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Europäischen Kommission: Richt­linien­entwurf zur Reduzierung von steuer­bedingten Verschuldungs­anreizen bei Körper­schaften

(Bild: © iStock/Jorisvo) (Bild: © iStock/Jorisvo)

Überblick und Hintergrund

Nach den bestehenden Steuerregimen der meisten EU-Mitgliedstaaten ist eine steuerliche Ungleichbehandlung zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung gegeben, zumal Fremdkapitalkosten als Betriebsausgabe steuerlich abzugsfähig sind. Kosten im Zusammenhang mit der Eigenmittelfinanzierung können hingegen nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Dadurch besteht ein Anreiz für Unternehmen, Investitionen und Wachstum mit Fremd- anstelle von Eigenkapital zu finanzieren.

Um dem entgegenzuwirken, veröffentlichte die Europäische Kommission am 11. Mai 2022 einen Richtlinienvorschlag für einen Freibetrag zur Reduzierung von steuerbedingten Verschuldungsanreizen (sog „debt equity bias reduction allowance“, kurz „DEBRA“). Demzufolge soll zukünftig für Körperschaften die Möglichkeit eines fiktiven Eigenkapitalzinsabzugs bestehen, wodurch die steuerliche Behandlung von Eigenkapital an jene von Fremdkapital angenähert wird. Dies soll zu einer höheren Eigenmittelausstattung der Unternehmen und einer damit einhergehenden höheren Widerstandsfähigkeit und Robustheit führen. Allerdings schränkt der Richtlinienvorschlag parallel hierzu die Betriebsausgabenabzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen ein. Diese sollen pauschal nur mehr zu 85 % steuerlich abzugsfähig sein.

DEBRA ist Teil des Maßnahmenpakets der EU-Kommission zur Gewährleistung einer gerechten und effektiven Unternehmensbesteuerung sowie zur Förderung der Erholung Europas von der COVID-19-Pandemie, welches am 18. Mai 2021 veröffentlicht wurde (betreffend den Entwurf der Unshell-Richtlinie, die ebenfalls Teil dieses Maßnahmenpakets ist, siehe unseren Newsletter-Beitrag https://www.leitnerleitner.com/news/unshell-richtlinie-neue-eu-initiative-gegen-briefkastenfirmen/). Die DEBRA-Richtlinie soll bereits bis zum 31. Dezember 2023 in nationales Recht umgesetzt werden und ab 1. Jänner 2024 zur Anwendung gelangen. Daher sollten sich Unternehmen frühzeitig mit den potenziellen steuerlichen Implikationen auseinandersetzen.

Einführung eines fiktiven Eigenkapitalzinsabzugs

Vom persönlichen Anwendungsbereich des Entwurfs der DEBRA-RL erfasst sind Steuerpflichtige, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Körperschaftsteuer unterliegen, einschließlich EU-Betriebsstätten von in Drittstaaten ansässigen Gesellschaften (Art 2 DEBRA-RL). Ausgenommen sind indessen bestimmte Finanzunternehmen, welche in der Regel bereits regulatorischen Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden Eigenmittelausstattung unterliegen.

Zentrale Maßnahme zur Attraktivierung der Eigenkapitalfinanzierung ist die in Art 4 DEBRA-RL vorgesehene Abzugsfähigkeit von fiktiven Eigenkapitalzinsen. Die Höhe dieser fiktiven Zinsen errechnet sich als Differenzbetrag zwischen dem Nettoeigenkapital am Ende des laufenden Steuerjahres und dem Nettoeigenkapital am Ende des vorangegangenen Steuerjahres. Dieser ist mit einem fiktiven Zinssatz (sog Freibetrag für Eigenkapital) zu multiplizieren.

Das Nettoeigenkapital entspricht der Summe aus eingezahltem Kapital, Kapitalrücklagen, Neubewertungsrücklagen, sonstiger Rücklagen und Gewinn- oder Verlustvortrag vermindert um die Summe der steuerlichen Buchwerte von Beteiligungen des Steuerpflichtigen am Kapital verbundener Unternehmen und eigener Anteile des Steuerpflichtigen (Art 3 Abs 6 und Abs 7 DEBRA-RL). Das so ermittelte Nettoeigenkapital ist mit dem fiktiven Zinssatz zu multiplizieren; dieser entspricht dem 10-jährigen risikofreien Zinssatz für die jeweilige Währung, aufgestockt um einen Risikoaufschlag von 1 % bzw 1,5 % bei KMU (Art 4 Z 2 DEBRA-RL). Der erhöhte Risikoaufschlag bei KMU liegt in deren erschwerten Zugang zu Finanzierungen begründet und ist zu begrüßen.

Der auf diese Weise ermittelte Freibetrag für das Eigenkapital ist im betreffenden Jahr sowie in den nachfolgenden 9 Jahren abzugsfähig. Dies sei anhand des folgenden, einfachen Beispiels erläutert:

Dass der Freibetrag für insgesamt 10 Jahre zusteht, wird mit einer Annäherung an die durchschnittliche Laufzeit von Fremdfinanzierungen sowie mit budgetären Erwägungen begründet. Sofern in einem weiteren Jahr (zB t+1) wiederum ein qualifizierter Anstieg des Nettoeigenkapitals erfolgt, steht hierfür abermals ein neuer Freibetrag für das betreffende Jahr sowie die 9 nachfolgenden Jahre zu (t+1, t+2, t+3 … t+10).

