X
Digital
BFGjournal Interviews Linde TV Podcast

Dr. Martin Atzmüller im BFGjournal zu Gast

„Vernetztes Arbeiten wird im BMF immer wichtiger“ - Dr. Martin Atzmüller, Fachexperte in der Steuersektion des Bundesministeriums für Finanzen (Bild: © Linde Verlag) „Vernetztes Arbeiten wird im BMF immer wichtiger“ - Dr. Martin Atzmüller, Fachexperte in der Steuersektion des Bundesministeriums für Finanzen (Bild: © Linde Verlag)

Dr. Atzmüller ist Fachexperte in der Sektion IV Steuerpolitik und Steuer­recht des Bundesministeriums für Finanzen.  Nach langjähriger Tätigkeit in den Abteilungen für Lohnsteuer und Einkommen-/Körperschaft­steuer ist er nunmehr als Fachexperte tätig. Atzmüller ist ua Mitautor des von Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn herausge­gebenen EStG-Kommentars sowie Verfasser zahlreicher Fachartikel. Nach dem Steuertag 2018, einer gemeinsamen Veranstaltung des Bundesministeriums für Finanzen und der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, baten wir ihn zum Interview.

BFGjournal: Sie sind in der Steuersektion des Bundesministeriums für Finanzen als „Fachexperte“ tätig? Worin besteht Ihr Aufgabengebiet?

Martin Atzmüller: Als Fachexperte habe ich materiell-rechtliche Aufgabengebiete, wie insbesondere steuerliche Fördermaßnahmen, Pauschal­besteuerung und Steuerbe­rechnung. Darüber hinaus betreue ich die Schnittstelle der Sektion IV (Steuer­recht, Steuerpolitik) mit der Sektion I (Organisation, IT) und der Kommunikationsabteilung im Bundesministerium für Finanzen.

BFGjournal: Was kann man sich unter dieser „Schnittstellenbetreuung“ vorstellen?

Martin Atzmüller: Steuerlegistische Maßnahmen müssen im Interesse einer ressourcenschonenden Vollziehung immer auch in ihren konkreten Auswirkungen auf das Finanzressort beurteilt werden. Im Bundesministerium für Finanzen wird diesem Aspekt sowohl in der Legistik als auch in der Umsetzung neuer Regelungen eine hohe Bedeutung beigemessen. Dementsprechend sind Abstimmungsprozesse mit Organisation und EDV erforderlich. Damit hat sich mein Tätigkeitsfeld ein Stück weit von meiner eigentlichen Herkunft als Einkommen­steuerrechtler in den operativen Bereich verschoben. Die automatische Datenüb­ermittlung betreffend Sonderausgaben und die antragslose Arbeitnehmerveranlagung sind typische Beispiele für Umsetzungen, die nur in einer vernetzten Arbeitsweise zielführend erfolgen konnten, in der Steuerlegistik, Organisation, IT und Kommunikation auf einander abgestimmt tätig waren.

BFGjournal: Können Sie das näher erläutern?

Martin Atzmüller: Die automatische Datenüb­ermittlung von Sonderausgaben bedeutet einen Systemwechsel, der die Finanz­verwaltung, die betroffenen Organisationen und jeden, der Spenden oder Kirchenbeiträge absetzen möchte, betrifft. Angesichts einer Größen­ordnung von mehr als einer Million betroffenen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und geschätzten 6.000 betroffenen Organisationen hat diese Umstellung eine erhebliche Breitenwirkung. Die Einhaltung der hohen Standards in Bezug auf den Datenschutz erhöhte die Komplexität zudem.

Dementsprechend wurde für die Umsetzung ein Projekt im Bundesministerium für Finanzen aufgesetzt, in dem die Verantwortlichen aus Organisation, IT, Steuer­recht und Kommunikation unter Einbindung externer Mitbetroffener (Bundesministerium für Inneres) zusammengearbeitet haben. Die gemeinsame Erarbeitung der Prozessschritte hatte schließlich eine Rückkoppelung auf die Legistik, im Konkreten auf die Sonderausgaben -Datenüb­ermittlungsver­ordnung.

BFGjournal: Sie haben die antragslose Arbeitnehmerveranlagung erwähnt: Welche Anforderungen bestanden hier für das Bundesministerium für Finanzen?

Martin Atzmüller: Mit der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung soll Personen, die sich ihre Steuer­gutschrift nicht im Wege der Arbeitnehmerveranlagung vom Finanzamt „abholen“, ein besonderer Service geboten werden, indem das Finanzamt die Veranlagung selbst (antragslos) durchführt und die Steuer­gutschrift refundiert. Die besondere Problematik besteht dabei darin, dass in derartigen Fällen Steuer­bescheide auf einer „nicht gesicherten“ Grundlage ergehen, weil Informationen, die nur auf Grundlage einer Steuererklärung bekannt werden, notwendigerweise nicht berücksichtigt werden können.

