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Einlagenrückgewähr und verdeckte Gewinn-ausschüttungen im Gesellschaftsrecht

(Bild: © iStock/Nuthawut Somsuk) (Bild: © iStock/Nuthawut Somsuk)

Seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise haben Streitfälle, in denen das gesellschaftsrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr und insbesondere verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) eine Rolle spielen, Hochkonjunktur. Dabei kann es um empfindliche zivil- und strafrechtliche Haftungsfolgen für die Beteiligten gehen. Im nachfolgenden Beitrag werden die Grundlinien dargestellt.

Stand: Q4/2012

1. Beispielsfälle

Die praktische Relevanz des Themas lässt sich an den folgenden – immer wieder vorkommenden – Beispielsfällen für eine mögliche vGA aufzeigen:

  • Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH bezieht ein überhöhtes Gehalt;
  • Familienmitglieder des Gesellschafters werden pro forma bei der GmbH angestellt;
  • der Gesellschafter verkauft seiner Gesellschaft Güter zu überhöhten Preisen, oder er kauft bei ihr zu „Sonderkonditionen“ ein;
  • ein Gesellschafter nutzt Güter der GmbH (zB einen PKW oder eine Wohnung) unentgeltlich;
  • ein Gesellschafter, dem bei seinem privaten Hausbau Rohre übrig geblieben sind, verkauft diese zu einem an sich angemessenen Preis an seine in einem ganz anderen Geschäftsbereich tätige Gesellschaft;
  • die GmbH übernimmt Privataufwendungen des Gesellschafters (zB Steuer- und Rechtsberatungskosten, Einrichtung der Privatwohnung, etc.);
  • dem ausgeschiedenen Gesellschafter wird eine Abfindung aus dem Vermögen der Gesellschaft gewährt (dadurch erspart sich der Erwerber des Anteils eine höhere eigene Kaufpreiszahlung);
  • dem Gesellschafter werden von der Gesellschaft Kredite ohne ausreichende Bonität bzw. Sicherheiten und/oder ohne angemessene Verzinsung gewährt (wie im häufigen Fall eines „Verrechnungskontos“);
  • die GmbH bestellt eine Sicherheit für einen Kredit des Gesellschafters;
  • zwischen zwei Schwestergesellschaften findet ein inäquivalenter Leistungsaustausch statt;
  • alle Konzerngesellschaften müssen an die Muttergesellschaft eine von bestimmten Kennzahlen (zB Umsatzerlöse) abhängige „Konzernumlage“ abführen, ohne dass dem konkrete Leistungen der Konzernmutter gegenüberstehen;
  • ein „Cash Pooling“ im Konzern wird ohne Einhaltung fremdüblicher Kriterien durchgeführt.

2. Grundsätzlicher Verbotsinhalt

Das Verbot der Einlagenrückgewähr ist auf alle Kapitalgesellschaften (AG, GmbH, SE) und seit der Grundsatzentscheidung OGH 29.5.2008, 2 Ob 225/07p, SZ 2008/78 auch auf verdeckte Kapitalgesellschaften (zB GmbH & Co KG) anwendbar. Der Verbotstatbestand ist für die AG in §§ 52 und 54 AktG niedergelegt; für die GmbH findet sich eine weitgehend inhaltsgleiche Regelung in § 82 GmbHG.

Nach diesen Bestimmungen darf an die Gesellschafter nur der Anteil am jährlichen Bilanzgewinn (gemäß dem Einzelabschluss), unter Einhaltung aller dafür vorgesehenen formellen Voraussetzungen (zB soweit erforderlich Gewinnverwendungsbeschluss), verteilt werden. Eine Rückgewähr der Einlagen ist verboten, was über die eigentlichen Einlagen hinaus im Sinne eines generellen Ausschüttungsverbotes zu verstehen ist: Abgesehen vom Anteil am jährlichen Bilanzgewinn und einigen weiteren ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen – wie etwa Rückzahlungen im Wege einer Kapitalherabsetzung oder im Liquidationsverfahren, Leistungen beim zulässigen Erwerb eigener Anteile oder bestimmte Abfindungen im Umgründungsrecht – ist jeglicher Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter verboten (siehe dazu eingehend Karollus, Einlagenrückgewähr und verdeckte Gewinnausschüttung im Gesellschaftsrecht, in Roman Leitner, Handbuch verdeckte Gewinnausschüttung [2010] 9 [22 ff]; Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 52 Rz 1 ff; Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 1 ff, 11 ff, jeweils mwN).

