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DBA-RECHT | OECD-Vorschlag zur Besteuerung der Rohstoffindustrie

(Bild: © iStock/AvigatorPhotographer)

Mitterlehner Matthias  |  van Zijl Stefan

Am 16. November 2023 hat die OECD ein Diskussionspapier betreffend einer Abkommensbestimmung für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erkundung und Gewinnung von abbaubaren natürlichen Ressourcen veröffentlicht. Die Besteuerung der Tätigkeiten in diesem Sektor spielt für das Steueraufkommen von rohstoffreichen Nationen eine große Bedeutung. Der OECD-Vorschlag sieht eine sehr niedrige Schwelle für den Bestand eines Besteuerungsrechts auf Unternehmensgewinne und Dienstnehmereinkünfte vor und hat zudem einen sehr weiten Anwendungsbereich für Dienstleister des Rohstoffsektors!

Aktuell gibt es weltweit in etwa 200 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Bestimmungen zur Besteuerung des Rohstoffsektors. Die Inhalte des Diskussionspapiers sollen lediglich im OECD-Musterkommentar (OECD-MK) ergänzt werden und nicht in das OECD-Musterabkommen aufgenommen werden. Staaten, die wünschen in ihren Abkommen Vereinbarungen über die Besteuerung des Rohstoffsektors zu treffen, wird empfohlen die von der OECD akkordierten Formulierungsvorschläge zu übernehmen. Kommentare zum Diskussionsentwurf der OECD konnten bis Anfang Jänner 2024 eingereicht werden. 

Senkung der Betriebsstättenschwelle

Kern des OECD-Vorschlags ist eine DBA-Bestimmung, die bei einer relevanten Tätigkeit, deren Dauer lediglich 30 Tage in einem variablen Zwölfmonatszeitraum überschreitet, zu einer Betriebsstätte führt und so dem Staat in dem die Rohstoffe liegen, ein Besteuerungsrecht zuteilt. Der Vorschlag der OECD sieht eine Wahlmöglichkeit vor, ob nur Offshore– (Variante 1) oder sowohl Offshore- als auch Onshore-Tätigkeiten (Variante 2) als „relevante Tätigkeiten“ erfasst werden sollen. 

Als „relevante Tätigkeiten“ werden in Variante 1 die Erkundung sowie Ausbeutung des Meeresbodens und seines Untergrunds und ihrer natürlichen Ressourcen verstanden. Bei Variante 2 umfasst der Begriff zudem die Erkundung und Gewinnung von endlichen natürlichen Onshore-Ressourcen und andere spezialisierte Tätigkeiten, die in diesem Zusammenhang ausgeübt werden. Ausgenommen sind allerdings Schiffe und Luftfahrzeuge, deren Hauptzweck dem Transport von Material oder Personal dient oder solche, die für Schleppen bzw Ankermanöver benötigt werden, oder nur Hilfstätigkeiten durchführen. Aufgrund der Ergänzung um „spezialisierte Tätigkeiten“ sind bei Onshore-Tätigkeiten nicht nur die Erkundung und Gewinnung an sich umfasst, sondern auch damit verbundene Dienstleistungen, die auf die Erkundung bzw Ausbeutung zugeschnitten sind (zB Montage, Installation und Wartung von Bergbauinfrastruktur und -Ausrüstung, die Erbringung von Ingenieur- und Beratungsleistungen, seismische Untersuchungen). Dienstleistungen, wie Strom-, Wasser-, Lebensmittelversorgung, Internet udgl sind nicht „spezialisiert“ und daher nicht erfasst. 

Der Lebenszyklus der Rohstoffindustrie ist in die Phasen Erkundung, Entwicklung, Produktion und Stilllegung unterteilt. Während der Erkundungsphase generieren Unternehmen in der Regel keine Gewinne, während in der Entwicklungs- und Produktionsphase maßgebliche Gewinne anfallen können. Die Senkung der Betriebsstätten-Schwelle auf 30 Tage betrifft allerdings vor allem Frühphasenaktivitäten wie Voruntersuchungen und Erkundungsarbeiten. Die OECD hat in ihrem Vorschlag explizit keinen Verweis zu den Betriebsstättenausnahmen in Art 5 Abs 4 OECD-MA vorgesehen, dh selbst vorbereitende und Hilfstätigkeiten können zu einer Betriebsstätte führen. Dies wird unter anderem damit begründet, dass diese Tätigkeiten (zB Exploration) von hohem Wert sein können.

