenpauschale. Eine Kürzung der Überstundenpauschale ist grundsätzlich nicht zulässig. Damit eine Änderung über die vereinbarte Überstundenpauschale vorgenommen werden kann, sollte bei der Vereinbarung ein Widerrufsrecht vereinbart werden, damit der Arbeitgeber die Überstundenpauschale aus sachlichen Gründen für die Zukunft widerrufen kann. Wird ein solcher Widerruf nicht vereinbart, kann die Überstundenpauschale grundsätzlich nicht einseitig widerrufen werden.

1.2.  Überstundenpauschalen im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung

Pauschalentgeltvereinbarungen sind nach hM mit Gleitzeit vereinbar. Es sollte jedoch durch die Anwendung von Gleitzeit und Überstundenpauschale nicht zu einer doppelten Vergütung von Arbeitsstunden kommen, sodass der Mitarbeiter Überstunden bezahlt bekommt und diese Stunden darüber hinaus auch noch als Zeitausgleich konsumieren kann. Mit der Frage der Gegenverrechnung einer Überstundenpauschale und Gutstunden aus einer Gleitzeit musste sich der OGH bereits auseinandersetzen (OGH 31.8.2022, 9 ObA 1/22w). Dabei kam der OGH zu dem Entschluss, dass ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Vorwegabzug von Überstunden, die durch eine Pauschale abgedeckt sind, vom Gleitzeitkontoguthaben nicht zulässig ist. Grundsätzlich wären nur „echte“ Überstunden, die im Rahmen der Gleitzeit entstehen, mit der Überstundenpauschale gegenverrechenbar.

„Echte“ Überstunden während einer Gleitzeitvereinbarung können nur in folgenden Situationen entstehen:

  • Überschreitung der Übertragungsmöglichkeit der Anzahl der Gutstunden in die nächste Gleitzeitperiode – die nicht übertragbaren Stunden werden in diesem Fall am Ende der Gleitzeitperiode zu zuschlagspflichtigen Überstunden.
  • durch den Arbeitgeber angeordnete Überstunden innerhalb des Gleitzeitrahmens.
  • Arbeitsleistungen außerhalb des Gleitzeitrahmens.
  • die 11. und 12. Stunde bei einer „kleinen“ Gleitzeitvereinbarung (d. h. Gleitzeitvereinbarungen, die die Normalarbeitszeit nur bis maximal 10 Stunden pro Tag ausdehnen).

Es ist daher nicht möglich, die Stunden aus der Überstundenpauschale mit nicht übertragbaren Gleitzeitguthaben am Ende der Gleitzeitperiode zu verrechnen.

Die in der Praxis ebenfalls häufig ausgeübte Variante, bei der die Stunden der Überstundenpauschale monatlich vom Stundenguthaben abzogen werden, wurde vom OGH in Frage gestellt bzw. ohne Vereinbarung eines Vorwegabzugs sogar als unzulässig angesehen.

Zur Frage, wie Überstundenpauschalen in Verbindung mit Gleitzeitmodellen und der Möglichkeit zum Konsum von Zeitausgleich zu bewerten sind, führte der OGH lediglich aus, dass auch in der Literatur verschiedene Ansichten vertreten werden. Sie reichen von der Zulässigkeit der unbeschränkten Berücksichtigung der in den Vereinbarungen inkludierten Stunden bei der Ermittlung des Zeitguthabens über die Prüfung einer sachlichen Rechtfertigung bis zur Annahme der generellen Unzulässigkeit eines Vorwegabzugs.

Mit der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Vereinbarung über den Vorwegabzug pauschalierter Überstunden vom Zeitguthaben hat sich der OGH nicht auseinandergesetzt und lässt dies ausdrücklich offen. Daher bleibt unklar, ob ein Vorwegabzug rechtswirksam vereinbart werden kann und vor allem, wie so eine Vereinbarung ausgestaltet sein muss.

In der Praxis häufig angewandte Systeme, bei denen zu Beginn der Gleitzeitperiode die in der Pauschale abgedeckten Stunden als Minusstunden gebucht werden und erst nach Erreichen dieses Stundenkontingents die Möglichkeit zum Aufbau von Gutstunden besteht, werden in der Literatur als sehr kritisch oder sogar als unzulässig angesehen. Der Grund liegt darin, dass Gleitzeit grundsätzlich auf die zeitliche Souveränität der Mitarbeiter ausgerichtet ist. Diese zeitliche Souveränität wird jedoch durch ein solches Modell stark eingeschränkt, da der Mitarbeiter erst nach dem „Abbau“ des Minuskontingentes aus der Überstundenpauschale die Möglichkeit hat, Zeitguthaben aufzubauen und somit erst dann den Arbeitsbeginn bzw. das Arbeitsende selbst bestimmen kann. Aber auch von Modellen, bei denen ein Abzug während der Gleitzeitperiode (meist monatlich) erfolgt, ist ebenso abzuraten wie beispielsweise vom Buchen von Minusstunden gleich am Beginn der Gleitzeitperiode (Abzug im Vorhinein).