Diesen weiten Verbotsumfang hat der OGH wie folgt umschrieben:

Die Kapitalerhaltungsvorschriften sollen nach ihrem Sinn und Zweck jede (unmittelbare oder mittelbare) Leistung an einen Gesellschafter erfassen, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und die wirtschaftlich das Vermögen verringert. Darunter fallen Zuwendungen oder Vergünstigungen aller Art ohne Rücksicht darauf, ob sie in der Handelsbilanz der GmbH oder des Gesellschafters einen Niederschlag finden.“ (OGH 25.6.1996, 4 Ob 2078/96h, SZ 69/149 = JBl 1997, 108 mit Anm Hügel)

Unzulässig ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, der den Gesellschafter auf Grund des Gesellschaftsverhältnisses zulasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorteilt.“ (OGH 20.1.2000, 6 Ob 288/99t, SZ 73/14)

Insbesondere darf daher auch das „freie“, an sich für eine Gewinnausschüttung zur Verfügung stehende Vermögen nicht auf einem anderen Weg als über eine formelle Gewinnausschüttung (Dividendenzahlung) verteilt werden, also auch nicht über vGA (dazu noch näher unten 4. und 5.). Anders als in Deutschland, wo nur für die AG eine umfassende Kapitalbindung besteht, wohingegen bei der GmbH lediglich das stammkapitalentsprechende Vermögen geschützt wird (vgl § 30 dGmbHG), gelten in Österreich für GmbH und AG dieselben strengen Grundsätze. Nur im Detail bestehen einige wenige rechtsformspezifische Unterschiede (nur bei der GmbH zusätzliche Ausschüttungssperre bei Verlusten und Wertminderungen nach dem Bilanzstichtag [§ 82 Abs 5 GmbHG] und Ausfallshaftung der Mitgesellschafter [§ 83 Abs 2 und 3 GmbHG]; nur bei der AG Zulässigkeit der Ausschüttung von Halbjahresdividenden [§ 54a AktG; bei einer GmbH sind Vorabausschüttungen ausnahmslos verboten!] und Außenhaftung der Aktionäre gegenüber den Gläubigern [§ 56 Abs 1 AktG]).

Das Verbot der Einlagenrückgewähr als zentraler Eckpfeiler des Gläubigerschutzsystems bei Kapitalgesellschaften ist nicht disponibel. Die Gesellschaft kann also nicht wirksam auf die Kapitalerhaltung verzichten. Auch eine Weisung der Gesellschafter auf Vornahme einer verbotswidrigen Transaktion oder eine Genehmigung durch die Gesellschafter wären unbeachtlich und nichtig (OGH 22.10.2003, 3 Ob 287/02f).

Primäre Sanktion bei Verstößen ist ein Rückgewähranspruch gegen den Leistungsempfänger (§ 83 GmbHG, § 56 AktG; zur Konkurrenz mit Bereicherungsansprüchen siehe OGH 13.9.2012, 6 Ob 110/12p); weiters greift eine Nichtigkeitssanktion für gegen das Verbot verstoßende Vereinbarungen ein. Die Organmitglieder, die eine verbotene Ausschüttung vorgenommen haben, trifft dafür eine Haftung (§ 84 Abs 3 Z 1 AktG und § 25 Abs 3 Z 1 GmbHG; für Aufsichtsratsmitglieder siehe § 99 AktG und § 33 GmbHG). Auch eine Weisung oder ein Einverständnis der Gesellschafter mit der Transaktion vermag daran nichts zu ändern (OGH 3 Ob 287/02f). Neben der zivilrechtlichen Haftung kommen strafrechtliche Sanktionen (§§ 153 und 156 StGB) in Betracht.

Der besondere Stellenwert des Verbots der Einlagenrückgewähr kommt auch darin zum Ausdruck, dass in einem Zivilprozess einschlägige Verstöße – unabhängig von den Rechtsbehauptungen der Parteien – von Amts wegen wahrzunehmen sind (siehe dazu nur OGH 1.9.2010, 6 Ob 132/10w, GesRZ 2011, 47 mit Anm Rüffler = EvBl 2011/22 mit Anm Feuchtmüller = immolex 2011/47, 146 mit Anm Cerha; RIS-Justiz RS0117033; Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 52 Rz 72 mwN).

