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Richtlinienentwürfe der Europäischen Kommission zur Unternehmensbesteuerung

(Bild: © iStock/rarrarorro)

Die Europäische Kommission hat im September 2023 ein umfangreiches Maßnahmen-Paket mit dem Ziel der Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung sowie der Vereinfachung der Steuergesetzgebung für international tätige Unternehmen innerhalb der Europäischen Union zu erreichen. Bürokratische Hürden sollen beseitigt und Differenzen aufgrund unterschiedlicher nationaler Steuersysteme verringert werden. Insbesondere für KMUs, die den weitaus überwiegenden Teil europäischer Unternehmen stellen, sind wesentliche Erleichterungen vorgesehen.

Im Rahmen dieses Beitrags werden die drei Richtlinien-Entwürfe näher beschrieben:

Einheitliche Bemessungsgrundlage für Körperschaftseuer (BEFIT)

Der Richtlinienvorschlag „on Business in Europe: Framework for Income Taxation”, auch als BEFIT abgekürzt, zielt auf die Einführung einer europaweiten Steuergruppe und einer gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage ab. Seit Jahren ist es ein Ansinnen der EU-Kommission für multinationale Konzerne eine einheitliche Bemessungsgrundlage zu schaffen. Bislang gab es hierzu zwei Entwürfe – CCTB (common corporate tax base) und CCCTB (common consolidated corporate tax base) – welche mit dem Richtlinienvorschlag BEFIT als zurückgezogen gelten.

BEFIT soll grundsätzlich auf sämtliche Wirtschaftssektoren anwendbar sein. Ausnahmen werden unter anderem für internationale Transporte und den Rohstoffabbau vorgesehen. Geplant ist, dass BEFIT bis zum 01.01.2028 von den Mitgliedsstaaten in deren nationales Recht übernommen wird und mit 01.07.2028 in Kraft tritt.

Man hat sich beim Richtlinienvorschlag BEFIT stark an die Richtlinie zur Einführung einer globalen Mindestbeststeuerung gehalten. BEFIT soll für große nationale oder multinationale Unternehmensgruppen anwendbar sein, wenn diese in zwei der vorangegangenen vier Steuerjahre einen konsolidierten Jahresumsatz von mehr als EUR 750 Millionen erzielt haben. Kleineren Unternehmensgruppen, welche die genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, wird die Option zur Anwendung der BEFIT-Regelungen eingeräumt. Bedingung hierfür ist, dass ein Konzernabschluss erstellt wird.

Wenn Unternehmensgruppen ihren Sitz außerhalb der EU haben, soll BEFIT auf die innereuropäischen Einheiten Anwendung finden, sofern deren Umsätze 5% des Gruppenumsatzes oder EUR 50 Millionen in mindestens zwei der vorangegangen vier Steuerjahre übersteigen.

Die BEFIT-Besteuerung basiert auf folgenden wesentlichen Grundlagen:

  • Ähnlich der Mindestbesteuerung ist Bemessungsgrundlage der handelsrechtliche Jahresabschluss nach IFRS oder einem in der EU anerkannten Rechnungslegungsstandard.
  • Die Bemessungsgrundlage soll gemäß einem Verteilungsschlüssel auf die BEFIT-Gruppenmitglieder aufgeteilt werden. Der Verteilungsschlüssel ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der durchschnittlichen steuerlichen Ergebnisse der vorangegangenen drei Jahre von Gruppenmitglied und gesamter BEFIT-Gruppe.
  • Durch die Zusammenrechnung der Bemessungsgrundlagen der Gruppenmitglieder entsteht die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Verlustausgleichs.
  • Für Transaktionen zwischen BEFIT-Gruppenmitgliedern sind Vereinfachungen in Bezug auf Verrechnungspreisregelungen geplant.
  • Der Richtlinienvorschlag sieht weiters vor, dass bei konzerninternen Zahlungen innerhalb der BEFIT-Gruppe keine Quellensteuern anfallen.
  • Die oberste Muttergesellschaft oder ein ermächtigtes Gruppenmitglied soll für die gesamte Unternehmensgruppe in ihrem Ansässigkeitsstaat eine Steuererklärung („BEFIT information return“) einreichen.