Um Missbrauchsfälle zu vermeiden, ist der Freibetrag mit max 30 % des EBITDA des Steuerpflichtigen beschränkt; das EBITDA übersteigende Freibeträge können allerdings für höchstens fünf Steuerjahre vorgetragen werden. Übersteigt der errechnete Freibetrag das zu versteuernde Nettoeinkommen, können „ungenützte“ Freibeträge zudem ohne zeitliche Begrenzung vorgetragen werden.

Zu beachten ist indes, dass nach Maßgabe des Richtlinienentwurfs umgekehrt auch ein steuerpflichtiger „negativer Freibetrag“ vorgesehen ist: Wurde zunächst ein Freibetrag für das Eigenkapital steuermindernd zum Abzug gebracht und wird die Bemessungsgrundlage für den Eigenkapitalfreibetrag in einem Steuerzeitraum negativ (dh das Nettoeigenkapital am Ende des laufenden Steuerjahres ist geringer als das Nettoeigenkapital am Ende des vorangegangenen Steuerjahres), so ist gem Art 4 Abs 3 DEBRA-RL ein Betrag in Höhe des negativen Eigenkapitalfreibetrags in den zehn aufeinanderfolgenden Steuerzeiträumen zu versteuern. Eine derartige fiktive Einnahmenbesteuerung kann hingegen dann unterbleiben, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Eigenkapitalreduktion auf im Steuerzeitraum entstandene Verluste oder auf eine gesetzliche Verpflichtung zur Kapitalherabsetzung zurückzuführen ist.

Damit Unternehmen ihr Nettoeigenkapital nicht missbräuchlich aufstocken, sollen gem Art 5 DEBRA-RL folgende „Zuschüsse“ nicht miteinbezogen werden (es sei denn, für die Durchführung der Transaktion bestehen triftige wirtschaftliche Gründe):

  • die Gewährung von Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen;
  • die Übertragung von Beteiligungen oder Geschäftseinheiten zwischen verbundenen Unternehmen im Rahmen einer Unternehmensfortführung;
  • eine Bareinlage einer Person, die ihren steuerlichen Wohnsitz in einem Staat hat, mit dem der jeweilige Mitgliedstaat, in dem der Freibetrag geltend gemacht wird, keine Informationen austauscht.

Ist die Erhöhung des Nettoeigenkapitals das Ergebnis einer Sacheinlage oder einer Investition in ein Wirtschaftsgut, wird diese gem Art 5 Abs 2 DEBRA-RL zudem nur dann berücksichtigt, wenn das Wirtschaftsgut für die Ausübung der einkommensgenerierenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich erforderlich ist. Eine Erhöhung des Nettoeigenkapitals als Resultat einer Umstrukturierung der Gruppe wird darüber hinaus nur insoweit berücksichtigt, als sie nicht dazu führt, dass das Eigenkapital (oder ein Teil davon), das bereits vor der Umstrukturierung in der Gruppe vorhanden war, in neues Eigenkapital umgewandelt wird (Art 5 Abs 3 DEBRA-RL).

Beschränkung des Zinsabzugs bei Fremdkapitalfinanzierungen

Als Kehrseite zum vorstehend skizzierten Anreiz für die Eigenkapitalfinanzierung beschränkt der Richtlinienvorschlag allerdings pauschal die Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen im Ausmaß von 15 %. Damit soll die Bevorzugung der Fremd- gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung nicht nur auf der Eigenkapital-, sondern auch auf der Fremdkapitalseite reduziert werden.

Konkret soll der Zinsüberhang, das ist der Differenzbetrag zwischen den Zinsaufwendungen und den Zinserträgen, künftig nur mehr im Ausmaß von 85 % steuerlich abzugsfähig sein (vgl Art 6 DEBRA-RL). Betreffend die Definition des Zinsüberhangs wird auf die Zinsschrankenregelung in Art 4 ATAD (RL EU 2016/1164) verwiesen (vgl in Österreich § 12a KStG). Zum Verhältnis von Art 6 DEBAR-RL zur (weiterhin) anwendbaren Zinsschrankenregelung wird angemerkt, dass in einem ersten Schritt Art 6 DEBRA-RL anzuwenden und erst danach die (potenzielle) Zinsschranke zu berechnen sei.

Ausblick

Mit dem vorliegenden DEBRA-Richtlinienvorschlag plant die EU die Schaffung neuer steuerlicher Rahmenbedingungen für Finanzierungen aus Eigenmitteln und Fremdmitteln. Zu begrüßen ist dabei jedenfalls die von Seiten der Praxis bereits länger geforderte und nunmehr geplante steuerliche Begünstigung von Eigenkapitalfinanzierungen in Form eines fiktiven Eigenkapitalzinsabzugs. Abzulehnen ist indessen der Ansatz der Kommission, wonach die Abzugsfähigkeit des Nettozinsaufwands aus Fremdkapital künftig pauschal mit 85 % beschränkt sein soll. Abzuwarten bleibt, ob bzw mit welchen Änderungen der vorliegende DEBRA-Richtlinienvorschlag beschlossen wird und wie Österreich die darin vorgesehenen Maßnahmen im Anschluss auf nationaler Ebene umsetzen wird. Wir halten Sie diesbezüglich auf dem Laufenden.

Autor:innen

Portrait von Nowotny Clemens

Clemens Nowotny

Steuerberater | Partner | Gesellschafter

Portrait von Martin Eckerstorfer

Martin Eckerstorfer

Steuerberater | Director

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