Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU sowie aus der Zollunion sind viele Unsicherheiten bei der nunmehrigen Abwicklung von Liefergeschäften nach Großbritannien verbunden. Ganz wesentlich ist die Frage, welcher Vertragspartner als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer anzusehen ist und in weiterer Folge, auf welche Art und Weise, den diesbezüglichen Vorsteuerabzug geltend machen darf? Zur Problematik der EUSt-Schuldnerschaft sowie der Vorsteuerabzugsberechtigung erfolgten wichtige Klarstellungen seitens der britischen Behörde, worüber wir Sie im nachfolgenden Beitrag näher informieren möchten. Weiters erläutern wir die Erleichterungen des sog. „postponed import VAT accounting“, wodurch eine Vorfinanzierung britischer Einfuhrumsatzsteuer unterbleiben kann. Ebenso erfahren Sie, was bei der Führung von Präferenznachweisen zur Beantragung der Zollfreiheit für Lieferungen nach Großbritannien zu beachten ist.
In diesem Beitrag möchten wir Sie über wesentliche Klarstellungen der britischen Behörde (HMRC) zur Vorsteuerabzugsberechtigung hinsichtlich der britischen Einfuhrumsatzsteuer, das neu eingeführte „postponed import VAT accounting“ sowie die erforderlichen Nachweise zur Inanspruchnahme der Zollfreiheit von Importen in Großbritannien informieren:
Umsatzsteuerliche Abwicklung von Importen in Großbritannien
Klarstellungen zur Einfuhrumsatzsteuer
Aufgrund des nunmehrigen Drittlandsstatus Großbritanniens ist bei der umsatzsteuerlichen Abwicklung von Liefergeschäften nach Großbritannien ganz entscheidend, welcher der beteiligten Vertragspartner für die Verzollung und Versteuerung in Großbritannien zuständig ist. Während die Verwendung der Lieferklausel „DDP“ (Delivered Duty Paid – „Geliefert verzollt“) für Lieferungen nach Großbritannien bis 31.12.2020 noch unproblematisch war, hat dies nunmehr erhebliche Auswirkungen auf die umsatzsteuerliche Abwicklung. Bei einer Lieferung mit dem Incoterm DDP übernimmt nämlich der Lieferant die Einfuhr- und Zollabwicklung in Großbritannien, dh er wird Schuldner der britischen Einfuhrumsatzsteuer und erbringt in weiterer Folge eine in Großbritannien steuerbare und steuerpflichtige Inlandslieferung. Dementsprechend ist seinerseits auch eine umsatzsteuerliche Registrierung in Großbritannien notwendig.
Grundsätzlich ist der Zollanmelder Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Das Recht auf Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer hat dabei jener Unternehmer, welcher über die Gegenstände zum Zeitpunkt der Einfuhr verfügungsberechtigt ist (umsatzsteuerliche Verfügungsmacht). In der Praxis kann sich allerdings die Problematik ergeben, dass der Zollanmelder und der über die Gegenstände Verfügungsberechtigte nichtident sind, wodurch die Steuerschuld sowie das Recht auf Vorsteuerabzug nicht ein und demselben Unternehmen zugeteilt sind. Folglich ergibt sich das Risiko, dass der Zollanmelder den Vorsteuerabzug zu Unrecht in Anspruch nimmt. Auf diese Problematik reagierte die britische Finanzbehörde HMRC bereits mit zwei Schreiben in den Jahren 2019 und 2020; dies mit der Intention, die korrekte Abwicklung aufzuzeigen bzw. auf häufige Fehler hinzuweisen. Trotz gut gemeinter Absichten führten diese Schreiben jedoch zu erheblichen Unsicherheiten, da – laut HMRC – anstatt der Verfügungsmacht über die Gegenstände bei der Zollanmeldung plötzlich die formale Eigentümerstellung ausschlaggebend sein sollte. Grundsätzlich ist es zwar zutreffend, dass der Eigentümer zum Zeitpunkt der Einfuhr über die Gegenstände verfügungsberechtigt ist, allerdings gibt es in der Praxis hiezu auch Ausnahmen. Außerdem kann es vorkommen, dass die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht und das zivilrechtliche Eigentum nicht zeitgleich auf den Abnehmer übergehen.