3. Persönlicher Anwendungsbereich

Nur Zuwendungen an Gesellschafter und bestimmte, diesen gleichgestellte Personen unterliegen dem Verbot der Einlagenrückgewähr, nicht hingegen Zuwendungen an Dritte. Der persönliche Anwendungsbereich des Verbots der Einlagenrückgewähr umfasst Zuwendungen der Gesellschaft an ihre unmittelbaren Gesellschafter, unabhängig von der Beteiligungshöhe, daneben aber etwa auch Zuwendungen an nur mittelbar beteiligte Gesellschafter sowie an sonstige verbundene Unternehmen (wie etwa Schwestergesellschaften) oder sonst an Gesellschaften, die wirtschaftlich dem Gesellschafter zuzurechnen sind, an Treugeber und allenfalls auch an Familienangehörige des Gesellschafters (siehe den Beispielsfall oben 1.), sowie Leistungen an einen Dritten, durch die auch der Gesellschafter eine Zuwendung erhält (siehe dazu näher Karollus in Roman Leitner, Handbuch vGA 29 ff; Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 52 Rz 30 ff und Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 38 ff, jeweils mwN). Beispiele für letzteres sind etwa die Bezahlung von Gläubigern des Gesellschafters oder die Gewährung einer Sicherheit gegenüber der Bank für einen Kredit des Gesellschafters.

Erfasst sind auch Zuwendungen, die im Hinblick auf eine frühere oder künftige Gesellschafterstellung erfolgen (siehe für ehemalige Gesellschafter OGH 6 Ob 132/10w: „Der Zweck der Bestimmung gebietet es, den Kreis auch auf ehemalige Gesellschafter auszudehnen, sofern die Leistung im Hinblick auf die ehemalige Gesellschafterstellung erbracht wird“; „zumal das Verbot der Einlagenrückgewähr auch ehemalige Gesellschafter erfasst, sofern die Leistung im Hinblick auf die ehemalige Gesellschafterstellung erbracht wird“; für ehemalige und künftige Gesellschafter auch OGH 14.9.2011, 6 Ob 29/11z, GesRZ 2012, 122 mit Anm U. Torggler; aus der Literatur Karollus in Roman Leitner, Handbuch vGA 31 mwN). Erfasst sind damit etwa „Abfindungszahlungen“, die aus dem Vermögen der Gesellschaft an ausgeschiedene Gesellschafter geleistet werden (siehe den Beispielsfall oben 1.), oder Finanzierungshilfen für den Erwerber eines Anteils; daneben kann hier noch das Finanzierungsverbot des § 66a AktG eingreifen.

Auf die Rechtsform des Gesellschafters (des Zuwendungsempfängers) kommt es nicht an, ebenso wenig auf die Nationalität bzw. Ansässigkeit des Gesellschafters oder darauf, welcher Rechtsordnung das mit der Gesellschaft geschlossene Rechtsgeschäft unterliegt: Das Verbot der Einlagenrückgewähr ist zwingend nach dem Gesellschaftsstatut anzuknüpfen (§§ 10, 12 IPRG) und daher jedenfalls auf österreichische Gesellschaften anwendbar. Auch durch Rechtswahl kann man dem nicht entgehen.

4. Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen

Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter sind grundsätzlich zulässig; aus dieser Leistungsbeziehung darf der Gesellschafter von der Gesellschaft vermögenswerte Zuwendungen erhalten, ohne dass dies gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen würde. Umfasst sind alle denkbaren rechtsgeschäftlichen Beziehungen wie etwa Umsatzgeschäfte, der Erwerb von Unternehmen oder Beteiligungen, Gebrauchsüberlassungen, Dienst- und Arbeitsleistungen, Kredite und sonstige Finanzierungshilfen (siehe auch die Beispiele oben 1.).

Voraussetzung für die Zulässigkeit ist aber, dass die Leistungsbeziehung in angemessener bzw. fremdüblicher Weise ausgestaltet ist. Anderenfalls kann eine vGA und damit ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vorliegen (vgl dazu etwa Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 52 Rz 10 ff; Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 23 ff; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 82 Rz 15 ff; Bauer/Zehetner in Straube, WK-GmbHG § 82 Rz 59 ff; Karollus in Roman Leitner, Handbuch vGA 44 ff).

Der Begriff der vGA indiziert zwar eine Parallele zu der gleichnamigen abgabenrechtlichen Rechtsfigur, und in den beiden Rechtsgebieten gelten auch ähnliche Beurteilungsgrundsätze, dennoch bestehen aber hinsichtlich des Tatbestandes und der Rechtsfolgen – und auch bereits hinsichtlich des Normzwecks (Schutz des korrekten Steueraufkommens vs. Schutz der Gesellschaft und ihrer Gläubiger) – einige Unterschiede (dazu näher Karollus in Roman Leitner, Handbuch vGA 11 ff; zur abgabenrechtlichen vGA etwa Kirchmayer, Verdeckte Ausschüttungen aus Kapitalgesellschaften im Ertragssteuerrecht, aaO 79 ff mwN). Der abgabenrechtlichen Beurteilung kommt daher höchstens eine gewisse Indizwirkung für das Gesellschaftsrecht zu, keineswegs aber eine Bindungs- oder Tatbestandswirkung (OGH 6 Ob 132/10w). Auch Gestaltungen, die abgabenrechtlich nicht beanstandet werden, können sehr wohl gesellschaftsrechtlich eine verbotene vGA darstellen; und ebenso kann dies umgekehrt gelten.

