Fritz Zeder ist Leiter einer Straflegislativabteilung im Bundesministerium für Justiz. Seit 2003 ist er überdies Honorarprofessor am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien. Auf europäischer Ebene vertritt Zeder Österreich seit 1994 in Ratsarbeitsgruppen, seit vielen Jahren auch im CATS (Koordinierungsausschuss für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen). Anlässlich der Präsentation des „Handbuchs Finanzstrafrecht“ in neuer Auflage baten wir ihn zum Interview.
BFGjournal: Die Vorträge zum „Handbuch Finanzstrafrecht“ waren sehr vielversprechend. Es ist sehr lösungsorientiert. Kennen Sie das Werk bereits?
Fritz Zeder: Ich hatte noch nicht viel Zeit, um hineinzusehen. Ich habe aber schon die Vorauflage sehr geschätzt und bin davon überzeugt, dass die neue Auflage noch ganz wesentlich dazugewonnen hat. Der Begriff „Standardwerk“ ist hier jedenfalls höchst berechtigt.
BFGjournal: Sie leiten die Abteilung „Strafrechtliche Nebengesetze und multilaterale Zusammenarbeit in Strafsachen“ des Bundesministeriums für Justiz. Welche Aufgaben beschäftigen Sie derzeit?
Fritz Zeder: Zunächst die Umsetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung. Vorüberlegungen werden zu Reformen des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes, des Suchtmittelgesetzes und des Mediengesetzes angestellt. Auf europäischer Ebene laufen fünf Gesetzgebungsverfahren; indirekt sind wird auch an den BREXIT-Verhandlungen beteiligt. Aufwändig, aber juristisch interessant sind Verfahren vor dem VfGH (neue Gesetzesbeschwerde) und dem EuGH (Vorabentscheidungsersuchen).
BFGjournal: Mit der Europäischen Ermittlungsanordnung in Strafsachen wird das Amts- und Rechtshilfeverfahren auf europäischer Ebene neu geregelt. In welchen Bereichen besteht die Befürchtung (oder besteht der Wunsch), dass die Europäische Union auf nationales Straf- und Strafverfahrensrecht Einfluss nimmt?
Fritz Zeder: Mit der Europäischen Ermittlungsanordnung besteht für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ein einigermaßen umfassender Rechtsbestand, der in mehr als einem Dutzend Rechtsakten geregelt ist. Für die Zukunft sollten die Bestimmungen aber kompakter und die Teilbereiche besser aufeinander abgestimmt werden. Man sollte auch in die Richtung gehen, dass der bisher umsetzungsbedürftige Rechtsbestand (Richtlinien und Rahmenbeschlüsse) in unmittelbar anwendbares Recht umgewandelt wird (Verordnungen). Dazu muss die legistische Qualität viel besser werden, was aber in der Union nur schwer zu erreichen scheint, weil fast jede Bestimmung ein mühsam ausverhandelter Kompromiss ist. Manchmal ist eine Einigung auch nur durch einen mehrdeutigen Text möglich – das nennt man dann „constructive ambiguity“.
Im nationalen Strafverfahrensrecht gibt es bisher sechs Richtlinien, die einzelne Beschuldigtenrechte regeln, und die Opferschutzrichtlinie. Weitere Vorschläge sind in diesem Bereich von der Kommission nicht zu erwarten.
BFGjournal: Das Strafrechtsänderungsgesetz 2015, das auch eine umfassende Neuregelung des Bilanzstrafrechts mit sich gebracht hat, ist mit 1. 1. 2016 in Kraft getreten. Kann schon beurteilt werden, ob sich dieses Gesetzeswerk in der Praxis bewährt hat?
Fritz Zeder: Nach dem neuen Recht ausjudizierte Fälle kenne ich noch nicht. Von Praktikern, aber auch von der akademischen Seite her sagen alle, dass das neue Recht gegenüber dem alten ein wirklicher Fortschritt ist. Das sagt man ja nicht bei jeder Reform. Mich freut das natürlich – schließlich hat sie mich mehrere Jahre beschäftigt.
BFGjournal: Sie haben bereits mehrfach zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz publiziert. Nach § 3 Abs 2 VbVG ist für Straftaten eines Entscheidungsträgers der Verband im Sinne des § 1 Abs 2 VbVG verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Wurden bereits häufig Verbandsgeldbußen verhängt?
Fritz Zeder: Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz hat mich damals auch mehrere Jahre beschäftigt. Es ist im Jahr 2006 in Kraft getreten. Die Häufigkeit seiner Anwendung steigt, manchmal habe ich aber immer noch den Eindruck, dass es nicht von allen Praktikern (in der Justiz und bei den Sicherheitsbehörden) angenommen wird. Die Grundstruktur ist verfassungskonform, wie der VfGH kürzlich ganz klar ausgesprochen hat, und sie wird auch im Ausland gelobt. So läuft etwa in Deutschland eine intensive Debatte darüber, etwas ganz Ähnliches einzuführen. Was bei uns sicher noch verbessert werden könnte, ist das Sanktionssystem: Die Bußen sollten auch für umsatzstarke Verbände fühlbarer werden. Weiters sollte die Bemessung einfacher werden.