Einheitliche Verrechnungspreisregeln

Der zweite Teil des Richtlinienpakets der EU-Kommission beinhaltet den Entwurf der Richtlinie „on Transfer Pricing“. Zwar orientieren sich die meisten EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich an den Verrechnungspreisstandards der OECD, doch bestehen in der konkreten Anwendung der Verrechnungspreisvorschriften weiterhin große Unterschiede. Deshalb hat der Richtlinienentwurf der Kommission das Ziel, die Verrechnungspreisregelungen innerhalb der Europäischen Union zu harmonisieren und derzeit bestehende Probleme und Streitigkeiten im Bereich der Verrechnungspreise zu lösen. Zu letzteren zählen insbesondere, aber nicht abschließend, die Gefahr der Doppelbesteuerung durch abweichende Beurteilungen von Staaten, sowie auch Gewinnverlagerung und Steuervermeidung. Die EU erhofft sich dadurch weiters eine Verringerung der Verständigungsverfahren zwischen Mitgliedsstaaten.

Um die vorgenannten Ziele zu erreichen, sollen die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (OECD Transfer Pricing Guidelines) in verbindliches EU-Recht übernommen werden. Die Verankerung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien als verbindlicher Standard soll die Steuersicherheit erhöhen.

Der Richtlinienentwurf enthält unter anderem folgende weitere wesentlichen Eckpunkte

  • die Kodifizierung des Fremdvergleichsgrundsatzes (Arm’s Length Principle),
  • eine EU-weit einheitliche Definition für „verbundene Unternehmen“ (Art. 5),
  • ein vereinfachtes Verfahren zu Gegenberichtigungen (Art. 6, „Corresponding adjustments“) bei Verrechnungspreisanpassungen; Dem Steuerpflichtigen soll verbindlich die Möglichkeit eröffnet werden, zur Beseitigung einer eingetretenen Doppelbesteuerung unter Vorlage entsprechender Nachweise eine Gegenberichtigung zu beantragen (Art. 6, „Corresponding adjustments“), ohne ein zeitaufwendiges Verständigungs- oder Schiedsverfahrens einleiten zu müssen. Der betroffene Mitgliedsstaat ist verpflichtet binnen 30 Tagen nach Antragsstellung durch den Steuerpflichtigen, diesem mitzuteilen, ob weitere Nachweise zu erbringen oder der Antrag innerhalb einer zumindest 30-tägigen Frist nachgebessert werden muss.

Bis zum 31.12.2025 sollen die Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Die erstmalige Anwendung soll ab dem 01.01.2026 erfolgen.

„Head Office Tax System“ für KMU (HOT-Vorschlag)

Der dritte Teil des Richtlinienpakets beinhaltet den sogenannten HOT-Vorschlag. Hintergrund ist, dass Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die grenzüberschreitend tätig werden, in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, sobald durch ihre Tätigkeit im Ausland eine Betriebsstätte begründet wird. Der Unternehmer ist in Folge mehreren Steuersystemen ausgesetzt, weil es innerhalb der EU für die Unternehmensbesteuerung kein einheitliches System gibt. Speziell den vorgenannten Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen entstehen dadurch Aufwand und Kosten.

Hierbei soll die Richtlinie „head office tax system for micro, small and medium sized enterprises“ (HOT) Abhilfe schaffen. Einerseits soll ermöglicht werden, die Einkünfte der im EU-Ausland gelegenen Betriebsstätten nach einer einzigen Steuerbemessungsgrundlage zu berechnen. Andererseits sollen die Steuerverpflichtungen, auch der Betriebsstätten, einzig über die Steuerverwaltung des Ansässigkeitsstaates abgewickelt werden. Die Anforderungen mehrerer Steuersysteme wären nicht weiter zu erfüllen.

Zukünftig sollen demnach die von KMU mit ausländischen Betriebsstätten zu entrichtenden Steuern auf Grundlage der Vorschriften des Ansässigkeitsstaates berechnet werden. Weiters entfällt das Erfordernis, eine Steuerklärung im Betriebsstättenstaat einreichen zu müssen, da die Betriebsstätteneinkünfte in die Steuererklärung des Ansässigkeitsstaats aufgenommen werden können.

Die Steuerbehörde des Ansässigkeitsstaates hat die Steuerklärung sowie die anteiligen Steuereinnahmen in Folge an die Betriebsstättenstaaten weiterzuleiten.

Die Umsetzung des HOT-Vorschlags würde erhöhte Rechtssicherheit und Gerechtigkeit im Steuerbereich mit sich bringen. Für international tätige KMUs würde sich weiters insbesondere der Compliance Aufwand deutlich senken und das Risko von Doppel- und Überbesteuerung verringern. Die Richtlinie soll ab 01.06.2026 wirksam werden.

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Yasmin Wagner

Yasmin Wagner

Steuerberaterin | Partnerin bei TPA Österreich Leiterin des TPA KompetenzCenters „Internationales Steuerrecht“, Lektorin für internationales Steuerrecht an der FH Wien.

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