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Klimaneutralität: So meistern Sie die Dekarbonisierung

(Bild: © iStock/Black_Kira)

Nachhaltigkeit steht in Europa weit oben auf der Agenda. Besonders im Klimabereich steht der Kurs fest und ist unumkehrbar: Bis 2050 will Europa klimaneutral sein – Österreich gemäß den Zielen im aktuellen Regierungsprogramm sogar schon bis 2040.

Heute ist der Klimawandel in aller Munde. Global kommt die Umsetzung des Paris Agreements immer mehr ins Rollen, auf Europäischer Ebene wurde der Green Deal und die Klimaneutralität 2050 ausgerufen, während Österreich den Zustand der Klimaneutralität schon mit 2040 anpeilt. Nicht nur die politischen Entwicklungen verleihen dem Thema Rückenwind, sondern auch das öffentliche Interesse steigt merkbar. Für Unternehmen geht es nun darum, sich bestmöglich auf eine klimaneutrale Gesellschaft vorzubereiten, auf regulatorische Entwicklungen zu reagieren und die daraus entstehenden Handlungsimplikationen bestmöglich zu verstehen und umzusetzen.

Immer mehr Unternehmen bezeichnen sich als klimaneutral. Einfach Zertifikate bis zur Klimaneutralität kaufen, mag mancher denken. Das sind Nachweise von Klimaschutzprojekten außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette – beispielsweise zu Waldschutz oder erneuerbaren Energien, meist in Entwicklungsländern. Doch wer heutzutage seine Klimaneutralität rein mit sog. Offsetting erreicht, läuft jedoch Gefahr, sich einer Unterlassungsklage ausgesetzt zu sehen – und damit erheblichen Reputationsschaden zu nehmen. In jüngster Vergangenheit gab es dazu bereits Unterlassungsklagen.

Um diesen Reputationsrisiken aus dem Weg zu gehen ist vor allem eins notwendig: ein strukturierter Plan für den Umgang mit Emissionen, die innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette entstehen. Frei nach dem Motto: “Nur, wer auch vor der eigenen Haustür kehrt, ist auch glaubwürdig genug, den letzten Schritt mit externen Zertifikaten zu gehen.“

Dafür dient das Paris Agreement als guter Rahmen. Hier wurde der gesamtgesellschaftliche Rahmen beschlossen, innerhalb dessen die Erwärmung begrenzt werden soll. Die globale Erderwärmung soll auf maximal 2°C gegenüber vorindustriellen Werten begrenzt werden und zudem sollen Anstrengungen unternommen werden, den Anstieg auf 1,5°C zu begrenzen.

Der Weg zur Klimaneutralität

Auf das Paris Agreement bezieht sich auch die Science Based Targets intiative (SBTi), eine Organisation, die umfangreiche Kriterien und Leitfäden bereitstellt, welche Klimaziele auf Unternehmensebene im Einklang mit dem Paris Agreement stehen. Für eine Reduktion im Einklang mit dem „weit unter 2 Grad“-Ziel sind beispielsweise 2,5% absoluter Reduktion pro Jahr notwendig, für 1,5°C stolze 4,2% Reduktion pro Jahr. Zudem gibt es Anforderungen an indirekte Emissionen, die außerhalb des eigenen direkten Einflusses, aber noch innerhalb der Wertschöpfungskette auftreten (sog. Scope 3 Emissionen) sowie sektorspezifische Reduktionspfade, mit denen Intensitätsziele gesetzt werden können. Intensitätsziele helfen, Unsicherheiten zur Geschwindigkeit des organischen Wachstums des eigenen Unternehmens aus dem Weg zu gehen, da ein physischer Referenzwert für die Reduktion herangezogen wird, beispielsweise die produzierte Tonne Endprodukt.

Für eine erfolgreiche Zielvalidierung bei der SBTi braucht es vor allem zwei Dinge: Einerseits eine solide Treibhausgasinventur, andererseits ein Verständnis dafür, welches Ziel sowohl ambitioniert als auch erreichbar ist. Für die Treibhausgasinventur sind die Anleitungen des GHG Protokolls, an welches es sich zu halten gilt, ein guter Anfang. Insbesondere in Scope 3 – beispielsweise bei der Bewertung der Emissionen im Einkauf – gibt es aber immer wieder sektorspezifische Anforderungen, die individuell betrachtet und gelöst werden müssen. Hier kann der externe Blick eines Beraters oder Prüfers weiterhelfen und SBTi- sowie GHG-Protokoll-Konformität sicherstellen.

