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Allgemein Wirtschaft

Strafrechtliche Verantwortung des Geschäftsführers für Finanzvergehen der juristischen Person

In seinem Urteil vom 5. 4. 2017, Orsi und Baldetti, präzisierte der EuGH die Verfahrensgarantie ne bis in idem dahingehend, dass das Strafverfahren gegen den Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft trotz rechtskräftiger Erledigung des Abgabenverfahrens gegen die juristische Person für denselben Sachverhalt zulässig ist. Ausschlaggebend für die Zulässigkeit der Doppelverfolgung ist die Dualität von Verfahren und Sanktionen gegen zwei unterschiedliche Subjekte, nämlich die juristische einerseits und die natürliche Person andererseits.

Am 5. 4. 2017 erließ der EuGH in der Rechtssache Orsi und Baldetti sein Urteil im Vorabentscheidungsverfahren. Das Urteil gründet auf zwei verschiedenen, aber inhaltlich ähnlich gelagerten Sachverhalten. In beiden Fällen hatten italienische Handels­gesellschaften mit beschränkter Haftung jeweils über 1 Mio € an Mehrwert­steuer nicht abgeführt. Im italienischen Abgaben­verfahren konnten die juristischen Personen mit der staatlichen Finanz­verwaltung einen Vergleich samt Bußgeld­zahlung abschließen und damit das Abgaben­verfahren rechtskräftig beenden.

Gleichwohl zeigte in beiden Fällen die italienische Finanz­verwaltung die Nichtabführung der Mehrwert­steuer bei der Staatsanwaltschaft an, die daraufhin ein Finanzstraf­verfahren wegen des italienischen Straftatbestands der „Nichtabführung der Mehrwert­steuer“ gegen den jeweiligen Geschäftsführer als natürliche Person einleitete. Gegen die Anordnung der vorläufigen Beschlagnahme der Vermögens­werte legten die Geschäftsführer Rechtsmittel ein.

Vor diesem Hintergrund initiierte das angerufene Tatgericht ein Vorab­entscheidungsverfahren, um zu klären, ob durch die finanzstraf­rechtliche Verfolgung der Beschuldigten eine Verletzung des Doppelverfolgungsverbots gem Art 50 GRC sowie Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK vorliegt, wenn wegen derselben Tat bereits ein rechtskräftiger Festsetzungs­bescheid der staatlichen Finanz­verwaltung gegen die juristische Person ergangen ist.

In der von Dr. Lukas Staffler in der Mai-Ausgabe der ZWF besprochenen Urteilsbegründung zeigt sich, dass der EuGH dem Schutz der finanziellen Unions­interessen durch die nationalen Rechts­ordnungen einen besonderen Stellen­wert zukommen lässt. Hierbei gestaltet sich insb Art 325 AEUV immer häufiger als Einfallstor der europäischen Rsp in die nationale Straf­rechtsentwicklung. Wie schwierig sich diesbezüglich der Dialog zwischen der europäischen Rsp und der nationalen Rechtstraditionen gestaltet, zeigt sich aktuell in einem noch anhängigen Verfahren vor dem EuGH, bei dem es im Kontakt von Verjährung und Finanzstraf­recht um die Bedeutung nationaler Straf­rechtstraditionen für die europäische Rsp geht. Es wäre wünschens­wert, dass die europäische Rsp den nationalen Verfassungs- und Straf­rechtsprinzipien mehr Sensibilität entgegenbringen würde.

Gleichwohl ist das gegenständliche Urteil des EuGH durchaus zu begrüßen. Denn es zieht eine scharfe Trennlinie zwischen den Verantwortungsbereichen der juristischen und natürlichen Person und präzisiert die Verfahrensgarantie ne bis in idem im Lichte der bisherigen Rsp des EuGH. Damit trägt das in der ZWF besprochene Urteil zur Konsolidierung der Rsp des EuGH bei und leistet einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit.

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