Ein Modell, bei dem die Normalarbeitszeit um die Stunden der Überstundenpauschale erhöht wird, hemmt grundsätzlich ebenfalls den Aufbau von Gutstunden und schränkt somit wiederrum die Zeitsouveränität des Mitarbeiters ein. Daher ist auch dieses Modell als kritisch zu bewerten.

Daraus folgt, dass ein Abzug nur im Nachhinein möglich wäre, also erst am Ende der Gleitzeitperiode. In diesem Fall würde auch nicht in die Zeitsouveränität des Mitarbeiters bei seiner Gleitzeit eingegriffen werden, da der Mitarbeiter während der Gleitzeitperiode Zeitguthaben aufbauen kann und keine Kürzung des Zeitguthabens erfolgt.

​​​​​​​Ob auch der OGH einen Abzug im Nachhinein als möglich ansieht, bleibt aber abzuwarten.

1.3. ​​​​​​​Überstundenpauschalen – Ausnahme von der Gleitzeitvereinbarung

​​​​​​​Gleitzeitvereinbarungen werden nicht nur abgeschlossen, damit die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten in einem bestimmten Rahmen selbst einteilen können, sondern auch, um das sofortige Entstehen zuschlagspflichtiger Überstunden zu vermeiden. Würden Mitarbeiter mit einer Überstundenpauschale generell von der Gleitzeitvereinbarung ausgenommen, wäre zwar die Thematik des Vorwegabzuges obsolet, jedoch würden sofort nach dem Überschreiten der täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeit zuschlagspflichtige Überstunden anfallen. Auch die Überstunden, die nicht von der Überstundenpauschale gedeckt sind, müssten in diesem Fall zuschlagspflichtig vergütet werden.

2. ALL IN Vereinbarungen

2.1. Grundsätzliches zu ALL IN Vereinbarungen

Bei einer ALL-IN Vereinbarung wird mit einem vereinbarten Gesamtentgelt jegliche Mehrleistung pauschal abgegolten. Im Gegensatz zu einer Überstundenpauschale wird bei einem ALL-IN keine konkrete Stundenanzahl festlegt, die mit dem Gesamtentgelt abgegolten ist. Vielmehr werden alle Mehr- und Überstunden samt Zuschlägen abgedeckt. Ob tatsächlich alle Mehr- und Überstunden gedeckt sind, muss im Rahmen einer jährlichen Deckungsprüfung überprüft werden. Seit dem 01.01.2016 ist es verpflichtend, bei ALL-IN Vereinbarungen das Grundgehalt im Vertrag anzuführen. Mit der Festlegung des Grundgehaltes, das mindestens dem kollektivvertraglichen Entgelt entsprechen muss, kann dann mit der vorhandenen Überzahlung geprüft werden, ob die Mehrleistungen Deckung finden.

2.2. ALL IN Vereinbarungen im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung

Auch Mitarbeiter mit ALL-IN Vereinbarungen können in die Gleitzeit einbezogen werden.

Da aber mit dem ALL-IN Gehalt alle Mehr- und Überstunden abgedeckt sind, ist es umso wichtiger, eine klare Vereinbarung zu treffen, um zu vermeiden, dass bereits bezahlte Arbeitsstunden nochmal als Zeitausgleich verbraucht werden.

Der OGH hat sich zwar in der oben bei den Überstundenpauschalen ausgeführten Entscheidung nicht zu ALL-IN Vereinbarungen geäußert, die Ausführungen des OGH sind unserer Einschätzung nach aber auch analog für All-IN-Vereinbarungen anwendbar.

Daher können auch hier nur die Stunden, die tatsächlich „echte“ Überstunden darstellen, mit dem ALL-IN Gehalt als abgegolten angesehen werden.

2.3. ALL IN Vereinbarung ohne einer Gleitzeitvereinbarung

Aus betrieblicher Sicht wäre es sinnvoll zu überlegen, ob man Mitarbeiter mit ALL-IN Vereinbarungen generell von der Gleitzeit ausnimmt, da durch die ALL-IN Vereinbarung ohnehin alle Mehrleistungen abgegolten sind. Dennoch würden dann, analog wie bei den Überstundenpauschalen, sofort bei Überschreitung der täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeit zuschlagspflichtige Überstunden entstehen.