Für eine gute Zielsetzung ist ein durchleuchtender Blick ins eigene Unternehmen notwendig. Welche Reduktionsmaßnahmen sind vorstellbar, bezahlbar, und wurden noch nicht umgesetzt? Sind größere Investitionen oder Umstellungen in den Anlagen notwendig? Wie sieht die Bereitschaft verschiedener Business Lines aus, zur anvisierten Reduktion beizutragen?

Wenn dieser Prozess erfolgreich in die Wege geleitet und ein offizielles Commitment bei der SBTi eingereicht wurde, kann auch das Thema Offsetting in Angriff genommen werden. Auch hier gilt es, Qualitätsstandards zu erfüllen, um Reputationsrisiken zu vermeiden und sicherzustellen, dass die unterstützten Projekte auch wirklich einen Unterschied bewirken. Beispielsweise sind der Verified Carbon Standard (VCS) sowie der Gold Standard hier ein guter Startpunkt, um die Erfüllung von Kriterien wie Zusätzlichkeit (Additionalität) sicherzustellen.

Steigender Regulierungsdruck

Aktuell haben sich nur ein paar wenige Unternehmen[1] mit Hauptsitz in Österreich zu einem Reduktionsziel gemäß der SBTi bekannt. Im letzten Jahr ist es etwas mehr geworden und es könnte sich ab 2025 nochmals deutlich ändern, denn im aktuellen Entwurf einer EU-Richtlinie namens Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist die Offenlegung von Plänen, um sicherzustellen, dass Geschäftsmodell und Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C vereinbar sind, festgehalten. Wie bereits erwähnt stellt die SBTi dafür einen passenden Rahmen dar.

Als weitere Orientierung, welche Geschäftsaktivitäten im Lichte des EU-Klimaziels einen großen Einfluss haben, gibt es bereits einen umfangreichen Kriterienkatalog. Die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie geben für verschiedene Sektoren und Geschäftsaktivitäten Kriterien und Schwellenwerte vor, an denen sich Unternehmen orientieren können, um ihre Anlagen umzurüsten, Prozesse umzustellen oder sogar Geschäftsmodelle zu überarbeiten. Für die Mustermann-Zement GmbH könnte dies z.B. bedeuten, Maßnahmen zu setzen, um in der Herstellung einer Tonne Zement weniger als 0,469 t CO2-Äq Treibhausgase zu emittieren. Dies entspricht dem Durchschnittswert der 10 % effizientesten Anlagen gemäß der EU ETS Benchmark.

Im Zuge der CSRD bzw. aktuell nach Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungs-gesetz (NaDiVeG) müssen betroffene Unternehmen dann auch über den Anteil Ihrer „grünen“ Geschäftsaktivitäten gemäß der EU-Taxonomie berichten. Mit der CSRD wird sich der Kreis der betroffenen Unternehmen ab 2025 deutlich erweitern – prüfen Sie hier ob Ihr Unternehmen betroffen ist.

Fazit

Die Frage ist nicht OB, sondern eher ab WANN wir als Gesellschaft klimaneutral sind. Jedes Unternehmen braucht eher früher als später einen Plan dafür, wie die Geschäftstätigkeiten in einer klimaneutralen Welt fortgeführt werden können. Externe Zertifikate und Offsetting sind dafür begrenzt hilfreich. Sie dienen eher als ergänzende Maßnahme zur Begleitung von Reduktion der Emissionen in den eigenen Geschäftstätigkeiten. Hierfür gilt die Science Based Targets initiative als führende Plattform, die für eine glaubwürdige Zielsetzung herangezogen werden kann.

Weiterführende Informationen zu diesen Themen finden Sie unter www.eycarbon.at

Autoren:

Georg Rogl, Director, EY Österreich
Bernhard Gehmayr, Manager, EY Österreich


[1] Stand September 2022: 32, Quelle: https://sciencebasedtargets.org/