Besteuerungsrecht an Veräußerungsgewinnen

Der OECD-Vorschlag enthält zudem eine Regelung für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Vermögenswerten, die in einem Zusammenhang mit Rohstoffen und deren Erkundung und Gewinnung stehen. Die Regelung ist dem Aufbau von Art 13 OECD-MA nachempfunden und teilt das Besteuerungsrecht von Veräußerungsgewinnen aus betroffenem unbeweglichem Vermögen im anderen Staat, beweglichem (Betriebsstätten-)Vermögen und Anteilen dem anderen Staat zu. Besteht zB in einem Staat eine Erkundungsbetriebsstätte, so dürfen Veräußerungsgewinne aus beweglichem Vermögen dieser Betriebsstätte in diesem Staat besteuert werden. Unterabsatz a) des OECD-Vorschlags legt zudem fest, dass Explorations- und Ausbeutungsrechte im Zusammenhang mit natürlichen Ressourcen in steuerlicher Hinsicht als unbewegliches Eigentum gelten. Diese Klarstellung stellt sicher, dass diese Rechte konsistent im Einklang mit anderen Formen von unbeweglichem Vermögen besteuert werden.

Besteuerungsrecht an Dienstnehmereinkünften

Insofern einem Quellenstaat auf Basis einer Betriebsstätte für Rohstofferkundung bzw -Gewinnung ein Besteuerungsrecht zusteht, darf dieser Staat nach Art 15 OECD-MA in der Regel auch die Einkünfte jener Dienstnehmer besteuern, die dieser Betriebsstätte funktional zuzuordnen sind. In Fällen von aufeinanderfolgenden Verträgen mit verschiedenen Arbeitgebern und wenn die Vergütung nicht von einer Betriebsstätte im Quellenstaat getragen wird, gewährt Art 15 OECD-MA in der Regel nur bei Überschreiten der 183-Tagesfrist ein Besteuerungsrecht. 

Der OECD-Vorschlag schlägt eine Änderung vor, auf deren Basis der Quellenstaat die Vergütung eines nicht ansässigen Arbeitnehmers besteuern könnte, auch wenn der Arbeitgeber keine Betriebsstätte im fraglichen Staat hat, sofern die Beschäftigung insgesamt 30 Tage in einem variablen Zwölfmonatszeitraum übersteigt. Diese Bestimmung würde speziell für Beschäftigungen gelten, die mit relevanten Tätigkeiten in der Rohstoffindustrie verbunden sind, und erweitert den Umfang des steuerbaren Arbeitseinkommens. Im OECD-Vorschlag ist zudem eine weitere Variante enthalten, die für relevante Tätigkeiten in der Rohstoffindustrie eine 30-Tages-Anwesenheitsfrist in Art 15 Abs 2 lit a OECD-MA (183-Tagesregelung) einfügt. Die OECD weist allerdings explizit darauf hin, dass eine dreißigtägige Frist für die Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit, vor dem Hintergrund des damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwandes, mit Bedacht eingesetzt werden sollte.

FAZIT

Der OECD-Vorschlag zur Besteuerung von Rohstoffindustrien beinhaltet eine Reihe von Änderungen, die darauf abzielen, die Steuerregelungen für diese Industrie zu modernisieren und zu vereinheitlichen. Der Vorschlags sieht eine drastische Senkung der Betriebsstättenschwelle, die Einbeziehung von Offshore- und Onshore-Tätigkeiten, eine Anpassung der Besteuerungsregeln für Veräußerungsgewinne sowie die Ausweitung der Besteuerungsrechte über Arbeitseinkommen vor. Der Vorschlag darf als weiterer Schritt der Öffnung gegenüber den Interessen von Entwicklungsländern gewertet werden.

Die dreißigtägige Frist ist jedenfalls im Vergleich zu den klassischen Betriebsstättentatbeständen, mit Fristen von mindestens sechs Monaten, sehr kurz, zumal diese 30 Tage nicht zusammenhängend, dh verteilt über einen flexiblen Zwölfmonatszeitraum stattfinden können. Dies macht die Überwachung dieser Frist in der Praxis sicherlich zu einer Herausforderung und wird vielfach zu nachträglichen Abwicklungsverpflichten führen. 

Vor allem im Hinblick auf Onshore-Tätigkeiten darf der weite Anwendungsbereich nicht übersehen werden. Aufgrund der Ausweitung auf „spezialisierte Dienstleistungen“ ist diese Bestimmung auch für viele Dienstleister der Rohstoffindustrie zu beachten, wie zB Maschinen- und Anlagenbauer die entsprechende Operationen vor Ort ausstatten. Aufgrund der spezielleren Regelung ist davon auszugehen, dass die neue Regelung der Bestimmung über Bau- und Montagebetriebsstätten iSd Art 5 Abs 3 OECD-MA vorgeht. Diese sieht (zumindest) im OECD-MA eine vergleichsweise lange Frist von zwölf Monaten vor. Bei Aufnahme des aktuellen OECD-Vorschlags in ein DBA, würde das Betriebsstättenrisiko für betroffene Dienstleister folglich erheblich steigen.

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