Diese Schreiben des HMRC sorgten demnach nicht für die erhofften Klarstellungen, sondern führten vielmehr zu erheblichen Unsicherheiten bei Lieferungen nach Großbritannien. Vor allem bei Liefergeschäften auf Basis der Lieferklausel „DAP“ (Delivered at Place – „Geliefert benannter Ort“, dh der Verkäufer ist für die Lieferung der Ware inkl. Transportkosten bis zum benannten Bestimmungsort beim Käufer zuständig, NICHT jedoch für die Durchführung der erforderlichen Einfuhrformalitäten) sowie bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt war unklar, wer aus Sicht der britischen Behörde vorsteuerabzugsberechtigt ist. Es wurde gar befürchtet, dass bei strenger Auslegung dieser Sichtweise die Verwendung des Incoterms DAP zu einer verpflichtenden umsatzsteuerlichen Registrierung für den ausländischen Lieferanten in Großbritannien führen könnte.
Im „Internal Manual“ kam es seitens des HMRC nunmehr zu einer erfreulichen Klarstellung: HMRC fordert formal zwar nach wie vor die Eigentümerstellung, ergänzt dazu jedoch, dass diese umsatzsteuerlich zu verstehen sei, wobei der Abnehmer in weiterer Folge die Verfügungsmacht über die Gegenstände erhalten muss.
Für gewöhnliche Liefergeschäfte bedeutet diese Klarstellung, dass der Abnehmer auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, wenn er für die Einfuhrformalitäten zuständig ist, und zugleich das Recht auf Vorsteuerabzug hat, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind (Hinweis: Problematisch bleiben jene Liefergeschäfte, bei denen eine umsatzsteuerliche Lieferung angenommen wird, allerdings kein Eigentumsübergang erfolgt).
Zur Geltendmachung des Rechts auf Vorsteuerabzug der entrichteten britischen Einfuhrumsatzsteuer wird ein auf das Unternehmen ausgestellter C79-Bescheid benötigt. Im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU sowie aus der Zollunion wurde in Großbritannien ergänzend dazu auch die Möglichkeit des sog. „postponed import VAT accounting“ als Erleichterung bei der Durchführung von Importen in Großbritannien geschaffen:
Die Abwicklung von Importen mittels „postponed import VAT accounting“ ist freiwillig und kann im Rahmen der Zollanmeldung ausgewählt werden (die Anwendung ist nur in gewissen Fällen für in Großbritannien ansässige Unternehmen verpflichtend). Es handelt sich dabei um eine Art unbares EUSt-Verfahren, wonach die Einfuhrumsatzsteuer bei der Durchführung von Importen in Großbritannien nicht an die Zollbehörde abgeführt werden muss. Stattdessen erfolgt die Meldung der entsprechenden Einfuhrumsatzsteuer in der britischen Umsatzsteuererklärung als geschuldete Umsatzsteuer, wobei gleichzeitig in derselben Höhe der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird. Dieses Verfahren, welches in Großbritannien zur Umsatzsteuer registrierte Unternehmen anwenden können, bietet somit einen Liquiditätsvorteil, zumal die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer nicht effektiv abgeführt werden muss (dh keine Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer mit anschließender – zeitlich verzögerter – Beantragung einer Rückerstattung).
Die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer sowie auch der Vorsteuerabzug muss in der britischen Umsatzsteuererklärung jenes Zeitraums erfasst werden, in welchem die Importe durchgeführt wurden. Als Grundlage zur Meldung in der entsprechenden britischen Umsatzsteuererklärung dient das sog. „postponed import VAT statement“, welches seitens der britischen Behörde HMRC monatlich bis zum 6. Werktag des Folgemonates bereitgestellt wird. Es handelt sich hiebei um eine monatliche Übersicht, welche den Gesamtbetrag der britischen Einfuhrumsatzsteuer des jeweiligen Monats ausweist. Das genannte Statement wird online als pdf-Datei durch die Behörde zur Verfügung gestellt (Achtung: dieses Statement wird durch HMRC nur für einen Zeitraum von 6 Monaten bereitgestellt, sodass ein rechtzeitiger Download einschließlich Sicherung unbedingt notwendig ist). Bei Inanspruchnahme des neuen Verfahrens ist sicherzustellen, dass dieses Statement entsprechend in die Buchhaltung aufgenommen wird, damit eine ordnungsgemäße Meldung erfolgen kann und der Vorsteuerabzug nicht gefährdet wird. Um dieses Statement online abrufen zu können, wird eine „Government Gateway ID“ (Zugangsdaten für das HMRC-Online-Portal) benötigt und ist es laut Auskunft der britischen Behörde zudem nötig, den Zugang zum „Customs Declaration Service“ (britisches Zoll-Serviceportal) zu beantragen.