5. Beurteilungskriterien für eine vGA

Bei Vorliegen eines Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (zum Nachteil der Gesellschaft; eine Besserstellung der Gesellschaft ist hingegen nicht verboten) greift eine Vermutung für das Vorliegen einer vGA ein (siehe nur OGH 6 Ob 288/99t). Den Nachweis der objektiven Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung muss die Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter erbringen. Erforderlich ist eine Bewertung der Leistungen, die sich an Marktpreisen, Vergleichstransaktionen mit Dritten oder einer Selbstkalkulation durch die Gesellschaft orientieren kann. In bestimmten Bereichen (zB Managergehälter, Unternehmens- und Beteiligungskäufe) können erhebliche Bewertungsspielräume und -bandbreiten bestehen mit der Folge, dass grundsätzlich jede noch innerhalb der Bandbreite gelegene Preisfestsetzung zulässig ist (zu Ausnahmen siehe aber noch weiter unten).

Widerlegt werden kann die Vermutung durch den Fremd- bzw. Drittvergleich: Zu prüfen ist, ob ein sorgfaltsgemäß handelnder Geschäftsleiter das betreffende Geschäft zu diesen Konditionen auch mit einem Dritten abgeschlossen hätte (siehe dazu nur OGH 1.12.2005, 6 Ob 271/05d, SZ 2005/178 = JBl 2006, 388 mit Anm Artmann = ÖBA 2006, 293 mit Anm Karollus; zur zentralen Bedeutung des Fremdvergleichs vgl auch Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 52 Rz 11 und 13 mwN).

Auch an sich, nach ihren Konditionen (Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung) unangemessene Geschäfte können durch besondere betriebliche Interessen der Gesellschaft gerechtfertigt werden (siehe dazu – für eine Mitkreditnehmerstellung der Gesellschaft mit dem Gesellschafter, die durch eine Zusammenarbeit und wechselseitige Abhängigkeit der von beiden betriebenen Unternehmen gerechtfertigt war – OGH 6 Ob 271/05d; aus der Literatur vgl nur Karollus in Roman Leitner, Handbuch vGA 49 ff [allgemein], 67 ff [zu Finanzierungshilfen] mwN). Dabei muss es um Interessen der Gesellschaft selbst gehen.Allgemeine Interessen des Gesamtkonzerns genügen hingegen nicht, um die Benachteiligung einer Konzerngesellschaft zu rechtfertigen.

Umgekehrt tragen Geschäfte, die aus Sicht der Gesellschaft nicht betrieblich gerechtfertigt sind, den Makel der verbotenen Einlagenrückgewähr bereits in sich (Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 52 Rz 13 mwN). In diesem Sinne wurde in der – einen Mietvertrag betreffenden – Entscheidung 6 Ob 110/12p im Rahmen des Fremdvergleichs auch eine Prüfung dahingehend verlangt, „ob mit einem gesellschaftsfremden Dritten überhaupt ein derartiges Geschäft abgeschlossen worden wäre“ (RIS-Justiz RS0105540 [T8]). Geschäfte, die für die Gesellschaft nutzlos sind, können daher auch bei einem an sich ausgewogenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eine vGA darstellen (siehe den Beispielsfall mit den Rohren oben 1.). Dies kann auch für Kredite und Finanzierungshilfen ein Problem darstellen: An einer derartigen Unterstützung des Gesellschafters wird eine Gesellschaft, die kein Kreditinstitut, vielfach gar kein eigenes Interesse haben. Anders könnte dies bei Bestehen einer Geschäftsbeziehung mit dem Gesellschafter sein (betriebliche Rechtfertigung; zu einem derartigen Fall siehe 6 Ob 271/05d; für ein Gegenbeispiel [unzulässige Schwesternsicherheit] vgl OGH 29.9.2010, 7 Ob 35/10p, GesRZ 2011, 110 mit Anm Karollus = ZFR 2011, 82 mit Anm Auer).

