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Verfahrensarten im Vergaberecht II – offenes und nicht offenes Verfahren

(Bild: © iStock/VectorInspiration) (Bild: © iStock/VectorInspiration)

Öffentliche Auftraggeber sind bei Beschaffungsvorgängen an gesetzlich vorgegebene Verfahrensarten gebunden. Dennoch besteht ein gewisser Spielraum bei der Wahl der Verfahrensart, welche grundlegende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße und zielführende Beschaffung bildet. In der Ausgabe 02/2011 wurde bereits auf die Direktvergabe und das Verhandlungsverfahren eingegangen. Im nachfolgenden Beitrag werden die Grundzüge des offenen Verfahrens und des nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung näher dargestellt.

Stand: Q4/2012

 Zulässigkeit

Bei der Vergabe von Aufträgen können öffentliche Auftraggeber – sowohl im Ober- als auch im Unterschwellenbereich – frei zwischen dem offenen Verfahren und dem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung wählen.

 Offenes Verfahren

Beim offenen Verfahren wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Es kann also jedes interessierte Unternehmen ein Angebot abgeben, wobei Zugangsbeschränkungen (etwa Begrenzung der Zahl der Bieter und damit der Angebote) nicht zulässig sind. Die Auswahl des erfolgreichen Bieters erfolgt mit der Auswahl des Best- oder Billigstangebotes auf der Grundlage aller abgegebenen Angebote, das heißt in einem einstufigen Verfahren.

2.1. Bekanntmachung des Verfahrens

Offene Verfahren werden durch die sog. Bekanntmachung in den einschlägigen Publikationsmedien (in Österreich etwa in der Online-Ausgabe des amtlichen Lieferungsanzeigers des Amtsblattes zur Wiener Zeitung; in Oberösterreich in der amtlichen Linzer Zeitung oder mit entsprechendem Hinweis im Internet) durch den Auftraggeber bekanntgemacht. Dabei ist der Auftragsgegenstand insoweit zu beschreiben, damit Unternehmern die Entscheidung ermöglicht wird, ob die Teilnahme am Vergabeverfahren möglich und sinnvoll ist. In der Bekanntmachung ist zudem anzugeben, wo und gegebenenfalls bis wann und zu welchen Bedingungen die Ausschreibungsunterlagen beim Auftraggeber angefordert werden können. Durch die Anforderung bzw. das Abrufen von Ausschreibungsunterlagen wird ein Unternehmer zum Bewerber gemäß § 2 Z 12 BVergG.

2.2. Ausschreibung

Die vom Auftraggeber nach den Bestimmungen der §§ 79 ff BVergG zu erstellenden Ausschreibungsunterlagen bestehen regelmäßig aus einem Teil, welcher die Allgemeinen Bedingungen des Vergabeverfahrens regelt (insbesondere Zuschlags- und Eignungskriterien, anhand derer die Auswahl des Best- bzw. Billigstbieters erfolgt), aus der Leistungsbeschreibung (dem technischen Leistungsverzeichnis) und dem Leistungsvertrag mit seinen rechtlichen Bestimmungen.

Jedem interessierten Unternehmer sind die Ausschreibungsunterlagen zu übermitteln; diese haben einen Anspruch auf Entgegennahme und Prüfung des Angebotes.

2.3. Abgabe von Angeboten

Im offenen Verfahren können Unternehmer innerhalb der Angebotsfrist ihre Angebote einreichen. Damit wird allen interessierten Unternehmern ein subjektives Recht auf Abgabe eines Angebotes eingeräumt; die Zahl der Bieter ist bei einem offenen Verfahren unbeschränkt und unbeschränkbar. Einem interessierten Unternehmer sind daher alle für die Erstellung eines ausschreibungsgemäßen und chancenreichen Angebotes erforderlichen Unterlagen zu übermitteln bzw. zur Verfügung zu stellen.

Der Bieter hat sich sowohl bei den offenen als auch bei den nicht offenen Verfahren bei der Erstellung des Angebotes an die Ausschreibungsunterlagen zu halten. Der vorgeschriebene Text der Ausschreibungsunterlagen darf weder geändert noch ergänzt werden. Die Form und Einreichung der Angebote ist in den §§ 106 ff BVergG detailliert geregelt. Dahingehende Ausführungen würden den Umfang dieses Beitrages sprengen. Hierzu sei nur festgehalten, dass Angebote jedenfalls die in den Ausschreibungsunterlagen vorgeschriebene Form aufweisen müssen. Durch die Einreichung eines Angebotes wird ein Unternehmer bzw. Bewerber zum Bieter (§ 2 Z 3 BVergG).

Verspätete Angebote sind vom Vergabeverfahren auszuscheiden.

2.4. Öffnung und Prüfung der Angebote

Sowohl beim offenen als auch bei nicht offenen Verfahren sind die Angebote unmittelbar nach Ablauf der Angebotsfrist am festgesetzten Ort und zur festgesetzten Zeit zu öffnen. Die Öffnung hat durch eine Kommission zu erfolgen, die aus mindestens zwei sachkundigen Vertretern des Auftraggebers besteht. Die Bieter sind grundsätzlich berechtigt, an der Öffnung teilzunehmen.