Zollabwicklung – Präferenznachweise
Das Handels- und Kooperationsabkommen der EU mit Großbritannien („Trade and Cooperation Agreement“), welches seit 1.1.2021 (vorläufig) anwendbar ist, gewährt eine Zollfreiheit für Ursprungserzeugnisse aus der EU und Großbritannien. Wie bereits in unserem NL-Beitrag „BREXIT | Auswirkungen des Handelsabkommens auf Umsatzsteuer und Zoll“ vom 27.1.2021 ausgeführt, sind jene Waren von Einfuhrzöllen befreit, die ihren präferenziellen Ursprung im jeweils anderen Gebiet haben. Dementsprechend gilt die Zollbefreiung nicht uneingeschränkt und ohne jegliche Bedingungen, sondern kommt nur in Betracht, wenn die Waren nachweislich die jeweiligen Ursprungsregelungen erfüllen.
Wird eine Zollpräferenzbehandlung beantragt, so ist zu beachten, dass der Einführer sowohl für die Richtigkeitdes Antrages als auch für die Einhaltung der Voraussetzungen des Abkommens verantwortlich ist.
Grundsätzlich ist der Präferenzanspruch mit Vorlage des Präferenznachweises im Rahmen der Zollanmeldung zur Überführung in den freien Verkehr geltend zu machen. Eine nachträgliche Geltendmachung ist möglich, sofern er innerhalb von 3 Jahren nach dem Einfuhrdatum eingereicht und mit einem gültigen Ursprungsnachweis versehen wird (sofern alle Voraussetzungen erfüllt werden, kommt es in diesen Fällen zur Rückerstattung bereits entrichteter Zollabgaben).
Im Rahmen der Beantragung einer Zollpräferenzbehandlung gibt es zwei Möglichkeiten derFührung von Präferenznachweisen (wie bereits im oa NL-Beitrag ausgeführt, ist ein zollamtlich bestätigter Präferenznachweis NICHT vorgesehen):
Statement on origin
Der Importeur der Ware in Großbritannien verwendet ein „Statement on origin“, welches seitens des zollrechtlichen Ausführers aus der EU ausgestellt wird. Die Erklärung zum Ursprung der Ware wird durch den zollrechtlichen Ausführer auf der Rechnung oder einem anderen Handelsdokument ergänzt (zB Proforma-Rechnungen oder Versanddokumente wie beispielsweise Packliste oder Lieferschein). Es handelt sich somit um kein eigenständiges Formular. Entscheidend ist, dass das Ursprungsprodukt im Rahmen dieser Erklärung (auch in elektronischer Form möglich) so detailliert beschrieben wird, dass es problemlos identifiziert werden kann. Hinweis: Sollte die Rechnung oder das Handelsdokument auch andere Produkte umfassen, müssen diese klar ersichtlich von den Ursprungsprodukten unterschieden werden.
Unter diesem LINK ist der vorgegebene Text für die Ursprungserklärung ersichtlich.
Hinweis: Die Ursprungserklärung kann in englischer Sprache bzw. in jeder anderen in der EU verwendeten Amtssprache abgegeben werden (empfohlen wird jedoch die Verwendung derselben Sprache wie in dem um die Ursprungserklärung zu ergänzenden Dokument).
Das „Statement on origin“ kann sich auf eine einzelne Lieferung oder auch auf mehrere Lieferungen identischer Produkte innerhalb eines in der Ursprungserklärung angegebenen Zeitraums (jedoch nicht länger als 12 Monate ab dem Datum der ersten Einfuhr) beziehen.
Die Erklärung zum Ursprung von Erzeugnissen schließt auch Angaben zur Ursprungseigenschaft von Vormaterialien ein, die zur Herstellung eines Produktes verwendet werden, was seitens des Lieferanten grundsätzlich in Form von Lieferantenerklärungen nachzuweisen ist.