Auch bei an sich, nach ihren isoliert betrachteten Konditionen, inäquivalenten Transaktionen lässt die Rechtsprechung einen Gegenbeweis zu, dass die Gesellschafterstellung des Transaktionspartners für den Abschluss der konkreten Transaktion keine Rolle gespielt hat (siehe dazu Karollus in Roman Leitner, Handbuch vGA 50 f mwN). So wird etwa im Rechtssatz RIS-Justiz RS0105540 (zu 4 Ob 2078/96h) festgehalten:

[…] Maßgebend ist, ob das Geschäft dem Fremdvergleich standhält und auch dann so geschlossen worden wäre, wenn kein Gesellschafter (kein einem Gesellschafter nahestehender Dritter) daraus einen Vorteil zöge.“

Ähnliche Aussagen finden sich in den Rechtssätzen RIS-Justiz RS0105540 [T 1] und [T 2] (zu 6 Ob 288/99t):

Maßgebend ist, ob das Geschäft dem Fremdvergleich standhält und auch dann so geschlossen worden wäre, wenn kein Gesellschafter (kein einem Gesellschafter nahestehender Dritter) daraus einen Vorteil zöge. (T1); Beisatz: Dies könnte dann der Fall sein, wenn kein Zusammenhang zwischen der Gesellschaftereigenschaft an der Muttergesellschaft der einbringenden GmbH und der Zuwendung zu Lasten des Kapitals der einbringenden GmbH gegeben war, und die Einbringung auch dann in der vorliegenden Art und Weise vorgenommen worden wäre, wenn die genannten Gesellschafter nicht auch an der Muttergesellschaft der einbringenden GmbH beteiligt gewesen wäre[n]. (T2)“

In der Sache stellt der OGH damit offenbar doch, wie im Abgabenrecht und anders als ein Teil der gesellschaftsrechtlichen Literatur, auf eine causa societatis bzw. eine Vorteilszuwendungsabsicht (einen Willen der Körperschaft, dem Gesellschafter gerade in dieser Eigenschaft etwas zuzuwenden) als konstituierendes Merkmal einer vGA ab, wobei aber der Zusammenhang der (zu inäquivalenten Konditionen vorgenommenen) Transaktion mit der Gesellschafterstellung vermutet wird und dieser Gesichtspunkt nur in Form eines Gegenbeweises (Entlastungsbeweises) zum Tragen kommt. Wichtige Indizien dafür können die Stellung des Transaktionspartners als bloßer Minderheitsgesellschafter (6 Ob 288/99t) oder der Nachweis ernsthafter, von einem Interessengegensatz geprägter Verhandlungen über die Transaktion (siehe auch dazu 6 Ob 288/99t) sein.

Offen ist, ob dieser Gegenbeweis lediglich einen Unterfall des allgemeinen Fremdvergleichs darstellt, und ob es daher – als zusätzlicher Filter – auch noch darauf ankommt, ob ein sorgfaltsgemäß handelnder Geschäftsleiter das Geschäft mit einem Dritten geschlossen hätte. Oder genügt der Nachweis, dass das – wenngleich sorgfaltswidrige – Geschäft genauso mit einem Dritten geschlossen worden wäre (bzw. sogar tatsächlich derartige Geschäfte mit Dritten geschlossen wurden), mit der Begründung, dass schon dann die Veranlassung durch die Gesellschafterstellung (causa societatis) fehlt?

Umgekehrt kann eine nachgewiesene causa societatis auch bei einer an sich zu äquivalenten Konditionen abgeschlossenen Transaktion zu einer Qualifikation als vGA führen: Dies gilt etwa für Geschäfte, an denen die Gesellschaft gar kein eigenes Interesse hat (siehe bereits weiter oben), oder für Geschäfte, die sich zwar noch innerhalb der Bewertungsbandbreite halten, bei denen aber Gesellschafter im Vergleich zu Dritten ohne sachlich gerechtfertigte Gründe (zB Mengenbonus für Großabnehmer) durch „Sonderkonditionen“ bevorzugt werden (siehe dazu den Beispielsfall oben 1.).

Insgesamt zeigt sich damit, dass eine isolierte Betrachtung der Konditionen des konkreten Rechtsgeschäftes höchstens ein allererstes Indiz für oder gegen eine vGA darstellen kann, mehr aber auch nicht. Im Ergebnis viel wichtiger sind die Kriterien des Fremdvergleichs, der betrieblichen Rechtfertigung und des Zusammenhangs der Transaktion mit der Gesellschafterstellung. Die Beurteilung von Einzelfällen kann sich daher als schwierig erweisen. Dass einschlägige Transaktionen nicht ohne eine qualifizierte rechtliche Beratung abgeschlossen werden sollten, und dass auch in Streitfällen eine kompetente Unterstützung erforderlich ist, liegt auf der Hand.

Autor:

o.Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Johannes Kepler Universität Linz

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