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Die Dienstnehmerhaftung aus Sicht des Arbeitgebers

(Bild: © iStock) (Bild: © iStock)

Wird durch einen Dienstnehmer (DN) bei Erbringung seiner Dienstleistung der Dienstgeber (DG) oder ein Dritter geschädigt, so stellt sich die Frage, wer für die vom DN verursachten Schäden haftet. Die Anwendung der Bestimmungen des allgemeinen Schadenersatzrechts nach ABGB würde dazu führen, dass der DN bei Verschulden sowohl dem DG als auch dem Dritten in vollem Umfang haftet. Da der DN aber gegenüber dem DG weisungsgebunden tätig und in dessen Betriebsorganisation eingebunden ist, soll nach der Wertung des Gesetzgebers der DG, der ja den Hauptnutzen aus dem Geschäft zieht, auch das damit verbundene Risiko tragen. Unter Zugrundelegung dieser und noch weiterer Überlegungen wurde vom Gesetzgeber das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) erlassen.

1. Grundevoraussetzungen für die Anwendbarkeit des DHG

1.1. Schadenszufügung durch DN (persönlicher Geltungsbereich des DHG). DN nach dem DHG sind alle Personen die in einem privatrechtlichen oder öffentlichen Dienstverhältnis stehen. Merkmale eines Dienstverhältnisses sind ua die persönliche (Weisungsrecht, höchstpersönliche Arbeitspflicht, Eingliederung in die Organisationsstruktur des DG) und wirtschaftliche Abhängigkeit des DN vom DG. Ausdrücklich werden auch Lehrlinge, Heimarbeiter und arbeitnehmerähnliche Personen vom persönlichen Anwendungsbereich des DHG umfasst. Bei öffentlichen Dienstverhältnissen ist zu beachten, dass bei Schadenzufügungen durch den DN im Rahmen der Hoheitsverwaltung das DHG unanwendbar ist – in diesen Fällen kommt das AHG und OrgHG zur Anwendung.

1.2. Schadenszufügung durch den DN bei Erbringung der Dienstleistung (sachlicher Geltungsbereich des DHG). Das DHG erfasst einerseits die Sach-, Personen- und Vermögensschäden, die der DG im Zug der Dienstvertragserfüllung durch den DN erleidet. Auf der anderen Seite werden auch Schäden erfasst, die der DN einem Dritten im Zug der Erfüllung seiner Dienstpflicht zufügt.

1.3. Schadenszufügung durch ein Versehen. Unbedingte Voraussetzung für die Anwendbarkeit des DHG ist, dass der DN den Schaden dem Dritten bzw. DG durch ein „Versehen“ – also fahrlässig – bei der Erfüllung seiner Dienstleistung zugefügt hat. Somit ist die Anwendbarkeit des DHG in Fällen vorsätzlicher Schadenszufügung (wissentliche und willentliche Schadenszufügung) durch den DN ausgeschlossen. Hier haftet der DN nach den Bestimmungen des ABGB, womit auch die im DHG normierten Reduktionsmöglichkeiten hinsichtlich der Höhe der Ersatzpflicht entfallen.

Das Vorliegen der eben dargestellten Tatbestände führt zur Anwendung des DHG und den damit verbundenen Möglichkeiten der Haftungsreduktion des DN.

2. Mäßigungsrecht des Gerichts und Erlass des Schadenersatzes

2.1. § 2 DHG stellt das zentrale Element des Gesetzes dar. In dieser Bestimmung wird das Mäßigungsrecht des Gerichts hinsichtlich der Schadenersatzhöhe aus Gründen der Billigkeit normiert. Im Fall einer Schadensverursachung durch den DN aufgrund eines minderen Grad des Versehens (leichter Fahrlässigkeit) wird dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt die Schadenersatzpflicht des DN ganz zu erlassen.

Neben dem Ausmaß des Verschuldens des DN am Schaden (Beweislast trifft DG) hat das Gericht bei der Bemessung der Schadenersatzhöhe weitere Umstände zu berücksichtigen. Das Gesetzt führt demonstrativ folgende, vom DN zu beweisende, berücksichtigungswürdige Umstände an:

  • die mit der ausgeübten Tätigkeit verbundene Verantwortung (höhere Verantwortung des DN begründet höhere Sorgfaltspflicht des DN);
  • Berücksichtigung der mit der Erbringung der Dienstleistung verbundenen Gefahr einer Schadenszufügung bei Bemessung der Entgelthöhe (wurde ein Teil des Entgelts als Risikoabgeltung zwischen DN und DG vereinbart);
  • Ausbildungsgrad des DN (nur auf die für die zu erbringende Tätigkeit notwendige Ausbildung ist abzustellen);
  • Bedingungen, unter denen die Dienstleistung zu erbringen war (ua mangelnde Betriebsorganisation bzw Betriebsrisiko);
  • ist bei Erbringung der konkreten Dienstleistung erfahrungsgemäß ein Schadenseintritt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Die im Gesetz angeführten Mäßigungsgründe sind als maßgebliche Wertungsbasis für allenfalls weitere in Betracht kommende berücksichtigungswürdige – im Gesetz nicht angeführte – Umstände zu verstehen.