Im Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien wurde festgelegt, dass eine Erklärung zum Ursprung nur abgegeben werden kann, wenn eine Erfassung als „registrierter Ausführer (REX)“ vorliegt (vor allem relevant bei Warenwert über EUR 6.000 / GBP 5.500). Während auf europäischer Seite für den zollrechtlichen Ausführer eine eigene Registrierung zur Erlangung einer REX-Nummer notwendig ist, wird auf britischer Seite auf eine gesonderte Registrierung in diesem Fall verzichtet. Als Ersatz für die REX-Nummer ist die britische EORI-Nummer des Ausführers auf der Rechnung anzuführen.
Die Aufbewahrungsfrist für die Ursprungserklärung beträgt 4 Jahre ab Durchführung des Imports (seitens des Exporteurs sind auch alle weiteren Unterlagen bzw. Aufzeichnungen aufbewahren, aus denen hervorgeht, dass das Produkt die Anforderungen für die Erlangung des Ursprungsstatus erfüllt, beispielsweise Lieferantenerklärungen).
Importer`s knowledge
Alternativ zum „Statement on origin“ kann der Importeur die Zollpräferenzbehandlung auf Grundlage seiner Gewissheit über den Ursprung der Ware beantragen. Da der Importeur für die Inanspruchnahme dieser Option sicherstellen muss, dass die Produkte den einschlägigen Ursprungsregeln entsprechen, muss er ggfs detaillierte Informationen über die Produktion beim Hersteller bzw. Exporteur anfordern. Da es sich dabei oftmals um wirtschaftlich sensible Daten handelt, wird in der Praxis häufig die Problematik bestehen, dass der Hersteller bzw. Exporteur diese nicht preisgeben möchte. In diesen Fällen kann die Zollpräferenzbehandlung aber dennoch in Anspruch genommen werden, sofern eben eine Ursprungserklärung (Statement on origin) ausgestellt wird.
FAZIT
Aufgrund der dargestellten Implikationen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union sowie aus der Zollunion auf die Abwicklung von Lieferungen nach Großbritannien empfehlen wir Ihnen, bereits bestehende Lieferbeziehungen genau unter die Lupe zu nehmen, dh insbesondere zu prüfen, wer fortan für die Einfuhr- und Zollabwicklung in Großbritannien verantwortlich ist. Dies ist entscheidend, um eine etwaige Registrierungsverpflichtung bzw. den Lieferort zu bestimmen und ebenso für die Feststellung, wer Schuldner der britischen Einfuhrumsatzsteuer ist bzw. wer in weiterer Folge den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen darf.
Auch bei der Planung neuer Liefergeschäfte ist es ganz wesentlich, auf die korrekte Verwendung der Incoterms zu achten, um eine etwaige Registrierungsverpflichtung zu erkennen bzw. zu vermeiden und das Recht auf Vorsteuerabzug der britischen Einfuhrumsatzsteuer nicht zu gefährden.
Sollten Sie im Rahmen von Liefergeschäften Schuldner der britischen Einfuhrumsatzsteuer sein, achten Sie bitte auf die für den Vorsteuerabzug erforderlichen Nachweise (C79-Bescheid bzw. „postponed import VAT statement“ beim neuen Verfahren „postponed import VAT accounting“). Für eine Inanspruchnahme der Zollbefreiung muss zudem der erforderliche Präferenznachweis vorliegen.
Für Rückfragen zu diesen sehr praxisrelevanten Themen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen Ansprechpartner unserer Service Line „Indirect Tax & Customs“ gerne zur Verfügung. In diesem Zusammenhang dürfen wir darauf hinweisen, dass drei ExpertInnen dieser Service Line nunmehr auch zertifizierte Zollfachkräfte („Certified by Austrian Standards“) sind und Sie daher mit fundiertem Wissen in Zollfragen noch besser unterstützen können. Nähere Informationen dazu finden Sie HIER.
Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU sowie aus der Zollunion sind viele Unsicherheiten bei der nunmehrigen Abwicklung von Liefergeschäften nach Großbritannien verbunden. Ganz wesentlich ist die Frage, welcher Vertragspartner als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer anzusehen ist und in weiterer Folge, auf welche Art und Weise, den diesbezüglichen Vorsteuerabzug geltend machen darf? Zur Problematik der EUSt-Schuldnerschaft sowie der Vorsteuerabzugsberechtigung erfolgten wichtige Klarstellungen seitens der britischen Behörde, worüber wir Sie im nachfolgenden Beitrag näher informieren möchten. Weiters erläutern wir die Erleichterungen des sog. „postponed import VAT accounting“, wodurch eine Vorfinanzierung britischer Einfuhrumsatzsteuer unterbleiben kann. Ebenso erfahren Sie, was bei der Führung von Präferenznachweisen zur Beantragung der Zollfreiheit für Lieferungen nach Großbritannien zu beachten ist.
Über den sog. „BREXIT“ und die daraus resultierenden steuerlichen Konsequenzen haben wir im Rahmen unseres Newsletters bereits mehrmals informiert und dabei insbesondere auch konkrete Themen der Bereiche Umsatzsteuer und Zoll angesprochen (vgl dazu insbesondere die NL-Beiträge „BREXIT | Änderungen bei Umsatzsteuer & Zoll ab 1.1.2021“ vom 18.11.2020 sowie „BREXIT | Auswirkungen des Handelsabkommens auf Umsatzsteuer und Zoll“ vom 27.1.2021).
In diesem Beitrag möchten wir Sie über wesentliche Klarstellungen der britischen Behörde (HMRC) zur Vorsteuerabzugsberechtigung hinsichtlich der britischen Einfuhrumsatzsteuer, das neu eingeführte „postponed import VAT accounting“ sowie die erforderlichen Nachweise zur Inanspruchnahme der Zollfreiheit von Importen in Großbritannien informieren:
Umsatzsteuerliche Abwicklung von Importen in Großbritannien
Klarstellungen zur Einfuhrumsatzsteuer
Aufgrund des nunmehrigen Drittlandsstatus Großbritanniens ist bei der umsatzsteuerlichen Abwicklung von Liefergeschäften nach Großbritannien ganz entscheidend, welcher der beteiligten Vertragspartner für die Verzollung und Versteuerung in Großbritannien zuständig ist. Während die Verwendung der Lieferklausel „DDP“ (Delivered Duty Paid – „Geliefert verzollt“) für Lieferungen nach Großbritannien bis 31.12.2020 noch unproblematisch war, hat dies nunmehr erhebliche Auswirkungen auf die umsatzsteuerliche Abwicklung. Bei einer Lieferung mit dem Incoterm DDP übernimmt nämlich der Lieferant die Einfuhr- und Zollabwicklung in Großbritannien, dh er wird Schuldner der britischen Einfuhrumsatzsteuer und erbringt in weiterer Folge eine in Großbritannien steuerbare und steuerpflichtige Inlandslieferung. Dementsprechend ist seinerseits auch eine umsatzsteuerliche Registrierung in Großbritannien notwendig.
Grundsätzlich ist der Zollanmelder Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Das Recht auf Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer hat dabei jener Unternehmer, welcher über die Gegenstände zum Zeitpunkt der Einfuhr verfügungsberechtigt ist (umsatzsteuerliche Verfügungsmacht). In der Praxis kann sich allerdings die Problematik ergeben, dass der Zollanmelder und der über die Gegenstände Verfügungsberechtigte nicht ident sind, wodurch die Steuerschuld sowie das Recht auf Vorsteuerabzug nicht ein und demselben Unternehmen zugeteilt sind. Folglich ergibt sich das Risiko, dass der Zollanmelder den Vorsteuerabzug zu Unrecht in Anspruch nimmt. Auf diese Problematik reagierte die britische Finanzbehörde HMRC bereits mit zwei Schreiben in den Jahren 2019 und 2020; dies mit der Intention, die korrekte Abwicklung aufzuzeigen bzw. auf häufige Fehler hinzuweisen. Trotz gut gemeinter Absichten führten diese Schreiben jedoch zu erheblichen Unsicherheiten, da – laut HMRC – anstatt der Verfügungsmacht über die Gegenstände bei der Zollanmeldung plötzlich die formale Eigentümerstellung ausschlaggebend sein sollte. Grundsätzlich ist es zwar zutreffend, dass der Eigentümer zum Zeitpunkt der Einfuhr über die Gegenstände verfügungsberechtigt ist, allerdings gibt es in der Praxis hiezu auch Ausnahmen. Außerdem kann es vorkommen, dass die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht und das zivilrechtliche Eigentum nicht zeitgleich auf den Abnehmer übergehen.
