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EINKOMMENSTEUER | Steuern sparen durch vorübergehenden Wegzug?

Bendlinger Stefan  |  Mitterlehner Matthias

Halten Steuerpflichtige bei einem Weg-/Zuzug Anteile an Kapitalgesellschaften, so sind die Wirkungen auf die von ihnen gehaltenen Gesellschaftsanteile zu beachten. Der Ansässigkeitswechsel führt in der Regel zu einer Verlagerung der Besteuerungsrechte an den stillen Reserven in den Anteilen, was eine Wegzugsbesteuerung zur Folge hat. In EAS 3446 setzte sich das österreichische Bundesministerium für Finanzen (BMF) mit der Frage auseinander, welche Anschaffungskosten an einer Gesellschaftsbeteiligung im Falle eines Wiederzuzugs aus der Schweiz relevant sind.

Im konkreten Fall war eine natürliche Person zunächst 2018 unter Aufgabe ihres Wohnsitzes in Österreich in die Schweiz gezogen und zog 2021 wieder zurück nach Österreich. Die Person hielt seit mehreren Jahren eine 33,33%-ige Beteiligung an der österreichischen X-GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Österreich. Fraglich war nun, welche Anschaffungskosten in Österreich im Rahmen des Rückzugs anzusetzen waren. Käme es nämlich zu einer Aufwertung („Step-Up“) auf den gemeinen Wert für österreichische Zwecke und in der Schweiz zu keiner steuerlichen Erfassung der während der Ansässigkeit in der Schweiz entstanden stillen Reserven, so könnte es zu einer Entsteuerung dieser stillen Reserven kommen. 

Besteuerung von Anteilsveräußerungen in Österreich

Veräußerungen von im Privatvermögen gehaltenen Gesellschaftsanteilen stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen dar, die dem fixen Tarif in Höhe von 27,5% unterliegen. Führt etwa ein Wegzug zu einer Einschränkung des österreichischen Besteuerungsrechts, so sieht § 27 Abs 6 EStG grundsätzlich eine Wegzugsbesteuerung vor, dh es kommt zu einer fiktiven Veräußerungsgewinnbesteuerung im Zeitpunkt des Wegzugs. Nachdem die fragliche Person an einer österreichischen Gesellschaft zu mindestens 1%  beteiligt war, wäre eine Veräußerung der Anteile nach dem Wegzug zwar weiterhin im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfasst gewesen, gemäß Art 13 Abs 3 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit der Schweiz stünde das Besteuerungsrecht aber wohl der Schweiz zu. Im Falle der Entstehung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten kommt es gem § 27 Abs 6 Z 1 lit e EStG zu einem “Step Up” der Anschaffungskosten auf den gemeinen Wert im Zeitpunkt des Zuzugs.

Für die Verlagerung der Ansässigkeit enthält das DBA-Schweiz in Art 13 Abs 4 eine – nicht im OECD-Musterabkommen (OECD-MA) vorgesehene – Sonderregelung. Demnach verliert Österreich bei einem Wegzug in die Schweiz gem Art. 13 Abs. 3 DBA-Schweiz zwar grundsätzlich das Besteuerungsrecht an Gesellschaftsanteilen, das Recht die bis zum Wegzug angelaufenen stillen Reserven zu besteuern, wird allerdings nicht berührt. Insoweit Österreich diese stillen Reserven tatsächlich besteuert, erfolgt in der Schweiz ein “Step-Up” der Anschaffungskosten auf den Betrag, den Österreich als Erlös angenommen hat. Gleiches gilt im umgekehrten Fall des Wegzugs aus der Schweiz nach Österreich. 
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EAS-Auskunft 3446 des BMF vom 25.7.2023