BFGjournal: Sie waren gerade in Tallinn bei einem informellen Treffen des Koordinierungsausschusses für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (CATS). Möchten Sie darüber berichten?
Fritz Zeder: Es ging um europäische Datenbanken im Bereich der Strafverfolgung wie zB EURODAC, das Visainformationssystem oder das geplante Strafregisteraustauschsystem für Drittstaatsangehörige (ECRIS-TCN) und insbesondere um die Interoperabilität zwischen diesen Datenbanken. Was mir in diesem Zusammenhang Sorge bereitet: Der Datenschutz hat inzwischen eine Dimension angenommen (nicht zuletzt durch die meines Erachtens überzogenen Urteile des EuGH), durch die sinnvolles Ermitteln zusehends verunmöglicht wird. Die europäische Gesellschaft muss sich wirklich fragen, ob sie nicht einen Mittelweg zwischen Privatsphäre und Strafverfolgung gehen möchte.
BFGjournal: In der zweiten Hälfte des Jahres 2018 wird Österreich zum dritten Mal den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Bei den beiden letzten Perioden in den Jahren 1998 und 2006 wirkten Sie mit. Sind Sie 2018 wieder eingebunden und wenn ja, sind Sie schon mitten in den Vorbereitungsarbeiten?
Fritz Zeder: Ja sicher, wir stecken mitten in der Vorbereitung. Ich freue mich persönlich schon sehr auf diese Aufgabe. Allerdings wird es diesmal schwieriger als bei den letzten beiden Präsidentschaften: einerseits weil sich die Rahmenbedingungen in der Europäischen Union geändert haben (mehr Mitgliedstaaten, volle Einbindung des Europäischen Parlaments auch im Strafrecht), andererseits leider auch durch innerösterreichische Gegebenheiten: Ausgerechnet im Jahr 2018 herrscht besondere Budgetknappheit und auch zusätzliches Personal gibt es nur in engen Grenzen. Als Beamter würde man sich für das Riesenprojekt des EU-Ratsvorsitzes mehr Unterstützung von der Politik erwarten.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… die Umsetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Die Spionin“ von Paolo Coelho.
3) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
Elon Musk.
4) Nach der Arbeit …
… entspanne ich im Garten oder beim Abendessen mit meiner Partnerin.
Der ganze Artikel (BFGjournal 2017, 242) als PDF und bei Lindeonline.
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Fritz Zeder ist Leiter einer Straflegislativabteilung im Bundesministerium für Justiz. Seit 2003 ist er überdies Honorarprofessor am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien. Auf europäischer Ebene vertritt Zeder Österreich seit 1994 in Ratsarbeitsgruppen, seit vielen Jahren auch im CATS (Koordinierungsausschuss für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen). Anlässlich der Präsentation des „Handbuchs Finanzstrafrecht“ in neuer Auflage baten wir ihn zum Interview.
BFGjournal: Die Vorträge zum „Handbuch Finanzstrafrecht“ waren sehr vielversprechend. Es ist sehr lösungsorientiert. Kennen Sie das Werk bereits?
Fritz Zeder: Ich hatte noch nicht viel Zeit, um hineinzusehen. Ich habe aber schon die Vorauflage sehr geschätzt und bin davon überzeugt, dass die neue Auflage noch ganz wesentlich dazugewonnen hat. Der Begriff „Standardwerk“ ist hier jedenfalls höchst berechtigt.
BFGjournal: Sie leiten die Abteilung „Strafrechtliche Nebengesetze und multilaterale Zusammenarbeit in Strafsachen“ des Bundesministeriums für Justiz. Welche Aufgaben beschäftigen Sie derzeit?
Fritz Zeder: Zunächst die Umsetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung. Vorüberlegungen werden zu Reformen des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes, des Suchtmittelgesetzes und des Mediengesetzes angestellt. Auf europäischer Ebene laufen fünf Gesetzgebungsverfahren; indirekt sind wird auch an den BREXIT-Verhandlungen beteiligt. Aufwändig, aber juristisch interessant sind Verfahren vor dem VfGH (neue Gesetzesbeschwerde) und dem EuGH (Vorabentscheidungsersuchen).
BFGjournal: Mit der Europäischen Ermittlungsanordnung in Strafsachen wird das Amts- und Rechtshilfeverfahren auf europäischer Ebene neu geregelt. In welchen Bereichen besteht die Befürchtung (oder besteht der Wunsch), dass die Europäische Union auf nationales Straf- und Strafverfahrensrecht Einfluss nimmt?