Diese Schreiben des HMRC sorgten demnach nicht für die erhofften Klarstellungen, sondern führten vielmehr zu erheblichen Unsicherheiten bei Lieferungen nach Großbritannien. Vor allem bei Liefergeschäften auf Basis der Lieferklausel „DAP“ (Delivered at Place – „Geliefert benannter Ort“, dh der Verkäufer ist für die Lieferung der Ware inkl. Transportkosten bis zum benannten Bestimmungsort beim Käufer zuständig, NICHT jedoch für die Durchführung der erforderlichen Einfuhrformalitäten) sowie bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt war unklar, wer aus Sicht der britischen Behörde vorsteuerabzugsberechtigt ist. Es wurde gar befürchtet, dass bei strenger Auslegung dieser Sichtweise die Verwendung des Incoterms DAP zu einer verpflichtenden umsatzsteuerlichen Registrierung für den ausländischen Lieferanten in Großbritannien führen könnte.
Im „Internal Manual“ kam es seitens des HMRC nunmehr zu einer erfreulichen Klarstellung: HMRC fordert formal zwar nach wie vor die Eigentümerstellung, ergänzt dazu jedoch, dass diese umsatzsteuerlich zu verstehen sei, wobei der Abnehmer in weiterer Folge die Verfügungsmacht über die Gegenstände erhalten muss.
Für gewöhnliche Liefergeschäfte bedeutet diese Klarstellung, dass der Abnehmer auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, wenn er für die Einfuhrformalitäten zuständig ist, und zugleich das Recht auf Vorsteuerabzug hat, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind (Hinweis: Problematisch bleiben jene Liefergeschäfte, bei denen eine umsatzsteuerliche Lieferung angenommen wird, allerdings kein Eigentumsübergang erfolgt).
Zur Geltendmachung des Rechts auf Vorsteuerabzug der entrichteten britischen Einfuhrumsatzsteuer wird ein auf das Unternehmen ausgestellter C79-Bescheid benötigt. Im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU sowie aus der Zollunion wurde in Großbritannien ergänzend dazu auch die Möglichkeit des sog. „postponed import VAT accounting“ als Erleichterung bei der Durchführung von Importen in Großbritannien geschaffen:
Neues Verfahren: „postponed import VAT accounting“
Die Abwicklung von Importen mittels „postponed import VAT accounting“ ist freiwillig und kann im Rahmen der Zollanmeldung ausgewählt werden (die Anwendung ist nur in gewissen Fällen für in Großbritannien ansässige Unternehmen verpflichtend). Es handelt sich dabei um eine Art unbares EUSt-Verfahren, wonach die Einfuhrumsatzsteuer bei der Durchführung von Importen in Großbritannien nicht an die Zollbehörde abgeführt werden muss. Stattdessen erfolgt die Meldung der entsprechenden Einfuhrumsatzsteuer in der britischen Umsatzsteuererklärung als geschuldete Umsatzsteuer, wobei gleichzeitig in derselben Höhe der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird. Dieses Verfahren, welches in Großbritannien zur Umsatzsteuer registrierte Unternehmen anwenden können, bietet somit einen Liquiditätsvorteil, zumal die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer nicht effektiv abgeführt werden muss (dh keine Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer mit anschließender – zeitlich verzögerter – Beantragung einer Rückerstattung).
Die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer sowie auch der Vorsteuerabzug muss in der britischen Umsatzsteuererklärung jenes Zeitraums erfasst werden, in welchem die Importe durchgeführt wurden. Als Grundlage zur Meldung in der entsprechenden britischen Umsatzsteuererklärung dient das sog. „postponed import VAT statement“, welches seitens der britischen Behörde HMRC monatlich bis zum 6. Werktag des Folgemonates bereitgestellt wird. Es handelt sich hiebei um eine monatliche Übersicht, welche den Gesamtbetrag der britischen Einfuhrumsatzsteuer des jeweiligen Monats ausweist. Das genannte Statement wird online als pdf-Datei durch die Behörde zur Verfügung gestellt (Achtung: dieses Statement wird durch HMRC nur für einen Zeitraum von 6 Monaten bereitgestellt, sodass ein rechtzeitiger Download einschließlich Sicherung unbedingt notwendig ist). Bei Inanspruchnahme des neuen Verfahrens ist sicherzustellen, dass dieses Statement entsprechend in die Buchhaltung aufgenommen wird, damit eine ordnungsgemäße Meldung erfolgen kann und der Vorsteuerabzug nicht gefährdet wird. Um dieses Statement online abrufen zu können, wird eine „Government Gateway ID“ (Zugangsdaten für das HMRC-Online-Portal) benötigt und ist es laut Auskunft der britischen Behörde zudem nötig, den Zugang zum „Customs Declaration Service“ (britisches Zoll-Serviceportal) zu beantragen.