Da der Steuerpflichtige hinsichtlich der Beteiligung bereits vor dem Zuzug 2021 in Österreich steuerpflichtig war (zunächst im Rahmen der unbeschränkten und dann der beschränkten Steuerpflicht) und mit dem Zuzug 2021 daher nicht das österreichische Besteuerungsrecht als solches entsteht, liegt nach dem BMF keine „Entstehung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich“ im Sinne von § 27 Abs 6 Z 1 lit e erster Satz EStG vor. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung für den „Wiederzuzug“ aus der Schweiz und wegen der Tatsache, dass im Rahmen des Wegzuges 2018 eine Besteuerung der stillen Reserven aufgrund von Art 13 Abs 4 DBA-Schweiz unterblieben ist (EStR 2000 Rz 6148b), sei § 27 Abs 6 Z 1 lit e zweiter bis vierter Satz EStG (Wiederzuzug nach Nichtfestsetzung) analog anzuwenden. Danach seien „weiterhin die ursprünglichen Anschaffungskosten, höchstens aber die gemeinen Werte maßgeblich. […] Weist der Steuerpflichtige nach, dass Wertsteigerungen im EU/EWR-Raum eingetreten sind, sind diese vom Veräußerungserlös abzuziehen.“ Da nur Wertsteigerungen berücksichtigt werden müssten, die im EU/EWR-Raum eingetreten sind, unterlägen auch die stillen Reserven, die während der Ansässigkeit in der Schweiz entstanden sind, nach den Regelungen des österreichischen nationalen Rechts bei einer späteren Veräußerung der Steuerpflicht in Österreich.

Das aus dem Ansatz mit den ursprünglichen Anschaffungskosten entstehende österreichische Besteuerungsrecht würde jedoch durch Art 13 Abs 4 zweiter Satz DBA-Schweiz insoweit eingeschränkt, als eine Aufwertung („Step-Up“) zu erfolgen hat, sofern die Schweiz eine Wegzugsbesteuerung vornimmt. Sollte es daher in der Schweiz beim Wiederzuzug nach Österreich zu keiner Besteuerung des Wertzuwachses kommen, so würde Österreich auf Abkommensebene zur Vermeidung einer Doppelnichtbesteuerung nicht daran gehindert, auch den während der Ansässigkeit in der Schweiz entstandenen Wertzuwachs zu besteuern.

FAZIT

Das BMF bestätigt in der aktuellen EAS, dass es durch einen Wegzug in die Schweiz und anschließenden Rückzug nicht zu einer “Entsteuerung” der in der Schweiz angelaufenen stillen Reserven kommen kann. Insofern die Schweiz nämlich die dort angelaufenen stillen Reserven nicht im Rahmen einer Wegzugsbesteuerung erfasst, wird Österreich im Falle einer Veräußerung weder innerstaatlich noch abkommensrechtlich an der Besteuerung der gesamten stillen Reserven seit der Anschaffung der Anteile gehindert.  Aktuell hebt die Schweiz keine Wegzugsbesteuerung beim Wegzug natürlicher Personen ein.

Dies ist ein nicht ungewöhnliches Ergebnis. Nach der Grundkonzeption von Art 13 OECD-MA darf immer jener Staat einen Veräußerungsgewinn aus Gesellschaftsanteilen besteuern, in dem der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Veräußerung ansässig ist, außer es handelt sich um eine sog Immobiliengesellschaft. Gäbe es folglich keine innerstaatlichen und abkommensrechtlichen Regelungen zum Zu- und Wegzug, dürfte im vorliegenden Fall Österreich ebenfalls die gesamten stillen Reserven, die seit der ursprünglichen Anschaffung entstanden sind, besteuern. 

Wir beraten laufend natürliche Personen zu Ansässigkeits- und Wegzugsfällen und werden Sie über weitere wesentliche Entwicklungen in diesem Bereich auf dem Laufenden halten. In diesem Zusammenhang dürfen wir auf folgende Publikationen sowie unser regelmäßig stattfindendes Webinar zum Wegzug (siehe ICON Tax Academy) hinweisen. 

Für etwaige Rückfragen stehen Ihnen die Verfasser sowie das gesamte Team unserer Service Line “Private Clients” gerne zur Verfüng. 

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Die 1993 in Linz/Oberösterreich gegründete und ansässige ICON Wirtschaftstreuhand GmbH ist das Kompetenzzentrum für internationale Steuerfragen in Österreich. ICON deckt das gesamte Portfolio der Geschäftsfelder „Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung“ in 9 spezialisierten Service Lines mit derzeit 80 Mitarbeiterinnen ab. ICON ist mehrfach ausgezeichneter Partner und Berater der Industrie, von Konzernen sowie von mittelständischen Unternehmen. Im Rahmen der ICON Tax Academy vermittelt ICON Expertenwissen an Berufskollegen und Klienten. ICON ist exklusives Mitglied der WTS Global in Österreich. Mit weltweit über 100 assoziierten Partnerfirmen gehört WTS Global zu den führenden internationalen Steuerpraxen.