​​​​​​​Ein denkbarer Weg wäre auch, dass die Mitarbeiter mit einer ALL-IN Vereinbarung nur in Bezug auf die flexible Arbeitszeitgestaltung in die Gleitzeit einbezogen werden. Das heißt, sie dürfen den Beginn sowie das Ende der Arbeitszeit selbst bestimmen, können aber kein Zeitguthaben aufbauen. Somit stellen jegliche Überschreitungen der Normalarbeitszeit zuschlagspflichtige Mehrleistungen dar, welche mit dem ALL-IN Gehalt abgedeckt sind. Natürlich nur insoweit, als diese Mehrleistungen auch tatsächlich Deckung in der Überzahlung finden.

3. Begünstigung nach § 68 Abs 2 EStG iVm Gleitzeit

Bei einer Gleitzeit kann die Begünstigung des § 68 Abs 2 EStG nur zur Anwendung kommen, wenn tatsächlich „echte“ Überstunden vorliegen. Wann Überstunden vorliegen, wurde oben im Detail näher ausgeführt. Nur in diesen Fällen entstehen auch steuerlich relevante Überstunden, welche die Begünstigung des § 68 Abs 2 EStG auslösen.

Die meisten Problemfelder entstehen bei einer jährlichen Gleitzeitperiode, da Überstunden erst entstehen, wenn die Gleitzeitperiode endet und nicht übertragbare Stunde vorliegen. Diese nicht übertragbaren Gutstunden werden ab diesem Zeitpunkt zu Überstunden. Daher kann die Begünstigung für die Überstunden auch nur einmal – im Auszahlungsmonat – für die nicht übertragbaren Überstunden beansprucht werden, eine Aufrollung in Vormonate ist nicht zulässig.

In Zusammenhang mit Überstundenpauschalen und ALL-IN Vereinbarungen, die einer Gleitzeitvereinbarung unterliegen, wurde daher immer wieder die Frage aufgeworfen, ob eine monatliche Begünstigung gem. § 68 Abs EStG möglich wäre. Da aber auch in diesem Fall nur dann „echte“ Überstunden vorliegen, wenn am Ende der Gleitzeitperiode nicht übertragbare Gutstunden vorhanden sind, kann bei einer jährlichen Gleitzeitperiode auch nur einmal jährlich bei der Auszahlung dieser Gutstunden die Begünstigung in Anspruch genommen werden.

Wie bereits oben näher ausgeführt sind Vereinbarungen mit Mitarbeitern, welche vorsehen, dass nur Gutstunden im Rahmen der Gleitzeitvereinbarung aufgebaut werden können, soweit die Anzahl gemäß Überstundenpauschale erreicht ist, für die Anwendung des § 68 Abs 2 EstG sehr kritisch zu sehen und könnten im Rahmen von Abgabenprüfungen problematisch werden.

​​​​​​​In diesem Zusammenhang hat auch eine aktuelle VwGH-Entscheidung (VwGH 2021/15/0091 vom 16.11.2023) zu Durchrechnungsmodellen untermauert, dass die Begünstigung auch nur für „echte“ arbeitsrechtliche Überstunden Anwendung findet.

Alternativ könnte man auf eine monatliche Gleitzeitperiode umstellen. Dabei ist aber zu beachten, dass nur die nicht übertragbaren Überstunden als steuerbegünstigte Überstunden berücksichtigt werden können. Gutstunden, die im Rahmen der Gleitzeitvereinbarung in die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden, stellen auch am Ende einer Gleitzeitperiode keine Überstunden dar und können somit nicht steuerbegünstigt berücksichtigt werden.

Die Ausführungen gelten analog auch für ALL-IN Vereinbarungen.

FAZIT

Es empfiehlt sich, die Gleitzeitvereinbarungen mit Mitarbeitern, die eine Überstundenpauschale oder eine ALL-IN-Vereinbarung haben, vertraglich exakt auszugestalten, um eine „doppelte“ Vergütung zu verhindern. Da es den Parteien selbst überlassen ist, das Höchstausmaß der übertragbaren Stunden am Ende der Gleitzeit festzulegen, sollte bei Gleitzeitvereinbarungen genau überlegt werden, welches Stundenausmaß vereinbart wird.

In Bezug auf die steuerliche Begünstigung des § 68 Abs 2 EStG ist auch bei Überstundenpauschalen und ALL IN Vereinbarungen stets zu prüfen, ob tatsächlich „echte“ Überstunden vorliegen und keine Gleitzeitgutstunden.

​​​​​​​Durch die aktuelle VwGH-Entscheidung wurde die Thematik hinsichtlich der steuerlichen Begünstigung des § 68 Abs 2 EStG wiederum verschärft. Dahingehend bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier aktiv wird, um den immer schmäler werdenden Anwendungsbereich des § 68 Abs 2 EStG wieder auszuweiten.


Autoren

Hofer Andrea

Kastner Sissy

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