Zollabwicklung – Präferenznachweise
Das Handels- und Kooperationsabkommen der EU mit Großbritannien („Trade and Cooperation Agreement“), welches seit 1.1.2021 (vorläufig) anwendbar ist, gewährt eine Zollfreiheit für Ursprungserzeugnisse aus der EU und Großbritannien. Wie bereits in unserem NL-Beitrag „BREXIT | Auswirkungen des Handelsabkommens auf Umsatzsteuer und Zoll“ vom 27.1.2021 ausgeführt, sind jene Waren von Einfuhrzöllen befreit, die ihren präferenziellen Ursprung im jeweils anderen Gebiet haben. Dementsprechend gilt die Zollbefreiung nicht uneingeschränkt und ohne jegliche Bedingungen, sondern kommt nur in Betracht, wenn die Waren nachweislich die jeweiligen Ursprungsregelungen erfüllen.
Wird eine Zollpräferenzbehandlung beantragt, so ist zu beachten, dass der Einführer sowohl für die Richtigkeit des Antrages als auch für die Einhaltung der Voraussetzungen des Abkommens verantwortlich ist.
Grundsätzlich ist der Präferenzanspruch mit Vorlage des Präferenznachweises im Rahmen der Zollanmeldung zur Überführung in den freien Verkehr geltend zu machen. Eine nachträgliche Geltendmachung ist möglich, sofern er innerhalb von 3 Jahren nach dem Einfuhrdatum eingereicht und mit einem gültigen Ursprungsnachweis versehen wird (sofern alle Voraussetzungen erfüllt werden, kommt es in diesen Fällen zur Rückerstattung bereits entrichteter Zollabgaben).
Im Rahmen der Beantragung einer Zollpräferenzbehandlung gibt es zwei Möglichkeiten der Führung von Präferenznachweisen (wie bereits im oa NL-Beitrag ausgeführt, ist ein zollamtlich bestätigter Präferenznachweis NICHT vorgesehen):
Der Importeur der Ware in Großbritannien verwendet ein „Statement on origin“, welches seitens des zollrechtlichen Ausführers aus der EU ausgestellt wird. Die Erklärung zum Ursprung der Ware wird durch den zollrechtlichen Ausführer auf der Rechnung oder einem anderen Handelsdokument ergänzt (zB Proforma-Rechnungen oder Versanddokumente wie beispielsweise Packliste oder Lieferschein). Es handelt sich somit um kein eigenständiges Formular. Entscheidend ist, dass das Ursprungsprodukt im Rahmen dieser Erklärung (auch in elektronischer Form möglich) so detailliert beschrieben wird, dass es problemlos identifiziert werden kann. Hinweis: Sollte die Rechnung oder das Handelsdokument auch andere Produkte umfassen, müssen diese klar ersichtlich von den Ursprungsprodukten unterschieden werden.
Unter diesem LINK ist der vorgegebene Text für die Ursprungserklärung ersichtlich.
Hinweis: Die Ursprungserklärung kann in englischer Sprache bzw. in jeder anderen in der EU verwendeten Amtssprache abgegeben werden (empfohlen wird jedoch die Verwendung derselben Sprache wie in dem um die Ursprungserklärung zu ergänzenden Dokument).
Das „Statement on origin“ kann sich auf eine einzelne Lieferung oder auch auf mehrere Lieferungen identischer Produkte innerhalb eines in der Ursprungserklärung angegebenen Zeitraums (jedoch nicht länger als 12 Monate ab dem Datum der ersten Einfuhr) beziehen.