Vor dem Öffnen eines Angebotes ist festzustellen, ob es ungeöffnet und vor Ablauf der Angebotsfrist eingelangt ist (vgl. zur Öffnung der Angebote § 118 BVergG). Die Angebote sind sodann in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien gemäß §§ 122 ff BVergG zu prüfen. Dabei sind zunächst insbesondere die Eignung des Bieters und das Vorliegen anderer den Bieter und auch das Angebot betreffende Ausscheidungstatbestände zu prüfen (zB Beteiligung an Vorarbeiten, Plausibilität des Gesamtpreises, …).

Nach Prüfung der Ausscheidungstatbestände sind die Angebote anhand der Zuschlagskriterien zu bewerten.

2.5. Geheimhaltungspflicht

Anzahl und Namen der Unternehmer, die ihr Interesse an der Teilnahme an einem offenen Verfahren bekundet haben, sind bis zur Angebotsöffnung geheim zu halten.

2.6. Verhandlungsverbot

Während eines offenen Verfahrens darf mit den Bietern über eine Angebotsänderung nicht verhandelt werden. Damit ist die Versteinerung des Angebotes mit Ablauf der Angebotsfrist normiert. Während der Angebotsfrist sind Bewerber frei, Angebote zu ändern, zu ergänzen oder von diesen zurückzutreten.

Mit der Abgabe seines Angebotes erklärt der Bieter, dass er die Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen kennt, dass er über die erforderlichen Befugnisse zur Ausführung des Auftrages verfügt, dass er die ausgeschriebene Leistung zu diesen Bestimmungen und den von ihm angegebenen Preisen erbringt, und dass er sich bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot bindet.

Die Zuschlagsfrist beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist. Sie umfasst den Zeitraum innerhalb dessen die Erteilung des Zuschlages vorgesehen ist. Während der Zuschlagsfrist ist der Bieter an sein Angebot gebunden.

Während eines offenen oder eines nicht offenen Verfahrens sind nur Aufklärungsgespräche zum Einholen von Auskünften über die finanzielle und wirtschaftliche oder die technische Leistungsfähigkeit sowie Auskünfte, die zur Prüfung der Preisangemessenheit, der Erfüllung der Mindestanforderungen und der Gleichwertigkeit von Alternativ- oder Abänderungsangeboten erforderlich sind, zulässig. Bei Alternativ- und Abänderungsangeboten sind Erörterungen, die unumgängliche technische Änderungen geringen Umfanges und daraus sich ergebende geringfügige Änderungen der Preise betreffen, unter Wahrung der Grundsätze des Vergabeverfahrens gemäß § 19 Abs 1 BVergG (Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter) zulässig. Aufklärungsgespräche und Erörterungen sind kommissionell zu führen. Gründe und Ergebnisse sind in einer Niederschrift festzuhalten.

Zulässige Aufklärungen von Unklarheiten gemäß § 127 und die Behebung von Angebotsmängeln gemäß § 129 Abs 1 BVergG sind daher keine unzulässigen Angebotsänderungen im Sinne des § 101 Abs 3 BVergG. So können sich etwa aufgrund der Behebung von Mängeln in fehlerhaften und unvollständigen Angeboten Klärungen des Angebotsinhaltes und aufgrund von Berichtigungen von Rechenfehlern, sogar Änderungen der Angebotspreise (einschließlich eines Bietersturzes) ergeben. Inwieweit nun konkret eine unzulässige Angebotsänderung vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen; die Grenzen sind fließend. Von behebbaren Mängeln und damit einer zulässigen Angebotsänderung ist nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann auszugehen, wenn diese Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bewerbers nicht materiell verbessert. Das Verhandlungsverbot verbietet auch, mit allen Bietern inhaltlich idente Verhandlungen zu führen oder einseitig die Angebotsunterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist unter nochmaliger Aufforderung aller Bieter zur Angebotsabgabe abzuändern.

So sind etwa Ausschreibungsbestimmungen, welche den Bieter zur Weitergabe von Preisreduktionen der Hersteller nach Angebotsöffnung aber vor Zuschlagserteilung, als dem Verhandlungsverbot widersprechend unzulässig.

Nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung

Beim nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung werden, nachdem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert wurde, ausgewählte Bewerber zur Abgabe von Angeboten aufgefordert.

Im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung kann jeder interessierte Unternehmer einen Teilnahmeantrag abgeben. Eine Begrenzung der Zahl der Bewerber und damit der Teilnahmeanträge ist nicht zulässig. Zumindest in der ersten Stufe des Verfahrens kann sich daher jeder Unternehmer an dem Verfahren beteiligen. Eine Begrenzung der Zahl der Unternehmer erfolgt erst im Zuge der Prüfung und Bewertung der Teilnahmeanträge. Nur eine begrenzte Zahl der Unternehmer wird in der zweiten Stufe zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert. Man spricht daher von einem zweistufigen Verfahren.

