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Höhere Hürden für Wohnkredite

(Bild: © iStock/venuestock)

Durch die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V), welche seit August 2022 verpflichtend anzuwenden ist, ergeben sich neue Hürden bei der Kreditvergabe von Wohnbaukrediten für Banken und Kreditnehmer. Durch diese neuen Vorschriften sehen sich Kreditinstitute gezwungen, einen größeren Teil der durch die angespannte wirtschaftliche Situation bereits reduzierten Kreditanfragen[1] abzulehnen.

Das Thema ist allerdings nicht neu, bereits im September 2018 empfahl das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG), härtere Grenzen bei der Vergabe von Wohnkrediten einzuführen. Diese Empfehlung wurde im Zusammenhang mit den EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und Überwachung (EBA GL LOaM) im Juni 2021 noch einmal von der FMA aufgegriffen.

Welche Richtlinien gelten derzeit?

Gemäß § 23h BWG gibt es neue Verordnungen zu nachhaltigen Vergabestandards für Immobilienkreditverträgen: Hierzu zählen die neue Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) und die Änderungen der Vermögens-, Erfolgs- und Risikoausweis-Verordnung (VERA-V).

Darüber hinaus haben Banken die Vorschriften der EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung (EBA/GL/2020/06), welche sowohl Bestimmungen für die allgemeine Vergabe von Krediten als auch spezielle Bestimmungen für die Vergabe von Wohnbaukrediten enthalten.

Was sind die derzeitigen Risiken?

Durch die angespannte wirtschaftliche Lage (u.a. steigende Zinsen, Inflation) stehen viele Kreditnehmer vor dem Problem, ihren Kredit nicht mehr zurückzahlen zu können. Die Ausfälle im Retail-Bereich steigen bereits an. Auch wenn die Verluste aus Wohnbaukrediten (aufgrund der hohen Besicherungen) noch vernachlässigbar sind, muss das höhere Ausfallsrisiko in den neuen Krediten eingepreist werden.

Die Kosten im Zusammenhang mit der Finanzierung von Wohnbauimmobilien stellen ebenfalls eine Herausforderung dar. Immobilienpreise sind weiterhin auf einem Hoch. Dazu kommt, dass die Höhe der Baukosten weiterhin den Traum vom Eigenheim zunichtemachen können[2].

Diese Komponenten führen dazu, dass Kreditnehmer von sich aus schon weniger Bedarf für Wohnkredite haben. Darüber hinaus bewirken die Anforderungen der aufsichtlichen Leitlinien, dass Kreditinstitute einen höheren Anteil an Krediten ablehnen müssen.

Ziele der neuen Maßnahmen

Das Ziel der neuen Maßnahmen ist die Begrenzung systematischer Risiken aus der Immobilienfinanzierung bei Kreditinstituten. In diesem Zusammenhang sah die Aufsicht bereits 2021 ein erhöhtes Ausfallsrisiko, aufgrund der erhöhten Immobilienpreise und des sehr geringen Anteils der Eigenmittel bei neuvergebenen Krediten.

Die EBA GL LOaM hat darüber hinaus das Ziel, die Praktiken der Institute und die damit einhergehenden Governance-Regelungen, -Prozesse und -Mechanismen bezogen auf die Vergabe von Krediten zu verbessern. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Institute über solide Standards für die Übernahme, Steuerung und Überwachung von Kreditrisiken verfügen und die neu vergebenen Kredite eine hohe Kreditqualität aufweisen.

Was sind die Mindestvergabestandards?

Um den erhöhten Risiken entgegenzutreten, hat die FMA folgende Obergrenzen im Zusammenhang mit der Kreditvergabe von Wohnkrediten eingeführt[3]:

  • Eine Beleihungsquote (Loan to Value – LTV) von 90 %
  • Eine Schuldendienstquote (Debt Service to Income – DSTI) von 40 %
  • Eine maximale Kreditlaufzeit von 35 Jahren

Da diese Schwellwerte insbesondere für junge Erwachsene mit einem vergleichsweise geringen Vermögen bzw. Einkommen oft sehr restriktiv sind, ist es Kreditinstituten gestattet, diese Obergrenzen bei einem gewissen Anteil des Portfolios zu überschreiten. Man hat sich dazu entschieden, Ausnahmekontingente pro Kriterium einzuführen:

  • Maximal 20 % der Neukredite dürfen einen LTV größer 90 % haben
  • Maximal 10 % der neu vergebenen Kredite dürfen ein DSTI größer 40 % aufweisen
  • Maximal 5% der Neukredite können eine Laufzeit von mehr als 35 Jahren haben

Zu beachten ist hierbei, dass bei einem Kreditinstitut maximal 20 % aller Kredite eine dieser Obergrenzen überschreiten darf[4]. Um unter anderem den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger zu erleichtern, sind Finanzierungen für Renovierungen und Sanierungen bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze von EUR 50.000 von diesen Vorgaben ausgenommen[5].