Fritz Zeder: Mit der Europäischen Ermittlungsanordnung besteht für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ein einigermaßen umfassender Rechtsbestand, der in mehr als einem Dutzend Rechtsakten geregelt ist. Für die Zukunft sollten die Bestimmungen aber kompakter und die Teilbereiche besser aufeinander abgestimmt werden. Man sollte auch in die Richtung gehen, dass der bisher umsetzungsbedürftige Rechtsbestand (Richtlinien und Rahmenbeschlüsse) in unmittelbar anwendbares Recht umgewandelt wird (Verordnungen). Dazu muss die legistische Qualität viel besser werden, was aber in der Union nur schwer zu erreichen scheint, weil fast jede Bestimmung ein mühsam ausverhandelter Kompromiss ist. Manchmal ist eine Einigung auch nur durch einen mehrdeutigen Text möglich – das nennt man dann „constructive ambiguity“.
Im nationalen Strafverfahrensrecht gibt es bisher sechs Richtlinien, die einzelne Beschuldigtenrechte regeln, und die Opferschutzrichtlinie. Weitere Vorschläge sind in diesem Bereich von der Kommission nicht zu erwarten.
BFGjournal: Das Strafrechtsänderungsgesetz 2015, das auch eine umfassende Neuregelung des Bilanzstrafrechts mit sich gebracht hat, ist mit 1. 1. 2016 in Kraft getreten. Kann schon beurteilt werden, ob sich dieses Gesetzeswerk in der Praxis bewährt hat?
Fritz Zeder: Nach dem neuen Recht ausjudizierte Fälle kenne ich noch nicht. Von Praktikern, aber auch von der akademischen Seite her sagen alle, dass das neue Recht gegenüber dem alten ein wirklicher Fortschritt ist. Das sagt man ja nicht bei jeder Reform. Mich freut das natürlich – schließlich hat sie mich mehrere Jahre beschäftigt.
BFGjournal: Sie haben bereits mehrfach zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz publiziert. Nach § 3 Abs 2 VbVG ist für Straftaten eines Entscheidungsträgers der Verband im Sinne des § 1 Abs 2 VbVG verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Wurden bereits häufig Verbandsgeldbußen verhängt?
Fritz Zeder: Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz hat mich damals auch mehrere Jahre beschäftigt. Es ist im Jahr 2006 in Kraft getreten. Die Häufigkeit seiner Anwendung steigt, manchmal habe ich aber immer noch den Eindruck, dass es nicht von allen Praktikern (in der Justiz und bei den Sicherheitsbehörden) angenommen wird. Die Grundstruktur ist verfassungskonform, wie der VfGH kürzlich ganz klar ausgesprochen hat, und sie wird auch im Ausland gelobt. So läuft etwa in Deutschland eine intensive Debatte darüber, etwas ganz Ähnliches einzuführen. Was bei uns sicher noch verbessert werden könnte, ist das Sanktionssystem: Die Bußen sollten auch für umsatzstarke Verbände fühlbarer werden. Weiters sollte die Bemessung einfacher werden.
BFGjournal: Sie waren gerade in Tallinn bei einem informellen Treffen des Koordinierungsausschusses für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (CATS). Möchten Sie darüber berichten?
Fritz Zeder: Es ging um europäische Datenbanken im Bereich der Strafverfolgung wie zB EURODAC, das Visainformationssystem oder das geplante Strafregisteraustauschsystem für Drittstaatsangehörige (ECRIS-TCN) und insbesondere um die Interoperabilität zwischen diesen Datenbanken. Was mir in diesem Zusammenhang Sorge bereitet: Der Datenschutz hat inzwischen eine Dimension angenommen (nicht zuletzt durch die meines Erachtens überzogenen Urteile des EuGH), durch die sinnvolles Ermitteln zusehends verunmöglicht wird. Die europäische Gesellschaft muss sich wirklich fragen, ob sie nicht einen Mittelweg zwischen Privatsphäre und Strafverfolgung gehen möchte.
BFGjournal: In der zweiten Hälfte des Jahres 2018 wird Österreich zum dritten Mal den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Bei den beiden letzten Perioden in den Jahren 1998 und 2006 wirkten Sie mit. Sind Sie 2018 wieder eingebunden und wenn ja, sind Sie schon mitten in den Vorbereitungsarbeiten?
Fritz Zeder: Ja sicher, wir stecken mitten in der Vorbereitung. Ich freue mich persönlich schon sehr auf diese Aufgabe. Allerdings wird es diesmal schwieriger als bei den letzten beiden Präsidentschaften: einerseits weil sich die Rahmenbedingungen in der Europäischen Union geändert haben (mehr Mitgliedstaaten, volle Einbindung des Europäischen Parlaments auch im Strafrecht), andererseits leider auch durch innerösterreichische Gegebenheiten: Ausgerechnet im Jahr 2018 herrscht besondere Budgetknappheit und auch zusätzliches Personal gibt es nur in engen Grenzen. Als Beamter würde man sich für das Riesenprojekt des EU-Ratsvorsitzes mehr Unterstützung von der Politik erwarten.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… die Umsetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Die Spionin“ von Paolo Coelho.
3) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
Elon Musk.
4) Nach der Arbeit …
… entspanne ich im Garten oder beim Abendessen mit meiner Partnerin.
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