Die Erklärung zum Ursprung von Erzeugnissen schließt auch Angaben zur Ursprungseigenschaft von Vormaterialien ein, die zur Herstellung eines Produktes verwendet werden, was seitens des Lieferanten grundsätzlich in Form von Lieferantenerklärungen nachzuweisen ist.
Im Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien wurde festgelegt, dass eine Erklärung zum Ursprung nur abgegeben werden kann, wenn eine Erfassung als „registrierter Ausführer (REX)“ vorliegt (vor allem relevant bei Warenwert über EUR 6.000 / GBP 5.500). Während auf europäischer Seite für den zollrechtlichen Ausführer eine eigene Registrierung zur Erlangung einer REX-Nummer notwendig ist, wird auf britischer Seite auf eine gesonderte Registrierung in diesem Fall verzichtet. Als Ersatz für die REX-Nummer ist die britische EORI-Nummer des Ausführers auf der Rechnung anzuführen.
Die Aufbewahrungsfrist für die Ursprungserklärung beträgt 4 Jahre ab Durchführung des Imports (seitens des Exporteurs sind auch alle weiteren Unterlagen bzw. Aufzeichnungen aufbewahren, aus denen hervorgeht, dass das Produkt die Anforderungen für die Erlangung des Ursprungsstatus erfüllt, beispielsweise Lieferantenerklärungen).
Alternativ zum „Statement on origin“ kann der Importeur die Zollpräferenzbehandlung auf Grundlage seiner Gewissheit über den Ursprung der Ware beantragen. Da der Importeur für die Inanspruchnahme dieser Option sicherstellen muss, dass die Produkte den einschlägigen Ursprungsregeln entsprechen, muss er ggfs detaillierte Informationen über die Produktion beim Hersteller bzw. Exporteur anfordern. Da es sich dabei oftmals um wirtschaftlich sensible Daten handelt, wird in der Praxis häufig die Problematik bestehen, dass der Hersteller bzw. Exporteur diese nicht preisgeben möchte. In diesen Fällen kann die Zollpräferenzbehandlung aber dennoch in Anspruch genommen werden, sofern eben eine Ursprungserklärung (Statement on origin) ausgestellt wird.
FAZIT
Aufgrund der dargestellten Implikationen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union sowie aus der Zollunion auf die Abwicklung von Lieferungen nach Großbritannien empfehlen wir Ihnen, bereits bestehende Lieferbeziehungen genau unter die Lupe zu nehmen, dh insbesondere zu prüfen, wer fortan für die Einfuhr- und Zollabwicklung in Großbritannien verantwortlich ist. Dies ist entscheidend, um eine etwaige Registrierungsverpflichtung bzw. den Lieferort zu bestimmen und ebenso für die Feststellung, wer Schuldner der britischen Einfuhrumsatzsteuer ist bzw. wer in weiterer Folge den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen darf.
Auch bei der Planung neuer Liefergeschäfte ist es ganz wesentlich, auf die korrekte Verwendung der Incoterms zu achten, um eine etwaige Registrierungsverpflichtung zu erkennen bzw. zu vermeiden und das Recht auf Vorsteuerabzug der britischen Einfuhrumsatzsteuer nicht zu gefährden.
Sollten Sie im Rahmen von Liefergeschäften Schuldner der britischen Einfuhrumsatzsteuer sein, achten Sie bitte auf die für den Vorsteuerabzug erforderlichen Nachweise (C79-Bescheid bzw. „postponed import VAT statement“ beim neuen Verfahren „postponed import VAT accounting“). Für eine Inanspruchnahme der Zollbefreiung muss zudem der erforderliche Präferenznachweis vorliegen.
Für Rückfragen zu diesen sehr praxisrelevanten Themen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen Ansprechpartner unserer Service Line „Indirect Tax & Customs“ gerne zur Verfügung. In diesem Zusammenhang dürfen wir darauf hinweisen, dass drei ExpertInnen dieser Service Line nunmehr auch zertifizierte Zollfachkräfte („Certified by Austrian Standards“) sind und Sie daher mit fundiertem Wissen in Zollfragen noch besser unterstützen können. Nähere Informationen dazu finden Sie HIER.
Verfasser:
Sarah Ecker, BSc, BA
Manager Tax und Steuerberater
MMag. Martina Holzweber
Manager Tax und Steuerberater
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