Zu beachten ist, dass diese Maßnahmen nur auf neuvereinbarte Immobilienfinanzierungen anwendbar sind, die zwischen dem 1. August 2022 und dem 30. Juni 2025 abgeschlossen werden.

Ab wann gelten die Mindestvergabestandards?

Die Mindestvergabestandards sind mit 1. August 2022 in Kraft getreten und gelten bis zum 30. Juni 2025. In diesem Zeitraum ist auch die Verordnung auf neu vereinbarte Finanzierungen anzuwenden.

Für wen gelten die Mindestvergabestandards?

Die Mindestvergabestandards sind von CRR[6]-Kreditinstituten gemäß § 1a Abs. 1 Z1 BWG mit Sitz im Inland, CRR-Kreditinstituten, die gemäß §4 Abs. 4 BWG konzessioniert sind, sowie von CRR-Kreditinstituten, die in Österreich gemäß § 9 Abs. 1 BWG über eine Zweigstelle tätig werden, einzuhalten und gelten somit für diese.

Gibt es Möglichkeiten, eine Wohnraumschaffung zu realisieren, auch wenn nicht alle Kriterien erfüllt sind?

Aufgrund der Ausnahmekontingente besteht die Möglichkeit, eine Wohnraumschaffung zu realisieren, auch wenn nicht alle Kriterien erfüllt sind. So dürfen bei Kreditinstituten maximal 20 % aller Kredite eine der Obergrenzen überschreiten. Aber auch im Rahmen einer Renovierung oder Sanierung kann Wohnraum geschaffen werden, ohne den Kriterien entsprechen zu müssen. In diesem Fall sind Finanzierungen bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze von EUR 50.000 von den Vorgaben ausgenommen.

Was geschieht, wenn eine Bank Kredite vergibt, die den neuen Mindeststandards nicht entsprechen?

Sofern nicht mehr als maximal 20 % aller Kredite eines Kreditinstitutes eine der Obergrenzen überschreiten, hat dies keine Auswirkungen und ist laut den neuen Regelungen zulässig.

Eine Überschreitung der Ausnahmekontingente kann eine Prüfung durch die Aufsicht zur Folge haben. Sollte die OeNB bzw. die FMA im Rahmen dieser Prüfung zum Schluss kommen, dass Management- oder Bank-Prinzipien und -Vorschriften verletzt worden sind, können Aufforderungen zur Richtigstellung, Geldstrafen bis hin zum Lizenzentzug die Folgen sein.

Wie wird mit bereits abgeschlossenen Wohnkrediten umgegangen?

Wird mit einem Kreditnehmer eine neue private Wohnimmobilienfinanzierung vereinbart, liegt die Vereinbarung einer neuen Finanzierung nur in Höhe des Differenzbetrags zwischen dem bisherigen und neu vereinbarten Rahmen vor. Sonstige Änderungen oder Erneuerungen der Finanzierungsvereinbarung einschließlich Änderungen des Finanzierungszwecks, des Zinssatzes, der Laufzeit, des Tilgungsplans, Währungskonvertierungen, Konsolidierungen oder Aufspaltungen von Finanzierungen sowie Stundungen und andere Maßnahmen für notleidende Kredite gelten nicht als neue Vereinbarung einer privaten Wohnimmobilienfinanzierung.

Bereits abgeschlossene Wohnkredite werden nicht durch die neuen Mindestvergabestandards und Maßnahmen beeinflusst. Wer demnach seinen Finanzierungsvertrag noch bis zum 31. Juli 2022 abgeschlossen hat, ist nicht von den verschärften Anforderungen betroffen.

Abschließend sollte noch erwähnt werden, dass der Markt die Vorschriften der Aufsicht grundsätzlich als zu restriktiv ansieht und man weiterhin mit der Aufsicht in Diskussion ist, um diese Obergrenzen sinnvoll anzupassen. Es kann also sein, dass die Bestimmungen in dieser Form nicht bis 2025 gelten werden.

Autor:

Bernhard Pechlaner, BSc, MSc, FRM

Manager im Financial Services Adivsory bei der KPMG in Wien, zertifizierter Financial Risk Manager (FRM), Certified IFRS Accountant (CIFRSA), langjährige Erfahrung in der Bankberatung und in der Bankprüfung, Spezialist für regulatorische Fragestellungen im Kreditrisiko (CRR, EBA Guidelines), umfassendes Wissen bei der Validierung und Implementierung von Kreditrisikomodellen und -prozessen.


[1] OeNB: Deutlicher Rückgang der Nachfrage nach Wohnbaukrediten (https://www.oenb.at/Presse/20221025.html)

[2] Im Vergleich zu denselben Monaten in 2021, war der Anstieg der Baukosten in 2022 immer über der 20% Grenze. (https://www.wko.at/service/zahlen-daten-fakten/Baukosten-_und_Baupreisindex.html)

[3] §4 KIM-V

[4] §6 KIM-V

[5] §5 KIM-V

[6] Capital Requirements Regulation (Regulation EU 575/2013)