Es bleibt festzuhalten, dass die Fahrlässigkeit des Verhaltens des DN mit den berücksichtigungswürdigenden Umständen ein bewegliches System bildet, dh je krasser das Verschulden des DN zu bewerten ist, umso gewichtigere rechtfertigende Umstände sind für eine Reduktion der Haftung vom DN vorzulegen.

2.2. In Fällen entschuldbarer Fehlleistung haftet der DN nicht. Die entschuldbare Fehlleistung stellt den untersten Verschuldensgrad dar. Sie liegt vor, wenn das Verschulden nur mehr ganz geringfügig oder nicht mehr nennenswert ist. Für die Beurteilung des Verschuldensgrad ist immer auf den jeweiligen konkreten Sachverhalt abzustellen.

3. Regressansprüche von DN und DG

Die §§ 3, 4 DHG sind den Fällen gewidmet in denen der DN nicht dem DG sondern einem Dritten bei Ausübung seiner Dienstleistung einen Schaden zufügt und in weiterer Folge der DG oder der DN vom Dritten zur Haftung herangezogen wird.

3.1. Regressanspruch des DN gegen den DG.§ 3 DHG regelt den Fall, dass der DN vom Dritten zum Ersatz des Schadens herangezogen wird. In dieser Konstellation trifft den DN die Obliegenheit den DG unverzüglich darüber zu informieren, dass der Dritte ernsthaft Schadenersatzansprüche gegen den DN geltend machen will oder geltend gemacht hat, wobei bereits die außergerichtliche Geltendmachung durch den Dritten genügt.

Das DHG sanktioniert die Unterlassung der Informationspflicht oder Streitverkündung durch den DN in der Weise, dass der DG im Fall der Erhebung eines Regressanspruchs des DN gegen ihn alle seine Einwendungen aus seinem Verhältnis zum Dritten geltend machen kann.

Hat in weiterer Folge der DN dem Dritten in Abstimmung mit dem DG oder aufgrund eines rechtskräftigen Urteils den aus einem Versehen zugefügten Schaden ersetzt, so kann er das Geleistete zum Teil, oder bei Schadenszufügung durch einen minderen Grad des Versehens, zur Gänze vom DG zurückfordern, wenn der DG persönlich nach § 1313a ff ABGB oder einer anderen gesetzlichen Bestimmung vom Dritten in Anspruch genommen hätte werden können. Der Umfang des Zurückzuerstattenden richtet sich nach der Billigkeit. Bei vorsätzlicher Schädigung steht dem DN natürlich wieder kein Regressanspruch zu.

Ist dem DN hingegen nur eine entschuldbare Fehlleistung vorzuwerfen, so kann der DN Rückersatz in vollem Umfang vom DG begehren.

3.2. Regressanspruch des DG gegen den DN. § 4 greift in der Konstellation ein, in der der Dritte seinen Schadenersatzanspruch gegen den DG im Rahmen der Gehilfenhaftung geltend macht.

Hier trifft die Informationspflicht oder Streitverkündungspflicht den DG – dieser hat nun unverzüglich dem DN mitteilen, dass der Dritte aufgrund der Schadenszufügung durch den DN gegen ihn rechtlich vorgehen will. Die Unterlassung dieser Obliegenheit durch den DG wird in gleicher Weise sanktioniert wie die Unterlassung der Informationspflicht durch den DN im Rahmen des Regresses der Dritten gegenüber dem DN.

Leistet in weiterer Folge der DG im Einverständnis mit dem DN oder aufgrund eines rechtskräftigen Urteils an den Dritten Schadenersatz, so hat er gegen den DN Regressanspruch in vollem Umfang, außer der Schaden wurde richterlich gemäßigt bzw bei minderem Verschuldensgrad ganz erlassen.

In Fällen einer Schadenszufügung durch eine entschuldbare Fehlleistung kann der DG den DN nicht zum Regress heranziehen.

4. Unabdingbarkeit der Bestimmungen

Darauf hinzuweisen ist, dass die Bestimmungen des DHG nur durch Kollektivvertag aufgehoben bzw beschränkt werden können. Somit kann nicht durch Individualvereinbarungen zwischen DN und DG vom DHG abgegangen werden.

5. Verlust des Regressanspruches durch Verfristung

Weiters ist zu beachten, dass Schadenersatz- und Regressansprüche welche aufgrund leichter Fahrlässigkeit zugefügt wurden erlöschen, wenn sie nicht binnen 6 Monaten nachdem sie erhoben werden können gerichtlich geltend gemacht werden. Ansprüche, welche aus grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadenszufügung resultieren, verjähren hingegen in Übereinstimmung mit § 1489 ABGB in 3 Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger.

6. Aufrechnung

Ist das Dienstverhältnis des DN noch aufrecht, so ist eine Aufrechnung der Schadenersatzansprüche des DG gegen Entgeltansprüche des DN nur zulässig, wenn der DN nicht innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der Aufrechnungserklärung dieser widerspricht. Der Widerspruch des DN ist zugangsbedürftig und an keine bestimmte Form gebunden. Daher ist auch der mündlich oder schlüssig erfolgte Widerspruch wirksam.

Autor:

Univ.-Prof. Dr. Reinhard Resch und Reinhard Hümer, Johannes Kepler Universität Linz