3.1. Bekanntmachung und Beteiligung am Verfahren

Ebenso wie beim offenen Verfahren sind nicht offene Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung in den einschlägigen Publikationsmedien (gemäß §§ 46, 50-52 und 55 BVergG) bekannt zu machen.

Unternehmern, die aufgrund der Bekanntmachung rechtzeitig Teilnahmeanträge gestellt haben, und die als befugt, leistungsfähig und zuverlässig anzusehen sind (§§ 68-77 BVergG), ist Gelegenheit zur Beteiligung am nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung zu geben.

Der Auftraggeber darf vom Inhalt der Teilnahmeanträge erst nach Ablauf der Frist über deren Einreichung Kenntnis erhalten. Über die Prüfung der Teilnahmeanträge ist eine Niederschrift zu verfassen, in welcher alle für die Beurteilung der Teilnahmeanträge wesentlichen Umstände festzuhalten sind. Der Bewerber kann in den seinen Teilnahmeantrag betreffenden Teil der Niederschrift Einsicht nehmen.

3.2. Verhandlungsverbot

Wie beim offenen Verfahren darf generell auch bei einem nicht offenen Verfahren (unabhängig davon, ob mit oder ohne vorheriger Bekanntmachung) mit den Bietern über eine Angebotsänderung nicht verhandelt werden. Anzahl und Namen der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmer sind bis zur Angebotsöffnung geheim zu halten.

3.3. Festlegung der Anzahl der Bieter und Auswahlkriterien

Die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer ist entsprechend der Leistung festzulegen, darf aber bei nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung nicht unter fünf liegen. Die festgelegte Anzahl muss einen echten Wettbewerb gewährleisten und ist bereits in der Bekanntmachung anzugeben. Die objektiven und nicht diskriminierenden Auswahlkriterien habe den besonderen Erfordernissen der zur Ausführung gelangenden Leistung Rechnung zu tragen und sind in der Bekanntmachung bekannt zu geben.

Mangels Festlegung einer Anzahl von aufzufordernden Unternehmern in der Ausschreibung sind alle geeigneten Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern.

3.4. Auswahl der Bewerber

Langen in der Folge mehrere Teilnahmeanträge als die vom Auftraggeber festgelegte Anzahl von aufzufordernden Unternehmern ein, so hat der Auftraggeber unter den befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmern anhand der Auswahlkriterien die besten Bewerber auszuwählen. Die maßgeblichen Gründe für die Auswahl sind in nachvollziehbarer Form festzuhalten. Der Auftraggeber hat die nicht zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bewerber von dieser Entscheidung unverzüglich grundsätzlich aber allenfalls eine Woche nach Abschluss der Auswahl und Bekanntgabe der Gründe für die Nicht-Zulassung zu verständigen. Die Gründe der Nicht-Zulassung sind nicht bekannt zu geben, sofern der Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmern widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.

Langen weniger Teilnahmeanträge von befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmern als die vom Auftraggeber festgelegte Anzahl von aufzufordernden Unternehmern ein, so darf der Auftraggeber im Oberschwellenbereich keine zusätzlichen Unternehmer in das Vergabeverfahren einbeziehen. Im Unterschwellenbereich kann der Auftraggeber zusätzliche Unternehmer in das Vergabeverfahren einbeziehen.

3.5. Aufforderung zur Angebotsabgabe

Der Auftraggeber hat die ausgewählten Bewerber gleichzeitig schriftlich zur Angebotsabgabe aufzufordern. Der Aufforderung sind, sofern die Unterlagen nicht im Internet bereitgestellt werden, die Ausschreibungsunterlagen und allfällige zusätzliche Unterlagen beizufügen. Sie hat zumindest Angaben zur Verfügbarkeit allfälliger zusätzlicher Unterlagen, Angebotsfrist, Abgabestelle, Sprache, Hinweis auf die veröffentlichte Bekanntmachung, Angabe der allenfalls beizufügenden Unterlagen, die (im Verhältnis ihrer Bedeutung festgelegten und gereihten) Zuschlagskriterien, falls sie nicht in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sind, sowie alle weiteren besonderen Teilnahmebedingungen zu enthalten.

Zur Erstellung der Ausschreibungsunterlagen kann auf obige Ausführungen zum offenen Verfahren verwiesen werden (siehe §§ 79ff BVergG).

4. Beendigung der Vergabeverfahren

Für alle Verfahrensarten gilt, dass ein Vergabeverfahren mit dem Zustandekommen des Leistungsvertrages (Zuschlagserteilung) oder mit dem Widerruf des Vergabeverfahrens endet (§ 135 BVergG).

Aufgrund der Komplexität von Vergabeverfahren generell, sind obige Ausführungen nur als grober Grundriss der beiden Verfahrensarten zu verstehen. Lesen Sie nähere Details, etwa zum vergaberechtlichen Rechtsschutz in einer der nächsten Ausgaben von derunternehmer.at.

Autor:

RA Dr. Michael Pichlmair, Gütlbauer Sieghartsleitner Pichlmair Rechtsanwälte, Wels