Dr. Martin Atzmüller begann seine berufliche Laufbahn in der damaligen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Rechtsmittelbearbeiter und Fachreferent für Einkommen­steuer. (Bild: © Linde Verlag)
Dr. Martin Atzmüller begann seine berufliche Laufbahn in der damaligen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Rechtsmittelbearbeiter und Fachreferent für Einkommen­steuer. (Bild: © Linde Verlag)

Für wen sich zum Beispiel wegen unterjährig verschieden hoher nichtselbständiger Bezüge eine Steuer­gutschrift ergibt, wird nicht erfreut sein, wenn das Finanzamt einen Gutschrifts­bescheid von Amts wegen erlässt, ohne zusätzlich angefallene Werbungs­kosten zu berücksichtigen, die die Gutschrift noch höher machen würden. Es war daher eine besondere Herausforderung, Kriterien für diejenigen Fälle herauszufinden, bei denen die antragslose Veranlagung tatsächlich zur „richtigen“ Steuer­gutschrift und damit zu einer endgültigen Verfahrenserledigung führt. Das spiegelt sich nicht zuletzt auch im Gesetzestext wider.

Zudem stellt die amtswegige Erlassung von Arbeitnehmerveranlagungs­bescheiden in Gutschriftsfällen Neuland dar. Bisher erfolgte eine amtswegige Arbeitnehmerveranlagung ja nur in Fällen einer Pflichtveranlagung. Die Geltendmachung einer Steuer­gutschrift war bislang der Antrag­stellung und Abgabe einer Steuererklärung vorbehalten. Demnach war es erforderlich, die Neuregelung entsprechend zu kommunizieren. Die Tatsache, dass mittlerweile zirka 850.000 Bescheide ergangen sind und die Anzahl der Rechtsmittel verschwindend gering ist, zeigt, dass es gelungen ist, das Projekt „antragslose Arbeitnehmerveranlagung“ gut umzusetzen.

BFGjournal: Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm zu einer effizienten kunden- bzw serviceorientierten Finanz­verwaltung. Sehen Sie hier im Zusammenhang mit der Digitalisierung weitere Entwicklungspotenziale?

Martin Atzmüller: Die elektronische Sonderausgaben-Datenüb­ermittlung und die antragslose Arbeitnehmerveranlagung sind Anwendungsfälle von Vereinfachungen, die möglich sind, weil veranlagungsrelevante Daten von Dritten beige­steuert werden, sodass der Betroffene selbst nicht mehr mitzuwirken braucht. Je weiter dieser Weg beschritten wird, umso mehr kann der Bürger entlastet werden. Zweifellos gibt es weitere Anwendungsfälle, in denen es möglich ist, Daten unmittelbar von der Quelle einzubeziehen.

Allerdings gilt es dabei immer zu beachten, dass dies für die betroffenen Akteure mit Mehraufwand verbunden ist, weil technische Übermittlungsschienen aufzubauen und zu administrieren sind. Jede Maßnahme steht daher immer in einem Spannungsfeld von Entlastungseffekten und einer Mehrbelastung für die von der Übermittlung Betroffenen.

Dr. Angela Stöger-Frank, die Leiterin des Evidenzbüros des BFG, im Interview mit Dr. Martin Atzmüller. (Bild: © Linde Verlag)
Dr. Angela Stöger-Frank, die Leiterin des Evidenzbüros des BFG, im Interview mit Dr. Martin Atzmüller. (Bild: © Linde Verlag)

BFGjournal: Zu Ihrem Tätigkeitsbereich gehört auch die steuerliche Forschungsförderung, die vor Kurzem für Wirtschaftsjahre ab 2018 auf 14 % angehoben wurde. Wird die Forschungs­prämie von den in Betracht kommenden Unternehmen gut angenommen? Sind weitere Maßnahmen zu erwarten?

Martin Atzmüller: Die Forschungs­prämie ist ein wichtiges Instrument der Forschungsförderung. Sie wird aufgrund ihrer Branchenoffenheit in der Breite der Unternehmen gut angenommen und ist in der internationalen Förderungslandschaft auch ein erhebliches Asset für Österreich. Mit der Einbindung der Österreichischen Forschungsförderungs­gesellschaft wurde die Treffsicherheit erhöht und ein gutes, EDV-basiertes Begutachtungs­verfahren eingeführt. Im Zuge der Wirkungsevaluierung der Forschungs­prämie wurden aber auch Verbesserungspotenziale identifiziert. Dementsprechend ist durchaus mit weiteren Impulsen zu rechnen.

1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …

… alle Lieder aus dem Liederzyklus „Dichterliebe“ von Robert Schumann einzustudieren.

2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

„Tyll“ von Daniel Kehlmann.

3) Das größte Vergnügen für mich ist …

… mich mit meiner Frau in der Natur zu bewegen (Wandern, Radfahren).

4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?

Franz von Assisi.

5) Nach der Arbeit …

… eile ich zum Zug und freue ich mich auf meine Familie.

Der ganze Artikel (BFGjournal 2018, 42) als PDF und bei Lindeonline.

Lindeonline:

Sie haben noch kein Abonnement? Sichern Sie sich das BFGjournal als Zeitschrift mit Zugang zu Lindeonline.

Der Linde Verlag ist tätig im Bereich Recht, Wirtschaft und Steuern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Steuerrecht. Erfahren Sie hier mehr über die Verlagsgeschichte, die Programmstruktur und die Kooperationspartner des Hauses.